Parlamentskorrespondenz Nr. 1287 vom 28.11.2023

Rechnungshofausschuss behandelt Landwirtschaftsthemen

Prüfer:innen orten Risiken für Ernährungssicherheit und COVID-Überförderungen

Wien (PK) – Österreich gilt als Land mit hoher Ernährungssicherheit. Dennoch hat der Rechnungshof in einem Prüfbericht Maßnahmen empfohlen, um diese nachhaltig abzusichern (III-964 d.B.). Vielfältige Einflussbereiche wurden genannt, unter anderem wies Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker im heutigen Rechnungshofausschuss auf die Abhängigkeit von Importen fossiler Brennstoffe hin. Bereits im Jahr 2018 reichten die Bodenressourcen nicht für eine gänzliche Eigenversorgung Österreichs aus, betonte Kraker. Der Rechnungshof überprüfte von März bis Mai 2022 die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung in Österreich.

In einer weiteren Prüfung stellte der Rechnungshof Förderungen ohne Angabe von Umsatzdaten und keine Nachweise von tatsächlichen Verlusten bei COVID-Förderungen durch die Agrarmarkt Austria fest (III-951 d.B.). Die Prüfung hat eine Überförderung von mindestens 9,74 Mio. € ergeben. Es galt Einkommensverluste rasch, einfach und direkt abzufedern, hielt Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig entgegen. Daher seien spezielle Förderbedingungen für Land- und Forstwirtschaft erforderlich gewesen. Oft seien keine Daten über Umsatzverluste verfügbar gewesen. Die Förderungen seien "rechtens" bezogen worden, unterstrich Günter Griesmayr, Vorstandsvorsitzender der Agrarmarkt Austria (AMA).

Kraker: Versorgungssicherheit nachhaltig herstellen

Österreich kann sich aus Sicht des Rechnungshofs bei den wesentlichen landwirtschaftlichen Produkten selbst versorgen. Bei tierischen Produkten liege die Selbstversorgung teilweise deutlich über dem Eigenverbrauch. Bei Obst und Gemüse sei die Selbstversorgung vor allem bei Äpfeln, Zwiebeln, Karotten und Kartoffeln sehr gut, auch bei Getreide insgesamt liegt ein hoher Selbstversorgungsgrad vor. Kritisch sieht Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker allerdings die vielfältigen Einflüsse auf die landwirtschaftliche Produktion sowie auf die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Veränderungen bei einem oder bei mehreren Faktoren könnten zu Risiken für die Ernährungssicherheit werden, betonte sie. Die Selbstversorgungsgrade beinhalten weder Exporte noch die touristische Nutzung, zeigte Hermann Weratschnig (Grüne)auf. Die Werte erachtete er für nicht aussagekräftig genug.

Bis vor einigen Jahren war Lebensmittelknappheit kein Thema, sagte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Erst durch COVID und den Angriffskrieg auf die Ukraine sei dies in den Fokus gerückt. In Österreich habe es zu keiner Zeit eine Gefährdung der Lebensmittelversorgung gegeben. Sein Ministerium sei bereits tätig geworden und habe zahlreiche Empfehlungen aufgegriffen, so Totschnig.

Wasserverbrauch im Auge behalten

Notwendig ist aus Sicht des Rechnungshofs ein regelmäßiger und umfassender Überblick mit einer Abschätzung über künftige Entwicklungen zur Ernährungssicherheit. Damit sollen unter anderem schwindende Grundwasserressourcen im Auge behalten werden. Diese drohen laut Rechnungshof von derzeit 5,1 Mrd. auf 3,9 Mrd. Kubikmeter zu sinken. Derzeit liegt der jährliche Wasserverbrauch in Österreich bei rund 753 Mio. Kubikmeter Wasser. Dem Prüfbericht zufolge könnte sich dieser bis 2050 auf bis zu 850 Mio. Kubikmeter erhöhen. Nicht ausreichend berücksichtigt sei dabei der Sektor Landwirtschaft, da teilweise keine Wasserzähler vorgeschrieben waren und Daten über Wasserentnahmen nur teilweise zur Verfügung stehen. Änderungsbedarf gibt es für Kraker beim Bewilligungszeitraum für Wasserentnahmen für die Bewässerung. Im Jahr 2018 wurde dieser von maximal zwölf auf maximal 25 Jahre erhöht. Aus Sicht des Rechnungshofs trägt dies dem absehbaren Anstieg des Wasserverbrauchs nicht Rechnung.

