Parlamentskorrespondenz Nr. 61 vom 31.01.2024

Nationalrat: Kickl für mehr "Objektivität und Information beim ORF statt Zwangssteuer"

Lebhafte Debatte im Parlament über öffentlichen Rundfunk mit Medienministerin Raab

Wien (PK) – Wie schon der Titel der von der FPÖ verlangten Aktuellen Stunde "Objektivität und Information statt ORF-Steuer, ORF-Bonzengehälter und Indoktrination" vermuten ließ, entfachte sich heute eine lebhafte Debatte über den öffentlichen Rundfunk im Nationalrat. Klubobmann Kickl sprach von einem "sehr passenden Einstieg" in das heurige "Superwahljahr", zumal die Bevölkerung mit der Einführung der neuen Haushaltsabgabe eine "Zwangssteuer als Neujahrgeschenk" von der Regierung präsentiert bekommen habe. Sobald es einen freiheitlichen Regierungschef gebe, werde diese abgeschafft, versprach Kickl, denn dann werde "in diesem Land endlich wieder einmal für die eigene Bevölkerung regiert".

Einen öffentlichen Rundfunk könne es nur dann geben, wenn er auch finanziert wird, hielt Ministerin Susanne Raab dem FPÖ-Klubobmann entgegen. Die Neugestaltung der GIS-Gebühr gehe auf ein Urteil des VfGH zurück und führe nun dazu, dass 3,2 Millionen Menschen deutlich entlastet werden. Außerdem sei der ORF dazu verpflichtet worden, in den nächsten Jahren bis zu 325 Mio. € einzusparen, wodurch er schlanker und effizienter werde.

Kickl für Abschaffung der Haushaltsabgabe und für einen Neustart des ORF

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl übte scharfe Kritik an der ORF-Haushaltsabgabe, durch die die "teuerungsgeplagte Bevölkerung noch einmal abkassiert" und die "Propagandaorgel der Einheitspartei" finanziert werden soll. Bei den Haushalten und Unternehmen würden nun Rechnungen zwischen 184 € und 240 € eintrudeln, egal, ob man die Sendungen konsumiere oder nicht. Besonders die Jugendlichen würden von dieser "Massengeldstrafe" stark belastet. Außerdem würden damit die "Minderleister im ORF, die trotz der Privilegien rote Zahlen schreiben" noch belohnt. Kickl vermisste auch "Objektivität und Unabhängigkeit" im ORF, weshalb es – ebenso wie bei der Regierung – einen Neustart brauche.

Die Entscheidung über die Haushaltsabgabe sei aber nur eine von vielen wichtigen, die 2024 anstehen, gab Kickl zu bedenken. Diese Entscheidung würden aber weder die Politstrategen, die politischen Netzwerke im Hintergrund, die "Meinungsmanipulateure vulgo Meinungsforscher", die als "Journalisten getarnten Politikakteure", die den öffentlichen Rundfunk für die "Propaganda gegen die FPÖ missbrauchen", noch der Bundespräsident treffen, sondern die Millionen Wahlberechtigten. Dann beginne eine gute Zeit, für die die Freiheitlichen sorgen würden, so Kickl.

Raab legt Bekenntnis zu öffentlichem Rundfunk ab und sieht richtige Reformschritte in die Wege geleitet

Es gebe kein europäisches Land ohne einen öffentlichen Rundfunk, stellte Bundesministerin Susanne Raab fest. Sie forderte Kickl daher auf, "die Wahrheit zu sagen". Denn wenn man den ORF nicht finanzieren wolle, dann gebe es ihn auch nicht. Die vielfältigen Angebote des öffentlichen Rundfunks, der ihrer Meinung nach einen Mehrwert für die Demokratie darstelle, würden von 90 % der Bevölkerung genutzt. Offenbar lehnen die Freiheitlichen aber auch die privaten Medien ab, vermutete Raab, da sie sich sowohl gegen die Förderung von Qualitätsjournalismus als auch gegen die Unterstützung der digitalen Transformationen ausgesprochen hätten. Die Medienministerin hielt den Freiheitlichen weiters entgegen, dass es durch das neue ORF-Gesetz für rund 3,2 Millionen Menschen, "die bisher alle brav die GIS-Gebühr bezahlt haben, bedeutend günstiger" werde. Sie bekannte sich auch dazu, dass der öffentliche Rundfunk schlanker und billiger werden müsse. In den nächsten Jahren sollen daher bis zu 325 Mio. € eingespart werden. Um vor allem die jungen Menschen noch besser zu erreichen, sollen zudem die digitalen Angebote weiter forciert und ein spezielles Kinderangebot entwickelt werden. Denn klar sei für sie, dass der ORF kein Selbstzweck sei und dass er noch transparenter werden müsse. Für "überschießende Privilegien, die sich über Jahrzehnte eingeschlichen haben", sei daher kein Platz mehr. All dies wurde durch die gesetzlichen Änderungen in die Wege geleitet, hob Raab hervor.

