Parlamentskorrespondenz Nr. 259 vom 14.03.2024

Koalition vertagt zahlreiche Oppositionsanträge im Wissenschaftsausschuss

Anträge zur KI-Grundlagenforschung, Ende der ÖH-Pflichtmitgliedschaft und mehr Finanzbildung für junge Menschen

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des Wissenschaftsausschusses stand eine Reihe von Anträgen der Opposition auf der Tagesordnung, die sämtlich mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt wurden. So forderte die SPÖ Maßnahmen für die Stärkung der Grundlagenforschung zur künstlichen Intelligenz (KI) und des Vertrauens der Bevölkerung in die Wissenschaft. Ebenso war den Sozialdemokrat:innen die Reduktion von befristeten Arbeitsverträgen an den Universitäten und das Abrücken von Universitäts-Ranking als Grundlage für die Gestaltung der Hochschulpolitik ein Anliegen.

Die Freiheitlichen wagten einen neuen Vorstoß zur Abschaffung der verpflichtenden ÖH-Mitgliedschaft und wandten sich in einem wiederaufgenommenen Antrag abermals gegen einen "Gender-Zwang" an Universitäten.

Auf die Reform der tertiären Bildungslandschaft, die Steigerung der Ressourcen für die Fortbildung von Lehrer:innen sowie die Weiterentwicklung der Ausbildung von Elementarpädagog:innen pochten die NEOS. Sie sprachen sich zudem für Maßnahmen zur Förderung der Wirtschafts- und Finanzbildung junger Menschen sowie für die Schaffung eines "Mobilitätsfensters" im Curriculum von Hochschulen aus, um mehr Studierenden das Sammeln von Auslandserfahrungen zu ermöglichen. 

SPÖ: Stärkere Unterstützung der KI-Grundlagenforschung

SPÖ-Abgeordneten Katharina Kucharowits und Andrea Kuntzl fordern von den für Forschungsagenden zuständigen Bundesminister:innen Martin Polaschek und Leonore Gewessler, 32 Mio. € für KI-Grundlagenforschung bereitzustellen und in der österreichischen KI-Strategie die Einrichtung von 35 KI-Professuren als klares Ziel zu verankern (3650/A(E)). Damit soll der Forschungsstandort Österreich gesichert und das Abwandern von Absolvent:innen und Unternehmen verhindert werden. Weiteres sollen bei der Vergabe von Forschungsgeldern transdisziplinäre Forschungsvorhaben stärker berücksichtigt werden, damit den gesellschaftlichen und ethischen Auswirkungen von KI ein wichtiger Platz in der Forschung eingeräumt wird.

Im Ausschuss sprach Kucharowits von einem diesbezüglichen "Aufschrei" renommierter Forscher:innen. Die bisherigen Mittel für die Grundlagenforschung im Bereich der KI befänden sich auf dem "Niveau von Uganda". FPÖ-Mandatar Gerhard Deimek konnte sich der Kritik der Sozialdemokrat:innen grundsätzlich anschließen, sprach sich jedoch für eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen von Industrie und Wirtschaft aus. Der "Gießkannen-Politik" könne er nicht viel abgewinnen. Martina Künsberg Sarre (NEOS) stimmt der "Stoßrichtung" des Antrags ebenfalls zu, das Zustandekommen der Summe von 32 Mio. € und der Anzahl an 35 Professuren war für sie jedoch nicht nachvollziehbar.

Auf bereits vorhandene Schwerpunktsetzungen und "viele Bemühungen" um die KI-Grundlagenforschung, insbesondere im universitären Bereich, verwies ÖVP-Abgeordnete Bettina Rausch-Amon in ihrer Begründung des Vertagungsantrags. Eva Blimlinger (Grüne) sprach von "massiven Budgeterhöhungen" für den Bereich. Ein Forschungsschwerpunkt auf KI sei notwendig, aber nicht unbedingt dahingehende Professuren. Generell sei die Materie ohnehin nicht national zu bewältigen, sondern verlange nach internationalen Forschungsverbünden, so Blimlinger.

Es passiere bereits "wahnsinnig viel", meinte auch Wissenschaftsminister Martin Polaschek und nannte unter anderem universitäre Zentren in Wien und Graz sowie den Vienna Science Cluster an der TU-Wien. Er führte aus, dass Österreich etwa im Vergleich zu den USA, die eher anwendungsorientierte Forschung betrieben, intensiv auf die Grundlagenforschung setze.

