Parlamentskorrespondenz Nr. 37 vom 23.01.2024

Rechnungshof prüft bevölkerungsweite COVID-19-Tests und Impfstoffbeschaffung

Kraker präsentiert weitere "Lessons Learned" in Bezug auf das Pandemiemanagement im Ausschuss

Wien (PK) – Im zweiten Teil des heutigen Rechnungshofausschusses stand ein weiteres Mal die Aufarbeitung des Umgangs der Politik mit der Corona-Pandemie im Mittelpunkt. Ausgangspunkt dafür waren dieses Mal Berichte zur Impfstoffbeschaffung sowie zur Durchführung von bevölkerungsweiten COVID-19-Tests, wobei die Prüfzeiträume in die Jahre 2020 bis 2022 zurückreichten. Grundsätzlich festgestellt wurde, dass Österreich beim Pandemiemanagement im internationalen Vergleich stark auf Tests gesetzt habe. Der Rechnungshof ermittelte für alle COVID-19-Tests insgesamt Kosten von mindestens 5,2 Mrd. € bis Ende 2022. Bei der Impfstoffbeschaffung vermisste der Rechnungshof aktenmäßig dokumentierte Bedarfsberechnungen auf Basis nachvollziehbarer Annahmen und eine klare Regelung der Zuständigkeiten.

Da es wichtig sei, die entsprechenden Lehren aus der Krise zu ziehen, werden die Ergebnisse beider Berichte sehr ernst genommen, bekräftigte Bundesminister Johannes Rauch. Die zentralen Empfehlungen werden daher sowohl in die Erstellung eines Pandemieplans sowie in das neue Epidemiegesetz, das bald in Begutachtung geschickt werde, einfließen.

COVID-19-Tests: Risikobasierter Ansatz und Kosten-Nutzen-Aspekt sollen stärker berücksichtigt werden

Der Einsatz der bevölkerungsweiten COVID-19-Tests durch das Gesundheitsressort, das Land Niederösterreich und die Stadt Wien vor allem im Zeitraum 2020 und 2021 wurde vom Rechnungshof genauer untersucht. Ziel der Gebarungsüberprüfung war es, die COVID–19–Tests als Maßnahme des Pandemiemanagements, die damit verfolgte Strategie, die Organisation der von den Ländern durchgeführten bevölkerungsweiten PCR–Tests, deren Abrechnung mit dem Gesundheitsministerium sowie die Anzahl der Tests und deren Kosten systematisch darzustellen, erläutere RH-Präsidentin Margit Kraker. Der Fokus lag dabei auf der Beurteilung des Umfangs, der Organisation und Durchführung, der Ausgaben und der Verrechnung, wobei der Bund einen Großteil der Kosten trug. Für das Pandemiemanagement war das Gesundheitsministerium zuständig.

Dem Bericht ist zu entnehmen, dass die Entscheidung für ein breites, bevölkerungsweites Testangebot im Jänner 2021 von der Bundesregierung und den Ländern aus ging, obwohl das Gesundheitsministerium zu diesem Zeitpunkt ein zielgerichtetes und risikoorientiertes Testen präferierte. Fehlende Vorgaben zur Umsetzung von bevölkerungsweiten Tests führten unter anderem dazu, dass die Länder die Teststrategie unterschiedlich umsetzten. Das kritisiert der Rechnungshof in seinem Bericht "Bevölkerungsweite COVID-19-Tests" (III-985 d.B.). Der RH ermittelte für alle COVID–19–Tests insgesamt Kosten von mindestens 5,2 Mrd. € bis Ende 2022.

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker wies darauf hin, dass eine zentrale Steuerung erschwert wurde, da neben dem Gesundheitsministerium und den Ländern noch drei weitere Ressorts Tests in größerem Ausmaß durchführten. Nach Ansicht des RH erhöhte die Vielzahl an Angeboten auch die Wahrscheinlichkeit von Parallelstrukturen, insbesondere in Ballungsräumen. So wurden in Wien etwa so viele Tests durchgeführt wie in allen anderen Bundesländern zusammengerechnet, informierte Kraker.

