Parlamentskorrespondenz Nr. 913 vom 13.09.2023

Sozialausschuss bringt Neuerungen für Elternkarenz auf den Weg

Zwei Monate unübertragbare Karenz pro Elternteil und Änderungen für pflegende Angehörige geplant

Wien (PK) – Bereits im Juni haben ÖVP und Grüne einen Antrag vorgelegt, mit dem eine EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige umgesetzt werden soll. Der Sozialausschuss hat diesen in Ausschussbegutachtung geschickt und über 40 Organisationen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeladen. Nun brachte der Ausschuss die Novelle mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS ins Plenum. Inhaltliche Änderungen wurden nach der Begutachtungsphase keine vorgenommen. Mittels Ausschussantrag wurden noch Klarstellungen im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz auf den Weg gebracht, um Beschäftigte im öffentlichen Dienst vor Diskriminierungen zu schützen.

Konkret geplant sind mit der Novelle unter anderem zwei unübertragbare Monate Karenz pro Elternteil, eine Verdoppelung des Familienzeitbonus, eine Erweiterung der Pflegefreistellung und ein Diskriminierungsschutz im Gleichbehandlungsgesetz. Oppositionsanträge zum Thema Teilzeitarbeit wurden vertagt.

Novelle soll zwei unübertragbare Monate Karenz pro Elternteil bringen

Zur gerechteren Aufteilung von Betreuungs- und Pflegeaufgaben zwischen Männern und Frauen sollen künftig mindestens zwei Monate der Karenzzeit von jedem Elternteil zu leisten sein (3478/A). Nur dann soll der Anspruch auf die vollen 24 Monate Karenz bestehen. Geht nur ein Elternteil - etwa die Mutter - in Karenz, verkürzt sich die Dauer auf 22 Monate. Ziel der EU-Richtlinie, die Änderungen im Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG) und im Väterkarenzgesetz (VKG) erfordert, ist die Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen. Eine Ausnahme gibt es für Alleinerziehende: Sie können nach wie vor bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres ihres Kindes in Karenz gehen.

Der Familienzeitbonus, also jene finanzielle Unterstützung für Väter, die sich direkt nach der Geburt der Familie widmen, soll künftig 47,82 € pro Tag betragen und damit verdoppelt werden. Damit will man mehr Vätern die Familienzeit ermöglichen. Um mehr Flexibilität möglich zu machen, soll die Dauer der Familienzeit einmalig geändert werden können.

Änderungen sind in Umsetzung der EU-Richtlinie auch bei der Pflegefreistellung geplant. Künftig können Personen auch dann zur Pflege naher Angehöriger freigestellt werden, wenn diese nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit ihnen leben. Außerdem soll es eine Freistellung zur Pflege von Personen im gemeinsamen Haushalt geben, auch wenn diese keine Angehörigen sind. Für Teilzeitarbeit oder eine Freistellung zur Begleitung schwersterkrankter Kinder soll ebenfalls die Voraussetzung eines gemeinsamen Haushalts entfallen. Für diverse Karenzen oder Freistellungen sollen eine schriftliche Begründung durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin bei Ablehnung sowie ein Motivkündigungsschutz eingeführt werden. Bei Kündigungen kann eine Begründung verlangt werden.

Im Gleichbehandlungsgesetz soll ein Diskriminierungsverbot bei Elternkarenz, Pflegefreistellung und anderen Freistellungen aus familiären Gründen eingeführt werden, auch wenn der Diskriminierungsgrund Geschlecht nicht vorliegt. Damit werden die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Gleichbehandlungskommission für derartige Fälle von Diskriminierung zuständig.

Mittels Ausschussantrag von ÖVP und Grünen wurde im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz noch klargestellt, dass eine weniger günstige Behandlung von Arbeitnehmer:innen, die die von der Gesetzesänderung betroffenen Rechte in Anspruch nehmen, eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt. Damit werde eine Verhängung von Sanktionen sowie die Zuständigkeit der Gleichstellungsstellen sichergestellt, heißt es in der Begründung des Antrags. Zudem wird der Zweck der EU-Richtlinie, nämlich die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben von Eltern und pflegenden Angehörigen, in die Zielsetzung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes aufgenommen. Die Änderungen sollen mit 1. November 2023 in Kraft treten. Angenommen wurde der Ausschussantrag mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS.

Teils emotionale Debatte über Karenz und Kinderbetreuung

Tanja Graf (ÖVP) bezeichnete es als wichtig, dass mit den Änderungen eine Maßnahme für mehr Väterbeteiligung umgesetzt werde. Sie betonte, dass es zu keinen finanziellen Nachteilen für die Mütter kommen werde. Aus ihrer Sicht handle es sich mit der Novelle auch um einen Ansporn, mehr Kinderbetreuungsplätze zu schaffen. Mit Blick auf einige Stellungnahmen kündigte Graf eine Änderung für Personen in Selbstständigkeit und der Landwirtschaft an. Man arbeite an einer Lösung, sodass auch für diese Gruppen keine Nachteile entstehen. Norbert Sieber (ÖVP) hob insbesondere die Verdoppelung des Familienzeitbonus hervor, der aus seiner sich die Väterbeteiligung steigern werde.

