Parlamentskorrespondenz Nr. 779 vom 03.07.2023

Parlament: TOP im Nationalrat am 6. Juli 2023

Primärversorgung, Freiwilligengesetz, Pflegereform, Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt, Krisensicherheitsgesetz, Finanzvorlagen

Wien (PK) – An der Spitze der Tagesordnung der Nationalratssitzung am Donnerstag steht die von der Regierung vorgelegte Primärversorgungsnovelle, mit der unter anderem der Ausbau von Primärversorgungszentren beschleunigt werden soll. Außerdem werden die Abgeordneten über ein neues Barrierefreiheitsgesetz, höhere Fördermittel für Freiwilliges Engagement, einen weiteren Teil der Pflegereform und die Einrichtung einer Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt beraten. Auch zahlreiche Finanzvorlagen wie das Abgabenänderungsgesetz 2023 und ein neues Wagniskapitalfondsgesetz, eine Novelle zum Weingesetz sowie das aufgrund eines Formalfehlers neu eingebrachte Eltern-Kind-Pass-Gesetz stehen zur Diskussion.

Fraglich ist, ob die für das neue Bundes-Krisensicherheitsgesetz nötige Zweidrittelmehrheit zustande kommt. Innenminister Karner hat allerdings bereits öffentlich angekündigt, das Gesetz notfalls abzuspecken, um einen Beschluss mit einfacher Mehrheit zu ermöglichen. Auch für ein neues Zahlungsinformationssystem (CESOP) benötigen die Regierungsparteien Schützenhilfe von zumindest einer großen Oppositionspartei.

Fragestunde

Die Sitzung beginnt um 09.00 Uhr mit einer Fragestunde mit Bildungsminister Martin Polaschek.

Ausbau von Primärversorgungszentren

Aufgrund einer Fristsetzung und voraussichtlich ohne Vorberatungen im Gesundheitsausschuss wird eine Regierungsvorlage auf der Tagesordnung stehen, mit der die Einrichtung von Primärversorgungseinheiten vereinfacht und damit beschleunigt werden soll. Gleichzeitig sollen auch die Arbeitsbedingungen von Ärzt:innen und Angehörigen weiterer Gesundheitsberufe verbessert werden. Zu den aktuell 40 bestehenden Primärversorgungseinheiten sollen damit bis Ende 2026 zumindest 43 weitere in ganz Österreich dazu kommen. Statt bisher 340.000 Patient:innen sollen so mindestens 705.500 Menschen pro Jahr versorgt werden. Erreicht werden soll das durch den Abbau bürokratischer Hürden, durch den das Verfahren zur Auswahl von Bewerber:innen für eine Primärversorgungseinheit beschleunigt werden soll. Damit sollen Gründungen künftig schneller erfolgen können. Das erweiterte Versorgungsangebot soll zudem mehr Angebote etwa im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde sowie der Frauenheilkunde und Geburtshilfe beinhalten. Die gesetzliche Basis soll durch eine Änderung des Primärversorgungsgesetzes und des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes geschaffen werden.

Zweiter Anlauf für neuen Eltern-Kind-Pass

Nachdem die ursprüngliche Regierungsvorlage zum elektronischen Eltern-Kind-Pass aufgrund eines Formalfehlers im Juni-Plenum zurück an den Gesundheitsausschuss geschickt wurde, haben ÖVP und Grüne einen neuen Initiativantrag eingebracht, der inhaltlich der Regierungsvorlage – inklusive der seinerzeit im Gesundheitsausschsus vorgenommenen Adaptierungen – entspricht. Der neue Eltern-Kind-Pass soll ab Jänner 2024 den Mutter-Kind-Pass ablösen und bis zum Jahr 2026 ausgebaut und digitalisiert werden. Die Leistungen des Mutter-Kind-Passes sollen damit erweitert werden. Der genaue Umfang und die Art der ärztlichen Untersuchungen für das Vorsorgeprogramm müssen aber noch per Verordnung festgelegt werden. Die Kosten sollen zu zwei Dritteln vom Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und zu einem Drittel von den Krankenversicherungsträgern übernommen werden.

