Parlamentskorrespondenz Nr. 1084 vom 05.12.2024

Bericht zur sozialen Lagen der Studierenden 2024 zeigt Belastungen bei Wohnen, Finanzen und Gesundheit

Wien (PK) – Seit 1975 erscheinen in regelmäßigen Abständen die "Materialien zur sozialen Lage der Studierenden in Österreich" des Wissenschaftsministeriums. Der Bericht für 2024, den Bundesminister Martin Polaschek nun dem Nationalrat vorgelegt hat, fasst die wesentlichen Ergebnisse der Studierenden-Sozialerhebung 2023 zusammen und berichtet zudem über die aktuellen Entwicklungen in der Studienförderung (III-59 d.B.).

Wie Bundesminister Polaschek in seinem Vorwort zum Bericht ausführt, basiert die Studierenden-Sozialerhebung 2023 auf einer großflächig angelegten Umfrage, an der fast 43.000 Bachelor-, Master- und Diplomstudierende öffentlicher Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogischer Hochschulen, Privatuniversitäten und Privathochschulen in Österreich teilgenommen haben. Die Analyse der verschiedenen Lebensrealitäten der Studierenden gebe wertvolle Hinweise darauf, wo die Hochschulpolitik und -steuerung ansetzen könne, um erfolgreiches Studieren zu fördern, aber auch etwaige Nachteile auszugleichen, merkt Polaschek an.

Breite Palette an direkten und indirekten Ausbildungsförderungen

Kapitel I des Berichts gibt einen Überblick über die vielfachen Unterstützungsleistungen für Studierende. Dazu gehört zum einen die direkte Ausbildungsförderung nach dem Studienförderungsgesetz, die Studienbeihilfe. Des Weiteren besteht eine breite Palette von indirekten Ausbildungsförderungen. Mensen und Studierendenheime ergänzen das Angebot an Unterstützungen. Ein Gutteil der Studienanfänger:innen könne sich unmittelbar nach der Matura mit der gesamten Zeit und Energie auf ein Studium fokussieren, einige kleinere Gruppen seien hingegen mit Mehrfachbelastungen konfrontiert.

Auf die Teuerung in den letzten Jahren habe das Wissenschaftsministerium mit einer maßgeblichen Erhöhung der Studienförderung sowie mit deutlichen Steigerungen als Beitrag zur existentiellen Absicherung der Studierenden reagiert. Demnach sei die konventionelle Studienförderung seit 2019 um 19 % bzw. 15 % erhöht worden. Dazu sei im September 2023 noch eine weitere Erhöhung um knapp 8 % bzw. knapp 6 % gekommen, die in den Daten noch nicht abgebildet sei. Der Anteil der Studierenden, die Studienbeihilfe nach Selbsterhalt beziehen, habe 2023 einen neuen Höchststand erreicht.

Zahl der Studierenden an öffentlichen Universitäten geht zurück

Kapitel II des Berichts präsentiert die wesentlichen Ergebnisse der Studierenden-Sozialerhebung, die im Sommersemester 2023 durchgeführt wurde. Sie werden ergänzt durch Auswertungen der Hochschulstatistik. Im Wintersemester 2022/23 waren demnach an den österreichischen Hochschulen rund 323.000 Personen in Bachelor-, Master-, Diplom- und Erweiterungsstudien inskribiert. Im Wintersemester 2020/21, dem ersten Wintersemester nach dem Ausbruch von COVID-19 in Österreich, stieg die Zahl der Studierenden deutlich an und war dann in den folgenden Wintersemestern wieder leicht rückläufig, vor allem aufgrund eines Rückgangs von Studierenden an öffentlichen Universitäten.

Bildung der Eltern hat deutlichen Einfluss auf Aufnahme eines Studiums

Die Studierenden-Sozialerhebung erfasst mit dem Merkmal "Elternbildung" den höchsten, formalen Bildungsabschluss der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten. Laut der Erhebung hat knapp ein Drittel der Studierenden Eltern, die keine Matura aufweisen. Etwa ein Viertel hat Eltern mit Matura als höchsten Bildungsgrad und bei 44 % der Studierenden hat mindestens ein Elternteil einen akademischen Abschluss. Wie sich dabei zeigt, ist die Wahrscheinlichkeit, ein Universitäts- oder Fachhochschulstudium aufzunehmen, für eine Person, deren Vater über mindestens eine Matura verfügt, etwa 2,5-mal so hoch wie für jene, deren Vater keine Matura hat.