Auch der konkrete Nutzen dieser Vielfalt an Angeboten blieb vor allem aufgrund unzureichender Daten ungeklärt. In diesem Zusammenhang machte Kraker darauf aufmerksam, dass sich ein Viertel der Bevölkerung gar nie getestet habe. Österreich habe laut European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) jedenfalls pro Kopf rund 16 Mal so viel getestet als in Deutschland; die wissenschaftliche Beurteilung dieser Strategie durch ECDC sei zum Zeitpunkt der Prüfung noch nicht abgeschlossen gewesen. Als "Lessons Learned" für künftige Maßnahmen zur Pandemiebewältigung empfehlen die Prüfer:innen die Festlegung von klaren Zielvorgaben, damit österreichweit eine vergleichbare Vorgehensweise gewährleistet werden könne. Bevölkerungsweite Tests sollten zudem künftig nur mehr abhängig von der epidemiologischen Lage und unter Zugrundelegung von Kosten-Nutzen-Aspekten im Vergleich zu Surveillance-Programmen, wie beispielsweise dem Abwassermonitoring, angeboten werden. Außerdem soll sichergestellt werden, dass die Länder die erforderlichen Daten nach einheitlichen Vorgaben melden und die Kosten mit der Anzahl der Tests verknüpft werden. So ließen sich die Zweckmäßigkeit bestimmter Methoden und die Wirkung des Testgeschehens beurteilen.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ) sprach einem "Testwahnsinn", dessen Mehrwert nicht zu erkennen sei. Ralph Schallmeiner (Grüne) befasste sich insbesondere mit dem Abwassermonitoring, während Hermann Gahr (ÖVP) auf die zentralen Empfehlungen des Rechnungshofs näher einging. Ruth Becher (SPÖ) schloss sich der Kritik des Rechnungshofs an, wonach die die Honorare für die Durchführung und Verteilung von PCR- und Antigen-Tests in Apotheken und im niedergelassenen Bereich auf ihre Angemessenheit zu hinterfragen gewesen wären. Gerald Loacker (NEOS) ortete ein "Fiasko", zumal über 5 Mrd. € an Steuergeldern für die Tests ausgegeben wurden. Er habe sich auch darüber gewundert, warum die Tests nicht in die ELGA einbezogen wurden.

Rauch erinnert an Anpassung der Teststrategie nach seinem Amtsantritt und will Empfehlungen des Rechnungshofs umsetzen

Gesundheitsminister Johannes Rauch erinnerte daran, dass im Jänner 2021 von vier Parteien eine Entschließung angenommen wurde, die die Schaffung eines niederschwelligen, wohnortnahen und unentgeltlichen Testangebots für die Bevölkerung zum Inhalt hatte. Kurz nach seinem Amtsantritt im März 2022 habe er die bestehende Teststrategie hinterfragt und sich dafür eingesetzt, dass nur mehr fünf PCR-Tests und fünf Antigen-Tests pro Person und Monat angeboten werden. Daraufhin seien die Zahlen auch sukzessive gesunken. Er sei nämlich der Meinung gewesen, dass eine massenhafte Testung an asymptomatischen Personen keinen Nutzen habe. Das Abwassermonitoring sei hingegen ein sehr taugliches Instrument, um das Infektionsgeschehen zu bewerten. Rauch stimmte mit dem Rechnungshof darin überein, dass die Datenqualität weiter verbessert werden soll. Diesbezüglich wurden auch schon einige Maßnahmen, wie etwa die Einrichtung einer Datenplattform, in die Wege geleitet. In Hinkunft soll ein risikobasierter Ansatz verfolgt und ein "Wildwuchs" an Angeboten vermieden werden, schloss sich der Minister den Empfehlungen des Rechnungshofs an.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

COVID-19-Impfstoffbeschaffung: Klare Zuständigkeiten und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen werden eingemahnt

Der Rechnungshof überprüfte aufgrund eines Verlangens der SPÖ von Oktober 2021 bis Februar 2022 die COVID-19-Impfstoffbeschaffung. Im Fokus standen dabei unter anderem die Beurteilung der Leitung und Koordination der Impfstoffbeschaffung sowie der Lieferzeitpunkte und –mengen, die Analyse der finanziellen Rahmenbedingungen und der Folgen des Verzichts auf COVID–19–Impfstoffe, die Verwendung von COVID–19–Impfstoffen sowie die die Analyse der Vertragsdokumente und der Rolle Österreichs in den Verhandlungen auf EU-Ebene.

Das primäre Ziel bei der Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen war, die österreichische Bevölkerung mit wirksamen Vakzinen zu versorgen und einen Beitrag zur Bewältigung der

Pandemie zu leisten. Die Umsetzung der Beschaffung hatte allerdings Schwächen, wie der Rechnungshof in seiner Sonderprüfung "COVID-19-Impfstoffbeschaffung" (III-959 d.B.), die auf ein Verlangen von SPÖ-Nationalratsabgeordneten zurückgeht, feststellt. RH-Präsidentin Margit Kraker wies darauf hin, dass die COVID-19-Impfstoffbeschaffung aufgrund des dynamischen Pandemieverlaufs von sich laufend verändernden Rahmenbedingungen begleitet war.