Neues Barrierefreiheitsgesetz

Bereits 2019 hat die EU den sogenannten "European Accessibility Act" beschlossen. Mit dieser Richtlinie soll sichergestellt werden, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen, die für Menschen mit Behinderung als besonders wichtig eingestuft wurden, europaweit den gleichen Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen. Auf der einen Seite betrifft das etwa PCs, Smartphones, Modems, E-Reader, Smart-TV-Geräte, Spielkonsolen, Bankomaten und Fahrkartenautomaten. Zum anderen sind Dienstleistungen wie E-Banking, E-Commerce, E-Ticketing, Videotelefonie, Online-Messenger-Dienste, E-Books und SMS-Dienste umfasst. In Österreich soll diese EU-Richtlinie nun mit einem eigenen Barrierefreiheitsgesetz umgesetzt werden.

Konkret werden Unternehmen mit dem neuen Gesetz verpflichtet, ab 28. Juni 2025 grundsätzlich nur noch barrierefreie Produkte auf den Markt zu bringen, sofern sie in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Allerdings sind Ausnahmen vorgesehen, etwa wenn die Anforderungen an die Barrierefreiheit eine grundlegende Veränderung des Wesens des Geräts bewirken oder diese zu einer unverhältnismäßigen Belastung für die betroffenen Unternehmen führen würden. Bei Dienstleistungen fallen außerdem Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz bzw. einer Jahresbilanzsumme von maximal 2 Mio. € nicht unter das Gesetz. Auch sind zum Teil längere Übergangsfristen vorgesehen.

Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben ist unter anderem die Verhängung einer Verwaltungsstrafe bis zu 80.000 € und als Ultima Ratio auch ein Produktrückruf bzw. die Verpflichtung zur Einstellung der Dienstleistung möglich. Als Marktüberwachungsbehörde wird das Sozialministeriumservice fungieren.

Im Sozialausschuss hat der Entwurf einhellige Zustimmung erhalten, auch wenn sich manche Abgeordnete weitergehende Regelungen gewünscht hätten.

Weitere Schritte zur Umsetzung der Pflegereform

Mit einer von den Regierungsparteien vorgeschlagenen Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) und begleitenden Gesetzesänderungen soll ein weiterer Teil der Pflegereform umgesetzt werden. Konkret sind unter anderem eine Ausweitung der Befugnisse von Pflegepersonal, Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Berufsausbildungen und ein einfacherer Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen geplant. So werden diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen künftig bestimmte Medizinprodukte wie Verbandsmaterialien, Gehhilfen oder Inkontinenzprodukte selbstständig verordnen können. Ihre Ausbildung und Berufserfahrung wird außerdem in höherem Ausmaß auf die Bachelor-Ausbildung an Fachhochschulen angerechnet. Auch für Pflegeassistent:innen und Pflegefachassistent:innen sowie für 24-Stunden-Betreuer:innen und Zivildiener sind Neuerungen geplant.

Während der Gesetzentwurf im Sozialausschuss nicht nur von den Koalitionsparteien, sondern auch von den NEOS ausdrücklich begrüßt wurde, befürchtet die SPÖ Qualitätseinbußen. Unter anderem stößt sie sich daran, dass 24-Stunden-Betreuer:innen künftig bis zu drei betreuungspflichtige Menschen in einem Haushalt betreuen dürfen, auch wenn diese nicht miteinander verwandt sind. Zudem wies sie im Ausschuss auf ein ihrer Meinung nach rechtstechnisches Versehen hin, das auch die NEOS veranlasste, vorerst nur Teilen des Gesetzes zuzustimmen. Die FPÖ trug hingegen den gesamten Entwurf mit.

