Parlamentskorrespondenz Nr. 137 vom 20.02.2024

Österreichs Jugend geht pragmatisch in die Zukunft

Wien (PK) – "Weltoffen, wertekonservativ und vorsichtig" – so beschreibt Staatssekretärin Claudia Plakolm in ihrem Jugendbericht (III-1083 d.B.) die Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen. Bei Umfragen zu Wertehaltungen und Zielsetzungen zeigte sich laut Bericht ein Großteil der jungen Menschen gemeinschafts- und familienorientiert, ausgestattet mit zielgerichteter Lebensplanung und Engagement für wichtige gesellschaftliche Anliegen. Allerdings befürchten 46 % der Befragten, dass ihre Kinder es einmal schlechter haben werden als sie selbst. Angesichts von Klimakatastrophe, Krieg und Inflation zögern 56 % der Jugendlichen, Kinder in die Welt zu setzen.

Die Politik müsse jungen Menschen ermöglichen, sich durch eigene Leistungen ein gutes Leben aufzubauen, folgert Plakolm. Konkret müsse Eigentum auch für die junge Generation wieder leistbar werden. Jugendliche von heute seien pragmatisch anstatt revolutionär, geht aus der Analyse der Umfragedaten durch das Bundeskanzleramt hervor. In Bezug auf Politik und Medien zeige sich ein tiefgreifender Vertrauensverlust. Die staatliche Kontrolle persönlicher Lebensbereiche wird abgelehnt, jedoch erwarten Jugendliche einen starken Staat im Bereich sozialer Unterstützungsleistungen und Sicherheit.

Bereits seit 1988 wird vom zuständigen Regierungsmitglied einmal pro Legislaturperiode ein "Bericht zur Lage der Jugend in Österreich" vorgelegt. Der aktuelle Bericht ist der achte seiner Art und gliedert sich in zwei Hauptbereiche: ein statistisches, mit Zahlen unterlegtes Modul und ein inhaltliches Modul, das sich mit Lebenseinstellungen und Wertehaltungen von Jugendlichen beschäftigt. Im Fokus des Berichts steht neben den Jugendlichen (14 – 24 Jahre) auch die Altersgruppe der jungen Erwachsenen (25 – 30 Jahre).

Anteil Jugendlicher geht zurück

Am 1.1.2023 war etwas mehr als ein Zehntel (11,4 %; 1.036.425 Personen) der österreichischen Bevölkerung zwischen 14 und 24 Jahre alt; 6,5 % (592.713 Personen) waren zwischen 25 und 29 Jahre alt. Knapp ein Fünftel der 10- bis 29-Jährigen in Österreich hat eine ausländische Staatsangehörigkeit. Dieser Wert liegt über jenem in der Gesamtbevölkerung und wird vom Bundeskanzleramt mit der Bildungs-, Arbeits- und Fluchtmigration junger Menschen erklärt. Gut ein Zehntel der 14- bis 24-Jährigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft war 2023 aus Deutschland, gefolgt von Syrien, Rumänien, Türkei und der Ukraine. Als Prozentsatz von Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund – also mit zugewanderten Eltern - weist der Bericht 30,1 % (Stand 2022) aus.

Die Anzahl junger Menschen in Österreich entsprach im Vorjahr etwa dem Niveau von 1950, allerdings umfasste die heimische Bevölkerung damals lediglich 7 Millionen Einwohner – aktuell sind es über 9 Millionen. Angesichts der sinkenden Geburtenzahlen im Land sind in den letzten Jahren Zuwächse bei der Anzahl Jugendlicher und junger Erwachsener auf Zuwanderung zurückzuführen, so das Bundeskanzleramt.

