Parlamentskorrespondenz Nr. 857 vom 21.07.2023

Neu im Verfassungsausschuss

Nationalfonds bekommt Zweier-Vorstand und neue Aufgaben, Instandsetzung jüdischer Friedhöfe soll vorangetrieben werden

Wien (PK) – ÖVP und Grüne haben eine Änderung des Bundesgesetzes über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und des Bundesgesetzes über die Einrichtung des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich beantragt (3537/A). Zum einen geht es ihnen darum, den Nationalfonds "für die Zukunft auszurichten" und eine transparente und zeitgemäße Struktur sicherzustellen. Zum anderen soll die Instandsetzung jüdischer Friedhöfe vorangetrieben werden.

Konkret soll dem Gesetzentwurf zufolge künftig ein Zweier-Vorstand – statt des bisherigen "Generalsekretärs" – die Geschicke des Nationalfonds leiten. Deren beiden Mitglieder sollen, wie bisher der Generalsekretär, vom Präsidenten bzw. der Präsidentin des Nationalrats – nach Beratung in der Präsidialkonferenz – bestellt werden, wobei die Amtszeit auf fünf Jahre befristet wird und der Bestellung eine öffentliche Ausschreibung voranzugehen hat. Nicht bewerben muss sich die langjährige und aktuelle Generalsekretärin des Fonds, Hannah Lessing – sie wird dem neuen Vorstand in der ersten Amtsperiode ex lege angehören. Wiederbestellungen des Vorstandes sollen zulässig sein. Um mehr Transparenz zu schaffen, wird der Vorstand überdies verpflichtet, dem 21-köpfigen Kuratorium des Fonds künftig vierteljährlich über geplante und durchgeführte Aktivitäten zu berichten.

Die Antragsteller:innen Martin Engelberg (ÖVP) und Eva Blimlinger (Grüne) schlagen außerdem die Einrichtung eines wissenschaftlich-künstlerischen Beirats vor. Er soll sich aus sieben – ehrenamtlich tätigen – Expert:innen zusammensetzen und das Komitee des Nationalfonds in Form einer wissenschaftlichen Bewertung von Förderanträgen unterstützen. Zudem ist geplant, künftig mehrjährige inhaltliche Schwerpunkte zu setzen, für die der Beirat Empfehlungen abgeben soll. Wie bisher unterstützt werden können insbesondere Projekte, die NS-Opfern zugutekommen, der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus und des Schicksals der Opfer dienen, an nationalsozialistisches Unrecht erinnern oder das Andenken der Opfer wahren.

Um den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Organisationen und Einrichtungen wie Universitäten zu vertiefen, ist die Bereitstellung einer Internet-Plattform durch den Nationalfonds vorgesehen. Dabei soll auch Präventionsarbeit gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Homophobie Berücksichtigung finden. Zudem soll der einzigartige Aktenbestand des Nationalfonds digitalisiert und unter bestimmten Auflagen für externe Forschung zugänglich gemacht werden. Die Aufgabe des Fonds, lebensgeschichtliche Zeugnisse von Opfern des Nationalsozialismus zu dokumentieren und zu erforschen, wird auf deren Familien erweitert. Zur Information der Öffentlichkeit und zum Zweck der Bewusstseinsbildung ist eine jährliche Konferenz in Aussicht genommen.

Mit dem Gesetzesantrag wollen ÖVP und Grüne den Nationalfonds darüber hinaus in die Lage versetzen, Zivildiener und Freiwillige, die gemäß Freiwilligengesetz einen Gedenkdienst absolvieren, mit bis zu 400 € pro Monat zu unterstützen, wobei die Höhe der Unterstützung laut Erläuterungen von den Lebenshaltungskosten vor Ort abhängen soll. Überdies ist in Aussicht genommen, Austauschprogramme für Kinder, Schüler und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr – etwa mit Israel und jüdischen Gemeinden – zu forcieren. Weitere Punkte des Entwurfs betreffen die Verwahrung der alten österreichischen Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau im Parlamentsarchiv sowie die Möglichkeit, im Zuge der Vergabe des Simon-Wiesenthal-Preises Zeitzeugen und Personen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren, in besonderer Form zu würdigen.

Was die Instandsetzung jüdischer Friedhöfe betrifft, schlagen ÖVP und Grüne vor, die Bestandsdauer des im Jahr 2010 eingerichteten Förderfonds von 20 auf 40 Jahre zu verlängern. Zudem soll der von der isrealitischen Kultusgemeinde als Friedhofseigentümerin bzw. beauftragten Dritten verpflichtend zu leistende Ko-Finanzierungsanteil auf ein Viertel der Zuwendungen des Bundes reduziert werden. Derzeit ist grundsätzlich die Hälfte der Mittel von der Kultusgemeinde aufzubringen.

Der Nationalfonds war ursprünglich eingerichtet worden, um "Gestezahlungen" an Überlebende des Nationalsozialismus zu leisten. Mittlerweile stehen andere Aufgaben wie die Unterstützung von Projekten und die Dokumentation von Zeitzeugenberichten im Vordergrund. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen mit 1. Jänner 2024. (Schluss) gs