Meri Disoski (Grüne) legte aus Grünen-Sicht dar, dass es darum gehe, dass es künftig 24 Monate Karenzanspruch gibt, den sich Eltern untereinander aufteilen können. Die Abgeordnete hob zudem die Verankerung des Diskriminierungsverbots im Gleichbehandlungsgesetz als "großen Wurf" hervor.

Zustimmung drückte NEOS-Abgeordneter Michael Bernhard aus, wenngleich er weitere Schritte, insbesondere im Ausbau der Kinderbetreuung einforderte. Für ihn sei die ÖVP in dieser Angelegenheit unglaubwürdig. Die Umsetzung erfolge nur, weil auf europäischer Ebene eine andere Dynamik herrsche als in Österreich, sagte er mit Blick auf die Richtlinie.

Kritik kam von Petra Wimmer (SPÖ). Mit dem Modell "22+2" werde den Frauen Karenzzeit weggenommen, wenn ihre Partner nicht in Karenz gehen wollen. Auch jetzt sei eine Aufteilung der Karenzzeiten bereits möglich, sie werde aber nicht genutzt. Wimmer sah mit der vorliegenden Regelung weder einen Anreiz für mehr Väterbeteiligung noch für einen Ausbau der Kinderbetreuung.

Für Dagmar Belakowitsch (FPÖ) gehe es in der Debatte zu sehr um die Mütter und Väter und zu wenig um die Kinder, die mit der vorliegenden Änderung "unter die Räder" kommen würden. Laut Belakowitsch sind Kinder unter zwei Jahren noch nicht reif, in eine Betreuungseinrichtung zu kommen. Es gehe "immer mehr in Richtung DDR, sodass Kinder gleich nach der Geburt in Fremdbetreuung kommen", sagte sie. Aus ihrer Sicht könne nichts die Betreuung in der Familie und das damit gewährleistete "Nest" für die Kinder ersetzen. Ihr Fraktionskollege Walter Rauch ortete eine Herausforderung für die Gemeinden, die nicht so kurzfristig die Infrastruktur für die Betreuung der Kinder schaffen könnten.

Rebecca Kirchbaumer (ÖVP) griff den von Belakowitsch bemühten Begriff des "Nestes" auf und äußerte Unverständnis darüber, wieso nur die Mutter dieses Nest bereiten könne. Die Väter müssten auch endlich etwas beitragen und zuhause bleiben, fand sie. Karenz dürfe kein Frauenthema sein, sondern müsse zum Familienthema werden, forderte Kirchbaumer. Ernst Gödl (ÖVP) pflichtete dem bei und bezeichnete es auch "aus männlicher Sicht" als vollkommen richtig, Anreize für Väterkarenz zu setzen.

Hitziger wurde die Debatte, nachdem FPÖ-Mandatar Peter Schmiedlechner kritisiert hatte, dass Abgeordnete, die selbst keine Kinder haben, über Karenzzeiten entscheiden. Michael Bernhard (NEOS) bezeichnete diese Aussage als "unsäglich". Nach dieser Argumentation dürften nur Arbeitslose über Arbeitsmarktmaßnahmen und nur Kranke über Gesundheitsthemen entscheiden. Er forderte von Schmiedlechner eine Entschuldigung für diese "unflätige Art, Abgeordnete zu attackieren" ein, die dieser jedoch verwehrte. Norbert Sieber (ÖVP) sah ebenfalls eine Grenze überschritten. Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch (SPÖ) fand das Argument "nicht angebracht". Sein Fraktionskollege Mario Lindner griff die Aussage auf und forderte die FPÖ ihrer Argumentation folgend dazu auf, nie wieder etwas über die queere Community in Österreich zu sagen.

Oppositionsanträge zu Teilzeitarbeit vertagt

Erneut auf der Tagesordnung standen Anträge von SPÖ und NEOS im Zusammenhang mit Teilzeitarbeit. So fordern die Sozialdemokrat:innen, dass Dienstgeber:innen die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten melden müssen (3172/A(E)). In der Debatte um Teilzeitarbeit wäre es sinnvoll, über konkrete Zahlen und Daten zur Arbeitszeit von Beschäftigten zu verfügen, lautet die Argumentation.

Die NEOS hingegen sprechen sich für eine Abschaffung von Teilzeitanreizen aus (1959/A(E)). Sie fordern, dass die Bundesregierung jene Faktoren identifiziert, die einen Anreiz zur Teilzeitbeschäftigung setzen, und in einem zweiten Schritt Strategien und Maßnahmen für deren Reduzierung sowie für positive Anreize für eine Vollzeitbeschäftigung entwickelt. Beide Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. (Fortsetzung Sozialausschuss) kar


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