Parlamentskorrespondenz Nr. 1071 vom 26.11.2024

Neu im Budgetausschuss

Wien (PK) – Zum Thema Handysicherstellung liegt ein Initiativantrag von ÖVP und Grünen mit einem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 vor (15/A). Aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) Ende 2023 ist eine Neuregelung der Materie bis 1. Jänner erforderlich. Einen ersten Entwurf hatten ÖVP und Grüne bereits vor dem Sommer vorgelegt, wobei darauffolgend noch eine Begutachtung stattfand. Auch die FPÖ hatte jüngst einen Vorschlag eingebracht, der allerdings zuletzt im Ausschuss vertagt worden war. Grundlegend geht es bei dem Thema um eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Verfolgung und Aufklärung von Straftaten mit den grundrechtlich geschützten Interessen.

Enthalten ist in dem neuen Paket von ÖVP und Grünen auch eine erweiterte Reform der Strafprozessordnung (StPO), unter anderem zur Stärkung des Opferschutzes, zur Prozessbegleitung für minderjährige Zeugen von Gewalt sowie für einfachere Verfahrensregeln für Opfer von Hass im Netz.

Richterliche Kontrolle und Datenauswahl

Die Festlegung einer vorherigen richterlichen Kontrolle zur "Beschlagnahme von Datenträgern und Daten" - wie eben der Handysicherstellung - bleibt im Antrag wie in den vorigen Entwürfen erhalten. Grundlegend soll die Sicherstellung solcher Datenträger als neue Ermittlungsmaßnahme von der Sicherstellung von anderen Gegenständen generell getrennt werden. Ohne richterliche Bewilligung bestehen bleiben soll allerdings die bisherige Möglichkeit der Sicherstellung etwa von Handys zu materiellen Zwecken sowie von punktuellen Daten aus dem öffentlichen Raum wie etwa Bildern von Überwachungskameras. Eine Einschränkung der Daten durch Umschreibung der Datenkategorien und Dateninhalte und in Bezug auf die Festlegung des Zeitraums soll bereits mit dem Antrag an das Gericht zur Handysicherstellung verpflichtend sein. Ermöglicht wird die Beschlagnahme auch von Daten in der Cloud bzw. sonstigen Servern. Eng definierte Ausnahmen von der richterlichen Vorabbewilligung soll es – etwa mit einer Protokollierungspflicht - bei Gefahr im Verzug geben. Die Verwertung von Zufallsfunden soll weiterhin ermöglicht bleiben, wobei auch hier der Zugriff auf das jeweilige richterlich genehmigte Datenausmaß begrenzt bleiben soll.

Strenge Dokumentation von Aufbereitung bis Auswertung

Festgelegt werden soll auch eine strenge Dokumentation der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme von der Phase der technischen Aufbereitung von Daten bis zur Phase der inhaltlichen Auswertung von Daten. So soll geregelt werden, dass von der Originalsicherung eine Arbeitskopie zu erstellen ist und gewährleistet werden, dass die Arbeitskopie ausschließlich für die Umsetzung der richterlichen Entscheidung verwendet wird. Der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft soll eine Einsichtnahme nur in jene Daten zukommen, die in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum der gerichtlichen Bewilligung entsprechen. Beschuldigten und Opfern soll das Recht eingeräumt werden, eigene Suchparameter zu beantragen. Inhaber von z.B. beschlagnahmten Handys sowie andere Personen, deren Daten betroffen sind, sollen die Möglichkeit haben, in das Ergebnis der Datenaufbereitung – auf "ihre" Daten beschränkt - Einsicht zu nehmen und sollen über dieses Recht wenn möglich informiert werden. Insgesamt bleibt die Ausübung der allgemeinen Leitungs- und Kontrollbefugnisse durch die Staatsanwaltschaft weiterhin gewährleistet, so die Erläuterungen.

Festgelegt wird unter anderem auch eine Nichtigkeitssanktion von Ergebnissen einer Auswertung, wenn die Ermittlungsmaßnahme nicht rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde sowie Beteiligungsmöglichkeiten von Beschuldigten und Opfern bei der Selektion von erheblichen Tatsachen und entsprechende Informationspflichten der Behörden. Zudem sollen etwa die Befugnisse der Rechtsschutzbeauftragten der Justiz auch in Bezug auf die neue vorgeschlagene Ermittlungsmaßnahme ausgebaut werden.

StPO-Reform: Verfahrensbeschleunigung und Stärkung des Opferschutzes

Mit der Neuregelung der Handysicherstellung liegt zugleich auch eine Reform für weitere Bereiche der Strafprozessordnung vor. Die Erläuterungen beziehen sich dabei in einigen Punkten etwa auch auf den sogenannten "Jabloner-Bericht" des ehemaligen Justizministers Clemens Jabloner. So soll im Sinn der Verfahrensbeschleunigung unter anderem die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens von drei auf zwei Jahre herabgesetzt werden. Ebenso im Sinne der Verfahrensbeschleunigung soll künftig für Sachverständigen-Gutachten eine Frist gesetzt werden.

Insgesamt sollen den Erläuterungen zufolge auch die Staatsanwaltschaften entlastet werden, etwa durch Vereinfachungen bei den Regelungen zur Einleitung von Ermittlungsverfahren. Geschaffen werden soll auch eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht für die Bekanntgabe von personenbezogenen Daten aus einem Strafverfahren im Rahmen einer "Fallkonferenz Staatsschutz", die etwa zur Vorbeugung eines verfassungsgefährdenden Angriffs einberufen werden kann.

Zur Stärkung des Opferschutzes soll die Prozessbegleitung für minderjährige Zeugen von Gewalt erweitert werden. Sie soll künftig allen Minderjährigen, die Zeugen von Gewalt wurden, zustehen. Opfer einer angezeigten Tat sollen außerdem künftig gegen ein Absehen von der Einleitung von Ermittlungen vorgehen können. Opferrechte wie etwa Akteneinsicht sollen künftig bereits ab Tätigwerden von Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft gelten. Geschaffen werden soll etwa auch die Möglichkeit, dass Angeklagte künftig an der öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof teilnehmen können. Zudem werden die Oberlandesgerichte verpflichtet, letztinstanzliche rechtskräftige Entscheidungen zu veröffentlichen .

Weiters sollen für Verfahren wegen häuslicher Gewalt bei den Bezirksgerichten und Gerichtshöfen erster Instanz gesetzlich Spezialzuständigkeiten verankert werden. Vereinfacht werden sollen den Erläuterungen zufolge die Verfahren für Opfer von Hass im Netz. Anpassungen sind unter anderem auch im Bereich Cyberkriminalität sowie zu Kryptowerten vorgesehen. Mit den umfangreichen Änderungen sollen außerdem etwa auch bei der Auskunft über personenbezogene Daten die verfahrensrechtlichen Bestimmungen für Kredit- und Finanzinstitute an die Regelungen für Anbieter von Telekommunikationsdiensten angeglichen werden. (Schluss) mbu