Parlamentskorrespondenz Nr. 844 vom 24.07.2024
Biotechnologie ist forschungsintensive Wachstumsbranche in Österreich
Wien (PK) – Die moderne Biotechnologie hat sich zum integralen Bestandteil der Wirtschaft entwickelt. Dabei spielen Patente eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Forschung in den Life Sciences und deren Umsetzung in marktfähige Produkte rentabel zu machen. Das gilt insbesondere für den Bereich der Pharma-Industrie. Aufgrund der Bedeutung eines starken Patentschutzes zur Schaffung von Rechtssicherheit, Stärkung des Wirtschaftsstandorts und der Schaffung von neuem Wissen zugunsten der Allgemeinheit besteht bereits seit 1998 die europäische Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnischer Erfindungen (Biopatent-Richtlinie), um die nationalen Patentvorschriften zu harmonisieren. In Österreich wurde die Biopatentrichtlinie im Jahr 2005 mit einer Patentgesetz-Novelle umgesetzt.
Im Rahmen dieser Umsetzung wurde das Biopatent Monitoring Komitee mit der Aufgabe betraut, die Auswirkungen der österreichischen Rechtsvorschriften im Bereich der Biopatente auf die verschiedensten Bereiche (Menschenrechte, Tiere, Pflanzen, ökologische Systeme, Konsumentenschutz, Landwirtschaft und die Entwicklungsländer) zu überprüfen. Dazu legt das Komitee in Dreijahresabstand einen Bericht mit den Ergebnissen seiner Überprüfungen vor. Aktuell liegt der siebte Bericht des Komitees vor, der den Zeitraum 2021 bis 2023 umfasst (III-1181 d.B.).
Geringe Zahl von Biopatenten am Österreichischen Patentamt
Teil der Tätigkeit des Komitees ist die Überprüfung der nationalen Erteilungs- und Spruchpraxis, also der vom Österreichischen Patentamt selbst erteilten Patente. Im Beobachtungszeitraum des vorliegenden Berichts (1. Jänner 2021 - 31. Dezember 2023) wurden demnach vom Österreichischen Patentamt nur drei Patente mit biotechnologischem Bezug erteilt, die vom Komitee überprüft und als den gesetzlichen Vorgaben entsprechend beurteilt wurden.
Auch wenn laut Patentgesetz keine Zuständigkeit des Komitees für vom Europäischen Patentamt mit Wirksamkeit für Österreich erteilten Patente ergebe, so sei es dem Komitee ein Anliegen, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene zu geben, hält der Bericht fest. Das betrifft etwa das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ), das Europäische Patentamt (EPA) sowie die Entscheidungen und wichtigsten anhängigen Fälle des Europäischen Gerichtshofs als auch der Beschwerdekammern des EPA.
Überprüfung der österreichischen Rechtsvorschriften
Das Biopatent Monitoring Komitee prüft die Auswirkungen der österreichischen Rechtsvorschriften im Bereich der Biopatente auf folgende Bereiche: Menschenrechte, Tiere, Pflanzen, ökologische Systeme, Konsumentenschutz, Landwirtschaft und die Entwicklungsländer. Hier hält der Bericht fest, dass mit den österreichischen Richtlinien grundsätzlich ausreichend Rechtsschutz gegeben ist und keine negativen Auswirkungen in diesen Bereichen festgestellt wurden.
Menschenrechte seien etwa bei Erfindungen, die menschliches biologisches Material zum Gegenstand haben oder verwenden, durch die Freiwilligkeit und erforderliche Einwilligung seitens der Person, bei der Entnahmen vorgenommen wurden, gesichert. Österreich habe allerdings das Übereinkommen des Europarats über die Menschenrechte und Biomedizin des Jahres 1997, auf das die Biopatent-Richtlinie der EU Bezug nehme, weder unterschrieben noch ratifiziert. Das Biopatent Monitoring Komitee regt daher an, eine Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens erneut zu überprüfen.
Die österreichische Gesetzgebung wird laut dem Bericht des Komitees den Grundsätzen gerecht, die im Patentgesetz genannt sind. So sei sichergestellt, dass kein Patentschutz für Verfahren zum Klonen von Menschen und zur Veränderung der menschlichen Keimbahn, sowie für Verfahren, in denen menschliche Embryonen und für Embryonen selbst, gewährt werden könne. Auch sei keine weitere Einschränkung der "Tierschutzklausel" und des in der Biopatent-Richtlinie festgeschriebenen Viehzüchter- und Landwirteprivilegs zu konstatieren.
