Parlamentskorrespondenz Nr. 796 vom 05.07.2023

Nationalrat schafft Rechtsgrundlage für Beschlagnahme der Fahrzeuge von extremen Raser:innen

Infrastrukturteil der Graz-Köflacher-Bahn wird in ÖBB-Infrastruktur AG integriert

Wien (PK) – Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wird den Behörden künftig ermöglicht, die Fahrzeuge von Lenker:innen, die sehr hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen begehen, zu beschlagnahmen und in besonders schwerwiegenden Fällen in letzter Konsequenz für verfallen zu erklären. Der Nationalrat billigte heute mehrheitlich diesen weiteren Schritt gegen das extreme Rasen im Straßenverkehr. Verfassungsrechtliche Bedenken, die es aufgrund des Eingriffs in das Grundrecht auf Eigentum gab, habe man ausräumen können, betonten Verkehrsministerin Leonore Gewessler und die Abgeordneten von ÖVP und Grünen. Auch die SPÖ billigte den Schritt als Beitrag zur Verkehrssicherheit.

Grundsätzliche Ablehnung kam von den Abgeordneten von FPÖ und NEOS, die einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht sehen, der auch nicht die gewünschte Wirkung erzielen werde.

Für ein Gesetz, das die Übertragung des Teilbetriebes Infrastruktur der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH an die ÖBB-Infrastruktur AG auf den Weg bringt, das GKB-Infrastruktur-Übertragungsgesetz, sprachen sich nur die Abgeordneten der Koalition aus. Keine Mehrheit fand ein Initiativantrag der SPÖ, der auf die Erhaltung der GKB als Gesamtunternehmen abzielte.

Beschlagnahme von Autos bei besonders hohen Geschwindigkeitsübertretungen wird möglich

Die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) schafft die gesetzliche Grundlage, damit in Fällen von extrem hohen Geschwindigkeitsüberschreitungen die Fahrzeuge der Raser:innen beschlagnahmt werden können. Dabei handelt es sich um Geschwindigkeiten, die 60 km/h über dem zulässigen Tempo im Ortsgebiet und über 70 km/h im Freiland liegen. Bei mehr als 80 km/h (Ortsgebiet) bzw. 90 km/h (Freiland) an Geschwindigkeitsüberschreitungen soll unter bestimmten Umständen schon ein einmaliger Verstoß nicht nur zur Beschlagnahme, sondern auch zum Verfall des Fahrzeugs führen können. Sichergestellt werden soll auch, dass die Behörden rasch die entsprechenden Informationen erhalten, ob jemand nicht zum Führen eines Fahrzeuges berechtigt ist. Die Maßnahmen, die damit der Exekutive nun ermöglicht werden, umfassen die vorläufige Beschlagnahme, die darauffolgende Überprüfung der Angemessenheit der Entscheidung und bei Vorliegen entsprechend schwerwiegender Tatbestände zum Verfall des Fahrzeugs.

FPÖ-Abgeordneter Gerhard Deimek stellte fest, das grundlegende Problem seien illegale Straßenrennen. Der Ansatz, den die Bundesregierung gewählt habe, gehe an diesem Problem vorbei. Der Entwurf sei bereits von vielen Expert:innen sehr kritisch beurteilt worden, die darauf hingewiesen hätten, dass der geplante Eingriff ins Eigentumsrecht verfassungsrechtlich nicht halten werde. Die Verkehrsministerin habe trotzdem aus ideologischen Gründen eine Maßnahme gesetzt, die sich gegen Autofahrer:innen richte, die aber das eigentliche Problem nicht lösen werde. Das hätten ähnliche Regelungen in anderen Ländern bereits gezeigt.

Der Verkehrssprecher der Grünen Hermann Weratschnig betonte, wenn ein Fahrzeug mit 130 km/h und mehr durch ein Ortsgebiet fahre, werde es zur Waffe und man könne nicht mehr von einem Kavaliersdelikt sprechen, sondern es gehe um die Gefährdung anderer. Aufgrund schwerer Unfälle habe man sich auf diese drastischen Schritte geeinigt. Dabei sei darauf geachtet worden, dass die Maßnahmen angemessen und verfassungsrechtlich haltbar seien. Die Forderung nach einer Möglichkeit, Raser:innen das Auto abnehmen zu können, werde auf Ebene der Gemeinden und Länder seit längerem, und zwar parteiübergreifend, erhoben. Er hoffe daher auch im Nationalrat auf breite Zustimmung aller Fraktionen. Lukas Hammer (Grüne) betonte, es gehe darum, vor allem gegen die Szene der Tuner von Fahrzeugen vorzugehen, die illegale Straßenrennen veranstalten und die gemeingefährliches Verhalten an den Tag legen würden. Gegen diese richte sich das Gesetz in erster Linie.