Administrative Vereinfachungen bei sechster Urlaubswoche für Pflegepersonal

Die Koalitionsparteien nutzten die Ausschussberatungen über die GuKG-Novelle dazu, um administrative Vereinfachungen in Bezug auf die "sechste Urlaubswoche" für Pflegepersonal ab dem 43. Lebensjahr auf den Weg zu bringen. Obwohl es sich formal nicht um Urlaub, sondern um eine Maßnahme zum Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern handelt, soll sich der Anspruch auf die Entlastungswoche künftig nicht mehr nach dem Kalenderjahr, sondern nach dem Urlaubsjahr richten, wobei die Bezugszeiträume meist ohnehin zusammenfallen. In den anderen Fällen wird für den Zeitraum zwischen 1. Jänner 2024 und dem Beginn des nächsten Urlaubsjahrs ein aliquoter Teil der Entlastungswoche gebühren. Dieser Entwurf erhielt im Sozialausschuss die Zustimmung von ÖVP und Grünen.

Pflegelehre und Pflegestipendium

Wenig Chancen auf Erfolg haben zwei Entschließungsanträge der FPÖ, nachdem sie im Sozialausschuss mit breiter Mehrheit abgelehnt wurden. Zum einen geht es der FPÖ darum, Pflegelehrlingen eine ähnlich hohe Lehrlingsentschädigung zu gewähren wie Maurer-, Installateur- oder Fliesenlegerlehrlingen, um junge Menschen zu motivieren, eine Pflegelehre zu beginnen. Konkret schlagen sie eine gesetzliche Mindestentschädigung von 900 € brutto im ersten und 2.000 € brutto im letzten Lehrjahr vor.

Zum anderen urgiert die FPÖ eine Erhöhung des Pflegestipendiums auf 2.000 €. Von den 1.400 €, die Personen, die sich zu einer Pflegefachkraft umschulen lassen, derzeit vom AMS erhalten, könne kaum ein Mensch in Österreich leben, argumentiert sie. Die geforderten 2.000 € würden ihr zufolge dem Einstiegsgehalt für Polizeischüler:innen entsprechen.

Die Regierungsparteien hielten der FPÖ im Ausschuss entgegen, dass das Gehalt für Polizeischüler:innen ein Bruttogehalt sei, während das Pflegestipendium netto ausgezahlt werde. Zudem wiesen die Grünen darauf hin, dass es in keiner Branche eine gesetzlich festgesetzte Lehrlingsentschädigung gebe, sondern diese im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen ausgehandelt würde.

Stärkere Förderung von freiwilligem Engagement

Eine von der Regierung vorgelegte Novelle zum Freiwilligengesetz sieht eine stärkere Förderung von freiwilligem Engagement vor. Unter anderem ist vorgesehen, das Freiwillige Sozialjahr (FSJ) und das Freiwillige Umweltschutzjahr (FUJ) aufzuwerten, dauerhaft eine Service- und Kompetenzstelle für freiwilliges Engagement einzurichten und regionale Freiwilligenzentren in Form von Projektförderungen zu unterstützen. Zudem sollen die Budgetmittel für den Gedenkdienst bzw. den Friedens- und Sozialdienst im Ausland deutlich aufgestockt werden. Rund 10,1 Mio. € pro Jahr soll das Paket nach den Berechnungen des Sozialministeriums insgesamt kosten.

Konkret schreibt die Regierungsvorlage etwa eine Erhöhung des Mindest-Taschengelds für Jugendliche fest, die ein Freiwilliges Sozialjahr oder ein Freiwilliges Umweltschutzjahr absolvieren. Zudem werden die Teilnehmer:innen am Freiwilligenjahr künftig bundesweit einheitlich ein Klimaticket bekommen, sofern sie für Fahrten zwischen dem Hauptwohnsitz und dem Einsatzort bzw. für Fahrten im Auftrag der Einsatzstelle ein öffentliches Verkehrsmittel benötigen. Für den Gedenk-, Friedens- und Sozialdienst im Ausland macht der Bund künftig jährlich 3 Mio. € - statt derzeit 1,2 Mio. € - locker. Beim Freiwilligenrat kommt es zu bürokratischen Vereinfachungen.