Österreich wahre auch die Verpflichtungen, die sich aus dem internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) ergeben, hält das Biopatent-Komitee fest. Mit der Patentgesetz-Novelle 2023 sei auch das Nagoya-Protokoll in nationales Recht umgesetzt worden. Das Nagoya-Protokoll berücksichtigt ihm Rahmen der Konvention über die biologische Vielfalt vor allem die Interessen der Entwicklungsländer und soll die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile sicherstellen.
Ausnahmen vom Patentschutz von Tieren und Pflanzen wurden 2023 weiter präzisiert
Wie das Komitee in seinem Bericht außerdem festhält, sind seit 2005 keine über die damalige Biotechnologie-Umsetzungsnovelle hinausgehenden, gesetzlichen Umsetzungsschritte erfolgt. Allerdings gibt es im Bereich der Biopatente vom Patentschutz ausgenommene Bereiche bei konventionell gezüchteten Pflanzen und Tieren bzw. mit dem Sortenschutz ein alternatives geistiges Eigentumsrecht. Für diesen Sektor ist der Zugang zu biologischer Vielfalt die Grundlage für Innovationen.
Da in den zwei Jahrzehnten seit Umsetzung der Biopatent-Richtlinie weitreichende technische Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Pflanzenzucht, zu verzeichnen waren, wurden mit der Patentgesetz-Novelle 2017 weitere Schutzbeschränkungen in das Patentrecht aufgenommen. Demnach sind nicht nur Pflanzensorten und Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren von der Patentierung ausgeschlossen, sondern auch durch solche Verfahren gewonnene Pflanzen und Tiere.
Da sich diese Ausschlussbestimmung als nicht hinreichend treffsicher erwies, wurden mit einer Novelle 2023 weitere Präzisierungen vorgenommen. Nunmehr dürfen auch Teile von Pflanzen oder Tieren, die zu Pflanzen oder Tieren regeneriert werden können, und Pflanzen oder Tiere, welche ausschließlich einem im Wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren entstammen, nicht patentiert werden.
Weiters wurde die Definition des im Wesentlichen biologischen Züchtungsverfahrens dahingehend abgeändert, als nunmehr auch Verfahren, die auf nicht zielgerichteter Mutagenese oder auf in der Natur stattfindenden, zufälligen Genveränderungen beruhen, von der Definition umfasst sind. Auch die Schutzwirkung von Patenten, die biologisches Material betreffen, wurde mit der Novelle beschränkt.
Bedeutung von Biotechnologie für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort
In einem eigenen Kapitel seines Berichts geht das Biopatent Monitoring Komitee auf die Bedeutung der Biotechnologie in Österreich für Wirtschaft, Hochschulen und Forschungsinstitutionen und die FTI-Politik ein. Anwendungen der modernen Biotechnologie seien demnach in einem breiten wirtschaftlichen Einsatzfeld zu finden. Sie trügen in hohem Maße zur Wertschöpfung bei und hätten auch entscheidend zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie beigetragen.
Eine quantitative Darstellung der wirtschaftlichen Bedeutung von Biotechnologie sei aufgrund unzureichender Daten nur schwer zu erstellen. Recht gut dokumentiert ist laut dem Bericht der Life Science Sektor, der ohne Gentechnik und Biotechnologie nicht mehr denkbar ist. Insbesondere die österreichische Pharmabranche (inklusive der spezialisierten Biotechnologiebranche) sei in Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Bedeutung für das Land durchaus mit großen Volkswirtschaften vergleichbar und nehme als Wirtschaftsfaktor einen hohen Stellenwert ein, stellt das Komitee fest.
2020 gab es demnach in Österreich 405 Unternehmen der Biotech- und Pharmaindustrie mit etwa 32.020 direkt beschäftigten Mitarbeiter:innen und Umsatzerlösen von 16 Mrd. € pro Jahr. Der Sektor weise zudem ein stetiges Wachstum auf und sei auch besonders forschungsintensiv, hebt der Bericht hervor. 2020 seien in Österreich nicht weniger als 151 kleine und mittlere Unternehmen dezidiert im Bereich der Biotechnologie tätig gewesen und hätten einen Gesamtumsatz von 416 Mio. € verzeichnet. Viele dieser Unternehmen waren Start-Ups mit einer besonders intensiven Forschungs- und Entwicklungsaktivität, ist dem Bericht zu entnehmen. (Schluss) sox