Parlamentskorrespondenz Nr. 65 vom 31.01.2024

Nationalrat: Warnungen vor überbordender Bürokratie beim EU-Lieferkettengesetz

Emotionale Debatte auf Basis zweier Volksbegehren

Wien (PK) – Eine emotionale Debatte führte der Nationalrat zum geplanten EU-Lieferkettengesetz. Damit sollen Menschenrechts- und Umweltschäden in globalen Lieferketten aufgedeckt und bekämpft werden. Die grundsätzliche Einigung auf europäischer Ebene zu einem EU-Lieferkettengesetz stieß im Nationalrat auf teils harte Kritik.

Basis der Diskussion war das Volksbegehren "Lieferkettengesetz", bei dem sich 120.397 Wahlberechtigte mit ihrer Unterschrift für die Sicherstellung einer lückenlosen Dokumentation von Lieferketten sowie die Einhaltung umfassender Rechtsstandards bei Warenproduktion und -transport eingesetzt haben. Neben dem Lieferkettengesetz widmete sich der Nationalrat auch dem Volksbegehren zur Abschaffung der ORF-Gebühren.

Emotionale Debatte über geplantes EU-Lieferkettengesetz

Gegen eine Zustimmung zum geplanten europäischen Lieferkettengesetz sprach sich die FPÖ aus. Unternehmen und Konzerne zu verpflichten, ihre Lieferketten lückenlos zu dokumentieren und offenzulegen, ist aus Sicht von Axel Kassegger (FPÖ) ein legitimer Wunsch, der aber in vorliegender Form nicht zu Ende gedacht wurde. Der FPÖ-Politiker warnte daher vor einem "weiteren Bürokratiemonster für Unternehmen"und steigenden Preisen für Konsument:innen. Das Lieferkettengesetz sei "gut gemeint" aber gehe zu weit, schloss sich Peter Schmiedlechner (FPÖ) an und wollte vermehrt auf heimische Produktion setzen, um heimische Arbeitsplätze zu schaffen.

Maria Theresia Niss (ÖVP) ortete ein überbordendes Gesetz, das negative Auswirkungen auf die Wettbewerbschancen europäischer Unternehmen habe. Sie sah die Gefahr einer überbordenden Bürokratie, sprach sich aber grundsätzlich für eine einheitliche Lösung innerhalb der EU aus. Bereits jetzt gebe es zu viele Regularien in der EU, argumentierte sie. Die ÖVP habe als einzige Partei in Brüssel gegen das Gesetz gestimmt, so Niss. Der FPÖ warf sie "scheinheiliges" Abstimmverhalten vor und kassierte dafür einen Ordnungsruf.

Auch Gerald Loacker (NEOS) warnte vor einem "bürokratischen Monster". Die Einhaltung von Menschenrechten sei nicht Aufgabe von Unternehmen, vielmehr nahm er die EU in die Pflicht, durch zwischenstaatliche Abkommen Standards zu vereinbaren. In diesem Sinne brachte Loacker einen Entschließungsantrag mit dem Titel "Ende der österreichischen Blockadehaltung zum Mercosur-Abkommen" ein, das keine Mehrheit fand.

Es sei Zeit für ein echtes Lieferkettengesetz, das Konzerne in die Verantwortung ziehe, hielt Alois Schroll (SPÖ) entgegen. Er verwies dabei auf unwürdige Produktionsbedingungen, die Abholzung der Regenwälder und die Überfischung der Meere. Schroll sprach sich dafür aus, das EU-Lieferkettengesetz noch vor der EU-Wahl zu verabschieden, um Unternehmen zu verpflichten, ihre Subunternehmen zu überprüfen. Der Weg zur Einigung auf europäischer Ebene sei schwierig gewesen, warb Petra Bayr (SPÖ) um ein "Mittragen und zur Kenntnis nehmen" der österreichischen Regierung.

Die Grünen sprachen sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz aus, um die kleinen Unternehmen zu schützen. Es sei zum Schutz der österreichischen Klein- und Mittelbetriebe, wenn Großkonzerne Verdachtsfälle überprüfen müssen, betonte Michel Reimon (Grüne). Die Einrichtung einer Meldestelle hielt er daher auch nicht für zu viel Aufwand. Auch Fraktionskollegin Elisabeth Götze zeigte sich froh über das Entstehen eines europäischen Lieferkettengesetzes.

Die Diskussion fußte auf dem Volksbegehren "Lieferkettengesetz", das Einstimmig zur Kenntnis genommen wurde.

Diskussion über Haushaltsabgabe und Abschaffung der GIS-Gebühren

Ähnlich breit gefächert waren auch die Meinungen in der Debatte zum Volksbegehren "GIS-Gebühren Nein", das von 167.406 Personen bzw. 2,64 % der Wahlberechtigten unterstützt wurde. Darin wird gefordert, auf sämtliche allgemeine Gebühren und Abgaben zur Finanzierung des ORF zu verzichten. "Das Volksbegehren war bereits erfolgreich, da es die GIS-Gebühr nicht mehr gibt", sagte Kurt Egger (ÖVP). Kritisch sah er, dass gleichzeitig ein Volksbegehren für GIS-Gebühren eingebracht wurde. Das Instrument Volksbegehren sei nicht zur Meinungsforschung zu missbrauchen.

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) hielt das Volksbegehren nicht für überholt. Die Haushaltsabgabe sei schlimmer als die GIS, da sie alle Haushalte belaste, auch jene ohne Fernseher oder Radio. Belakowitsch brachte einen Entschließungsantrag "Nein zur ORF-Zwangssteuer" ein, der ebenso wie ein SPÖ-Entschließungsantrag in der Minderheit blieb.

Der Haushaltsabgabe stand die SPÖ wegen fehlender sozialer Gerechtigkeit kritisch gegenüber. Für die finanzielle Absicherung des öffentlichen Rundfunks bedürfe es einer soliden Finanzierung, unterstrich Muna Duzdar (SPÖ). Der ORF leiste einen wichtigen Beitrag, müsse jedoch transparenter, demokratischer und unabhängiger werden. Mittels Entschließungsantrag setzte sich Duzdar für eine Ausweitung der Befreiungen vom ORF-Beitrag ein.

Die Haushaltsabgabe sei ein Garant für einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, verteidigte Eva Blimlinger (Grüne) die Einführung der Haushaltsabgabe. Überprüfungen würden künftig erspart, jeder Haushalt zahle 15,30 € im Monat. Einer sozialen Staffelung stand sie nicht abgeneigt gegenüber, problematisch sei die Ermittlung der Haushaltseinkommen, sagte Blimlinger.

Henrike Brandstötter (NEOS) zeigte Verständnis für die Proponenten des Volksbegehrens und forderte Reformen. Der ORF sei von politischer Unabhängigkeit weit entfernt, betonte sie. Brandstötter mahnte Entpolitisierung ein und warb für einen Dialog über die Aufgaben des ORF. Das Volksbegehren wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Nationalrat) gla

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