Aus Sicht von NEOS-Verkehrssprecher Johannes Margreiter (NEOS) werden die nun zur Debatte stehenden Maßnahmen in vielen Fällen nicht greifen. Mehr als die Hälfte der Fahrzeuge auf Österreichs Straßen seien unterdessen nämlich Leasing-Fahrzeige. Auch die Definition, was "extreme" Geschwindigkeitsüberschreitung sei, die dazu unter "besonders gefährlichen Verhältnissen" begangen würde, sei nicht konsequent durchdacht, und die Regelung, wer letztlich über den Verfall des Eigentums entscheide, in rechtsstaatlicher Hinsicht fragwürdig. Das Anliegen, gegen Raser:innen vorzugehen, teile seine Fraktion selbstverständlich. Bevor man eine neue, fragwürdige Lösung schaffe, sollte man erst erheben, ob die bereits geschaffenen Bestimmungen tatsächlich wirken.

Dietmar Keck stellte für die SPÖ fest, dass seine Fraktion dem Gesetz zustimmen werde, da das Rasen im Straßenverkehr häufig die Ursache schrecklicher Unfälle sei, die Menschenleben kosten. Personen, die illegale Straßenrennen verursachen, treffe man nur, wenn man ihnen das Fahrzeug abnehmen. Hier gehe es darum, Leben zu retten.

Auch ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger erklärte, wenn aufgrund extremer Geschwindigkeitsüberschreitungen ein Fahrzeug zur Waffe werde, müsse es in letzter Konsequenz auch entzogen werden können. Die immense Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer:innen berechtige es, in letzter Konsequenz einen Eingriff in das Eigentumsrecht vorzunehmen. Obwohl alles getan wurde, um die Regelung verfassungskonform zu gestalten, könne man nicht mit völliger Sicherheit sagen, ob sie in letzter Konsequenz halten werde. Wichtig sei es aber, dass man eine Handhabe gegen eine Szene erhalte, die illegale Straßenrennen durchführe. Die ÖVP-Abgeordneten Klaus Lindinger und Franz Eßl betonten ebenfalls, die Maßnahmen würden sich nicht gegen Geschwindigkeitsüberschreitungen aus Unachtsamkeit richten. Vielmehr gehe es darum, gegen die mutwillige und grob fahrlässige Gefährdung anderer vorgehen zu können. Rebecca Kirchbaumer (ÖVP) betonte, bei der Enteignung gehe es um eine Maßnahme in letzter Konsequenz.

Lindinger und Eßl machten auch darauf aufmerksam, dass in der Novelle auch eine Lösung für die Anerkennung kosovarischer Führerscheine getroffen werde, die besonders Saisonarbeiter:innen zugutekomme. Auch Laurenz Pöttinger (ÖVP) zeigte sich erfreut, dass hier endlich eine Lösung gefunden werden konnte, die für viele Unternehmen eine wesentliche Erleichterung bedeute.

Gewessler: Ein bedeutender Tag für die Verkehrssicherheit

Verkehrsministerin Leonore Gewessler sprach von einem "bedeutenden Tag für die Verkehrssicherheit". Mit dem letzten Teil des Pakets gegen Rasen im Straßenverkehr setze man einen weiteren Schritt gegen unbelehrbare Wiederholungstäter:innen. Alleine heuer seien bereits 182 Menschen in Österreich auf Österreichs Straßen ums Leben gekommen. Hinter dieser Zahl würden viele tragische Einzelschicksale stehen, und jede:r Tote sei eine:r zu viel. Sie hoffe, dass der Beschluss dazu führe, dass die Zahl der Toten im Straßenverkehr gesenkt werden könne. Wer das Auto als Waffe verwende, dem werde diese auch abgenommen. Zweifellos sei es rechtlich komplex, daher habe man den Verfassungsdienst intensiv eingebunden. Bei jeder Beschlagnahme eines Fahrzeuges werde selbstverständlich geprüft, ob die Maßnahme angemessen ist. Auch für Leasingfahrzeuge habe man eine Lösung gefunden und stelle sicher, dass unbelehrbare Raser:innen keinen Zugang mehr zu einem Fahrzeug erhalten.

Integration des Infrastrukturteils der Graz-Köflacher Bahn und Busbetriebs GmbH in die ÖBB Infrastruktur AG

Von der Übertragung des Teilbetriebes Infrastruktur der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH an die ÖBB-Infrastruktur AG (GKB-Infrastruktur-Übertragungsgesetz) verspricht sich die Bundesregierung auch eine deutliche Entlastung des Bundesbudgets im Laufe der nächsten Jahre. Die Einsparungen sollen sich aufgrund der geringeren Betriebskosten der ÖBB-Infrastruktur AG gegenüber der GKB und eine Übertragung der Finanzierung ihrer Investitionen in die Annuitätenfinanzierung der ÖBB-Infrastruktur AG ergeben. Das Gesetz zur Durchführung dieser Eingliederung sieht vor, dass zwischen GKB und ÖBB-Infrastruktur AG ein Spaltungs- und Übernahmevertrag abgeschlossen wird, wobei die GKB als eigenständige Verkehrsanbieterin bestehen bleibt. Keine Mehrheit fand eine Initiative der SPÖ, die mit einem Bundesgesetz die Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb Gmbh als eigenständiges Unternehmen absichern will.