Im Jahr 2020 haben sich die 27 EU-Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen verständigt, informiert der Bericht. Daraufhin schloss die EU-Kommission im Auftrag und im Namen von Mitgliedstaaten Vorkaufsverträge mit den Herstellern ab. Die konkrete Bestellung führten die einzelnen Länder – in Österreich das Gesundheitsministerium – eigenständig durch. Bis Frühjahr 2021 beschaffte Österreich weniger COVID-19-Impfstoff, als möglich gewesen wäre. So bestellte das Gesundheitsministerium bis zum 30. Juni 2021 verbindlich 24,32 Millionen COVID-19-Impfdosen verschiedener Impfstofftechnologien. Diese Bestellmenge unterschritt die nach Bevölkerungsschlüssel mögliche Bestellmenge um 12 %, erläuterte Kraker. Ab Oktober 2021 wiederum erfolgten Impfstoffbestellungen über dem Bevölkerungsschlüssel im Ausmaß von 14,65 Millionen Dosen. Per Ende Februar 2022 wurden rund 70 Millionen Dosen bestellt; die voraussichtlichen Ausgaben dafür beliefen sich auf 1,085 Mrd. €.

Kritisch beurteilte der Rechnungshof, dass den Beschaffungen unterschiedliche Annahmen zugrunde lagen. Es fehlte häufig eine dokumentierte nachvollziehbare Grundlage, etwa in Beschlüssen oder Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums. Wichtig wäre es, die Zuständigkeiten für die COVID–19–Impfstoffbeschaffung und –logistik klar zu regeln, lautet eine zentrale Empfehlung. Außerdem sollten den Beschaffungsvorhaben aktenmäßig dokumentierte Bedarfsberechnungen auf Basis nachvollziehbarer Annahmen zugrunde liegen. Im Interesse größtmöglicher Objektivität müssten auch regelmäßig Erklärungen zu möglichen Interessenkonflikten der Mitglieder des Nationalen Impfgremiums eingefordert und veröffentlicht werden. Um den Ablauf der Mindesthaltbarkeit von COVID–19–Impfstoffen bzw. eine allfällige Entsorgung soweit wie möglich zu vermeiden, wären zeitgerecht geeignete Maßnahmen zu setzen.

Offenbar wurden pro Kopf acht bis neun Impfdosen bestellt, zeigte FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger auf. Er frage sich, ob das wirklich notwendig war. Gerald Loacker (NEOS) wies darauf hin, dass Taiwan in einer frühen Phase der Pandemie Österreich Masken zur Verfügung gestellt habe. Im Gegenzug habe es aber keine Impfstoffspenden von Österreich erhalten.

SPÖ-Rechnungshofsprecherin Karin Greiner hielt es für wichtig, dass aus den vorliegenden Berichten die richtigen Lehren gezogen werden und forderte die baldige Vorlage eines Pandemieplans sowie eines neuen Epidemiegesetzes ein. Greiner interessierte sich zudem dafür, ob der von Bundeskanzler Kurz ins Spiel gebrachte Impfstoff Sputnik angeschafft wurde und ob es diesbezüglich Aufzeichnungen oder Aktenvermerke gebe.

Rauch bezeichnete europäische Impfstoffbeschaffung als Erfolgsgeschichte

Bundesminister Johannes Rauch gab hinsichtlich der Bedarfsberechnungen zu bedenken, dass sich die Pandemie und auch die Einschätzungen der Wissenschaftler:innen kontinuierlich geändert hätten. Die gemeinsame Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen auf EU-Ebene sei aus seiner Sicht eine Erfolgsgeschichte gewesen. Durch rechtzeitige Nachverhandlungen konnten die Mengen deutlich reduziert und eine gestaffelte Anlieferung umgesetzt werden. Generell konnten durch die rasche Entwicklung von Impfstoffen 25.000 Leben in Österreich und 1,4 Millionen in Europa gerettet werden. Der Impfstoff Sputnik, dessen Wirksamkeit fraglich gewesen sei, wurde nie zugelassen und auch nie angeschafft, führte Rauch gegenüber SPÖ-Abgeordneter Greiner aus. Die von Loacker angesprochene Vorgangsweise gegenüber Taiwan würde er nicht mehr so wiederholen, räumte Minister Rauch ein, denn Solidarität sei keine Einbahnstraße. Mittlerweile wurden 9,7 Millionen Dosen an Impfstoff gespendet.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Weitere Berichte zur Kenntnis genommen und vertagt

Im Anschluss an die ausführliche Diskussion über das Pandemiemanagement wurde noch der Bericht betreffend Projekt Haus der sozialen Sicherheit (III-724 d.B.) einstimmig zur Kenntnis genommen. Aus Gründen der Fristwahrung standen weitere Berichte auf der Tagesordnung, die allesamt vertagt wurden (III-1048 d.B., III-1053 d.B., III-1057 d.B., III-1066 d.B., III-1067 d.B., III-1058 d.B. und III-1068 d.B.). (Schluss Rechnungshofausschuss) sue