Parlamentskorrespondenz Nr. 1301 vom 29.11.2023
Neu im Justizausschuss
Wien (PK) – Ab Februar 2024 wird die EU-Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten. Das Ziel des Digital Services Acts ist insbesondere, das Internet für Nutzer:innen in Europa sicherer und transparenter zu gestalten. So sollen vor allem alle sehr großen Online-Plattformen (VLOPs) und sehr großen Online-Suchmaschinen (VLOSEs) ein Melde- und Aktions-Verfahren für illegale Inhalte einrichten. Damit sollen illegale Inhalte sowie Hass im Netz effizienter bekämpft werden können.
Zur innerstaatlichen Umsetzung hat das Justizministerium dem Nationalrat das DSA-Begleitgesetz (2309 d.B.) mit flankierenden Maßnahmen vorgelegt. So soll sichergestellt werden, dass zum einen geltendes Bundesrecht nicht der EU-Verordnung widerspricht und zum anderen die für die Verordnung notwendigen Umsetzungsschritte auf nationaler Ebene bestimmt werden. So wird unter anderem die KommAustria als nationaler Koordinator für digitale Dienste benannt. Diese erhält damit künftig die Kompetenz, unter anderem in Beschwerdesachen mittels Bescheid zu entscheiden. Zudem wird der Informationsmechanismus für Vermittlungsdiensteanbieter im österreichischen Verfahrensrecht verankert. Zudem werden vertrauenswürdige Hinweisgeber und außergerichtliche Streitbeilegungsstelle als Anlaufstelle für Nutzer:innen im nationalen Recht definiert.
Weitere Änderungen betreffen unter anderem die Neuregelung der Kosten von Gegendarstellungen in Folge eines Entscheids des Verfassungsgerichtshofes.
Mit der vorliegenden umfassenden Regierungsvorlage wird das Koordinator-für-digitale-Dienste-Gesetz erlassen. Weiters erfolgen Änderungen im KommAustria-Gesetz, E-Commerce-Gesetz, Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, Urheberrechtsgesetz, Gerichtsgebührengesetz, Mediengesetz, Strafprozeßordnung, Staatsanwaltschaftsgesetz, Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und im Telekommunikationsgesetz 2021.
Hintergrund Digital Services Act
Mit der Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste hat die Europäische Union einen unmittelbar anwendbaren Rechtsrahmen geschaffen, mit dem die Bedingungen für die Erbringung von Vermittlungsdiensten (z.B. Online-Plattformen) im gesamten EU-Binnenmarkt harmonisiert werden sollen. Ziel sei ein sicheres, berechenbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld, das der Verbreitung rechtswidriger Online-Inhalte und den gesellschaftlichen Risiken, die die Verbreitung von Desinformation oder anderen Inhalten mit sich bringen kann, entgegenwirkt und in dem Grundrechte wirksam geschützt und Innovationen gefördert werden, wird in den Erläuterungen angeführt. Die Verordnung wird ab dem 17. Februar 2024 unmittelbar in den Nationalstaaten gelten. Bestimmungen über sehr große Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen sind bereits in Kraft getreten.
Nationale Anpassungen erforderlich
Mit dem Inkrafttreten der Verordnung 2024 werden das bestehende Kommunikationsplattformen-Gesetz und einige Bestimmungen des E-Commerce-Gesetz nicht mehr anwendbar sein. Zudem sieht die Regierungsvorlage auch vor, dass bestehende Regelungen, wie einzelne Stellen des E-Commerce-Gesetz, aufzuheben sind, da sie nunmehr unmittelbar in der EU-Verordnung geregelt sind. Insbesondere muss aber bereits vor diesem Zeitpunkt eine Behörde – der sogenannte Koordinator für Digitale Dienste – bestimmt werden. Dieser soll die Anbieter von Vermittlungsdiensten beaufsichtigen und die Regelungen der Verordnung vollziehen.
KommAustria künftig Koordinator für digitale Dienste
Wegen der großen Überschneidung mit den bisherigen Aufgaben wird laut Erläuterungen in der Regierungsvorlage die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) dafür vorgeschlagen. Die EU-Verordnung sieht für Nutzer:innen sowie Vertretungsorganisationen ein Beschwerderecht vor. Dem Koordinator für digitale Dienste kommt die Zuständigkeit zu, derartige Beschwerden, in denen ein Verstoß eines Anbieters von Vermittlungsdiensten gegen die Verordnung behauptet wird, zu prüfen. Die KommAustria erhält mit dem vorliegenden Gesetz unter anderem die Kompetenz, in Beschwerdesachen mittels Bescheid zu entscheiden, wenn die Angelegenheit in ihren Zuständigkeitsbereich fällt. Die KommAustria ist nicht zuständig, wenn der Koordinator für digitale Dienste am Niederlassungsort zuständig ist. In diesem Fall hat die KommAustria die Beschwerde aber an diesen weiterzuleiten. Dasselbe gilt, wenn innerstaatlich eine andere Stelle für die Beschwerde zuständig ist. Mit der erfolgten Weiterleitung geht auch die in der EU-Verordnung vorgesehene Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs und zur Unterrichtung über den Stand der Beschwerde nach Maßgabe des nationalen Rechts auf jene Einrichtung über, an die weitergeleitet wurde. Die KommAustria hat die Beschwerdeführer:innen aber von der Weiterleitung der Beschwerde in Kenntnis zu setzen.
