Parlamentskorrespondenz Nr. 798 vom 05.07.2023

Nationalrat: Freistellung soll Eltern bei Reha-Aufenthalt von Kindern unterstützen

Beschäftigungsbewilligung für Nicht-EU-Bürger:innen wird in Folge von VfGH-Entscheid neu geregelt

Wien (PK) – Eltern sollen künftig Anspruch auf eine bis zu vierwöchige Freistellung haben, um ihre Kinder zu einem Reha-Aufenthalt zu begleiten. Die dementsprechende Regelung befürworteten die Parlamentsfraktionen einstimmig am Ende der heutigen Nationalratssitzung. Ebenfalls eine Mehrheit fand ein Antrag von ÖVP und Grünen, mit dem die Beschäftigungsbewilligung für Nicht-EU-Bürger:innen neu geregelt wird. Konkret soll das AMS eine solche erteilen können, wenn die Beschäftigung aus besonders wichtigen oder aus öffentlichen bzw. überbetrieblichen gesamtwirtschaftlichen Gründen notwendig ist. Die bisher erforderliche Zustimmung des Regionalbeirats des AMS entfällt in Folge eines Entscheids des Verfassungsgerichtshofes.

Rechtsanspruch auf Freistellung zur Begleitung von Kindern bei Reha

Arbeitnehmer:innen haben ab 1. November 2023 einen Anspruch auf eine bis zu vierwöchige Freistellung pro Jahr, um ihr Kind bei einem Reha-Aufenthalt zu begleiten. Für die Freistellung soll den Arbeitnehmer:innen Pflegekarenzgeld und ein besonderer Kündigungsschutz zustehen. Die Elternteile können sich die Freistellung aufteilen, aber bis auf Ausnahmefälle nicht gleichzeitig in Anspruch nehmen. Dies sieht ein im Sozialausschuss eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag zu einem ÖVP-Grünen-Antrag vor. Die zusätzlich notwendigen Anpassungen im Landarbeitsgesetz 2021 und im Arbeitslosenversicherungsgesetz erfolgen durch einen Ausschussantrag.

Grundlage für die beiden Anträge zur Rehabilitationsfreistellung war ein ÖVP-Grünen-Antrag, mit dem die Anträge von Arbeitgeber:innen auf Vergütung des Entgelts von Mitarbeiter:innen in Sonderbetreuungszeit weiterhin von Stempelgebühren befreit werden sollen. Durch die pandemiebedingte generelle Gebührenbefreiung waren bis Ende 2022 keine Gebühren zu entrichten. Um alle Verfahren zur Sonderbetreuungszeit gebührenrechtlich gleich zu behandeln, soll die Befreiung nun rückwirkend ab 1. Jänner 2023 verlängert werden. Sie gilt für alle Anträge aus der Sonderbetreuungszeit, die noch bis 7. Juli 2023 läuft. Der Bund ersetzt den Arbeitgeber:innen das Entgelt, das sie an ihre Mitarbeiter:innen in Sonderbetreuungszeit gezahlt haben.

Alle drei Anträge wurden im heutigen Nationalrat einstimmig angenommen. Miterledigt wurde in diesem Zuge auch eine SPÖ-Forderung nach einer Rehabilitationsfreistellung.

Die Betreuungspflichten seien für Eltern von kranken Kindern herausfordernd, erklärte Rebecca Kirchbaumer (ÖVP). Aus diesem Grund sei die mit den Sozialpartnern gefundene Lösung der Freistellung wichtig. Die Arbeitgeber:innen würden nicht belastet, hob Kirchbaumer die Lösung über das Pflegekarenzgeld hervor. Es habe sich gezeigt, dass die bestehenden Freistellungsmöglichkeiten für diesen Bereich nicht ausgereicht hätten, erläuterte Kira Grünberg (ÖVP). Die jetzt getroffene Regelung sei nicht nur deswegen wichtig, da die Anwesenheit der Eltern wesentlich zum Erfolg der Reha beitrage, sondern die Eltern bei der Reha auch lernen, besser mit dem Alltag zurecht zu kommen.

Alois Stöger (SPÖ) bedankte sich bei den Regierungsparteien, ein Anliegen der Opposition aufgenommen zu haben. Eine Reha sei für Eltern ein Grenzgang zwischen unterschiedlichen Interessen und eine Freistellung deswegen wichtig. Die Hartnäckigkeit der Betroffenen habe sich bezahlt gemacht und mit dem heutigen Beschluss schreibe man Geschichte, freute sich Josef Muchitsch (SPÖ) und hob die hohe Bedeutung der Begleitung für die Gesundung der Kinder hervor.

