Parlamentskorrespondenz Nr. 900 vom 01.09.2023

Qualitätssicherungsrat präsentiert mit dem Jahresbericht 2022 Evaluierungsergebnisse zum Stand der Pädagog:innenbildung

Wien (PK) – Seit der Implementierung der "Pädagog:innenbildung Neu" ist seit 2013 auch der Qualitätssicherungsrat (QSR) tätig. Nach dem ersten Jahrzehnt der reformierten Ausbildung von Lehrer:innen für die Primarstufe und für die Sekundarstufe habe der Rat es für angebracht gehalten, eine erste wissenschaftliche Evaluierung vorzunehmen, ist dem Tätigkeitsberichts des QSR für das Jahr 2022 zu entnehmen (III-1005 d.B.). Neben den Evaluationsergebnissen und Analysen über die "Pädagog:innenbildung Neu" präsentiert der QSR-Bericht 2022 auch Stellungnahmen zu den Curricula und zur Durchführung der Monitorings sowie relevante Daten und Fakten über den Qualitätssicherungsrat selbst.

In einer öffentlich-öffentlichen Partnerschaft des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung, des QSR und zweier Schweizer Hochschulen, nämlich der Pädagogischen Hochschule St. Gallen und der Pädagogischen Hochschule Luzern, sei es trotz erschwerter Verhältnisse während der COVID-19-Pandemie gelungen, valide Forschungsergebnisse für die Evaluationen und Analysen zu erzielen, hält der QSR in seinem Bericht fest. Der Fokus der Arbeit des QSR sei 2022 vor allem auf die Diskussion der Evaluierungsergebnisse in allen Hochschulverbünden und ihre Verbreitung gelegt worden. Der QSR weist in diesem Zusammenhang auf eine umfassende Publikation hin, mit der die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen und die detaillierte Einsichten in alle Facetten der Evaluierungen und Analysen bietet: Der Sammelband "Schnider, A., Braunsteiner, M-L., Brunner, I., Hansen, C., Schober, B. & Spiel, C. (Hrsg.): PädagogInnenbildung. Evaluationen und Analysen" ist 2023 im Be+Be Verlag erschienen. Er ist laut dem QSR als Grundlage und als integrierter Teil des aktuellen Tätigkeitsberichts zu verstehen.

Evaluierungen ergeben zahlreiche Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Pädagog:innenbildung

Wie jedes Jahr formuliert der Qualitätssicherungsrat in seinem Tätigkeitsbericht auch Empfehlungen an den Gesetzgeber. Für 2022 orientieren sie sich in erster Linie an den Evaluationen der "Pädagog:innenbildung Neu" und den Analysen von Curricula in sensiblen Bereichen wie der inklusiven Bildung und der Prävention von Antisemitismus.

Evaluiert wurden die Umsetzung der "Pädagog:innenbildung Neu" für die Primarstufe und Sekundarstufe (Allgemeinbildung) in den vier Verbundregionen sowie der Stand der Sekundarstufe Berufsbildung. Für die Primar- und Sekundarstufe habe sich gezeigt, dass Studierende und Junglehrpersonen sich insgesamt als (eher) kompetent wahrnehmen. Was die Lerngelegenheiten angehe, würden die Studierenden die im Rahmen der Hochschulausbildung absolvierten Praktika positiv wahrnehmen, was die Arbeit mit Schüler:innen betrifft. Die Kohärenz zwischen Hochschulveranstaltungen und Schulpraxis wurde von den Studierenden hingegen neutral bis eher kritisch bewertet.

Positiv eingeschätzt wurden von den Junglehrpersonen im Masterstudium und von den Junglehrpersonen mit abgeschlossenem Masterstudium sowohl die Unterstützung durch die Schulleitungen als auch die soziale Unterstützung im Kollegium. Bezüglich der Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten fiel die Bewertung der allgemeinen Zusammenarbeit etwas positiver aus als die der themenbezogenen Zusammenarbeit.

Für die Pädagog:innenbildung im Bereich der Berufsbildung bewertet der QSR das Vorhandensein einer Kompetenzdefinition als zentrale Voraussetzung für eine kompetenzorientierte Ausbildung. Auch müsse stets die Frage reflektiert werden, wofür genau die jeweilige Kompetenz erforderlich sei.