SPÖ: Vertrauen in die Wissenschaft stärken

Kucharowits und Kuntzl (beide SPÖ) halten es außerdem für notwendig, das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken, nachdem das Desinteresse an Wissenschaft in Österreich weiterhin groß sei. Ein 2022 zu diesem Zweck entwickeltes 10-Punkte-Programm zur Bekämpfung von Wissenschafts- und Demokratiefeindlichkeit müsse daher dringend evaluiert und konkretisiert werden (3710/A(E)). Außerdem brauche es mehr Ressourcen, um den Austausch zwischen Wissenschafter:innen und Gesellschaft zu ermöglichen, beispielsweise durch Wissenschaftsclubs.

Österreich befinde sich bei regelmäßigen Erhebungen hinsichtlich des Vertrauens in die Wissenschaften im europäischen Vergleich immer "am letzten oder vorletzten Platz", teilte Eva Blimlinger (Grüne) den Befund der SPÖ. Es gebe jedoch bereits umfangreiche Maßnahmen etwa der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), um dieser Problematik entgegenzuwirken. Ein Großteil der Menschen sei eher wenig an der Wissenschaft interessiert, stimmte auch Wissenschaftsminister Polaschek zu. Er verwies auf das Projekt der Wissenschaftsbotschafter:innen, durch das Schülerinnen und Schülern ein besseres Verständnis für die Bedeutung der Wissenschaften erlangen sollen. Projekten wie diesen müsse erst Zeit gegeben werden, um zu wirken, unterstützte Maria Smodics-Neumann (ÖVP) die Vertagung des SPÖ-Antrags.

Nicht jede "Skepsis gegenüber vorgegebenen Dogmen" sei als Wissenschaftsfeindlichkeit zu qualifizieren, warf Ausschussvorsitzender Martin Graf (FPÖ) ein. Gerade in der COVID-19-Pandemie sei ein "eindimensionales" Bild der Wissenschaften vermittelt und Kritiker:innen mundtot gemacht worden. Martina Künsberg Sarre (NEOS) drückte im Gegensatz zu Graf ihre Zustimmung für den SPÖ-Antrag aus.

SPÖ: weniger befristete Arbeitsverträge an Universitäten

Für die SPÖ hat die seit Oktober 2021 geltende Novelle des Universitätsgesetzes, die das Sonderbefristungsrecht für Arbeitsverträge an den öffentlichen Universitäten regelt, ihre Ziele klar verfehlt. Die Regelung, die nun eine Höchstbefristungsdauer von acht Jahren vorsieht, habe weder rechtliche Klarheit bei Befristungen geschaffen noch prekäre Arbeitsverhältnisse an Universitäten verhindert. Sie fordern daher, in den Leistungsvereinbarungen eine Befristungshöchstquote festzulegen, die Bedacht auf die Situation der jeweiligen Universität nimmt (3851/A(E)). Eine schrittweise Reduktion von befristeten Arbeitsverträgen soll laut dem Antrag mit der Senkung der Befristungshöchstquote erreicht werden.

Der gegenwärtige Zustand sei nicht nur für die Betroffenen "unerträglich", sondern auch für die Universitäten von Nachteil, wie Andrea Kuntzl (SPÖ) im Ausschuss ergänzte. Wenn die Angestellten die Universität nach acht Jahren verlassen müssen komme es zu einem "brain drain". Auch Josef Smolle (ÖVP), Martin Graf (FPÖ) und Martina Künsberg Sarre (NEOS) bewerteten diese Situation als suboptimal. Smolle erklärte, dass die Problematik bereits im Dialog mit den Universitäten und auf europäischer Ebene thematisiert werde.

SPÖ: neue Parameter für Leistungsvereinbarungen

Die SPÖ kritisiert weiters die Verwendung von Universitäts-Rankings für die Gestaltung der österreichischen Universitätspolitik, da sie den öffentlichen Auftrag der Universitäten vollständig ignorieren und damit tendenziell eine negative Steuerungswirkung zeitigen würden. Die Antragstellerinnen wenden sich in einem Entschließungsantrag daher an den Wissenschaftsminister und fordern von ihm, sämtliche Parameter in den Leistungsvereinbarungen zu streichen, die direkt oder indirekt auf Universitäts-Rankings verweisen. Sie sollten durch Parameter ersetzt werden, die den öffentlichen Auftrag der Universitäten abbilden (3855/A(E)).