Die Regelung sei im Sinne der betroffenen Eltern und Kinder, signalisierte Dagmar Belakowitsch (FPÖ) Zustimmung zu der Regelung. Man nehme von jenen einen Teil der Last, die ohnedies sehr unter Druck stehen.

Er freue sich, dass ein "echter" Rechtsanspruch mit einem "echten" Kündigungs- und Entlassungsschutz gelungen sei, erklärte Markus Koza (Grüne). Dies sei für Eltern in dieser Situation sehr wichtig.

Beschäftigung von Personen aus dem Ausland: Einbindung des Regionalbeirats wird neu geregelt

Das AMS kann Unternehmen in Österreich in Ausnahmefällen auch dann eine Beschäftigungsbewilligung für Nicht-EU-Bürger:innen erteilen, wenn diese keine Rot-Weiß-Rot-Karte oder einen anderen mit einer Beschäftigungsbewilligung verbundenen Aufenthaltstitel besitzen. Voraussetzung dafür ist aktuell noch, dass unter anderem der Regionalbeirat des AMS die Beschäftigungsbewilligung befürwortet. Diese Bestimmung wurde vom Verfassungsgerichtshof allerdings mit der Begründung aufgehoben, dass die zuständige Behörde dadurch keine eigenständige Beurteilung der gesetzlichen Voraussetzungen vornehmen kann, sondern an die Zustimmung eines nichtbehördlichen Organs gebunden ist. Mit einer Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz soll dies nun repariert werden. Demnach soll eine Beschäftigungsbewilligung auch ohne einhellige Zustimmung des Regionalbeirats erteilt werden können, wenn die Beschäftigung der Person aus dem Ausland aus besonders wichtigen Gründen notwendig ist oder öffentliche bzw. überbetriebliche gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung erfordern. Explizit als besonders wichtige Gründe werden dabei der Erhalt von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer:innen und die nachweisliche Qualifikation der betroffenen Person als Arbeitskraft in einem Mangelberuf genannt. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen.

Der Entscheid des Verfassungsgerichtshofs müsse Niederschlag im neuen Gesetz finden, betonte Rudolf Silvan (SPÖ), kritisierte aber die nicht erfolgte Begutachtung und ausgebliebene Einbindung der Sozialpartner. Zudem sei der "sehr arbeitgeberfreundliche" Antrag sehr vage gehalten und heble den Regionalbeirat als Vertretung der Arbeitergeber:innen und Arbeitnehmer:innen zugunsten der regionalen AMS-Geschäftsleiter:innen aus.

Die Rechtssprechung sei eindeutig und eine Begutachtung würde den Entscheid des Verfassungsgerichtshofs in Frage stellen, meinte hingegen Tanja Graf (ÖVP). Sie gehe davon aus, dass das AMS den Regionalbeirat weiter einbinde und sich mit ihm abstimme. Es erfolge in "keinster Weise" ein Angriff auf die Sozialpartnerschaft, erklärte auch Bettina Zopf (ÖVP). Mit der Regelung würden auch jene entlastet, die derzeit viel mehr leisten müssen, da keine Arbeitskräfte zu finden seien. Durch die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte werde der Wirtschaftsstandort gestärkt.

Es werde "Tür und Tor" geöffnet, dass noch mehr Bewilligungen ausgestellt werden, kritisierte demgegenüber Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Der Regionalbeirat werde ausgehebelt, damit noch mehr Menschen nach Österreich geholt werden können. Es sei die Ideologie der ÖVP, noch mehr "Billigstarbeitskräfte" auf den Arbeitsmarkt zu lassen, was zu Lohn- und Sozialdumping führe.

Es sei die Aufgabe des AMS, Gesetze zu vollziehen, erklärte Markus Koza (Grüne). Der Regionalbeirat habe aber bisher als "Nicht-Behörde" Entscheidungen des AMS "overrulen" und aushebeln können. Man schaffe nun eine rechtsstaatliche Lösung, die dem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs entspreche.

Mehr Respekt vor dem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs forderte Julia Seidl (NEOS) von den Freiheitlichen. Es könne nicht sein, dass der "Klub der Sozialpartner" eine höhere Entscheidungskraft habe als die eigentliche Behörde selbst. Die nunmehrige Lösung wäre gerade für die Tourismusbetriebe schon vor der Sommersaison wichtig gewesen, damit diese schneller und einfacher zu den benötigten Mitarbeiter:innen kommen. (Schluss Nationalrat) pst

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