Was die Aufnahmeverfahren für Lehramtsstudien der Primarstufe und Sekundarstufe (Allgemeinbildung) betrifft, so zeichnen sie sich laut dem QSR durch ihre wissenschaftliche, elaborierte Konzeption aus. Gleichzeitig stellen sie für die Pädagogischen Hochschulen und Universitäten aber auch große Projekte dar, die über weite Bereiche hinweg viele Ressourcen binden. Die Evaluation habe zudem gezeigt, dass aktuell in Österreich eine uneinheitliche Auffassung darüber bestehe, welche Kompetenzen angehende Lehramtsstudierende mitbringen müssen. Die gesetzlichen Vorgaben, die auf die Feststellung der Berufseignung in Aufnahmeverfahren abzielen, sollten laut dem QSR überarbeitet werden und stattdessen auf die Studieneignung abzielen.

Im Bereich der MINT-Fächer ist laut dem QSR noch stärker auf Geschlechtergerechtigkeit und Mädchenförderung zu achten. Hier habe die Evaluierung ergeben, dass in den allgemeinen Teilen der Curricula aller Studienfächer Angebote von genderbewusstem Unterricht zwar angekündigt, in den konkreten Modulbeschreibungen der MINT-Fächer jedoch oft nicht angewendet würden.

Mehrere Handlungsfelder benennt der QSR im Bereich der Weiterentwicklung der Curricula. Jedes Curriculum brauche etwa ein klares Professionskonzept und ein wissenschaftlich fundiertes Kompetenzmodell als Referenzrahmen und müsse zudem auch innere Stringenz aufweisen. Auch sei in allen Curricula auf die notwendigen Querschnittskompetenzen zu achten und es gelte, diese transparent auszuweisen.

Was die inklusive Bildung angeht, habe die Analyse ausgewählter Curricula ergeben, dass noch keine durchgehend systematische Verschränkung zwischen regel- und (vormals) sonderschul-pädagogischen Anteilen im Sinne einer inklusiven Beschulung stattgefunden habe. Auch würden bestehende Lernbarrieren noch zu wenig systemisch oder intersektional betrachtet, wie beispielsweise die gesellschaftliche Marginalisierung von Behinderung, der Zusammenhang zwischen Ausgrenzung, Armut und prekären Lebenslagen sowie die sozialen Fragen von Behinderung.

Der Pädagog:innenausbildung kommt laut dem QSR auch Verantwortung im Bereich der Antisemitismus-Prävention zu. Hier wurde laut dem Bericht eine evaluative Analyse durchgeführt. Aus ihr wird die Empfehlung an die Bildungsverantwortlichen in der Pädagog:innenbildung abgeleitet, ausgewählte Curricula oder Modulpläne zu überarbeiten. Dabei wäre auch wichtig zu klären, wo und wie Hochschulen, die ein Studium für ein Lehrdiplom beziehungsweise Lehramt anbieten, die berufsethischen Erwartungen an Studierende kommunizieren.

Längerfristige Entwicklungsziele

Der Bericht des QSR verweist auch auf teilweise schon in früheren Berichten angesprochene Empfehlungen für längerfristige Entwicklungsziele. Dazu gehört die Schaffung bzw. Weiterentwicklung von Möglichkeiten für adäquate Doktoratsstudien für Absolvent:innen des Lehramtsstudiums in allen Stufen. Die Weiterentwicklung einer qualitätsvollen Lehrer:innenbildung brauche auch die systematische Förderung eines fachlich einschlägigen wissenschaftlichen Nachwuchses.

Wichtig sei auch die weitere Entwicklung von nachhaltigen Konzepten, um qualifizierte und engagierte Personen für den Beruf als Pädagog:in zu gewinnen und die Rahmenbedingungen für die Arbeit in diesem Berufsfeld weiterzuentwickeln. Der QSR empfiehlt auch die Sicherstellung einer qualitätsorientierten und evidenzbasierten Weiterentwicklung der Pädagog:innenbildung, und zwar "jenseits kurzfristiger Mangelbewältigungen", wie es im Bericht heißt. Schließlich spricht sich der QSR auch für die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen aus, die den Pädagogischen Hochschulen mehr Budgetautonomie und Möglichkeiten zur Anstellung von Personal einräumen. (Schluss) sox

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