Parlamentskorrespondenz Nr. 277 vom 20.03.2024
Ausstellung "Tacheles reden": Wie jugendliche Jüdinnen und Juden Antisemitismus erleben
Wien (PK) – Seit die Bibliothek im sanierten Parlament wieder geöffnet hat, befindet sich dort die Ausstellung "Tacheles reden. Antisemitismus – Gefahr für die Demokratie". Gestern Abend eröffnete Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka eine Erweiterung der Ausstellung. "Es ist ein freudiger und trauriger Tag zugleich", betonte Sobotka. "Freudig ist er, weil wir eine wichtige Ausstellung eröffnen können, traurig, weil diese Ausstellung noch notwendig ist, damit einem Phänomen wie Antisemitismus entgegengetreten werden kann."
Armin Lange vom Institut für Judaistik der Universität Wien betonte, er empfinde "Grauen, Angst und Enttäuschung, dass eine Ausstellung wie diese im Jahr 2024 notwendiger sei denn je". Er erinnerte daran, dass die Zahl registrierter antisemitistischer Vorfälle 2023 gegenüber 2022 um knapp 60 % zugenommen habe. Dies zeige, dass das Erinnern nicht ausreiche. Antisemitismus zu bekämpfen sei wichtig, um die Demokratie zu verteidigen. "Wer Juden verfolgt, verfolgt die Demokratie", sagte Lange.
Auch Noa Mkayton, Leiterin des "Overseas Education and Training Departments" in Yad Vashem erklärte, Antisemitismus habe eine "verheerende Wirkung auf die Gesellschaft". Beatrice Kricheli, Kultusrätin in der IKG Wien und Programmverantwortliche von Likrat Österreich, sagte, es sei an der Zeit, Tacheles zu reden. "Wir müssen gerade jetzt klare Worte sagen und Taten sprechen lassen". Die Ausstellung zeige, warum Antisemitismus entstehe und wie er zu bekämpfen sei, "nämlich am besten durch aktives, vielfältiges jüdisches Leben". Das sei die beste Antwort auf Antisemitismus.
"Tacheles reden"
In der Ausstellung "Tacheles reden. Antisemitismus – Gefahr für die Demokratie" wird die Geschichte des Judenhasses in Österreich beleuchtet. Besucherinnen und Besucher erfahren mehr über aktuelle Erscheinungsformen der Feindseligkeit gegen Jüdinnen und Juden, über deren Ursprünge und Vorgeschichte. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Shoah und der Bedeutung des Gedenkens daran für den Umgang mit Antisemitismus.
Neuer Schwerpunkt: jüdisches Leben in Österreich
Jetzt wurde die Ausstellung erweitert. In Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kulturgemeinde Wien und in Kooperation mit der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem erzählen junge Menschen jüdischen Glaubens über Gegenstände und Rituale. Sie bringen eine "Esther-Rolle", eine "Mesusa" oder eine "Seder-Platte" mit und sprechen über die Bedeutung dieser Gegenstände für ihr jüdischen Leben.
Die Gruppe "Likrat" hat es sich zur Aufgabe gesetzt, jüdisches Leben in Schulen zu tragen. Ausgestattet mit Wissen aus der Familie und professionell geschult zum Umgang mit schwierigen Situationen, stehen sie anderen Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort zum Judentum.
Doch die jungen Menschen, die "Likratinas" und "Likratinos", sind nicht in allen Bildungseinrichtungen bei allen Schülerinnen und Schülern willkommen. Als zwei Likratinas in einer Berufsschule in Oberösterreich eine Klasse verließen, erhob hinter ihrem Rücken ein Jugendlicher seinen rechten Arm. Die anderen Schülerinnen und Schüler in der Klasse lachten, niemand stellte sich gegen die Geste. Geschichten wie diese sind in Videobeiträgen in der Ausstellung im Parlament zu sehen.
Wie der Staat gegen Antisemitismus vorgeht
Die neuen Ausstellungsteile stellen zudem Initiativen des Staates Österreich und zivilgesellschaftliches Engagement zur Bekämpfung von Antisemitismus vor. Sie zeigen auf, wie Antisemitismus heute auftritt, wie er funktioniert und was jede und jeder Einzelne bei antisemitischen Vorfällen unternehmen kann und sollte. (Schluss) ves/gb
HINWEIS: Fotos von der Ausstellungseröffnung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.