Ein Wahrscheinlichkeitsfaktor von 1 würde einen ausgewogenen Zugang hinsichtlich der Bildung der Eltern bedeuten. Je höher der Wahrscheinlichkeitsfaktor ist, desto sozial unausgewogener ist der Hochschulzugang. Am höchsten ist der Wahrscheinlichkeitsfaktor an öffentlichen Universitäten. Hier ist der Zugang zum Studium hinsichtlich des Bildungshintergrunds von Vater und Mutter am wenigsten ausgewogen. An Fachhochschulen, insbesondere bei den berufsbegleitenden Studiengängen, ist der Zugang ausgewogener als an Universitäten. Auch hier liegt der Wahrscheinlichkeitsfaktor über 1. In den letzten zehn Jahren habe sich der Wahrscheinlichkeitsfaktor, abgesehen von jährlichen Schwankungen, wenig verändert, führt der Bericht aus.

Studierende, deren Eltern ein niedrigeres formales Bildungsniveau haben, nehmen nicht nur seltener, sondern tendenziell auch später im Leben ein Studium auf. Das Erstzulassungsalter von Studierenden mit Eltern, die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen, ist im Schnitt um 4 Jahre höher als das Alter jener Studierenden, die akademisch gebildete Eltern haben (bzw. um knapp 5 Jahre, wenn mindestens ein Elternteil ein Doktoratsstudium absolviert hat). Das spiegelt sich auch beim Anteil der Studierenden wider, die mit einer Verzögerung von mehr als zwei Jahren nach Schulabschluss zu studieren begonnen haben.

Anteil der Studierenden mit Kindern unverändert

Der Anteil der Studierenden mit Kindern ist seit der Erhebung 2019 gleich geblieben. Laut der Sozialerhebung haben 8 % der Studierenden mindestens ein Kind unter 25 Jahren, oder sie leben mit mindestens einem unter 25-jährigen Kind des Partners bzw. der Partnerin im gemeinsamen Haushalt. Hochgerechnet betrifft dies rund 23.000 Studierende in Österreich. In der Altersverteilung gab es  dabei geringfügige Verschiebungen in Richtung jüngerer Kinder. Der Anteil Studierender mit Kleinkind, Vorschulkind sowie Schulkind (bis 14 Jahre) ist im Jahr 2023 jeweils um 0,2 %-Punkte höher als bei der vorhergehenden Erhebung. Am höchsten ist der Anteil der Studierenden mit Kleinkindern im Haushalt. 2,6 % der Studierenden haben Kleinkinder unter drei Jahren. Mehr als die Hälfte der studierenden Eltern lebt mit mindestens einem Kind im Kleinkind- oder Vorschulalter zusammen.

Etwa ein Zehntel der studierenden Eltern ist alleinerziehend. Das entspricht insgesamt 0,9 % bzw. hochgerechnet rund 2.700 aller Studierenden in Österreich. Von allen studierenden Frauen gaben 1,4 % an, alleinerziehend zu sein, unter den Männern waren dies lediglich 0,2 %. Während unter allen studierenden Eltern der Anteil jener mit Klein- und Vorschulkindern überwiegt, haben studierende, alleinerziehende Mütter häufiger Kinder ab dem Schulalter. Für Studium und Erwerbsarbeit wenden Alleinerziehende mehr Zeit auf als der Durchschnitt aller studierenden Eltern. Alleinerziehende Mütter wenden im Schnitt 48,4 Stunden pro Woche für Studium und Beruf auf – das sind 5,4 Stunden mehr als studierende Mütter insgesamt.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen

Im Sommersemester 2023 gab ein Fünftel der Befragten an, eine oder mehrere studienerschwerende gesundheitliche Beeinträchtigungen zu haben. Dies bedeutet einen deutlichen Anstieg von 9 %-Punkten gegenüber den letzten Sozialerhebungen, von 12 % auf 21 %. Dieser Zuwachs an Beeinträchtigungen könnte mitunter auf die Covid-19 Pandemie zurückzuführen sein und deckt sich mit dem Befund, dass rund ein Viertel der 16 bis 29-Jährigen der österreichischen Gesamtbevölkerung ihren Gesundheitszustand schlechter bewerte als vor der Pandemie.