ÖVP steht für finanzielle Absicherung der Medienvielfalt und verteidigt Modell der Haushaltsabgabe

Ähnlich wie beim Thema Corona setze die FPÖ auch beim ORF auf die Strategie "spalten, hetzen, diffamieren und polarisieren", meinte ÖVP-Abgeordneter Kurt Egger. Er sei aber sicher, dass die Bevölkerung sich nicht täuschen lasse und sich etwa noch genau daran erinnern könne, dass gerade die Freiheitlichen den ersten Lockdown gefordert haben. Die Menschen hätten auch nicht vergessen, dass es unter Innenminister Kickl die höchsten Asylanträge gegeben habe. Die heutige Debatte lasse zudem klar erkennen, dass die FPÖ auch keinen Qualitätsjournalismus und keine Medienvielfalt wolle, sondern stattdessen auf "Fake-News, Echokammern und FPÖ-TV" setze. Sein Fraktionskollege Stefan Hintner erinnerte an den Hintergrund für die notwendige Abschaffung der GIS-Gebühr und verteidigte das Modell der Haushaltsabgabe, das für mehr Gerechtigkeit sorge. Mit dem zusätzlichen Sparpaket werde zudem gewährleistet, dass der ORF künftig wirtschaftlicher und transparenter agieren werde.

Grüne: FPÖ will ORF nach dem Vorbild Ungarns in einen "Staatsfunk" umwandeln

Der FPÖ gehe es nicht um die Meinungsfreiheit, sondern darum, dass alle Medien die "freiheitliche Meinung" vertreten sollen, sagte Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne). Die FPÖ orientiere sich dabei am "deklarierten Vorbild Orban", der den öffentlichen Rundfunk zum Staatsfunk umgebaut und die Meinungsfreiheit de facto abgeschafft habe. Ein Beweis dafür sei, dass die FPÖ regelmäßig unabhängige Journalist:innen verächtlich mache und dem ORF Indoktrination unterstelle. Unabhängige Berichterstattung sei eine der zentralen Säulen der Demokratie und müsse geschützt werden, betonte Maurer. Im Gegensatz dazu würden etwa im – mit Steuergeld finanzierten - FPÖ-TV "ungefiltert fragwürdige Mythen über Pferdeentwurmungsmittel oder Putins Kriegspropaganda" verbreitet. Deshalb trete die FPÖ auch für eine Finanzierung des ORF aus dem Budget ein, weil damit mehr Druck ausgeübt werden könne. In der Folge würden aber viele Inhalte verschwinden und nicht genehmes Personal wohl entfernt. Was nun die notwendige Reparatur der GIS-Gebühr angeht, so habe man eine Lösung gewählt, die nicht nur jeden Haushalt weniger belaste, sondern auch die bisherigen Befreiungsmöglichkeiten sicherstelle, erläuterte Maurer. Die Mehrheit der Österreicher:innen stehe der Umstellung auf die Haushaltsabgabe positiv gegenüber, führte Eva Blimlinger (Grüne) weiter aus, und zwar "weil sie schlicht billiger" sei.

