Parlamentskorrespondenz Nr. 102 vom 08.02.2024
EU startet Strategischen Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft
Wien (PK) – In der von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig vorgelegten EU-Jahresvorschau für 2024 (III-1113 d.B. und III-845-BR/2024 d.B.) wird über die Schwerpunkte und Vorhaben auf europäischer Ebene aus seinem Zuständigkeitsbereich berichtet. Grundlage dafür bildet das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission (EK) für 2024, das Achtzehnmonatsprogramm des Europäischen Rates sowie das Arbeitsprogramm der belgischen Ratspräsidentschaft für die erste Jahreshälfte 2024.
Strategischer Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft
Ende Jänner 2024 sei der offizielle Auftakt des von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen initiierten Strategischen Dialogs zur Zukunft der Landwirtschaft erfolgt, heißt es in der EU-Jahresvorschau. Bis zum Sommer 2024 soll dazu eine Vision für den grünen Übergang der Landwirtschaft auf faire, praktikable und integrative Weise erarbeitet und dabei die Einbindung aller Akteure entlang der Lebensmittelkette sichergestellt werden. Der Dialog soll die Gelegenheit bieten, die Perspektiven, Ambitionen, Sorgen und Lösungen der Landwirtinnen und Landwirte und anderer wichtiger Interessengruppen entlang der gesamten Lebensmittelkette zu hören, um eine gemeinsame Grundlage für die Zukunft des Lebensmittelsektors in der Union zu finden.
Zusätzliche 360 Mio. € an GAP-Mitteln bis 2027
Was die seit dem Vorjahr im vollen Umfang geltende reformierte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 2023 bis 2027 betrifft, bildet der österreichische GAP-Strategieplan den Rahmen für die Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume. Insgesamt stehen bis zum Jahr 2027 9,16 Mrd. € an EU- und nationalen Mitteln zur Verfügung. Laut dem Bericht soll 2024 eine Anpassung des GAP-Strategieplans vorgenommen werden, wobei es dabei in erster Linie um die Integration des "Impulsprogramms für die Landwirtschaft" geht, mit dem von 2024 bis 2027 zusätzliche 360 Mio. € an nationalen Mitteln für das Agrarumweltprogramm ÖPUL, für die Unterstützung der Berg- und benachteiligten Gebiete sowie für die Investitionsförderung zur Verfügung gestellt werden.
Der im November 2023 veröffentlichte Kommissionsbericht über die gemeinsamen Bemühungen aller GAP-Strategiepläne in den Mitgliedstaaten bestätige die Rolle der neuen GAP bei der Unterstützung des Übergangs zu einer nachhaltigeren Bewirtschaftungsweise. So seien die Einkommensstützung für die Landwirtinnen und Landwirte und die Gewährleistung der Ernährungssicherheit nach wie vor zentrale Ziele der GAP. Für die in dem Bericht angeführten Verbesserungspotentiale, wie etwa die Stärkung der Resilienz der Betriebe sowie die Sicherstellung der Komplementarität der Politik und Mittel der EU und der Mitgliedstaaten, plane die EK die Abhaltung technischer Workshops auf breiter Stakeholder-Ebene im ersten Halbjahr 2024. Die Erkenntnisse sollen in weiterer Folge für die Erstellung der nächsten GAP-Periode nach 2027 einfließen, informiert die EU-Jahresvorschau. Bis 15. Februar 2024 würden die Mitgliedstaaten zudem ersten jährlichen GAP-Leistungsbericht der EK übermitteln.
Zur 2021 vorgestellten langfristigen Vision für ländliche Gebiete plane die EK die Vorlage eines öffentlichen Berichts zur Umsetzung des dementsprechenden Aktionsplans im ersten Quartal 2024, informiert die EU-Jahresvorschau. Dieser soll gemeinsam mit den dazu Ende 2023 vorgelegten Schlussfolgerungen des Rates einen nützlichen Fahrplan für eine gezielte, effektive und effiziente Umsetzung der Vision in der Zukunft darstellen.
Green Deal
Die Finalisierung des im Rahmen des Europäischen Green Deals vorgelegten "Fit for 55 Pakets", das eine Treibhausgasreduktion von mindestens 55 % bis zum Jahr 2030 gegenüber 1990 vorsieht, habe für den belgischen Ratsvorsitz hohe Priorität, informiert der Bericht. Das gleiche gilt für Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen. Der belgische Vorsitz habe sich eine rasche Einigung auf EU-Ebene im ersten Halbjahr 2024 vorgenommen, um die Verhandlungen noch vor dem Ende der Europäischen Legislaturperiode abzuschließen.
Agrarmarkt und Freihandelsabkommen
Laut dem Vorhabensbericht kann für den EU-Agrarmarkt insgesamt festgestellt werden, dass die Lebensmittelversorgung trotz der vergangenen Krisenjahre bisher nie gefährdet war. Die massiv gestiegenen Produktionskosten der Landwirtschaft hätten allerdings nur teilweise durch gestiegene Verbraucherpreise sowie durch Abfederungsmaßnahmen kompensiert werden können. Die Aufrechterhaltung der Solidarität mit der Ukraine wie auch eine faktenbasierte Diskussion zu den Auswirkungen auf den Märkten, sowie die Integrität des EU-Binnenmarktes hätten weiterhin höchste Priorität. So plane die Kommission die Verlängerung des Aussetzens von EU-Agrarmarktschutzmaßnahmen für bestimmte Agrarprodukte der Ukraine für ein weiteres Jahr bis Juni 2025.
