Parlamentskorrespondenz Nr. 1039 vom 10.10.2023

Umweltausschuss: Debatte über notwendige nächste Schritte im Klimaschutz

Forderungen der Opposition von ÖVP und Grünen vertagt

Wien (PK) – Mehrere Anträge der Opposition sowie Berichte waren im heutigen Umweltausschuss Ausgangspunkt für eine Debatte der Abgeordneten, welche Schritte im Klimaschutz als nächstes notwendig sind. Während SPÖ und NEOS von der Bundesregierung mehr Ambitionen für den Klimaschutz einforderten, kritisierte die FPÖ die Maßnahmen und sprach sich für einen "Klimaschutz mit Hausverstand" aus. ÖVP und Grüne wiederum verteidigten die gesetzten Maßnahmen und sprachen von einem laufenden "Großprojekt". Das ausstehende Klimaschutzgesetz sei ein "großer Brocken" und sie bemühe sich weiter "hartnäckig" um dessen Umsetzung, meinte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Insgesamt brauche es jede Maßnahme zum Erreichen der Klimaneutralität. Ein Nichthandeln und damit ein Nichterreichen der Klimaziele würde Österreich teuer kommen, sagte Gewessler in Richtung der FPÖ. Die aktuellen Emissionszahlen würden zeigen, dass die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen eine positive Wirkung haben.

Die Forderungen der Opposition wurden durchwegs mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. So thematisierte die SPÖ das Abbrennen von Schilf als Chance für die Artenvielfalt, die Beseitigung von Schwemm- und Treibholz, die Wasserentnahme aus Gewässern bei Feuerwehrübungen, das Recht auf freien Zugang zur Natur und Kreislaufwirtschaft als Chance für die Beschäftigung. Die Freiheitlichen wiederum forderten effiziente und wirtschaftliche Lösungen in der Klimaschutzpolitik ein. Die NEOS sprachen sich erneut für die Vorlage eines neuen Klimaschutzgesetzes, die Aufnahme der Senkung von Flächenversiegelung und Bodenverbrauch als Wirkungsziele im Budget und die Abschaffung sowie Reform umweltschädlicher Subventionen und für einen Masterplan zur Speicherung von bereits freigesetztem CO2 aus.

SPÖ: Schilf kontrolliert abbrennen für Artenvielfalt

Durch eine Kombination von Klimawandel, rückläufiger Schilfbewirtschaftung und natürlichen Prozessen seien bereits bei der Hälfte des Schilfgürtels am Neusiedler See negative Veränderungen der Schilfbestände sichtbar, thematisiert Maximilian Köllner (SPÖ) in einem Entschließungsantrag (3586/A(E)). Extrem überaltertes Schilf bedrohe die einzigartige Vogelwelt am Neusiedler See. Kontrolliertes Abbrennen solcher Gebiete unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Notwendigkeiten könne Expert:innen zufolge dem entgegen wirken, argumentiert Köllner. Bereits ein einmaliges Abbrennen alle 15 Jahre wäre ausreichend und hätte vermutlich auch eine klimapositive Wirkung, da dadurch weniger Methan freigesetzt würde.

Da die aktuelle Rechtslage das Abbrennen aber nicht zulasse, seien entsprechende Anpassungen notwendig, argumentierte Dietmar Keck (SPÖ) in der Ausschussdebatte. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Sie teile das Anliegen des Antrages, den Neusiedler See in seiner Einzigartigkeit zu bewahren, erklärte Umweltschutzministerin Leonore Gewessler. Der fortschreitende Klimawandel habe Auswirkungen auf dieses sensible Gebiet. Da der See im Winter immer weniger zufriert, sei eine der bisherigen Lösungen, das Mähen der Schilfgürtel, immer seltener möglich, meinte Gewessler auf eine Frage von Nikolaus Berlakovich (ÖVP), warum das bisher von vielen Seiten abgelehnte Abbrennen des Schilfs nun in Betracht komme. Ein Pilotprojekt soll nun untersuchen, wie unkontrollierte Flächenbrände künftig vermieden werden können, welche Auswirkungen Brände haben und welche Alternativen es dazu geben könnte. Die Erkenntnisse sollen Basis für eine etwaige Gesetzgebung sein.

Astrid Rössler (Grüne) begrüßte die Vorgehensweise, Auswirkungen zu erkunden und Erfahrungen über das Pilotprojekt zu sammeln. Als sinnvoll erachtete das Projekt auch Michael Bernhard (NEOS). Brandmanagement sollte jedenfalls die letzte Möglichkeit sein, wenn sonstige technische Möglichkeiten ausgeschöpft seien, meinte er. Vor etwaigen unerwünschten Folgen solcher technischer Lösungen warnte hingegen Maximilian Linder (FPÖ).

