Parlamentskorrespondenz Nr. 1038 vom 10.10.2023

Wirtschaftsausschuss: Opposition fordert Start-up-Paket und übt Kritik an hohen Beiträgen sowie Rücklagen der Kammern

Ausführliche Behandlung von vier Volksbegehren auf nächstes Jahr verschoben

Wien (PK) – Nach der Aussprache mit Expert:innen des WIFO und des IHS befasste sich der Wirtschaftsausschuss noch mit einer Reihe von oppositionellen Vorschlägen, die auf die leichtere Gründung von Unternehmen, die Entlastung der Unternehmen durch eine Reduktion der Pflichtmitgliedsbeiträge und Umlagen, die Abschaffung von "Privilegien" bei der Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer sowie auf die "Rettung der österreichischen Wirtschaft durch Preiseingriffe" abzielten. Alle diesbezüglichen Entschließungsanträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen mehrheitlich vertagt. 

Mit Ausnahme der NEOS nahm die Ausschussmehrheit einen Bericht (III-975 d.B.) zur Kenntnis, der über den Stand der Auszahlungen aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds sowie dem Härtefallfonds per Stand Mai 2023 informiert. Dieser gilt somit als enderledigt. Da in den letzten Monaten aus diesen Titeln kaum mehr Geld ausgeschüttet wurde, fand nur eine kurze Debatte statt. Ein Vertreter des Ressorts informierte, dass derzeit eine Ex-Post-Prüfung durchgeführt werde, die bis Ende des Jahres abgeschlossen sein sollte.

Aus Fristwahrungsgründen standen auch vier Volksbegehren auf der Tagesordnung, die nach kurzer Behandlung vertagt wurden. Die Themenpalette reichte dabei von der Beibehaltung der Sommerzeit als Normalzeit, die Umsetzung eines Lieferkettengesetzes, der Reduktion von Lebensmittelverschwendung bis hin zur besseren Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln. Ausschussvorsitzender Peter Haubner (ÖVP) gab nach der einstimmigen Vertagung der Materien bekannt, dass darüber ausführlich in einer am 23. Jänner 2024 anvisierten Sitzung beraten werden soll.

NEOS: Erleichterungen bei der Gründung von Unternehmen sowie umfassendes Startup-Paket

Gründungen und Online-Behördenwege seien in Österreich nach wie vor viel zu aufwändig, kritisieren die NEOS, die daher grundlegende Reformen einfordern. Die Regierung sollte vor allem ein umfassendes Startup-Paket vorlegen, verlangte Abgeordneter Gerald Loacker. Dieses müsste unter anderem zumindest eine neue Gesellschaftsform enthalten, mit der rein digitale Gründungen ohne Notariatsaktpflichten und auf Englisch ermöglicht werden. Dazu sollten auch Mitarbeiterbeteiligungen nach internationalem Vorbild eingeführt werden, die eine einheitliche Endbesteuerung der Anteile beim Verkauf vorsehen. Österreich gehöre nach Einschätzung der NEOS außerdem zu den Schlusslichtern bei der Verfügbarkeit von Risikokapital in der OECD. Daher müsse ein Rechtsrahmen für Risikokapitalgesellschaften angelehnt an internationale Spitzenreiter vorgelegt werden (3384/A(E)).

Die nun von ÖVP und Grünen vorgeschlagene "FlexCo" sei zwar ein erster Schritt, aber nicht ausreichend, urteilte Gerald Loacker. Auch Abgeordneter Christian Ragger (FPÖ) übte Kritik an diesem Vorschlag, weil offensichtlich sei, dass sich wieder die Kammern durchgesetzt hätten.

FPÖ stößt sich an steigenden Kammerbeiträgen der Wirtschaftskammern und fordert Aus für "Privilegien" bei Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer

Mehrbelastungen für "Zwangsmitglieder" der Wirtschaftskammern Österreich durch teuerungsbedingt steigende Kammerbeiträge ortet die FPÖ. Mit einem Entschließungsantrag fordert sie erneut, dass die Wirtschaftskammern Österreich auf die infolge der Teuerung steigenden Beiträge verzichten bzw. diese an die "Zwangsmitglieder" zurückzahlen sollen (2559/A(E)). Darüber hinaus sprachen sich die Freiheitlichen für eine gänzliche Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften aus. Außerdem schoss sich die FPÖ in einem Entschließungsantrag auf die Arbeiterkammer (AK) und die Wirtschaftskammer (WKO) ein und drängte auf ein Ende von "Privilegien, Parteipolitik, Spitzengagen und Zwangsmitgliedschaft" (3557/A(E)). Die beiden Kammern müssten "entparteipolitisiert" werden und sich "zu einer tatsächlichen Service- und Vertretungseinrichtung weiterentwickeln".

NEOS fordern Streichung der Kammerumlage 2 und mehr Transparenz bei Einnahmen der Wirtschaftskammer

Auch die NEOS fordern eine "echte und nachhaltige Entlastung" der Unternehmen, was etwa durch die Streichung der Kammerumlage 2 in der Höhe von mindestens 410 Mio. € pro Jahr leicht umzusetzen wäre (3570/A(E)). Während die Unternehmen in erheblichem Ausmaß belastet würden, generiere die Wirtschaftskammer über die Kammerumlagen beträchtliche Summen. Im Jahre 2022 hätten diese den NEOS zufolge 1,2 Mrd. € betragen, davon allein aus der Kammerumlage 2 die genannten 410 Mio. €. Das sei in dieser Dimension weltweit einzigartig, zeigte Gerald Loacker (NEOS) auf. Demgegenüber stelle Wirtschaftskammerpräsident Mahrer den "Zwangsmitgliedern" nur eine geringe "Scheinsenkung" der Kammerumlagen von 35 Mio. € in Aussicht.

