Parlamentskorrespondenz Nr. 1354 vom 05.12.2023

Demokratiepreis und Wissenschaftspreis der Margaretha Lupac-Stiftung würdigen Engagement für Demokratie

Preisträger:innen in Podiumsgespräch über Bedeutung der politischen Teilhabe

Wien (PK) – Die Konfliktforscherin Birgitt Haller und die Initiative Minderheiten wurden heute im Parlament mit dem Demokratiepreis 2022 der Margaretha Lupac-Stiftung ausgezeichnet. Der Wissenschaftspreis 2023 wurde an den Politikwissenschafter Peter Slominski und den Rechtswissenschafter Emanuel Lerch verliehen.

Margaretha Lupac war der Republik Österreich besonders verbunden und hat ihr ganzes Vermögen dem Parlament vermacht. 2001 wurde im Gedenken an sie eine Stiftung gegründet, die seit 2004 alternierend alle zwei Jahre einen Demokratiepreis und einen Wissenschaftspreis vergibt.

Die Preisträgerin Birgitt Haller leitet seit vielen Jahren das Institut für Konfliktforschung und gilt als große Persönlichkeit im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Die ebenfalls gewürdigte Initiative Minderheiten, zunächst als Menschenrechts-NGO gegründet, setzt sich seit 1991 im Sinne eines umfassenden und inklusiven Verständnisses von Minderheiten für Gleichheit ohne Diskriminierung ein. Emanuel Lerch wird mit dem Wissenschaftspreis für seine Dissertation "Demokratie und Autonomie – Eine Analyse entlang der EMRK", Peter Slominski für sein bisheriges wissenschaftliches Gesamtwerk ausgezeichnet.

Demokratie in allen Lebensbereichen

Die Demokratie sei nicht beschränkt auf das Parlament, sondern sie finde tagtäglich in allen Lebensbereichen statt, betonte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Vorsitzender des Stiftungskuratoriums in seinen Eröffnungsworten. Es sei daher erfreulich, dass es sowohl Forschungsarbeiten zum Thema gibt als auch Initiativen, die im Alltag für Demokratie werben, sagte er mit Blick auf die Preisträger:innen. Die Verleihung der Margaretha Lupac-Preise soll jene Menschen vor den Vorhang bitten, die sich in der Tiefe mit Demokratie auseinandersetzen, so der Nationalratspräsident.

Genau auf diese tiefe, wissenschaftliche Expertise sei die Demokratie angewiesen, betonte auch Politikwissenschafterin und Jury-Mitglied Sieglinde Rosenberger in ihrer Laudatio. Zivilgesellschaftliche Organisationen könnten gleichermaßen zur Qualität und Stabilität der Demokratie beitragen und auch als Korrektiv wirken. Die Preisverleihung biete die Gelegenheit, an diese wichtige Beziehung zwischen Demokratie und Parlament auf der einen und Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf der anderen Seite zu erinnern. Die Preise, die auf einstimmige Entscheidungen von Jury und Kuratorium zurückgingen, würden Personen und Initiativen würdigen, die sich für Demokratie als Lebens-, Regierungs- und Staatsform engagieren, bei Grund- und Menschenrechten ansetzen, Marginalisierten eine Stimme geben und mit ihrer Arbeit wichtige Denkanstöße liefern, fasste Rosenberger zusammen.

Podiumsgespräch über politische Mitwirkung

In einem von Parlamentssprecher Karl-Heinz Grundböck moderierten Podiumsgespräch mit den Preisträger:innen stand die Partizipation – von Parlamenten, den einzelnen Bürger:innen und Minderheiten – im Fokus. Peter Slominski beleuchtete das Phänomen, dass Krisenzeiten die Stunde der Exekutive seien. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene habe in der Krise die Regierung bzw. der Rat als zentraler Krisenmanager agiert. Parlamente hätten dabei oft wenig Handlungsspieltraum, etwa auch, wenn Gesetze mit sehr kurzer Begutachtungsfrist vorgelegt werden. Aus seiner Sicht müssten Parlamente die Rolle von öffentlicher Rede und einem Abwiegen von Argumenten vor Beschlüssen stärker betonten.

Auf politische Partizipation in Form von Protesten ging Birgitt Haller ein. Für die Konfliktforscherin ist der aktuell sichtbarste Konflikt jener zwischen ökologisch orientierten Menschen und jenen, die es nicht sind. Haller führte zentrale Bewegungen im Klimaschutz an und bezeichnete es als auffällig, dass die Politik mit "ungeheuer massiven Maßnahmen" reagiere. Das politische Klima bewertete sie mit Blick auf Gewalt gegen Frauen. Es sei auffällig, dass die zuständigen Politiker:innen in Österreich "sich nicht deutlich gegen Gewalt positionieren". Beim jüngsten Femizid in Italien hingegen hätten sich sofort Regierungschefin und Staatspräsident geäußert. Kurz danach habe das Parlament das Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen einstimmig verschärft.

Was die Situation und die Teilhabe von Minderheiten betrifft, führte Cornelia Kogoj von der Initiative Minderheiten sowohl Meilensteine als auch offene Forderungen an. Die Anerkennung der Roma als Volksgruppe vor 30 Jahren sei eine wichtige Errungenschaft. Nach wie vor nicht umgesetzt seien aber langjährige Forderungen von Menschen mit Behinderungen, etwa nach der Abschaffung von Sonderschulen und für eine persönliche Assistenz. Auch das Wahlrecht für Menschen aus dem Ausland, die in Österreich leben und Steuern zahlen, aber politisch nicht mitbestimmen dürfen, bezeichnete Kogoj als demokratiepolitisch relevant.

Über die Begriffe der privaten und politischen Autonomie näherte sich Emanuel Lerch der Partizipation an. Durch die Wahrnehmung von politischer Autonomie, also politischen Grundrechten, könnte der und die Einzelne die "Zumutung", sich an fremde Regeln halten zu müssen, rechtfertigen. Denn durch die Mitwirkung könne man sich selbst gewissermaßen als Urheber:in dieser Regeln verstehen. Gleichzeitig ist aus seiner Sicht die Anerkennung der Menschen, so wie sie sind, also ihrer privaten Autonomie, die Voraussetzung für deren Teilhabe am politischen Prozess. Denn etwa eine Transperson werde sich nicht politisch engagieren, wenn sie dadurch riskieren müsse, Gewalt ausgesetzt zu sein. (Schluss) kar

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