Steigende Wohnkosten

Dem Bericht ist zu entnehmen, dass die durchschnittlichen Wohnkosten der Studierenden (nicht eingerechnet solche, die bei den Eltern wohnen bzw. ein Fernstudium belegen) seit 2019 um 25 % angestiegen sind, von 438 € auf 549 €. Die höchsten Steigerungen gab es bei den Kosten für Einzelwohnungen (um 25 % auf 627 €) und in Wohngemeinschaften (um 24 % auf 467 €). Nach Hochschulstandorten betrachtet, war der stärkste Anstieg der Wohnkosten in Leoben zu verzeichnen (31 %), das allerdings von einem vergleichsweise geringen Niveau. Den zweithöchsten Anstieg habe es an kleineren Hochschulstandorten mit 29 % gegeben, wodurch diese nun den höchsten durchschnittlichen Betrag von 608 € monatlich ausmachen würden, stellt der Bericht fest.

Betroffenheit von finanziellen Schwierigkeiten steigt

Der Anteil der Studierenden mit starken oder sehr starken finanziellen Schwierigkeiten ist laut dem Bericht seit 2011 konstant gesunken und hat 2019 mit 22 % ein vergleichsweise niedriges Niveau erreicht. 2023 wurde eine Trendumkehr beobachtet. Von 2019 auf 2023 stieg der Anteil der Studierenden mit starken finanziellen Schwierigkeiten um knapp ein Drittel (bzw. 7 %-Punkte) deutlich und erreichte mit 29 % wieder das Niveau von 2011. Der Anstieg an finanziellen Schwierigkeiten betrifft alle Altersgruppen. Gleichzeitig erwies sich der Anteil an Studierenden, die 2023 keine finanziellen Schwierigkeiten hatten, mit 46 % so gering wie in keinem anderen Jahr des betrachteten Zeitausschnitts.

29 % der Studierenden im Sommersemester 2023 gaben an, derzeit sehr stark (11 %) oder stark (18 %) von finanziellen Schwierigkeiten betroffen zu sein. Ein weiteres Viertel hatte laut Selbsteinschätzung teilweise finanzielle Schwierigkeiten. Der Anteil der Studierenden in Österreich mit starken oder sehr finanziellen Schwierigkeiten lag damit etwas über dem europäischen Durchschnitt. Die Häufigkeit von finanziellen Schwierigkeiten unterschied sich wesentlich nach dem Alter der Studierenden. Das könne als Indikator für unterschiedliche Lebenssituationen bzw. -standards und unterschiedliche durchschnittliche Einnahmen und Ausgaben gesehen werden, führt der Bericht aus. Der Anteil der Studierenden mit starken bzw. sehr starken finanziellen Schwierigkeiten zeigt sich in der Erhebung als mit zunehmendem Alter steigend und unter den 29- bzw. 30-Jährigen mit 40 % am höchsten. Danach fällt der Anteil der Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten wieder ab.

Studienverläufe und Studienabschlüsse

Die Studienverläufe von Bacheloranfängerinnen und -anfängern an Fachhochschulen unterscheiden sich deutlich von jenen an öffentlichen Universitäten. Der weitaus größte Teil der Studierenden schließt hier das Studium innerhalb der Regelstudienzeit von sechs Semestern ab und fast alle anderen bis zum 8. Semester. Sowohl an öffentlichen Universitäten als auch an Fachhochschulen steigen die Abbruchsquoten bis zum dritten Semester am stärksten an, d. h. ein großer Teil der Abbrüche erfolgt innerhalb des ersten Studienjahres, sind also frühe Abbrüche. Der Anteil jener Studienabbrecher:innen, die ihr Studium früh abbrechen, ist dabei an Fachhochschulen deutlich höher als an öffentlichen Universitäten.

Im Studienjahr 2022/23 wurden rund 56.900 ordentliche Studien (ohne Doktoratsstudien) abgeschlossen. Im Verlauf der letzten zwölf Jahre lag die Zahl abgeschlossener Erststudien mit zwei Ausnahmen immer zwischen 35.000 und 38.000 pro Studienjahr. Im Studienjahr 2012/13 wurden etwa 41.500 Erststudien abgeschlossen. Im besonders stark von COVID-19-Maßnahmen geprägten Studienjahr 2020/21 waren es knapp 40.000. Während die Abschlusszahlen an öffentlichen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen im Beobachtungszeitraum zurückgingen, gab es an Fachhochschulen und Privatuniversitäten Zuwächse. (Schluss) sox