Bei den 25 Jahren handle es sich um eine Maximalfrist, entgegnete Totschnig der Kritik. Eine konkrete Frist werde in Bescheiden einzelfallbezogen festgelegt.

Novelle des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes

Die Trockenheit habe in Teilen Europas zu Trinkwasserengpässen gefühlt, hob Joachim Schnabel (ÖVP) in Erinnerung. Ruth Becher (SPÖ) trat für eine Anpassung des Wasserrechtsgesetzes 1959 an die Auswirkungen des Klimawandels ein. Zudem forderte sie in Anlehnung an die Empfehlung des Rechnungshofs Daten über die entnommenen Wassermengen für die landwirtschaftliche Bewässerung. Peter Schmiedlechner von der FPÖ sprach sich für eine Novelle des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes aus, um Risiko- und Krisenmanagement zu verbessern. Das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 ist der gesetzliche Rahmen für Lenkungsmaßnahmen entlang der Lebensmittelkette in einer Krise. Kraker machte sich für die Einbettung von Krisenmaßnahmen wie Notfallpläne im Fall eines Blackouts stark. Totschnig bestätigte, es gebe bereits einen Entwurf für eine Novelle des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes.

Diskussion um Bodenverbrauch und Raumordnung

Die Rechnungshofpräsidentin machte auch auf den fortschreitenden Bodenverbrauch und dessen Folgen für die Versorgungssicherheit aufmerksam. In Tirol hätten sich die landwirtschaftlichen Produktionsflächen halbiert, hob Hermann Weratschnig (Grüne) hervor. Kraker ortete daher dringenden Handlungsbedarf, um landwirtschaftlich nutzbare Flächen zu erhalten. Ähnlich sahen dies die Grünen sowie die NEOS. Unter anderen sprach sich Yannick Shetty (NEOS) für den Schutz landwirtschaftlich wichtiger Flächen aus. Ulrike Böker (Grüne) hinterfragte auf Basis einer Empfehlung des Rechnungshofs die Größe und Zusammensetzung sowie die Rolle des Bundeslenkungsausschusses. Derzeit liege die tägliche Flächeninanspruchnahme bei rund 11 Hektar, informierte Totschnig. Die Bodenschutzstrategie zeige, dass es möglich sei, die Bodenschutzziele zu erreichen.

Totschnig über Maßnahmen zur Absicherung der Trinkwasserversorgung

Ein 5-Punkte-Resilienz-Plan für Lebensmittelversorgungssicherheit sei entwickelt worden, um Trinkwasser langfristig abzusichern, hielt der Landwirtschaftsminister in Richtung Schnabel fest. Um die verlässliche Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser zu sichern und auszubauen, werde es 2025 und 2026 eine zusätzlich Förderung in Höhe von 100 Mio. €, insbesondere für die Trinkwasserversorgung, geben.

Während der Rechnungshof die Rahmenkompetenz der Raumordnung dem Bund in die Arme legen würde, hielt Totschnig entgegen, dass es dazu eine Bundesstaatsreform bedürfe, die nicht im Regierungsprogramm angedacht sei. Das bestehende System ist aus seiner Sicht geeignet, um landwirtschaftliche Produktionsstätten zu schützen. Konkret hatte der Rechnungshof dem Landwirtschafsministerium empfohlen, eine sachgerechte verfassungsrechtliche Grundlage für eine Raumordnungsrahmenkompetenz des Bundes zu erarbeiten und voranzutreiben.

Rechnungshof: Überförderungen von 9,74 Mio. € durch COVID-Mehrfachförderungen der Agrarmarkt Austria

Bis Ende 2021 wurden 178,48 Mio. € für die Land- und Forstwirtschaft sowie für Privatzimmervermietungen ausbezahlt, führte Kraker aus. Gefördert wurde auf Basis der Härtefallfonds-Richtlinie sowie der Sonderrichtlinie Verlustersatz. Dabei konnten mehrere Förderungen zugleich in Anspruch genommen werden. Der Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht, dass das Landwirtschaftsministerium und das Finanzministerium dies zuließen, obwohl bereits bei der Erstellung der Härtefallfonds-Richtlinie das Potenzial für Überförderung erkennbar war (III-951 d.B). Kraker legte nahe, bei der künftigen Konzeption von Hilfsmaßnahmen die Förderkriterien so festzulegen, dass eine Überkompensation ausgeschlossen wird. Zudem sprach sie sich gegen Förderungen ohne Fördervoraussetzungen aus.