Der Antrag solle eine Diskussion darüber anregen, wie die Leistung von Universitäten gemessen werde, erklärte Muna Duzdar (SPÖ). Laut ihrer Fraktionskollegin Andrea Kuntzl sei etwa die Quantität an Publikationen in vielen Rankings wichtiger, als die Qualität der Lehre. Die SPÖ treffe damit einen "wunden Punkt", meinte Martin Graf (FPÖ) der etwa in der "Fragmentierung" der Universitätslandschaft in Österreich einen Wettbewerbsnachteil sah.

Seitens der NEOS sprach sich Martina Künsberg-Sarre generell für Vergleiche und Rankings aus. Auch Josef Smolle (ÖVP) brach eine Lanze für Rankings und erinnerte daran, dass vor deren Einführung ausschließlich die mediale Präsenz und Beziehungen der Universitäten ausschlaggebend gewesen seien.

FPÖ: Neuer Vorstoß der FPÖ zum Ende ÖH-Pflichtmitgliedschaft

FPÖ-Abgeordneter Martin Graf unternimmt einen neuen Vorstoß zur Abschaffung der verpflichtenden Mitgliedschaft von Studierenden in der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH). In einem Initiativantrag schlägt er eine Ergänzung des ÖH-Gesetzes vor, die Studierenden eine Opt-out-Möglichkeit gibt. Aus seiner Sicht wäre es sinnvoll, die Mitgliedschaft bei der ÖH ähnlich zu organisieren wie eine Gewerkschaftsmitgliedschaft (3934/A). 

Den Vergleich zur Gewerkschaft hielt Michel Reimon von den Grünen für "spannend", da diese nur im Zusammenspiel mit der Arbeiterkammer funktioniere, bei der eine gesetzliche Mitgliedschaft bestehe. Für Graf war eine Opt-out-Möglichkeit "dringender denn je", da die ÖH immer wieder gegen einen Teil der Studierenden "zu Felde ziehe", indem sie diesen aufgrund ihrer Gesinnung etwa den Zugang zu Lehrveranstaltungen verwehre oder zu Gewalttaten aufrufe. Für die "Angegriffenen" sei es unzumutbar, nicht aus dem "Zwangsbeitrag" aussteigen zu können.

Außerdem wendet sich Martin Graf in einem weiteren Antrag einmal mehr gegen "Gender-Zwang" an Universitäten und fordert die Bundesregierung, die Universitäten anzuweisen, den Zwang zur mehrgeschlechtlichen Schreibweise mit Genderzeichen zu unterbinden (3600/A(E)).

NEOS: Reform der tertiären Bildungslandschaft

NEOS-Abgeordnete Martina Künsberg Sarre fordert von der Bundesregierung, die im Regierungsprogramm vorgesehene Reform der tertiären Bildungslandschaft in der verbleibenden Legislaturperiode voranzutreiben (3784/A(E)). Vor allem brauche es dazu eine Konkretisierung des Hochschulplans, dessen wichtigste Eckpunkte Künsberg Sarre in der Weiterentwicklung der Universitäts- und Hochschulorganisation, der stärkeren Kooperation der Universitäten und Fachhochschulen und der Förderung von zielgerichtetem Studieren sieht. Ein Pilotprojekt der flexiblen Studieneingangsphase soll zur Verbesserung der Studienwahlentscheidung beitragen und die Entwicklung eines Anreizsystems für bestimmte Studien, deren Absolvent:innen am Arbeitsmarkt stark nachgefragt sind, geprüft werden. Daher müsse eine Schwerpunktsetzung bei Gesundheits- und Sozialberufen und MINT-Studien erfolgen. Der Hochschulplan 2030 solle in diesem Sinne konkretisiert und um ein Mengengerüst sowie um einen Zeitplan zur Umsetzung der definierten Aufgabenverteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen ergänzt werden, heißt es im Antrag. 

Martina Kaufmann (ÖVP) stellte den Vertagungsantrag, zeigte jedoch Verständnis für die Forderung der NEOS nach mehr Messbarkeit bezüglich des Hochschulplans 2030.  

NEOS: Mehr Ressourcen für Fortbildung von Lehrer:innen

Zudem fordert Martina Künsberg Sarre (NEOS) im Zusammenhang mit der Lehramtsreform auch die Fortbildung zu stärken. Der Wissenschaftsminister solle dafür Sorge tragen, dass im Gegenzug zur Verkürzung des Lehramtstudiums die laufende Fortbildung der Lehrer:innen ausgebaut wird, um den vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden. Dazu müssten die für Fortbildung vorgesehenen Ressourcen deutlich aufgestockt, neben den Pädagogischen Hochschulen auch Universitäten und private Anbieter einbezogen und das jährliche Mindestausmaß an Fortbildungsstunden für alle Lehrkräfte angehoben werden (3904/A(E)).

