Parlamentskorrespondenz Nr. 1365 vom 06.12.2023

Menschenrechtsausschuss: Aktuelle Aussprache mit Außenminister Schallenberg

Abgeordnete thematisieren Hamas-Terror, Ukraine, Schengen, Asyl und Institutionen

Wien (PK) – Kurz vor dem 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember trat der Menschenrechtsausschuss heute zusammen. Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Alexander Schallenberg stand den Abgeordneten in einer aktuellen Aussprache Rede und Antwort. Die Abgeordneten thematisierten dabei die Einhaltung der Menschenrechte in den Krisenregionen der Welt – von Israel über die Ukraine und Afghanistan bis hin zu Venezuela – aber auch Themen wie Asyl oder Schengen. Nichts, das in Europa erreicht wurde, sei grundsätzlich gesichert, meinte Schallenberg hinsichtlich der globalen Lage der Menschenrechte. Angesichts einer "Blüte" von Desinformation und Fake News sei es wichtig, den Zugang zu zuverlässigen Quellen sicher zu stellen. Als einen kommenden Schwerpunkt seines Ressorts kündigte Schallenberg die Folgen von künstlicher Intelligenz auf die Menschenrechte an.

Terror der Hamas "mittelalterlich anmutender Pogrom"

Am 7. Oktober habe die Hamas in einem "mittelalterlich anmutenden Pogrom" einen Zivilisationsbruch begangen. Das Leid, das sie damit ausgelöst habe, sei enorm. Es gelte, auf eine bedingungslose Freilassung der Geiseln hinzuwirken, das Ausbreiten des Konflikts zu verhindern sowie die humanitäre Unterstützung der Menschen in Gaza zu sichern.

Hinsichtlich der humanitären Hilfe in palästinensischen Gebieten plädierte der Außenminister gegenüber Faika El-Nagashi (Grüne) dafür, diese fortzusetzen, sie aber an politische Erwartungen und eine Distanzierung vom Terror zu knüpfen. Positiv befand Harald Troch (SPÖ) die Evakuierung aller Österreicher:innen aus dem Gaza-Streifen. Angesichts der "Bombenteppiche" sollten aber alle zwei Millionen Menschen raus gebracht werden, meinte er. Den Vergleich mit "Bombenteppichen" befand Martin Engelberg (ÖVP) als "inakzeptabel". Durch die Hamas würden Kriegsverbrechen erfolgen. Israel habe angesichts der fortgesetzten Raketenangriffe durch die Hamas das Recht, sich zu verteidigen. Ohne der Zerstörung der Hamas werde es nicht das geben, "was wir alle wollen": eine Zweistaatenlösung, schloss Engelberg.

Angesichts der täglichen Raketenangriffe der Hamas sei es noch nicht an der Zeit für eine längere Waffenruhe, meinte Schallenberg auch gegenüber Stephanie Krisper (NEOS). Eine solche würde lediglich der Hamas helfen. Israel unternehme aber im Unterschied zur Hamas alles, um zivile Opfer zu vermeiden.

Wie hoch die Unterstützung der Hamas durch die Bevölkerung im Gaza-Streifen ist, sei schwer zu sagen, meinte der Außenminister zu Susanne Fürst (FPÖ). Aus seinem Kontakt mit Familien, die aus Gaza evakuiert wurden, könne er aber sagen, dass diese die Hamas "null" unterstützen würden. Ohne die Hamas könnten sie in Gaza weiter in Frieden leben.

Er sei froh, dass der UNO-Generalsekretär eine Untersuchung zu sexueller Gewalt und Vergewaltigungen angekündigt habe, betonte Schallenberg.

Ukraine: Menschen im zweiten Kriegswinter unterstützen

In der Ukraine gehe der russische Aggressionskrieg unvermindert weiter und es stehe der zweite harte Kriegswinter für die Menschen an. Diese würden nicht nur humanitäre Unterstützung benötigen, sondern auch die Gewissheit, dass es keine Straflosigkeit bei Verbrechen gebe. Er gehe davon aus, dass die Ukraine im Unterschied zum Vorjahr besser auf den Winter vorbereitet sei. Österreich werde jedenfalls der Ukraine helfen, wenn es notwendig ist, meinte der Außenminister zu Stephanie Krisper (NEOS).

Afghanistan: Österreich setzt humanitäre Unterstützung fort

Afghanistan sei von den Taliban in das Mittelalter zurück geworfen und Frauen ihrer Rechte beraubt worden, betonte der Außenminister. Österreich setze seine humanitäre Hilfe aber fort, dies sei seine Pflicht. Damit die Hilfe auch ankommt, arbeite man mit internationalen Organisationen zusammen und das Ressort prüfe dementsprechend. Der Schwerpunkt der Projekte liege insbesondere auf der Unterstützung von Mädchen und Frauen, meinte Schallenberg zu Martin Engelberg (ÖVP), Petra Bayr (SPÖ), Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Faika El-Nagashi (Grüne). In diesem Zusammenhang befürworteten Bayr, Ernst-Dziedzic und El-Nagashi auch den Vienna Process, bei dem sich die Opposition Afghanistans über eine mögliche demokratische Zukunft austauschte.

Iran: Menschenrechte werden getreten

Der Iran sei weiter auf Konfrontationskurs und Menschenrechte würden getreten, erklärte Schallenberg gegenüber Melanie Erasim (SPÖ). Schockierend sei ein aktueller Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, wonach der Iran systematisch sexuelle Gewalt gegen Demonstrierende als Einschüchterungsinstrument einsetze. Dies sei zu verurteilen, betonte Schallenberg.

