Parlamentskorrespondenz Nr. 1343 vom 05.12.2023

Inklusion: Ja, sicher! Menschen mit Behinderungen im Parlament

Start der Veranstaltungsreihe "Die Kunst des Dialoges: Literatur im Parlament"

Wien (PK) - Den Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen nahm die Parlamentsbibliothek zum Anlass, gestern im Parlament eine Diskussionsveranstaltung dem Thema Barrierefreiheit und Inklusion zu widmen. Der Abend bildete zugleich den Start der neuen Veranstaltungsreihe der Parlamentsdirektion "Die Kunst des Dialoges: Literatur im Parlament", die künftig zweimal jährlich zu einem Themenschwerpunkt mit Parlamentsbezug stattfinden soll. Zentrales Element ist dabei immer auch ausgewählte Literatur zum jeweiligen Thema.

Parlamentsvizedirektorin Susanne Janistyn-Novák hob in ihren Eröffnungsworten hervor, dass sich die Barrierefreiheit und Partizipationsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen – vor allem auch dank des Engagements der Betroffenen selbst – in den letzten Jahrzehnten erweitert und verbessert haben. Es gehe schon lang nicht mehr nur um Türen und Treppen, sondern auch um soziale und kommunikative Dimensionen von Barrieren. Auch literarische Werke gehen aus gesellschaftlichen Erfahrungen mit diesen Barrieren hervor, die für diese Veranstaltung Ausgangs- und Anknüpfungspunkt darstellen, so Janistyn-Novák. Unterstrichen werde mit der Dialogveranstaltung auch die Selbstverständlichkeit von Begegnung und Interaktion.

Menschenrechtsexpertin Marianne Schulze sprach in ihren einleitenden Worten über die drei Literaturwerke, die den Rahmen für die Veranstaltung bildeten. Mit dabei waren die prämierten Texte des "Literaturpreis Ohrenschmaus" der Jahre 2017 bis 2022 unter dem Titel "Wo is de Zeit hinkemma?" von Herausgeber Franz-Joseph Huainigg. Huainigg leiste schon lange Zeit einen entscheidenden Beitrag dazu, dass Literatur von Menschen mit Behinderung mehr Aufmerksamkeit bekommt, so Schulze. Ebenso erwähnenswert sei "Das Mutbuch", herausgegeben von "Selbstbestimmt Leben Innsbruck – Wibs", das Lebensgeschichten von Menschen mit Lernschwierigkeiten umfasst. Vor einigen Wochen erst erschienen sei außerdem das Buch "Angry Cripples" als eine Anthologie mit "Stimmen behinderter Menschen gegen Ableismus", herausgegeben von Alina Buschmann und Luisa L‘Audace.

Gespräche mit Expertinnen über Inklusion in eigener Sache

In eigener Sache über Inklusion diskutierten in einer Gesprächsrunde die Expertinnen Monika E. Schmerold (Menschenrechtsbeirat), Katharina Steiner (Österreichischer Behindertenrat) und Melanie Wimmer (nueva).

Monika E. Schmerold sprach sich dafür aus, schon im Kindergarten dafür zu sensibilisieren, dass etwa das Bild eines Rollstuhls ein selbstverständliches ist. Jeder und jede könnte schon morgen selbst zum Kreis der Menschen mit Behinderung gehören, gab sie zu bedenken, dass Vorurteile und Zuschreibungen abgebaut werden müssen. Das Ziel für eine bessere Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung wäre, dass jeder und jede selbstverständlich am öffentlichen Leben teilnehmen kann. Es gebe im Sinn der Selbstbestimmung etwa auch nach wie vor zu wenige Menschen mit Behinderungen in der Politik, so Schmerold. An die Abgeordneten appellierte sie, dass das Thema Behinderung als Querschnittsmaterie über alle Bereiche mitgedacht werden müsse. Mit Diskriminierung sehe sie sich im Alltag leider oft konfrontiert, es brauche hier intensivere Beschäftigung mit dem Thema auch außerhalb der Community.

Es brauche Mut, entgegen täglich stattfindender Zuschreibungen zu artikulieren, was man wirklich braucht, meinte zu diesem Thema Katharina Steiner. Dialog und Offenheit seien wichtige Punkte. Zudem sollten auch Arbeitgeber:innen stärker auf Ressourcen als auf Defizite schauen. Es brauche mehr Personen, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung stark machen, stimmte sie mit Schmerold überein. Nach wie vor gebe es viele Beispiele, wo man nicht als mündige Person gesehen werde. Eine Behinderung entspreche einer Beschreibung einer Person ähnlich wie die Haarfarbe: Diese sei nicht das Einzige, das einen Menschen ausmacht, so Steiner.

Selbst im Jahr 2023 sei es noch immer nicht angekommen, dass Menschen mit Behinderung ein eigenständiges Leben führen, kritisierte Melanie Wimmer. Inklusion betreffe nicht nur bauliche Barrierefreiheit, sondern etwa auch leichte Sprache und Informationen bei alltäglichen Dingen. Aus früheren schockierenden Erfahrungen habe sie gelernt, sich ein Selbstbewusstsein für das Recht zu schaffen, sichtbar zu sein. An Problemen ortet sie etwa einen "Formulardschungel" für Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung, aber auch, dass oft im Sozialbereich als Erstes gespart werde. Wichtig ist aus ihrer Sicht, dass sich Menschen im Sinne von Austausch und Kommunikation mehr mit diesen Themen beschäftigen.

Thematisiert wurden in der anschließenden Debatte aus dem Publikum unter anderem Ansätze für ein sogenanntes "persönliches Budget" für den finanziellen Unterstützungsbedarf von Menschen mit Behinderung oder auch das Fördersystem in Österreich mit Bundesländerunterschieden durch den Föderalismus, etwa beim Thema "persönliche Assistenz". (Schluss) mbu

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.