Gemeinschaft als fundamentaler Wert

Der Gedanke an das Gemeinwohl hat dem Individualismus unter den Jugendlichen den Rang abgelaufen, nicht zuletzt durch nur gemeinschaftlich zu bewältigende Probleme wie der COVID-19-Pandemie oder dem Klimawandel. 2022, im dritten Jahr der Corona-Pandemie, gaben 47 % der 16- bis 29-Jährigen an, ihre Familie habe für sie während der Pandemie an Bedeutung gewonnen. Für 67 % der Jugendlichen ist "Soziales" insbesondere in Krisenzeiten ein grundlegender Wert, wie sie während der Corona-Lockdowns mit ihrer Bereitschaft zur Nachbarschaftshilfe und zur Solidarität mit der älteren Generation zeigten. 16 % der jungen Österreicherinnen und Österreicher meinten im selben Jahr zudem, Klimaschutz sei für sie persönlich während der Pandemie noch wichtiger geworden, allerdings ist die jugendliche Klimabewegung laut Bericht vor allem in bildungsnahen Milieus verankert. Jugendliche mit niedriger und mittlerer formaler Bildung meinten häufig, sie hätten Besseres zu tun, als sich den Fridays-For-Future-Demonstrationen anzuschließen. Sowohl der Sozialbereich als auch der Klimaschutz werden von Jugendlichen jedenfalls als bedeutende politische Handlungsfelder genannt.

Der Gemeinschaftssinn Jugendlicher drückt sich auch in ihrer hohen Gewichtung von Traditionen (fast 68 %) aus, sowie in dem Umstand, dass 81 % stolz darauf sind, Österreicherin oder Österreicher zu sein (Stand 2021). Die Autor:innen des Berichts erklären diese emotionale Gemeinschaftsbindung vor allem mit dem Streben nach Sicherheit in einer immer volatiler werdenden Welt.

Freiwilliges Engagement

Sich freiwillig und unentgeltlich für wichtige Anliegen einzusetzen, ist in der österreichischen Jugendkultur fest verankert. Im Rahmen der Studie zur Zukunft des Ehrenamts gaben 2022 70 % der unter 30-jährigen an, sich schon einmal freiwillig für eine wichtige Sache engagiert zu haben. An unbezahlten, freiwilligen Aktivitäten und Tätigkeiten innerhalb von Organisationen oder Vereinen beteiligte sich 2022 etwas mehr als ein Viertel (26,6 %) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Außerhalb von Organisationen war etwas mehr als ein Drittel der 15- bis 29-Jährigen (34,3 %) freiwillig aktiv. Um das Engagement junger Menschen noch mehr zu fördern, empfiehlt die Jugendforschung, offene, projektbezogene Formate zu etablieren, bei denen die Freiwilligenarbeit mit pragmatischer Problemlösung einhergeht.

Bildung und Beschäftigung

Die Möglichkeiten für Ausbildungen oder Erwerbstätigkeiten nennt der Bericht als entscheidend für Jugendliche bei der Wahl ihres Lebensmittelpunkts in Österreich. Die bevorzugten Ziele bei der Binnenwanderung sind folglich die Landeshauptstädte, ausgenommen Eisenstadt und Klagenfurt. Die Erwerbstätigenquote der 15- bis 24-Jährigen lag bei 51,9 % (Stand 2022), da fast die Hälfte der Altersgruppe sich noch in Ausbildung befindet. Hervorgehoben wird im Bericht, dass Österreich den Anteil an jungen Menschen, die nicht in Ausbildung, Beruf oder Training sind, bereits 2021 entsprechend dem EU-Ziel auf 8,5 % gesenkt hat. Bei der Hochschulbildung zeigen sich recht deutliche Geschlechterunterschiede. Während 2020 rund 30 % der 30-jährigen Frauen über einen Hochschulabschluss verfügten, waren es bei 30-jährigen Männern lediglich 20,7 %. Generell wirkt sich der Bildungsstand des Elternhauses stark auf die Bildungslaufbahn junger Menschen aus. Im Jahr 2020/21 stammten rund 53 % der Studierenden aus Akademikerfamilien, obwohl in der österreichischen Bevölkerung weniger als ein Fünftel einen Hochschulabschluss hat. (Schluss) rei