Zwei weitere, wieder aufgenommene, SPÖ-Forderungen nach einer Bundesregelung für die Beseitigung der Verunreinigungen von Seenflächen durch Schwemm- und Treibholz (2842/A(E)) sowie für die Wasserentnahme aus Bächen, Seen und Flüssen bei Feuerwehrübungen (3114/A(E)) wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen erneut vertagt. Hinsichtlich der Wasserentnahme sei eine Studie am Laufen, deren Ergebnisse vor nächsten Schritten abgewartet werden sollten, berichtete Ernst Gödl (ÖVP).

SPÖ: Recht auf freien Zugang zur Natur

Zunehmend würden Naturflächen aus nicht nachvollziehbaren Gründen für die Öffentlichkeit gesperrt, bemängelt SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr in einem Entschließungsantrag (3588/A(E)). Es brauche daher klare Gesetze, die den Zugang zur Natur garantieren. Beschränkungen dieses Rechts sollen nur auf Antrag durch Behördenentscheid aus Gründen des Schutzes der Privatheit und zur Abwehr von Schäden und Belästigungen zulässig sein. Bund, Länder und Gemeinden sollen außerdem als Träger von Privatrechten die freie Zugänglichkeit zu Naturräumen durch die Anlegung und Betreuung von Wanderwegen, Lehrpfaden und Erholungsräumen sicherstellen. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Im Ausschuss erklärte Herr, dass der Antrag auf einer Studie der Universität Innsbruck basiere, die von einem überparteilichen Bündnis beauftragt worden sei. In den "ausgeklügelten Vorschlägen" finde auch die größtmögliche Schonung der Natur Berücksichtigung. Laut Michael Bernhard (NEOS) stelle sich die Materie nicht so "trivial" dar, wie es den Anschein habe und einige Punkte des Antrags blieben ihm zu unbestimmt. Er regte eine parlamentarische Enquete zur Thematik an, was die Zustimmung sämtlicher Fraktionen außer jene der ÖVP fand.

Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) zeigte sich besorgt, dass diese Enquete "populistisch" instrumentalisierbar sei, da die Rechte von Grundeigentümer:innen vernachlässigt werden könnten. Für Schmuckenschlager und Peter Schmiedlechner (FPÖ) wurde dem Schutz des Eigentums im SPÖ-Antrag generell zu wenig Bedeutung beigemessen. Astrid Rössler von den Grünen sah die Fraktionen hinsichtlich des Naturschutzes und des freien Naturzugangs "inhaltlich nahe beisammen" und begründete den Vertagungsantrag damit, dass die SPÖ-Initiative in ihrer jetzigen Fassung zu einer "Übernutzung" bestimmter Gebiete führen könnte.

SPÖ: Mehr Jobs für mehr Kreislaufwirtschaft

Zudem fordert Herr in einem weiteren Entschließungsantrag Maßnahmen für mehr Jobs im Bereich der Kreislaufwirtschaft (3589/A(E)). Dies habe sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für den Klima- und Umweltschutz ein großes Potenzial. Dazu soll der Staat der SPÖ nach einerseits die Aus- und Weiterbildungsangebote in diesem Bereich erweitern und andererseits Beschäftigungsprogramme und kreislaufwirtschaftliche Projekte, wie Werkstätten oder Sortier- und Sammelstationen, unterstützen. Zusätzlich müssten die gesetzlichen Grundlagen verbessert werden. Die SPÖ schlägt dazu unter anderem vor, die Kriterien bei Ausschreibungen entsprechend anzupassen und ein umfassendes Vernichtungsverbot intakter Waren zu erlassen. Auch dieser SPÖ-Antrag wurde von den Koalitionsfraktionen vertagt.

Carmen Jeitler Cincelli (ÖVP) konnte "unterschreiben", dass mehr Kreislaufwirtschaft notwendig sei, hielt es jedoch nicht für nachhaltig, wenn der Staat Arbeitsplätze schaffe – insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels. Zudem habe das AMS im Jahr 2022 bereits 8.000 Personen im Bereich der Green Jobs ausgebildet. Ähnliche Vorbehalte gegenüber einer staatlichen Schaffung von Arbeitsplätzen äußerte NEOS-Abgeordneter Michael Bernhard, auch wenn er den Fokus des SPÖ-Antrags auf Aus- und Weiterbildung positiv bewertete. Gerade in der aktuellen Arbeitsmarktlage solle der Staat im Wettbewerb um Arbeitskräfte nicht zusätzlich mit den Unternehmen konkurrieren. Julia Herr (SPÖ) warf dahingehend ein, dass staatliche Beschäftigungsprogramme sehr wohl erfolgreich sein könnten, wie die "Aktion 20.000" gezeigt habe. Auch werde es weitere Ausbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich brauchen, da die Fachkräfte für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft "nicht vom Himmel fallen" würden.

Klimaschutzministerin Gewessler betonte, dass in Sachen Klimaschutz zumeist die Energiewende im Fokus stehe, doch auch die Kreislaufwirtschaft eine "zentrale Säule" darstelle. Daher sei gemeinsam mit Arbeitsminister Martin Kocher dazu eine Task Force eingerichtet worden. Diese soll den Umsetzungsstand der Kreislaufstrategie der Bundesregierung, etwaigen rechtlichen Nachbesserungsbedarf sowie die Auswirkungen des Reparaturbonus evaluieren, berichtete Gewessler.