Während die Gesetzesnovelle im Sozialausschuss neben den Koalitionsparteien auch die Zustimmung von SPÖ und NEOS erhielt, zeigte sich die FPÖ vorerst skeptisch. Sie behielt sich aber vor, dem Gesetz nach eingehender Prüfung eventuell im Plenum doch zuzustimmen. Mit der Annahme des Gesetzes durch den Sozialausschuss ist auch ein SPÖ-Antrag betreffend Klimaticket miterledigt.

Fünf-Parteien-Antrag zur Regelung der Promotion "Sub auspiciis"

Das Eintreten besonderer Lebensumstände und eine daraus entstehende Überschreitung der Mindeststudienzeit sollen künftig nicht dazu führen können, dass Studierenden die höchste Form der Würdigung eines herausragenden Studienerfolgs, die Promotion "sub auspiciis praesidentis", verwehrt wird. Die Abgeordneten im Wissenschaftsausschuss haben sich einstimmig dafür ausgesprochen, die im Bundesgesetz über die Verleihung des Doktorates unter den Auspizien des Bundespräsidenten genannten "triftigen Gründe" für eine Überschreitung der Studiendauer genauer anzuführen. Mit dem Fünf-Parteien-Initiativantrag sollen Ungleichbehandlungen bei der Vergabe der Ehrung möglichst vermieden werden. Damit werden etwa auch eine Schwangerschaft, Kinderbetreuungspflichten und das Vorliegen einer Behinderung von mindestens 25 % als solche Gründe anerkannt.

Energieeffizienz und Nachhaltigkeit an den Schulen

Unter dem Motto "Energie:bewusst" wurde bereits im laufenden Schuljahr der Energieverbrauch an den Schulen überprüft und effizienter gestaltet, wie es in einem im Unterrichtsausschuss von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS mehrheitlich angenommenen Entschließungsantrag der Regierungsparteien heißt. Diese Initiativen sollen nun ausgebaut werden. Das umfangreiche Forderungspaket umfasst unter anderem den Abschluss von 280 Contracting-Verträgen mit Fokus auf Energiesparen, die Errichtung aller öffentlichen Schulneubauten nach dem "klimaaktiv Gold Standard" sowie die Ausstattung von Bundesschulgebäuden mit Photovoltaikanlagen bis 2030. Zudem soll es weitere Angebote zum Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz für Lehrer:innen und Schüler:innen geben.

Kostenübernahme von Gedenkstätten-Exkursionen

Von ÖVP, Grünen und FPÖ mehrheitlich abgelehnt wurde im Ausschuss ein SPÖ-Antrag, in dem die Kostenübernahme von Gedenkstätten-Exkursionen durch den Bund gefordert wird. Unzureichende Kenntnisse über die Gräuel des NS-Regimes würden zur Verstärkung von Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus in der Gesellschaft beitragen, warnen die Sozialdemokrat:innen. Der Bund solle daher die Kosten für KZ-Rundgänge und begleitende Bildungsangebote übernehmen. Mit einem zu diesem Zweck eingerichteten Fonds sei man der SPÖ-Forderung bereits nachgekommen, hieß es im Ausschuss seitens der Koalitionsparteien.

Digital zur Elementarpädagogik

Auf Basis eines Ausschussantrags der Regierungsfraktionen empfiehlt der Unterrichtsausschuss den Ausbau der Online-Informationen zu den verschiedenen Ausbildungswegen im Bereich der Elementarpädagogik. Zudem soll der eingeschlagene Weg der Ausbildungsoffensive fortgesetzt und neue Ausbildungsmöglichkeiten für Quereinsteiger:innen aktiv beworben werden. Grundlage für die mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS gefasste Entschließung bildete ein SPÖ-Antrag zur Schaffung eines Online-Tools zur Orientierung über mögliche Ausbildungsprogramme in der Elementarpädagogik, der im Ausschuss keine Mehrheit fand.