Mit dem Ziel Innovationen voran zu treiben kann die KommAustria außerdem Forscher:innen unter bestimmten Bedingungen Zugang zu Daten sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen ermöglichen. Ebenso sieht das Gesetzespaket vor, den Bundesanteil der Mittel für die KommAustria und die RTR-GmbH in bestimmten Bereichen zu erhöhen.
Weitere Möglichkeiten für Nutzer:innen: Vertrauenswürdige Hinweisgeber und außergerichtliche Streitbeilegungsstelle
Eine weitere Kompetenz der KommAustria ist, dass sie öffentliche Einrichtungen, wie Meldestellen für Internetinhalte der nationalen Strafverfolgungsbehörden, oder Nichtregierungsorganisationen als vertrauenswürdige Hinweisgeber mittels Bescheid definieren kann. An diese können sich Bürger:innen wenden, wenn sie rechtswidrige Inhalte entdeckt haben. Die vorrangige Bearbeitung von Meldungen über solche Einrichtungen soll dazu beitragen, rascher und zuverlässiger gegen rechtswidrige Inhalte vorgehen zu können, wird in den Erläuterungen argumentiert.
Die EU-Verordnung sieht weiters vor, dass Anbieter von Online-Plattformen ihren Nutzer:innen ein Beschwerdemanagementsystem unter anderem zur Meldung rechtswidriger Inhalte bereit stellen müssen. Wenn die Beschwerden dadurch nicht gelöst wurden, können Nutzer:innen sich zudem an eine außergerichtliche Streitbeilegungsstelle werden. Diese steht allen Nutzer:innen, somit auch gewerblichen Nutzer:innen, offen. Per Gesetz wird in Österreich dazu die RTR-GmbH, Fachbereich Medien, vorgesehen. Zusätzlich kann die KommAustria weitere außergerichtliche Streitbeilegungsstellen auf deren Antrag zertifizieren.
Informationsmechanismus gegen Hass-Postings
Im E-Commerce Gesetz ist die Implementierung des in der EU-Verordnung vorgesehenen Informationsmechanismus für Vermittlungsdiensteanbieter in das österreichische Verfahrensrecht vorgesehen. Diese Bestimmung soll den Erläuterungen zufolge die Rechtsdurchsetzung bei Fällen von Hass im Netz maßgeblich erleichtern. Dazu sieht die EU-Verordnung die Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung von Entfernungs- und Auskunftsanordnungen durch die anordnende Behörde an den Vermittlungsdiensteanbieter vor.
Rechtsgrundlage für immateriellen Schadenersatz bei Ehrenbeleidigungen
Die Schaffung einer Rechtsgrundlage für immateriellen Schadenersatz bei erheblichen Ehrenbeleidigungen in einem elektronischen Kommunikationsnetz sei laut Erläuterungen ein weiterer "Meilenstein" bei der Bekämpfung von Hass im Netz mit zivilrechtlichen Mitteln.
Änderungen im Mediengesetz betreffen Gegendarstellungen
Die im Gesetzespaket vorgesehenen Änderungen im Mediengesetz beinhalten neben redaktionellen Anpassungen auch Änderungen des Gegendarstellungsrechts in Folge eines VfGH-Erkenntnisses. Die Höhe des Einschaltungsentgelts sei dem VfGH zufolge von der Marktposition des Medieninhabers abhängig und würde entsprechend hohe Kosten verursachen. Der Gegendarstellungsberechtigte könne diese Faktoren nicht beeinflussen und damit vorab sein Zahlungsrisiko nicht begrenzen. Damit sei die derzeit bestimmte Höhe des Einschaltungsentgelts unverhältnismäßig und nicht im Sinne eines Ausgleichs zwischen den Interessen des Betroffenen und des Medieninhabers, argumentiert der VfGH in seinem Entscheid.
Zur Behebung der derzeit verfassungswidrigen Rechtslage wird in der Regierungsvorlage vorgeschlagen, den Bezug auf das Einschaltungsentgelt durch einen Bezug auf die tatsächlich angefallenen Kosten der Veröffentlichung zu ersetzen. Dadurch sollen den Erläuterungen zufolge dem Medieninhaber künftig ausschließlich der durch die konkrete Veröffentlichung entstandene Personal- und Sachaufwand ersetzt werden. Im Gegenzug soll das richterliche Mäßigungsrecht entfallen. (Schluss) pst