Was die bilateralen Handelsgespräche etwa mit Australien, Mexico und den Mercosur-Staaten betrifft, habe eine Fortführung sowohl für die EK als auch für die EU-Präsidentschaft Priorität. Der belgische Vorsitz werde in der ersten Jahreshälfte 2024 eine ehrgeizige und ausgewogene bilaterale Handelsagenda forcieren, die nachhaltig, durchsetzungsfähig und mit anderen EU-Politiken kohärent sei. Auch verschiedene handelspolitische Aspekte, die zum Wiederaufbau der Ukraine beitragen, stünden im Jahr 2024 im Fokus. Zudem sei der EK die Fortführung der WTO-Verhandlungen ein wichtiges Anliegen. Das Hauptaugenmerk werde dabei auf der dringend erforderlichen Reform der WTO und auf der Wiederherstellung eines voll funktionsfähigen Streitbeilegungsmechanismus liegen.
Im österreichischen Regierungsprogramm sei das Bekenntnis zu einer aktiven und fairen Handelspolitik auf Basis der hohen europäischen Regeln und Standards sowie die klare Ablehnung des Mercosur-Abkommens festgeschrieben, heißt es in der EU-Jahresvorschau. Das Landwirtschaftsministerium werde sich weiterhin für eine nachhaltigere Ausrichtung der Handelsbeziehungen einsetzen.
Stärkung der Forstwirtschaft
Österreich begrüße die Erneuerung der EU-Waldstrategie für 2030, heißt es seitens des Landwirtschaftsministeriums. So soll etwa die nachhaltige Holznutzung zur Stärkung der Bioökonomie und als wichtiger Beitrag zur Erreichung der Klimaziele unterstützt werden. Eine umfassende Einbindung der Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung sowie die Berücksichtigung der drei Dimensionen der nachhaltigen Forstwirtschaft (ökologische, ökonomische und soziale Dimension) sei seitens Österreich und weiterer waldreicher Staaten durchgehend eingefordert worden. Die EU-Waldstrategie 2030 solle sich im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtungsweise darauf fokussieren, die nationalen Waldstrategien der Mitgliedstaaten sinnvoll zu ergänzen. Dazu gehöre vor allem ein gemeinsames Vorgehen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Wälder gegenüber dem Klimawandel und die Förderung der Versorgung mit dem wichtigsten nachwachsenden Rohstoffes Holz aus den eigenen, nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.
Was den Verordnungsvorschlag über einen Überwachungsrahmen für widerstandsfähige Wälder in Europa betrifft, der ein umfassendes Waldbeobachtungssystem auf EU-Ebene vorsieht, ist für Österreich mit großer Erfahrung in Waldbeobachtung sowie einer seit 60 Jahren bestehenden, umfassenden und qualitativ hochwertigen Waldinventur, zunächst der konkrete Mehrwert einer Vereinheitlichung und Datensammlung auf EU-Ebene zu prüfen. Es gehe darum, Doppelstrukturen zu vermeiden und Synergien mit dem Netzwerk der nationalen Waldinventuren zu schaffen.
Lebensmittelkennzeichnung, Bodengesundheit, Pestizide
Laut dem Bericht verzögert sich der im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie angekündigte Vorschlag zu einer harmonisierten und verpflichtenden Nährwertkennzeichnung auf der Packungsvorderseite weiterhin. Der belgische Ratsvorsitz plane zwar einen Austausch von Erfahrungen zu einem in einigen EU-Ländern eingeführten freiwilligen System. Ein Legislativvorschlag der Kommission werde für die laufende EU-Legislaturperiode jedoch nicht mehr erwartet. Nach einer Einigung zur Überarbeitung des Rechtsrahmens für geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse, geht das Landwirtschaftsministerium von einer Verabschiedung der entsprechenden Verordnung durch die EU-Institutionen Ende Februar 2024 aus.
Österreich sehe den Vorschläge mit Interesse entgegen und werde diese, sobald vorliegend, eingehend prüfen. Bezüglich der Nährwertkennzeichnung wird von Seiten des Landwirtschaftsministeriums grundsätzlich ein einheitliches, leicht verständliches, und farblich codiertes Nährwertkennzeichnungsmodell unterstützt. Hinsichtlich der ebenfalls diskutierten Ursprungsangabe unterstütze Österreich eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel, insbesondere Fleisch, Milch und Eier.
Zum geplanten EU-Bodengesundheitsgesetz hält der Bericht fest, dass die belgische Präsidentschaft eine politische Einigung im Umweltrat im Juni 2024 anstrebe. Eine Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments sei für April 2024 angedacht. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, begrüße grundsätzlich die Intention des Vorschlages, sehe jedoch noch deutlichen Verbesserungsbedarf in vielen Punkten. Aus land- und forstwirtschaftlicher Sicht gebe es grundsätzlich bereits ausreichend Regelungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und der nationalen Gesetzgebungen. Doppelgleisigkeiten sollten daher vermieden werden, so der EU-Vorhabensbericht.
Was den jüngst von der Kommissionspräsidentin zurückgezogenen Vorschlag zur sogenannten EU-Pestizidverordnung betrifft, hätten sich die in diesem Bereich zuständigen Bundesländer kritisch dazu geäußert. Der Vorschlag hat ein 50 prozentiges Pestizid-Reduktionsziel bis 2030 zum Inhalt gehabt.
Für 2024 wird laut der EU-Jahresvorschau zudem mit der Vorstellung eines EU-Eiweißplans sowie mit der Weiterarbeit an Verordnungen im Bereich der Wasserwirtschaft (Null-Schadstoff-Aktionsplan, Kommunale Abwasser-Richtlinie, Initiative zur Wasserresilienz) gerechnet. (Schluss) med
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- III-845-BR/2024 d.B. - Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend EU-Jahresvorschau 2024 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2024 u
- III-1113 d.B. - Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend EU-Jahresvorschau 2024