Lage in Äthiopien und Venezuela

Die Zusammenarbeit mit Äthiopien befand Schallenberg gegenüber von Stephanie Krisper (NEOS) als wichtig, aufgrund dessen bedeutender Stellung in der Region.

Aktuelle Berichte, wonach Venezuelas Präsident Maduro den Großteil des Nachbarlands Guyana zur Provinz erklären will, bewertete Schallenberg gegenüber Meri Disoski (Grüne) als Ablenken von innerstaatlichen Problemen, das deutlich zu verurteilen sei.

Fake News und Desinformation: Schutz von Journalist:innen bedeutend

Das, was der Hamas-Terror und der Angriffskrieg gegen die Ukraine gemeinsam haben, sei eine "Blüte" an Fake News und Desinformation, erläuterte Schallenberg. Es sei daher wichtig, jene zu schützen, die den Zugang zu sicheren Quellen sicher stellen, meinte Schallenberg mit Verweis auf Journalist:innen und Zivilgesellschaft. Aktuell habe die Zahl inhaftierter Journalist:innen weltweit einen neuen negativen "Rekordwert" erreicht, bedauerte Schallenberg.

Schengen- und Asylsystem muss verbessert werden

Mittlerweile hätten 40 % der Schengenstaaten wieder Grenzkontrollen eingeführt, da das System nicht funktioniere, meinte Schallenberg zu den Fragen von Harald Troch (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) zum österreichischen Veto gegen den Schengenbeitritt von Rumänien und Bulgarien. Österreich sei der größte Unterstützer des Schengensystems, es brauche aber Verbesserungen. Dies ziele nicht gegen Rumänien und Bulgarien, betonte der Minister.

Derzeit sei es rechtlich nicht möglich, Asylverfahren in Drittstaaten durchzuführen, meinte der Minister zu Melanie Erasim (SPÖ) und sprach sich für eine solche Möglichkeit aufgrund der "abschreckenden" Wirkung aus. Es brauche ein System, bei dem Menschen, die Schutz benötigen, Asyl erhalten, betonte Schallenberg.

Institutionen: UNO, OSZE und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Die Bundesregierung tue alles, um die Kandidatur zum UN-Sicherheitsrat zu "vermasseln" und Österreich habe nur mehr wenige Freunde, meinte Harald Troch (SPÖ) mit Verweis auf das Veto Österreichs gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens sowie die Ablehnung eines humanitären Waffenstillstands in Palästina. Österreich habe Positionen, diese würden aber keine Auswirkungen auf die Kandidatur für den UN-Sicherheitsrat haben – diese verlaufe gut, entgegnete Schallenberg Troch.

Gegenüber Robert Laimer (SPÖ) strich der Außenminister die Bedeutung der OSZE hervor. Das Bestehen der OSZE hänge aber an einem "seidenen Faden". Den russischen Außenminister Lawrow habe er auf Bitte der OSZE getroffen, um mit diesem ausschließlich ein Personalpaket zu besprechen, berichtete Schallenberg Susanne Fürst (FPÖ).

Zur Nachbesetzung von Richter:innen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte berichtete Schallenberg Petra Bayr (SPÖ) und Nikolaus Scherak (NEOS), dass eine öffentliche Ausschreibung erfolgt sei. Aktuell würde eine hochrangig besetzte Auswahlkommission die eingegangenen sieben Bewerbungen prüfen. Bis Jahresende sollte ein Dreier-Vorschlag vorliegen. Scherak sprach sich für mehr Transparenz bei der Besetzung aus.

Weitere Themen: Menschenrechtssymposium, Verfolgung von Christ:innen, LGBTIQ-Rechte und kurdische Vereine und Spionage

Zum dreißigjährigen Jubiläum der Weltkonferenz über Menschenrechte 1993 in Wien habe sein Ressort im Juni ein Menschenrechtssymposium veranstaltet, berichtete Schallenberg Kira Grünberg (ÖVP). Dabei haben Menschenrechtsakteur:innen aus verschiedenen Bereichen aktuelle und zukünftige Herausforderungen und bewährte Praktiken bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte diskutiert.

Gegenüber Gudrun Kugler (ÖVP) meinte der Außenminister, dass es weltweit einen Anstieg gegen die Rechte christlicher Minderheiten gebe. Sein Ressort unterstütze die entsprechende UN-Resolution zur Religionsfreiheit.

Das Vorgehen von Staaten wie Russland gegenüber LGBTIQ-Personen sei als klarer Verstoß gegen die Menschenrechte zu verurteilen, betonte der Außenminister gegenüber Mario Lindner (SPÖ). Diese Position werde auch in den internationalen Foren thematisiert und eingebracht.

Hinsichtlich von Medienberichten, dass die Türkei Vermögen von Vereinen im Ausland wegen angeblicher Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) einfriere, meinte Schallenberg gegenüber Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne), dass er den betreffenden Verein in Österreich nicht kenne. Falls es einen Verdacht in Richtung PKK gebe, würde jedenfalls aufgrund des Verbots in Österreich die Staatsanwaltschaft aktiv werden.

Auf die Frage von Stephanie Krisper (NEOS) zu digitaler Spionage durch diplomatische Vertretungen in Österreich sagte Schallenberg, dass dies genau beobachtet werde und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen gesetzt würden. (Schluss Menschenrechtsausschuss) pst