SPÖ: Medienfreiheit und liberale Demokratie müssen verteidigt werden

Es sei nicht die Aufgabe von Journalist:innen, die Politiker:innen glücklich zu machen, stellte SPÖ-Klubobmann Philip Kucher in Richtung von Kickl fest, da dürfe man nicht "so verletzlich" sein. Man wisse noch immer nicht genau, wie sich die freiheitliche Partei die Medienpolitik vorstelle. Angesichts des "Sumpfes" in der Partei könne er aber nachvollziehen, dass man kritischen Fragen ausweichen wolle und sich lieber im "FPÖ-TV", wo "illiberale Demokratie tagtäglich" gelebt werde, interviewen lasse. Kucher warnte davor, mit Fahndungslisten zu drohen oder Journalist:innen zu beschimpfen, weil dann eine Situation wie in Ungarn drohe. Dort werde der öffentliche Rundfunk immer mehr eingeschränkt und private Medien aufgekauft.

Es sei schon erstaunlich, dass der FPÖ nie die Feindbilder ausgehen, konstatierte SPÖ-Abgeordnete Muna Duzdar. Einmal seien es die Minderheiten, dann die Künstler:innen und nun die Journalist:innen. Aber nicht diese Gruppen seien das Problem, sondern die Weltanschauung der Freiheitlichen, die keinen Widerspruch und keine demokratische Debattenkultur akzeptieren würden. In Gefahr seien damit auch die heimische Musiklandschaft sowie die österreichische Filmindustrie, deren größter Auftraggeber der ORF sei, so Duzdar. Niemand behaupte, dass es am ORF nichts zu kritisieren gebe. So habe sich die SPÖ im Gegensatz zur FPÖ beispielsweise immer dafür eingesetzt, dass die vielen Kettenverträge abgeschafft werden.

NEOS sieht noch immer mangelnden Reformwillen bei der Regierung

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger ortete einen "massiven Vertrauensverlust" in Politiker:innen, in Parteien, in demokratische Institutionen und auch in Medien. Auch seien mehr als drei Viertel der Bevölkerung der Meinung, dass die Parteien zu viel in den ORF "hineinfunken". Angesichts der in den letzten Jahrzehnten bekannt gewordenen Sideletter, Chats, der Freundeskreise oder der intransparenten Personalbesetzungen könne man diesen Befund nur bestätigen, konstatierte Meinl-Reisinger. Die nun vorgenommenen Änderungen seien aber weniger auf einen Reformwillen in der Regierung zurückzuführen, sondern vielmehr auf ein Erkenntnis des VfGH, in dem der parteipolitische Einfluss im ORF sowie das bestehende Finanzierungsmodell kritisiert wurden. Auch wenn Teile des Gesetzes von ihrer Partei mitgetragen wurden, so vermissen die NEOS weiterhin eine "ordentliche Presseförderung". Ebenso sollte gerade in Zeiten einer hohen Inflation keine "Zwangssteuer" eingeführt werden. NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter bemängelte weiters, dass in der Frage der Gremienzusammensetzung wenig weitergehe, noch immer zu wenig Transparenz herrsche und dass der ORF auch im Compliance-Bereich säumig sei.

FPÖ: ORF muss ein Spiegelbild der Gesellschaft sein und sparsam wirtschaften

Die FPÖ habe nie davon gesprochen, dass der "öffentliche Rundfunk weg muss", meinte Abgeordneter Christian Hafenecker (FPÖ). Man habe aber immer gefordert, dass zunächst einmal definiert werden müsse, was der öffentliche Rundfunk können soll. Seine Partei vertrete die Auffassung, dass der ORF ein Spiegelbild der Gesellschaft sein müsse. Derzeit sei er aber leider eine "linke Echokammer", wo sich gewisse Leute gegenseitig den Ball zuspielen, so Hafenecker. Auch von Sparsamkeit könne keine Rede sein, wenn ein ORF-Wecker-Moderator mehr verdiene als der Bundeskanzler. Nachdem der ORF seine gesetzlichen Vorgaben nicht erfülle, sollte mehr freie Marktwirtschaft in den Medienmarkt einziehen, argumentierte Abgeordnete Susanne Fürst (FPÖ). Es sei immer gut, wenn sich Institutionen dem freien Wettbewerb stellen müssen. Auch sie ortete "links-grüne Indoktrination" im ORF, wofür es zahlreiche belegbare Beispiele gebe. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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