Parlamentskorrespondenz Nr. 1018 vom 30.10.2024
Neu im Budgetausschuss
Wien (PK) – Mit einem überarbeiteten Antrag für ein Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 rollt die FPÖ das Kapitel Handyauswertung neu auf (6/A). Bereits vor dem Sommer hatten ÖVP und Grüne neue Regeln für die Sicherstellung und Datenauswertung von Handys und anderen elektronischen Geräten vorgelegt und im Justizausschuss auf den Weg gebracht. Laut Justizministerin Alma Zadić war die Vorlage zudem auch als Ministerialentwurf dem Parlament übermittelt worden, mit der Möglichkeit für Stakeholder, im Sommer Stellungnahmen abzugeben. Im Nationalrat gab es bisher dazu noch keinen Gesetzesbeschluss. Anlass für die Neuregelung der Auswertung von Handydaten war bzw. ist ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom Dezember 2023.
Die FPÖ hat nunmehr diesen ursprünglichen Antrag von ÖVP und Grünen aufgegriffen und zu einem eigenen Antrag überarbeitet. Die Freiheitlichen weisen darin etwa auf ein zwischenzeitliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2024 zur Thematik hin.
Die nunmehrigen von der FPÖ vorgeschlagenen Änderungen orientieren sich laut ihrem Antrag an den Ausführungen des VfGH und des EuGH, aber auch an der EU-Datenschutzrichtlinie. So soll in organisatorischer und rechtlicher Hinsicht geregelt werden, dass der Zugriff auf Datenträger und Daten - wie auch im ursprünglichen Antrag vorgesehen - an eine richterliche Vorabkontrolle geknüpft wird. Ab der haptischen Wegnahme des Datenträgers sollen jegliche Zugriffe und Zugriffsversuche durch die ermittelnden Strafverfolgungsbehörden richterlich begrenzt, nachvollziehbar und überprüfbar sein. Die Neuregelungen sollen das öffentliche Interesse an der Verfolgung und Aufklärung von Straftaten mit den grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen gegeneinander abwägen und entsprechend in Ausgleich bringen, dabei jedoch die gesetzlichen Leitungs- und Kontrollbefugnisse der Staatsanwaltschaft gegenüber der Kriminalpolizei und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung berücksichtigt werden. Es sei so weit wie möglich zwischen den personenbezogenen Daten der verschiedenen Kategorien betroffener Personen klar zu unterscheiden.
Konkreter Tatverdacht und objektive Anhaltspunkte
Das besagte Urteil des EuGH verlange neben der gerichtlichen Bewilligung einen konkreten Tatverdacht bzw. objektive Anhaltspunkte, eine Definition von Art und Kategorien der aufzuklärenden Taten, die Berücksichtigung bestimmter Kriterien bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung, insbesondere ob die Daten beim Beschuldigten oder anderen Betroffenen sichergestellt werden, eine Unterscheidung nach Datenkategorien (nur Standort oder Fotos, Kommunikation oder sogar besonders geschützte Daten) sowie eine Verarbeitung und Speicherung der Daten nur im erforderlichen Umfang und der erforderlichen Dauer. Darüber hinaus müsse eine Regelung bei Gefahr in Verzug getroffen werden.
Außerdem seien geeignete technische und organisatorische Maßnahmen umzusetzen, um sicherzustellen und den Nachweis dafür erbringen zu können, dass die Verarbeitung in Übereinstimmung mit der EU-Datenschutzrichtlinie erfolgt. Besonders sensible personenbezogene Daten müssten hinreichend gesichert und der Zugang der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Behörde zu den Daten strenger geregelt werden.
Datenaufbereitung durch zuständiges Gericht
So soll die konkrete forensisch-technische Aufbereitung der Daten dem Antrag zufolge - abgesehen von wenigen gesetzlich geregelten Ausnahmen - ausschließlich durch das für die forensische Aufbereitung zuständige Gericht erfolgen. Das Ergebnis der Datenaufbereitung sei der Staatsanwaltschaft zu übermitteln. Sichergestellt werden soll damit, dass der für das Ermittlungsverfahren zuständigen Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei eine Einsichtnahme nur in jene Daten zukommt, die in Bezug auf die Dateninhalte, Datenkategorien und den Zeitraum der gerichtlichen Bewilligung entsprechen. Der Zugriff auf und die Verarbeitung von Daten soll letztlich nur im erforderlichen Ausmaß und nur dann erfolgen, wenn weniger grundrechtsinvasive geeignete Ermittlungsmaßnahmen nicht zur Verfügung stehen.
Voraussetzungen für Beschlagnahme
Detailliert will die FPÖ in der Materie etwa Auflagen für die kurzfristige gerichtliche Bewilligung zur Beschlagnahmung regeln. Festgelegt werden sollen außerdem genauere Voraussetzungen zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten. Diese müssten etwa zur Aufklärung eines konkreten Verdachts einer vorsätzlich begangenen Straftat wesentlich sein, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe – mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe im Fall der Zustimmung des Inhabers zur Beschlagnahme – bedroht ist. Zulässig sein soll die Beschlagnahme auch für die Ermittlung des Aufenthalts eines flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten, der einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung dringend verdächtig ist.
Die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten sei durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen. Nicht erforderlich sei eine gerichtliche Bewilligung, wenn Daten, die mittels Bild- und Tonaufzeichnung an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wurden, sichergestellt werden. In diesem Fall sei jede Person verpflichtet, Zugang zu diesen zu gewähren und sie auf Verlangen in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat auszufolgen oder eine Kopie herzustellen zu lassen.
Die Beschlagnahme dürfe zudem nur für jenen Zeitraum, jene Datenkategorien, Dateninhalte und Zeiträume angeordnet werden, die zur Erreichung ihres Zwecks voraussichtlich erforderlich sind. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei insbesondere zu berücksichtigen, ob ein konkreter oder ein dringender Tatverdacht vorliegt, ob die Beschlagnahme beim Beschuldigten oder einer sonstigen betroffenen Person, Behörde oder öffentlichen Dienststelle durchgeführt werden soll, wie schwer die aufzuklärende Straftat ist, ob durch ein Berufsgeheimnis oder Amtsgeheimnis geschützte Daten betroffen sind, wie umfangreich die voraussichtliche Datenmenge ist, wie groß der voraussichtlich betroffene Personenkreis ist, ob nur auf einem Datenträger oder auch an anderen Speicherorten gespeicherte Daten umfasst sind und ob voraussichtlich Daten einer Nachrichtenübermittlung (Verkehrsdaten, Zugangsdaten und Standortdaten), geographische Standorte, gesendete, übermittelte oder empfangene Nachrichten und Informationen sowie besondere Kategorien personenbezogener Daten umfasst sind.
"Vorläufig ohne Anordnung und Bewilligung" soll bei Gefahr im Verzug die Kriminalpolizei unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sein, Daten und Datenträger von sich aus sicherzustellen bzw. bei drohendem Verlust darauf zuzugreifen. Die Staatsanwaltschaft muss demzufolge unmittelbar im Nachhinein eine gerichtliche Bewilligung beantragen.
Wenn und sobald die Voraussetzungen der Beschlagnahme nicht oder nicht mehr bestehen, habe die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht die Beschlagnahme aufzuheben. Detailregelungen finden sich im Antrag außerdem etwa zu Berichts- und Informationspflichten oder auch zur etwaigen Rückgabe oder Vernichtung des Datenmaterials. (Schluss) mbu