Parlamentskorrespondenz Nr. 652 vom 17.06.2024

Neu im Justizausschuss

Wien (PK) - Ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom Dezember 2023 lässt die Koalitionsparteien bei der Handyauswertung tätig werden. Dem Justizausschuss wurde ein Antrag (4125/A) von ÖVP und Grünen zugewiesen. Mit dem zu beschließenden Gesetz würden die Strafprozeßordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz und das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 geändert.

Der Verfassungsgerichtshof erkannte bei der Sicherstellung von Mobiltelefonen, ohne davor erfolgte richterliche Genehmigung, einen Verstoß gegen das Recht auf Privatleben und das Datenschutzgesetz. Der vorliegende Gesetzesantrag soll nunmehr regeln, dass die Beschlagnahme von Daten von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung angeordnet wird. Wenn allerdings der Verlust des Datenträgers und der Daten zu befürchten sei, sei die Kriminalpolizei berechtigt, von sich aus diese sicherzustellen. Das umfasse allerdings nicht den Zugriff auf die Daten – dafür braucht es wieder die gerichtliche Bewilligung, so ist es im Antrag festgelegt.

Die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme soll grundsätzlich der Kriminalpolizei zukommen, wie es heißt. Eine neue Ermittlungsmaßnahme "Beschlagnahme von Datenträgern und Daten" soll durch die Neuregelung eingeführt werden. Diese soll auch "einen spezifischen Anwendungsbereich sowie besondere Voraussetzungen" normieren. Zudem sollen die Bereiche "Aufarbeitung von Daten" und "Auswertung von Daten" übersichtlich dargestellt und normiert werden, damit auch die vom VfGH "geforderte Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit" gewährleistet werde.

Eigentümer:innen von Daten sollen mehr Rechte erhalten

Die Aufarbeitung von Daten umfasse in jedem Fall auch einen "Aufbereitungsbericht", der der zuständigen Organisationseinheit der Kriminalpolizei zu übermitteln sei, ist im Gesetzestext festgehalten. Zudem ist festgehalten, dass die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei Suchparameter für die Auswertung der Ergebnisse der Datenaufbereitung festlegen können. Diese Suchparameter seien zu dokumentieren. Den Beschuldigten und den Opfern soll das Recht zuerkannt werden, die Auswertung von Daten anhand weiterer Parameter zu beantragen. Um die Persönlichkeitsrechte zu wahren, ist die Auswertung "auf das unvermeidbare Maß zu beschränken", wird im Gesetzestext festgehalten. Der Person, deren Datenträger und Daten beschlagnahmt worden seien, sei zu ermöglichen, die Ergebnisse der Datenaufbereitung einzusehen - sie müssen von der Staatsanwaltschaft über ihr Recht informiert werden. Außerdem sollen sie beantragen können, dass Daten aus dem Ergebnis der Datenaufbereitung vernichtet werden, wenn sie keine Beweismittel darstellen. Letzteres Recht sollen auch Beschuldigte bekommen.

Aufnahmen an öffentlichen Orten können ohne gerichtliche Beschlagnahmung verlangt werden

Betreffend Sicherstellung von Gegenständen oder Vermögenswerten "aus Beweisgründen", ist festgehalten, dass dies nicht zulässig wäre, sobald anzunehmen sei, dass die sichergestellten Gegenstände oder Vermögenswerte oder die Originale der sichergestellten Informationen in der Hauptverhandlung nicht in Augenschein genommen würden. Außerdem könne dies von der betroffenen Person verlangt werden, sobald der Beweiszweck durch Kopien oder sonstige Aufnahmen erfüllt werde. In einem weiteren Absatz heißt es: "Sollen Daten, die mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wurden, sichergestellt werden, so ist jede Person verpflichtet, Zugang zu diesen zu gewähren und sie auf Verlangen in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat auszufolgen oder eine Kopie herzustellen zu lassen." Dafür braucht es keine gerichtliche Beschlagnahmung der Datenträger und Daten.

Betreffend "Vermögenswerte" steht im Antrag etwa, dass sichergestellte Kryptowerte auf behördeneigene Infrastruktur der Kriminalpolizei transferiert und dort verwahrt werden sollen. Durch die vorliegende Gesetzesänderungen soll es auch zur gesetzlichen Verankerung der Möglichkeit der Beschlagnahme von Daten, die in anderen Speicherorten als einem Datenträger gespeichert sind, soweit von diesem aus zugegriffen werden könne. Gemeint sind damit zum Beispiel Cloud-Services oder Server, führen die Antragsteller:innen aus.

Dauer des Ermittlungsverfahrens von drei auf zwei Jahre reduziert

Zudem soll mit dem Antrag die "Vorfeldermittlung" und dadurch Rechtsschutzdefizite beseitigt werden, heißt es. "Es soll gesetzlich klargestellt werden, dass ein Ermittlungsverfahren gegen angezeigte Personen bereits dann eingeleitet wird, wenn und sobald die Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei aufgrund einer Anzeige oder eines Verdachts tätig werden", wird erläutert. Dadurch solle der europarechtliche gebotene Zustand hergestellt werden. Ermittlungsverfahren auslösende Ermittlungen seien weiterhin nur bei Vorliegen eines Anfangsverdachts zulässig.

Laut dem vorliegenden Gesetzesentwurf, darf das Ermittlungsverfahren bis zur Beendigung oder dem Einbringen der Anklage grundsätzlich zwei Jahre nicht überschreiten. Der Beschuldigte, kann einen Antrag auf Einstellung einbringen. Die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens soll damit von drei auf zwei Jahre herabgesetzt werden. Eine Verlängerung des Verfahrens solle künftig einzelfallbezogen vom Gericht um bis zu zwei Jahre verlängert werden können – derzeit sei die Dauer von zwei Jahren zwingend. Grüne und ÖVP erwarten sich dadurch, sowie durch andere Maßnahmen des vorgeschlagenen Gesetzes, eine Verkürzung der Verfahrensdauer.

Ergänzend solle laut Antrag im Sinne der Anforderungen des VfGH eine (zusätzliche) unabhängige Aufsicht dadurch verankert werden, in dem die Befugnisse des Rechtsschutzbeauftragten der Justiz auch in Bezug auf die neue vorgeschlagene Ermittlungsmaßnahme ausgebaut werden sollen. Die Unabhängigkeit solle dadurch sichergestellt werden, dass bei ihr bzw. ihm "ausschließlich Personen tätig sind, die nicht auch in Gerichten oder Staatsanwaltschaften tätig sind". Hier werden von den Antragsteller:innen auch technische Expert:innen ins Treffen geführt.

Das Gesetz zur Reform der Datenauswertung "aus Beweisgründen" soll mit 1. Jänner 2025 in Kraft treten. (Schluss) map