Die Förderinstrumente seien so gestaltet gewesen, dass bei niedrigen Umsatzausfällen und geringen Umsätzen ein Potenzial von Überförderung bestand, kritisierte Kraker. Konkret stellte der Rechnungshof eine Überförderung von mindestens 9,74 Mio. € fest. 1.066 land- und forstwirtschaftliche Betriebe und 917 Privatzimmervermietungen haben laut Rechnungshof durch die Abgeltung der Einkunftsverluste 5,20 Mio. mehr ausbezahlt bekommen, als die angegebenen Umsatzausfälle ausmachten, was insbesondere bei Andreas Kollross (SPÖ) auf Kritik im Ausschuss stieß. Ein ähnliches Bild zeigt der Lockdown-Umsatzersatz. Bei 1.385 land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und 2.303 Privatzimmervermietungen ist das Fördervolumen um insgesamt 4,54 Mio. € höher gewesen als die angegebenen Umsätze. Im Bereich Privatzimmervermietungen überstieg das Fördervolumen die angegebenen Umsätze. 4,50 Mio. € wurden bewilligt, obwohl die Anträge keine Angaben zu Umsatzdaten enthielten, so das Prüfergebnis. Abgewickelt wurden die Anträge und Auszahlungen durch die AMA.

Griesmayr: Keine Rückforderungen, da Förderungen "rechtens"

Peter Schmiedlechner (FPÖ) und Yannick Shetty (NEOS) interessierten sich für mögliche Rückforderungen. Günter Griesmayr von der AMA sprach sich dagegen aus. Die Förderungen seien "rechtens" gewesen, unterstrich er. Im Gegensatz zu "zu Unrecht bezogenen" Förderungen, seien diese Förderbeträge durch Minimalförderbeträge zustande gekommen. Es handle sich um eine "politische Wertung" als Überförderung, nicht um eine rechtliche, stellte er dar. Kraker hielt dem entgegen: Der Rechnungshof gebe keine politischen Wertungen ab, vielmehr habe die Prüfung auf Basis der Förderrichtlinien ein Überförderungspotential erkannt und dargestellt.

Im Dezember 2021 hatte die AMA insgesamt 178,48 Mio. € an COVID–19–Förderungen ausbezahlt, in die Transparenzdatenbank eingemeldet waren laut Prüfbericht Auszahlungen in Höhe von 161,95 Mio. €. Somit seien 9 % der Auszahlungen nicht in der Transparenzdatenbank erfasst worden, hielt Shetty fest. Bei künftigen Einmeldungen in die Transparenzdatenbank sollen alle ausbezahlten Förderungen berücksichtigt werden, bestätigte Griesmayr die Umsetzung der Rechnungshofempfehlung.

Totschnig: Wegen Dringlichkeit Ungenauigkeit in Kauf genommen

Auf Basis einer wissenschaftlichen Analyse seien für die Umsätze Durchschnittswerde ermittelt worden. Aufgrund des Gebots der Dringlichkeit haben man die Ungenauigkeit der Methode in Kauf genommen, so Totschnig. Die Unterstützungsmaßnahmen seien absolut notwendig gewesen und hätten sich bewährt, führte Totschnig auf eine Frage von Andreas Hanger (ÖVP) aus. "Nur so konnten die entsprechenden Branchen gut durch die Krise gebracht werden", zeigte sich Totschnig überzeugt.

Die beiden Berichte wurden ebenso einstimmig zur Kenntnis genommen, wie Prüfberichte zur Wildbach- und Lawinenverbauung in Oberösterreich und der Steiermark (III-854 d.B.), zur Gewässeraufsicht in Kärnten und Oberösterreich (III-642 d.B.) und zur Follow-up-Überprüfung bei der Schutzwaldbewirtschaftung bei der Österreichischen Bundesforste AG (III­324 d.B.). Zur Fristwahrung vertagt wurde der Rechnungshofbericht betreffend die Koordination der Cyber-Defence (III-1041 d.B.). (Schluss Rechnungshofausschuss) gla