Alois Stöger (SPÖ) kritisierte, dass ein gut funktionierendes Unternehmen, und zwar offenbar auf Wunsch der Verkehrsministerin, zerschlagen werden solle. Im Grunde gehe es nur um ein einfaches Abrechnungsproblem, für das sein Gesetzesvorschlag eine praktikable Lösung anbiete. Die nun beabsichtigte Regelung nütze niemandem und bringe nur Verunsicherung in beide Unternehmen, die ÖBB und die GKB. Klaus Köchl (SPÖ) sagte, es sei zwar gut, dass es unterdessen eine Arbeitsplatzgarantie gebe. Die an sich völlig unnötige Umstrukturierung habe aber bereits große Verunsicherung verursacht und zu Kündigungen geführt. Alois Schroll (SPÖ) merkte an, dass die Verhandlungen intransparent geführt worden seien. Der Rechnungshof könne die genannten Einsparungen nicht nachvollziehen.

Hermann Weratschnig (Grüne) betonte, es werde kein Unternehmen zerschlagen. Vielmehr gehe es darum, dem Verkehrsbetrieb die großen Entscheidungen und vor allem Investitionen zu ermöglichen, die im Zuge der bevorstehenden Elektrifizierung auf ihn zukommen. Die GKB werde künftig in den ÖBB-Rahmenplan eingebunden und damit von der Expertise, die sich in der ÖBB-Infrastruktur befinde, profitierten. Die berechtigten Sorgen und Ängste der Angestellten seien in den Verhandlungen aufgenommen und dafür gesorgt worden, dass alle Arbeitsplätze unter den bisherigen Bedingungen erhalten bleiben.

Gerhard Deimek (FPÖ) kritisierte die Entscheidung, die GKB-Infrastruktur mit der ÖBB-Infrastruktur zu verschmelzen, als grundsätzlich verfehlt. Die aus seiner Sicht nur vorgeschobenen Gründe würden alle nicht zutreffen. Vielmehr wolle die Verkehrsministerin ein funktionierendes Unternehmen für ein Prestigeprojekt zerschlagen.

Joachim Schnabel (ÖVP) betonte, im Zuge des Bahnausbaus auf der Südstrecke werde es notwendig, intensiv in die GKB zu investieren, die ein umfassender und bewährter Verkehrsdienstleister für die Weststeiermark sei. Mit der Elektrifizierung der Bahnstrecke werde ein verdichteter Takt möglich und man spare auch eine große Menge an CO2 ein. Der Betriebsrat sehe die Rechte der Arbeitnehmer:innen als gewahrt. Auch seitens des Landes Steiermark seien keine Einwände gegen das Vorhaben geäußert worden. Ernst Gödl (ÖVP) sagte, die GKB habe in den letzten Jahren eine deutliche Qualitätssteigerung erreicht. Der Ausbau der Koralmbahn bringe große Veränderungen für die gesamte Weststeiermark. Wichtig sei, genau darauf zu achten, dass die Bündelung der Infrastruktur einen tatsächlichen Mehrwert für die Region bringt und die GKB gestärkt wird.

Johannes Margreiter (NEOS) meinte, vordergründig sehe das Vorhaben zwar gut aus und werde mit großen Kostenersparnissen begründet. Der Rechnungshof sei allerdings bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass die genannten Zahlen fragwürdig seien. Er sehe daher keinen Vorteil, ein funktionierendes Unternehmen zu zerschlagen und das Risiko einzugehen, dass die erwarteten Effekte nicht eintreten.

Gewessler: Integration der GKB-Infrastruktur erlaubt massiven Ausbau des Regionalverkehrs

Verkehrsministerin Leonore Gewessler wies darauf hin, dass nach langen Verhandlungen ein großes Investitionspaket auf den Weg gebracht worden sei, dass die Zukunft der Nebenbahnen in der Steiermark sichere. Die Verzahnung der Infrastruktur werde die Bündelung der Kräfte ermöglichen und in etwa eine Verdoppelung des Bahnverkehrs in der Weststeiermark erlauben. Mit der Integration des Infrastrukturteils werde es möglich, große Infrastrukturprojekte der GKB abzuwickeln und die GKB als erfolgreiches Verkehrsunternehmen weiterzuführen. Die zu erwartenden Synergieeffekte würden jedes Jahr mehrere Millionen Euro betragen. Die Fragen des Rechnungshofs, wie man auf die genannten Zahlen komme, seien unterdessen beantwortet worden. Wichtig sei auch, dass es eine Arbeitsplatzgarantie in der Region gebe. Sie könne versichern, dass man größtes Augenmerk auf die Erhaltung des Verkehrsunternehmens GKB legen werde. (Fortsetzung Nationalrat) sox

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.