Mit der Lehramtsreform und der damit einhergehenden Verkürzung des Studiums von sechs auf fünf Jahre, sei gezielt auf die Steigerung des Praxisanteils und die Ermöglichung eines berufsbegleitenden Studiums geachtet worden, erklärte Gertraud Salzmann (ÖVP). Auch sei unter den Lehrer:innen bereits eine hohe Fortbildungsbereitschaft zu verzeichnen. Die pädagogischen Hochschulen stellten "exzellente" Ausbildungsstätten dafür dar, an denen auch externe Expert:innen zugelassen würden, begründete Salzmann den Vertagungsantrag.    

NEOS: Elementarpädagogik in Reform der Pädagog:innenbildung einbeziehen

Martina Künsberg Sarre (NEOS) spricht sich außerdem für die Einbeziehung der Elementarpädagogik in die Reform der Pädagog:innenbildung aus (3906/A(E)). Im Zuge einer Gesamtreform der Pädagog:innenbildung soll neben der Lehrer:innen-Ausbildung auch die Ausbildung der Elementarpädagog:innen weiterentwickelt werden. Dazu sollte aus Sicht der NEOS als weiterer Ausbildungsweg neben den bestehenden ein Bachelorstudium für Elementarpädagogik etabliert und durch einen modularen Aufbau die Durchlässigkeit zwischen diesem und dem Lehramtsstudium sichergestellt werden.

Zur Begründung ihres Vertagungsantrags erklärte Gertraud Salzmann (ÖVP), dass es bereits neun verschiedene Ausbildungsangebote im Bereich der Elementarpädagogik gebe. Für Wissenschaftsminister Polaschek war es für die Einführung eines dahingehenden Bachelorstudiums noch zu früh, da nicht genügend Personal dafür vorhanden sei. "Mittelfristig" wäre dessen Einführung aber durchaus wichtig.

NEOS: Kooperation mit Universitäten für mehr Finanzbildung

Da die Financial Literacy bzw. Wirtschafts- und Finanzbildung junger Menschen häufig unzureichend sei, fordert Martina Künsberg Sarre (NEOS) in einem weiteren Entschließungsantrag Maßnahmen zu ihrer Stärkung. Sie schlägt dazu vor, an österreichischen Universitäten Zentren für Finanzbildung zu institutionalisieren (3905/A(E)). Bildungsminister Polaschek solle dazu mit den Universitäten in Gespräche eintreten. Die Aufgabe der Zentren müsse es etwa sein, Finanzbildungscoaches und andere Leistungen für Schulen der jeweiligen Region bereitzustellen.

Eva Blimlinger stimmte zu, dass die Wirtschafts- und Finanzbildung gefördert werden müsse, verwies jedoch auf die Autonomie der Universitäten, die selbst über die Einrichtung von Finanzbildungszentren entscheiden müssten.

NEOS fordern ein "Mobilitätsfenster" im Studium

Die NEOS-Abgeordneten Martina Künsberg Sarre und Helmut Brandstätter fordern die stärkere Förderung der Bildungsfreizügigkeit von Studierenden. Der Wissenschaftsminister solle mit den Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen in Gespräche treten mit dem Ziel, dass bei jeder Neuentwicklung oder Überarbeitung eines Curriculums ein "Mobilitätsfenster" eingeplant wird. Damit solle noch mehr Studierenden ermöglicht werden, Auslandserfahrungen zu sammeln (3902/A(E)).

Katharina Kucharowits (SPÖ) sprach dem NEOS-Antrag ihre Unterstützung aus, erklärte aber eine gesetzliche Verankerung des "Mobilitätsfensters" zu präferieren. Johann Weber (ÖVP) berief sich bei der Begründung des von ihm gestellten Vertagungsantrags auf die Autonomie der Hochschulen, betonte aber ebenso wie Wissenschaftsminister Polaschek das Bestreben des Ressorts, die Anzahl an Studierenden, die Auslandssemester absolvieren, zu erhöhen. Laut Polaschek werde dies auch ein Thema bei den Verhandlungen der Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten sein. Er sprach sich für klar strukturierte internationale Module aus, um Rechtssicherheit bezüglich der Anerkennung von Lehrveranstaltungen sicherzustellen. (Schluss Wissenschaftsausschuss) wit