Parlamentskorrespondenz Nr. 390 vom 18.04.2024

Bericht des Fiskalrates über die öffentlichen Finanzen 2022 bis 2027

Wien (PK) – Der Fiskalrat nimmt jährlich eine Einschätzung der gegenwärtigen und zukünftigen finanzpolitischen Lage in Österreich vor und analysiert die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzoperationen im Zusammenhang mit der Schuldensituation der öffentlichen Haushalte. Darauf basierend formuliert das unabhängige Expertengremium Empfehlungen an den Finanzminister, die nun in Form eines Berichts dem Parlament zugeleitet wurden. Dieser umfasst zudem die Beurteilung der gesamtstaatlichen Budgetentwicklung sowie der Staatsverschuldung im Zeitraum 2022 bis 2027. Darüber hinaus werden die durch den Österreichischen Stabilitätspakt verankerten nationalen Fiskalregeln sowie die Entwicklungen auf Landes- und Gemeindeebene näher beleuchtet (III-1149 d.B. und III-851-BR/2024 d.B.).

Mittelfristige Prognose: Weiterhin hohe Budgetdefizite und nur leichter Rückgang der Schuldenquote

Der Fiskalrat hat per Stand Dezember 2023 für den gesamten Prognoseverlauf hohe Budgetdefizite errechnet, heißt es zu Beginn des Berichts. Die rückläufige, aber weiterhin hohe budgetäre Belastung durch krisenbedingte Maßnahmen führe schon 2023 zu einem hohen Budgetdefizit in der Höhe von 2,5 % des BIP. Im Vergleich dazu gehen die Berechnungen des Finanzministeriums von 2,7 % des BIP aus.

Der aus weisungsfreien Mitgliedern aus dem Bereich des Finanz- und Budgetwesens bestehende Fiskalrat geht davon aus, dass der weitere Wegfall der temporären krisenbedingten Maßnahmen das Budgetdefizit bis 2027 auf 1,9% des BIP sinken lassen werde. Eine stärkere Verbesserung des Budgetsaldos werde jedoch durch zusätzliche wirtschaftspolitische Maßnahmen, ausgabenseitig im Bereich Landesverteidigung, Klimaschutz, Pflege und Gesundheit und einnahmenseitig durch die Abschaffung der kalten Progression und die ökosoziale Steuerreform – verbunden mit einem verhaltenen realen BIP-Wachstum – verhindert.

Ausgehend von einer öffentlichen Verschuldung von 76,4 % des BIP im Jahr 2023 werde die Schuldenquote bis zum Jahr 2027 trotz hohem nominellen BIP-Wachstum nur leicht auf 73,6 % des BIP zurückgehen. Die Schuldenquote übersteige damit auch mittelfristig das Vorkrisenniveau des Jahres 2019 von 70,6% des BIP deutlich.

Im Bereich der Staatseinnahmen werde trotz Rezession ein deutlicher Zuwachs verzeichnet, was vor allem auf den Anstieg der Beschäftigung als auch auf die hohen Lohnabschlüsse zurückzuführen sei. In den Folgejahren werde sich dieser Trend aber analog zum realen BIP-Wachstum verlangsamen. Die Ende 2021 einsetzende hohe Inflation habe durch höhere Einnahmen in der kurzen Frist saldoverbessernd gewirkt, urteilen die Autor:innen. Mittelfristig werde die hohe Inflation zu Ausgabensteigerungen führen, vor allem in den Bereichen Pensionen und Zinszahlungen.

Durch die Rezession 2023 entstehe zudem eine leicht negative Output-Lücke, die auf wirtschaftliche Unterauslastung hinweise und dazu führe, dass das strukturelle Budgetdefizit etwas geringer – auch mittelfristig – als das Finanzierungsdefizit ausfalle. Die klar expansive Fiskalpolitik schlage sich auch mittelfristig betrachtet in deutlich negativen strukturellen Budgetsalden nieder.

Im Dezember ging der Fiskalrat noch davon aus, dass das Maastricht-Defizit über den gesamten Prognosezeitraum hinweg unter der Obergrenze von 3 % des BIP liegen werde. Außerdem wird festgehalten, dass die ab 2026 einsetzende langsame Rückführung der Schuldenquote nicht den aktuell gültigen Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes entspreche. Durch die Deaktivierung der allgemeinen Ausweichklausel würden zudem ab 2024 wieder strukturelle Budgetvorgaben zum Tragen kommen, die aber klar verfehlt werden. Der nominelle Zuwachs der Nettoprimärausgaben werde 2024 knapp die Obergrenze im Sinne des Vorschlags der Kommission zur Reform der europäischen Fiskalregeln erfüllen.

Empfehlungen des Fiskalrates zur Budgetpolitik 2024

Da der Bericht den Stand Dezember 2023 widerspiegelt, sind die Empfehlungen noch zurückhaltender ausgefallen. Laut einer aktuellen Schnelleinschätzung erwartet der Fiskalrat aber für die Jahre 2024 und 2025 ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von 3,4 % bzw. 3,2 % des BIP und sieht somit dringenden Handlungsbedarf. Die Maastricht-Obergrenze von 3 % des BIP würde somit deutlich überschritten. Als Hauptgründe werden von den Expert:innen vor allem die Verlängerung der Strompreisbremse, die neuerliche Aussetzung der Energieabgaben, das Wohnbaupaket sowie die verzögerten, überproportionalen Ausgabensteigerungen durch die hohe Inflation der letzten Jahre genannt. Trotz des hohen nominellen BIP-Wachstums müsse zudem mit einem Anstieg der Schuldenquote 2024 und 2025 um 0,7 % bzw. 0,6 %. auf 78,4 % bzw. 79,1 % des BIP gerechnet werden.

Rasche Verbesserung der Krisenresilienz und Wiederherstellung einer nachhaltigen Fiskalposition gefordert

Noch immer gültig ist aber wohl die deutliche Empfehlung des Fiskalrats, im Vorfeld der Nationalratswahl im Herbst 2024 darauf zu achten, dass zusätzliche Ausgabenpakete vermieden bzw. allenfalls gegenfinanziert werden. Dazu brauche es im Sinne der Stabilität der Staatsfinanzen eine umfassende Information über die Wirkungsdimensionen von geplanten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, Reformen und Entscheidungen. Schon auf Basis seiner Herbst-Prognose übte der Fiskalrat Kritik an der expansiven Fiskalpolitik, die aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht gerechtfertigt erscheine.

Der Fiskalrat drängt daher unter anderem auf die Umsetzung von Strukturreformen insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Pensionen, Bildung und Arbeitsmarkt, um einen budgetären Spielraum für notwendige Zukunftsinvestitionen zu schaffen. Auf europäischer Ebene sollte sich die österreichische Bundesregierung dafür einsetzen, Fiskaldisziplin über eine regelgebundene Fiskalpolitik sicherzustellen. Weiters plädieren die Expert:innen dafür, die im neuen Finanzausgleich verankerte Zielorientierung umzusetzen, um dieses Potenzial bestmöglich zu nutzen. Auch die Weiterentwicklung des Haushaltsrechts zur Stärkung der Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten der öffentlichen Finanzen unter Berücksichtigung der Verwaltungskosten wird dem Minister empfohlen. Auch wenn der Gesamtumfang klimawandelbedingter Budgetrisiken für Österreich derzeit nicht beziffert werden könne, sollten sie explizit in den relevanten Budget(prognose)unterlagen angesprochen werden, regt der Fiskalrat an. (Schluss) sue