FPÖ für effiziente und wirtschaftliche Lösungen in der Klimaschutzpolitik

Die Freiheitlichen warnen vor mehr Bürokratie, Verboten und Vorschriften sowie neue Steuern und Kosten für Konsument:innen durch ein Klimaschutzgesetz (1770/A(E)). Konkret befürchten sie, dass mit der Aufnahme des Klimaschutzes in die Verfassung demokratische Entscheidungsfindungen erschwert bzw. Handlungsspielräume beschnitten werden könnten. Ferner könnte mit dem vorgesehenen Klimakabinett der Föderalismus umgangen werden, im "Klimadialog" seien Bürger:innen zu wenig berücksichtigt und der Klimarat wäre nicht demokratisch legitimiert. Es wird unter anderem auch kritisiert, dass bei Überschreitung von Emissionsgrenzwerten automatisch eine zusätzliche Bepreisung von fossilen Energieträgern angewandt werden könnte. Statt abstrakter Ideen brauche es konkretes und praktisches Handeln, betonen die Antragsteller:innen. Daher fordern sie von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler effiziente und wirtschaftliche Lösungen, die den Wohlstand nicht gefährden. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Einen "Klimaschutz mit Hausverstand" forderte Walter Rauch (FPÖ) in der Erläuterung des Antrags im Ausschuss ein. Dieser dürfe aber keine "Bevormundungspolitik" sein und den Wohlstand nicht gefährden, zählte Rauch seiner Meinung nach sinnvolle Maßnahmen wie die CO2-Speicherung auf.

Bei den von der Regierung gesetzten Maßnahmen gehe es nicht um Bevormundung der Bürger:innen, sondern diese bei der Umsetzung von Maßnahmen zu unterstützen und diese zu ermöglichen, entgegnete Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) und führte beispielhaft die gute Akzeptanz der Förderungen für Photovoltaik-Anlagen an. Der Wohlstand der Bevölkerung werde vielmehr durch die Folgen des Klimawandels wie Dürreereignisse gefährdet.

Das Ziel des FPÖ-Antrags hinterfragten Lukas Hammer (Grüne) und Michael Bernhard (NEOS) und vermissten bei der FPÖ Ideen für Maßnahmen, um dem Klimawandel zu begegnen und die EU-Klimaziele zu erreichen. Wenn sich die Klimapolitik nicht ändere, werde das massive Folgen für das Land und die Wirtschaft haben, ergänzte Bernhard.

Der "Hausverstand" der FPÖ würde der Republik teuer kommen, da damit die Klimaschutzziele nicht erreicht würden, kritisierte auch Klimaschutzministerin Gewessler. Es brauche vielmehr jede Maßnahme, um die Klimaneutralität zu erreichen. Angesichts aktueller Emissionszahlen zeige sich, dass die von der Politik gesetzten Maßnahmen eine positive Wirkung haben würden.

NEOS-Anträge zu klimapolitischer Gesetzgebung

Ebenfalls auf der Tagesordnung standen mehrere wieder aufgenommene Anträge der NEOS, die mit der Stimmenmehrheit von ÖVP und Grünen erneut vertagt wurden. So sprachen sich die NEOS erneut für die Vorlage eines neuen Klimaschutzgesetzes aus, das wichtige klimapolitische Innovationen enthalten soll (2749/A(E)). Auf die Aufnahme der Senkung der Flächenversiegelung und des Bodenverbrauchs als Wirkungsziele im Budget (559/A(E)) und die Abschaffung und Reform umweltschädlicher Subventionen (682/A(E)) zielten zwei weitere NEOS-Initiativen ab.

Im Zuge der Debatte der wieder aufgenommenen NEOS-Forderung für einen Masterplan zur Speicherung von bereits freigesetztem CO2 (859/A(E)) berichtete Joachim Schnabel (ÖVP), dass bis zum Sommer 2024 eine Carbon Management Strategie erstellt werden soll.

Grundrecht auf Klimaschutz: Studie in Folge des Klimavolksbegehrens analysiert rechtliche Möglichkeiten

Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurde eine wieder aufgenommene Studie vertagt. Darin werden Möglichkeiten zur verfassungsrechtlichen Verankerung eines Grundrechts auf Klimaschutz erkundet (III-365 d.B. und Zu III-365 d.B.).

Keine Auszahlungen von Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds aus dem Umweltbudget

In der Budgetuntergliederung 43, die in der Verantwortung des Klimaschutzministeriums liegt und die Bereiche "Klima, Umwelt und Energie" umfasst, gab es, wie bereits 2022, auch 2023 keine Auszahlungen von COVID-19-Mitteln. Das hält das Ressort in den Berichten für April 2023 (III-955 d.B.), Mai 2023 (III-977 d.B.), Juni 2023 (III-994 d.B.) und Juli 2023 (III-1009 d.B.) fest. Die Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen. (Schluss Umweltausschuss) pst/wit