Wissensvermittlung über Datenschutz im Unterricht

Von allen Fraktionen außer der FPÖ angenommen wurde im Ausschuss zudem ein SPÖ-Entschließungsantrag, in dem sich die Abgeordneten für die Implementierung einer angemessenen Wissensvermittlung über Datensicherheit und Datenschutz im Unterricht für Schüler:innen der Altersgruppen 6 bis 10 und 10 bis 14 Jahren aussprechen. Die Grundlagen dafür soll laut SPÖ das Forschungsprojekt "privacy4kids - Rising awareness about privacy of children in the digital age" liefern.

Weiterentwicklung des staatlichen Krisenmanagements

Mit einem neuen Bundes-Krisensicherheitsgesetz will die Bundesregierung auf eine Vielfalt von Krisenszenarien und die zunehmend von globalen Rahmenbedingungen abhängige Gefahrenlage reagieren. Geplant ist, bereits bestehende Gremien und Prozesse des staatlichen Krisenmanagements erstmals gesetzlich zu definieren und strukturell weiterzuentwickeln.

Konkret sieht der Gesetzentwurf die Schaffung ressortübergreifender Fachgremien, die Einrichtung eines Bundes-Krisensicherheitskabinetts unter Federführung des Bundeskanzleramts und die Einrichtung eines Bundeslagezentrums im Innenministerium vor. Zudem sollen Kontaktstellen zur raschen Koordination im Krisenfall benannt werden. Weitere Inhalte betreffen die gesetzliche Definition eines Bundes-Krisenfalls, die Festlegung eines Verfahrens zur Ausrufung und Beendigung einer Krise und die Einrichtung eines Regierungsberaters bzw. einer Regierungsberaterin im Bundeskanzleramt samt Beratungsgremium. Das Bundesheer soll in Erweiterung seiner Aufgaben künftig für Assistenzleistungen im Krisenfall sowie für Präventionsmaßnamen herangezogen werden können.

Die Regierungsvorlage hat im Innenausschuss lediglich die Zustimmung der Koalitionsparteien erhalten. Damit ist fraglich, ob die für einen Beschluss im Plenum nötige Zweidrittelmehrheit zustande kommt, zumal die Opposition im Ausschuss nicht nur ihre mangelnde Einbindung bei der Erstellung des Gesetzes beklagte, sondern auch viel inhaltliche Kritik äußerte. Innenminister Gerhard Karner hat öffentlich allerdings bereits angekündigt, notfalls die Verfassungsbestimmungen aus dem Entwurf zu streichen und nur einen Teil des Pakets zu beschließen.

Krisenlager für Schutzausrüstung und medizinische Güter

Ein weiterer von ÖVP und Grünen auf den Weg gebrachter Gesetzesantrag sieht die Überführung des während der COVID-19-Pandemie eingerichteten "COVID-19-Lagers" in ein allgemeines Bundeskrisenlager für den Gesundheitsbereich vor. Dieses ist beim Verteidigungsministerium eingerichtet und soll sicherstellen, dass auch im Fall von Engpässen oder Bedarfsspitzen genügend Schutzausrüstung und sonstige notwendige medizinische und krisenrelevante Güter zur Verfügung stehen, wenn es in Zusammenhang mit COVID-19 oder einer anderen respiratorischen Erkrankung erneut zu einer Krise kommt und eine Gefährdung des Gesundheitssystems zu befürchten ist. Soweit es für die zweckmäßige Lagerhaltung oder zur Bekämpfung einer anderen Krise erforderlich ist, kann die Verteidigungsministerin bzw. der Verteidigungsminister im Einvernehmen mit dem Gesundheitsministerium nicht mehr benötigte Güter unentgeltlich abgeben. Das Gesetz ist bis 31. Dezember 2024 befristet.

Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt

Schon seit langem wird in Österreich über die Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei diskutiert, nun liegt ein entsprechender Gesetzesvorschlag der Regierung vor. Die Beschwerdestelle soll als eigene Organisationseinheit im zum Innenressort gehörigen Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) angesiedelt und mit umfassenden polizeilichen Befugnissen ausgestattet werden. Das BAK wurde laut Regierung bewusst gewählt, da dieses außerhalb der klassischen Hierarchie der Sicherheitsexekutive angesiedelt ist und über eine langjährige Erfahrung und Expertise in sensiblen, polizeiinternen Ermittlungen verfügt.

Neben einer interdisziplinären und multiprofessionellen Besetzung der Ermittlungsstelle ist auch eine spezialisierte Ausbildung der Bediensteten vorgesehen. Zur Sicherstellung der gesetzmäßigen Aufgabenerfüllung soll außerdem ein unabhängiger und weisungsfreier Beirat beim Innenministerium eingerichtet werden. Weisungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Ermittlungsstelle haben laut Erläuterungen nicht nur schriftlich und begründet zu erfolgen, sondern sind auch dem Beirat zu übermitteln. Zudem soll die Ermittlungsstelle künftig auch bundesweit für kriminalpolizeiliche Ermittlungen bei der Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt mit Todesfolge und lebensgefährdendem Waffengebrauch zuständig sein.

Während die ÖVP im Zuge des Ausschussberatungen auf den "ausgezeichneten Ruf" des BAK verwies, äußerten SPÖ und NEOS Zweifel, was die Unabhängigkeit der neuen Stelle betrifft. Gänzlich abgelehnt wird diese von der FPÖ: Ihrer Meinung nach braucht es keine "Denunzianten- und Vernaderungsstelle", vorhandene Kontrollstellen wie die Volksanwaltschaft, aber auch Gerichte und Staatsanwaltschaften hätten sich bestens bewährt. Die Grünen hoffen, dass die Ermittlungsstelle dazu beitragen wird, das Vertrauen in die Exekutive zu stärken.

Umfangreiches Abgabenänderungsgesetz

Mit dem von ÖVP, Grünen und teilweise von der FPÖ im Finanzausschuss angenommenen Abgabenänderungsgesetz 2023 soll es künftig unter anderem steuerlich erleichtert werden, leerstehende Betriebsgebäude außerbetrieblich für eigene Wohnzwecke oder zur Vermietung zu nutzen. Im Sinne der Verwaltungsvereinfachung soll bei der Besteuerung von Kapitalvermögen eine Modernisierung von technischen Prozessen erfolgen, indem die bisherig analoge KESt-Befreiungserklärung durch eine digitale Datenübermittlung zwischen den Kreditinstituten und der Finanzverwaltung ersetzt wird.

Vereinfacht werden sollen einige Gebühren und Verwaltungsabgaben, laut Regierungsvorlage geht es dabei um Kostenneutralität und Gebührentransparenz. Außerdem soll die Verjährungsfrist für besonders schwerwiegende Finanzvergehen an jene für vergleichbare Straftaten nach dem Strafgesetzbuch angeglichen und somit von derzeit fünf auf zehn Jahre erhöht werden. Weitere Änderungen betreffen unter anderem nebenberufliche Einkünfte von Ärzt:innen für die Behandlung von Insass:innen von Justizanstalten, Tätigkeiten als Mitglied in Wahlbehörden, Begünstigungen nach dem Erdgasabgabegesetz sowie Regelungen gemäß EU-Richtlinien.

SPÖ und FPÖ kritisierten im Ausschuss insbesondere die vorgesehenen Änderungen im Tabakmonopolgesetz, die infolge eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs notwendig wurden. Demnach sind bei der Vergabe von Trafiken künftig die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes zu berücksichtigen. Unter bestimmten Voraussetzungen sei eine einmalige Vererbung von Trafiken aber weiterhin möglich, hielten die Grünen fest.