Ein weiteres Anliegen der NEOS ist es, für mehr Transparenz bei den Einnahmen der Wirtschaftskammer zu sorgen, die ihrer Einschätzung nach eine "Blackbox" darstellen würde (3328/A(E)). Auch das geplante Informationsfreiheitsgesetz werde in dieser Frage nichts bringen, befürchtete Loacker. Die Kammern seien generell "Einrichtungen aus einer anderen Zeit", die nur die "dahinsiechenden Altparteien" am Leben erhalten würden, lautete sein Resümee.

SPÖ für Preiseingriffe zur "Rettung der Wirtschaft"

Die "Rettung der österreichischen Wirtschaft durch Preiseingriffe" steht im Mittelpunkt einer SPÖ-Initiative, die ein breites Forderungspaket enthält (3561/A(E)). Trotz eines evidenten Marktversagens an immer mehr Stellen weigere sich die Bundesregierung bisher, in den Markt einzugreifen, beklagte Abgeordneter Christoph Matznetter (SPÖ). Angeführt werden im Antrag Beispiele aus anderen europäischen Ländern, die eine deutlich niedrigere Inflationsrate als Österreich aufweisen würden. Als Sofortmaßnahme müssten alle Mieten bis Ende 2025 eingefroren und generell der Anstieg der Mieten mit der Höhe des EZB-Leitzinssatzes (maximal 2 % pro Jahr) begrenzt werden. Zudem brauche es ein temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs. Neben einer Einsetzung einer schlagkräftigen Anti-Teuerungskommission zielten die Forderungen auch auf eine entschlossene Regulierung des Energiemarkts ab, damit Energiekonzerne keine Übergewinne machen könnten. Außerdem müsse eine befristete zielgerichtete Übergewinnbesteuerung für all jene Konzerne eingeführt werden, die sich aufgrund der aktuellen Teuerung zu Lasten der Menschen in Österreich bereichern, so die SPÖ.

Behandlung von vier Volksbegehren auf nächstes Jahr verschoben

Auf der Agenda des Ausschusses standen zudem noch vier Volksbegehren, die alle von über 100.000 Menschen unterstützt wurden. Aus Fristwahrungsgründen wurden sie heute in Verhandlung genommen, aber dann gleich wieder vertagt. Nur beim Volksbegehren zum Thema Lieferkettengesetz war der Bevollmächtigte Marcus Hohenecker anwesend, der eine kurze Stellungnahme abgab. Die Tatsache, dass es immer mehr Volksbegehren gebe, zeige deutlich das hohe Interesse der Bevölkerung an direkter Demokratie, hob er hervor.

Konkret zielt die Forderung auf ein Lieferkettengesetz ab, das Unternehmen und Konzerne dazu verpflichtet, bei ihren Waren sämtliche Produktionsprozesse und Transportwege offenzulegen (2077 d.B.). Weiters sei auf Grundlage eines derartigen Gesetzes zu garantieren, dass entlang der gesamten Lieferkette von in Österreich vertriebenen Waren die Einhaltung der Menschenrechte sowie des Arbeits-, Tier- und Umweltschutzes gesichert ist. Importierte Produkte müssten also den gleichen hohen Rechtsstandards entsprechen wie in Österreich hergestellte Waren. Verletzungen dieser Sorgfaltspflichten seien mit wirksamen Sanktionen zu ahnden. Als Beispiel in diesem Zusammenhang führen die Proponent:innen das Lieferkettengesetz in Deutschland an. Die Forderungen wurden von 120.397 Personen mitgetragen.

Von über 120.000 Personen unterzeichnet wurde auch ein Volksbegehren, in dem gefordert wird, anstatt der Umstellung auf die Winterzeit die Sommerzeit beizubehalten (2075 d.B.). Die zwei Zeitumstellungen jedes Jahr hätten in mehrfacher Hinsicht nachteilige Auswirkungen, begründen die Proponent:innen ihre Initiative und nennen negative Effekte auf den Biorhythmus von Mensch und Tier, wie "Jetlag"-ähnliche Auswirkungen, und somit auf verschiedene Arbeitsbereiche. Zudem führe der Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit zu einem hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand.

Bundesverfassungsgesetzliche Maßnahmen zur sofortigen und umfassenden Einführung einer Lebensmittelherkunftskennzeichnung wird in einem von 149.891 Österreicher:innen bzw. 2,36 % der Wahlberechtigten unterstützten Volksbegehren gefordert. Heimisch und regional erzeugte Lebensmittel seien als Grundrecht in der Verfassung zu verankern und würden deren Verfügbarkeit absichern, argumentieren die Initiator:innen (2174 d.B.).

Geht es nach dem Volksbegehren "Lebensmittelrettung statt Lebensmittelverschwendung", das insgesamt 203.831 Unterstützer:innen fand, soll es - nach dem Vorbild von Frankreich, Italien und Tschechien – zu einer gesetzlichen Regelung zur Bekämpfung von Lebensmittelabfällen kommen. Konkret sollten Lebensmittelunternehmen sowie Supermärkte mit mehr als 400 m2 Verkaufsfläche verpflichtet werden, nicht mehr verkaufsfähige aber noch genießbare Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen oder direkt an Bedürftige zu spenden bzw. diese bei Eignung auch als Tierfutter zu verwerten (2176 d.B.).

Es wurde vereinbart, dass die Verhandlungen über die vier Volksbegehre am 23. Jänner 2024 in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses wieder aufgenommen werden sollen. (Schluss Wirtschaftsausschuss) sue


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