Betrugsbekämpfung mittels neuem Zahlungsinformationssystem

Mittels eines neuen zentralen elektronischen Systems für die Speicherung von Zahlungsinformationen (CESOP, Zentrales Elektronisches System für Zahlungsinformationen), sollen europäische Zahlungsdienstleister detaillierte Aufzeichnungen über grenzüberschreitende Zahlungen in Bezug auf die von ihnen in jedem Kalenderquartal erbrachten Zahlungsdienste führen und melden, wenn sie mehr als 25 grenzüberschreitende Zahlungen an denselben Zahlungsempfänger tätigen. Durch die Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie soll möglicher Mehrwertsteuerbetrug aufgedeckt werden.

Im CESOP werden die übermittelten Daten zentralisiert gespeichert, aggregiert und mit anderen europäischen Datenbanken abgeglichen. Laut den Erläuterungen werden alle Informationen den Betrugsbekämpfungsexpert:innen der Mitgliedstaaten über das Eurofisc-Netzwerk zur Verfügung gestellt. Die Regierungsvorlage, die aufgrund von Eingriffen in das Bankgeheimnis eine Zweidrittelmehrheit benötigt, wurde im Finanzausschuss einstimmig angenommen.

Verbesserungen beim Register der wirtschaftlichen Eigentümer

Auf Basis des Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetzes wurde ein Register eingerichtet, das die Daten über die wirtschaftlichen Eigentümer:innen von Gesellschaften, Stiftungen und Trusts zum Zweck der Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung enthält. Mit einer Regierungsvorlage sollen die Erkenntnisse aus der Umsetzung der Nationalen Risikoanalyse 2021 sowie die gewonnenen Erfahrungen bei der Umsetzung von Sanktionen für Verbesserungen genutzt werden.

Im Rahmen der von ÖVP, FPÖ und Grünen im Finanzausschuss mehrheitlich angenommen Novelle soll das Register zur zentralen Plattform zum automatisationsunterstützten Abgleich von Sanktionslisten mit dem Firmenbuch, dem Vereinsregister, dem Ergänzungsregister und dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer ausgebaut werden. Zudem sollen Scheinunternehmen mittels automatisierter Datenübermittlung des Registers an die Abgabenbehörden bekämpft werden. Weitere Aspekte betreffen Verbesserungen der Transparenz von Treuhandschaftsvereinbarungen sowie bei der risikobasierten Aufsicht durch die Registerbehörde. Künftig sollen Bedrohungsszenarien deutlich schneller und besser erkannt werden können. Geplant ist auch eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Registerbehörde mit anderen Behörden, um Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und die Umgehung von Sanktionen zu verhindern.

Wagniskapitalfonds sollen Eigenkapital stärken

Um die Bereitstellung von Eigenkapital bzw. die Beteiligung an Unternehmen zu erleichtern, soll mit dem durch ÖVP und Grüne im Finanzausschuss angenommenen Wagniskapitalfondsgesetz (WKFG) die Bildung von Wagniskapitalfonds in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ermöglicht werden. Ziel ist die Stärkung von Liquidität und Solvenz österreichischer Unternehmen.

Konkret regelt der Gesetzesentwurf die Rahmenbedingungen für Wagniskapitalfonds, insbesondere deren Organisation und die aufsichtsrechtliche Einordnung. Wagniskapitalfonds sind als Alternative Investmentfonds (AIF) zu qualifizieren und unterliegen daher dem Alternativen Investmentfonds Manager-Gesetz (AIFMG). Entsprechend international üblicher Vorbilder sollen Wagniskapitalfonds als geschlossene Fonds und in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft errichtet werden. Diese ermöglicht eine Verbriefung und Handelbarkeit der Anteile an Wagniskapitalfonds, so die Regierungsvorlage. Die vorgesehenen Rahmenbedingungen sollen hohe Transparenzstandards, den Schutz der Anleger:innen sowie Geldwäscheprävention ermöglichen. Wagniskapitalfonds richten sich an professionelle Kund:innen, insbesondere institutionelle Anleger:innen sowie qualifizierte Privatkund:innen.

Die NEOS kritisierten im Ausschuss, dass es sich bei der Regierungsvorlage nicht um ein "echtes" Wagniskapitalfondsgesetz und somit um keine gute Lösung für die Wirtschaft handle. Österreich brauche jedoch einen Markt für außerbörsliches Risikokapital, bekräftigten sie. Die NEOS warben in diesem Sinn für einen von ihnen eingebrachten Entschließungsantrag betreffend Wagniskapitalfonds-Gesetz. Dieser fand im Ausschuss jedoch keine Mehrheit.

3 Mio. € für Hochwasserschutz in Arriach und Treffen

Ein weiterer Beschluss aus dem Finanzausschuss betrifft den Katastrophenschutz. Die Kärntner Gemeinden Arriach und Treffen am Ossiacher See sollen von den Folgekosten des Hochwassers am 29. Juni 2022 mit 3 Mio. € entlastet werden. Die Finanzierung der anteiligen Kosten an den Projekten des Hochwasserschutzes und der Wildbachverbauung am Treffnerbach und dessen Zubringern soll aus Mitteln des Katastrophenfonds sichergestellt werden, heißt es in der im Ausschuss einstimmig angenommen Regierungsvorlage.

Stärkung des Herkunftsschutzes heimischer Weine

Die vom Landwirtschaftsausschuss mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS gebilligte Novelle zum Weingesetz zielt auf eine Stärkung des Herkunftsschutzes heimischer Weine ab. So ist vorgesehen, die Regelungen für DAC-Weine (DAC = Districtus Austriae Controllatus) stärker mit den Bestimmungen der EU über den Schutz von geographischen Angaben in Einklang zu bringen und etwa den Begriff der "ortsübergreifenden Weinbaugemeinde" gesetzlich zu verankern. Dadurch sollen regionaltypische Weine nicht nur rechtlich abgesichert, sondern auch besser vermarktet werden können. Zudem wird die EU-rechtlich vorgeschriebene Ernte- und Bestandsmeldung auf eine elektronische Form umgestellt, um Verwaltungsvereinfachungen und eine Verbesserung der Datenlage zu erreichen. Auch sind höhere Strafen bei Verstößen gegen Meldepflichten vorgesehen.

Diese höheren Strafdrohungen waren auch der Grund, warum die FPÖ dem Gesetz im Ausschuss nicht zustimmte. Sie zweifelt außerdem die Sinnhaftigkeit ortsübergreifender Weinbaugemeinden an.

Ausbau des "Bäuerlichen Sorgentelefons"

Einstimmig empfiehlt der Landwirtschaftsausschuss, das psychosoziale Beratungsangebot für Bäuerinnen und Bauern auszubauen. Konkret geht es dabei etwa um das "Bäuerliche Sorgentelefon" und weitere Beratungsangebote im Rahmen des Projekts "Lebensqualität Bauernhof". Zudem soll eine Studie Erkenntnisse zur Arbeitsbelastung sowie zu psychischen Belastungen und Erkrankungen in der Landwirtschaft liefern. Begründet wird die Initiative mit den oft schwierigen Rahmenbedingungen für Landwirt:innen, etwa was fehlenden Urlaubs- und Krankenstandsanspruch sowie Geldsorgen, Nachfolge- und Beziehungsprobleme oder Vereinsamung betrifft.

Keine Mehrheit im Ausschuss fand hingegen ein Antrag der FPÖ, in dem eine Studie über Selbstmorde und psychische Erkrankungen bei Landwirt:innen gefordert wird. (Fortsetzung TOP im Nationalrat) gs/mbu/kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.