Parlamentskorrespondenz Nr. 282 vom 10.04.2025

Dringliche Anfrage im Bundesrat: Harsche FPÖ-Kritik an Außenpolitik von Beate Meinl-Reisinger

Wien (PK) – Mit "Neutralitätsbruch, dubiose Deals und Postenschacher – der missratene Start der neuen Außenministerin" betitelte die FPÖ heute im Bundesrat eine Dringliche Anfrage an Außenministerin Beate Meinl-Reisinger. Während sich die österreichische Bevölkerung mit massiver Teuerung, Rekordstaatsverschuldung und sinkender Versorgungssicherheit konfrontiert sehe, agiere die Außenministerin zunehmend "als verlängerter Arm der Brüsseler Rüstungsagenda", so die FPÖ. Die Ministerin zeige "ein erschreckendes Maß an Übereifer", wenn es um die Umsetzung des "White Paper for European Defence Readiness 2030" der EU gehe, das "ein nie dagewesenes Aufrüstungsprogramm" einfordere. Zudem habe Meinl-Reisinger offen ihre Zustimmung zu "ReArm Europe" betont und sich damit gegen das österreichische Neutralitätsprinzip gestellt.

Die Freiheitlichen kritisieren weiter, dass Österreich trotz des alarmierenden Defizits, 19,3 Mio. € für humanitäre Hilfe in Syrien bereitstellen werde. Außerdem habe es die Ministerin als "in unserem Interesse" bezeichnet, die Ukraine mit Sicherheitsgarantien zu unterstützen. Auch eine Aufstockung der österreichischen Unterstützung um weitere 2 Mio. € für die Initiative "Grain from Ukraine" sei angekündigt, bemängelt die FPÖ. Ein mit diesem "Getreidedeal" in Zusammenhang stehendes Unternehmen gelte, laut FPÖ, als Scheinunternehmen, zudem sei dessen Adresse ident mit jener der NEOS-Parteizentrale. Weitere Kritikpunkte der Freiheitlichen beziehen sich etwa auf die Entwicklungen rund um die Bestellung eines neuen albanischen Botschafters in Wien. Besonders besorgniserregend sei im Hinblick auf die dramatische Budgetsituation außerdem, dass Meinl-Reisinger bisher keinerlei Initiativen ergriffen habe, um die finanziellen Belastungen durch inhaftierte ausländische Straftäter zu reduzieren.

Die Freiheitlichen richteten zu diesen und weiteren Themenbereichen über 50 dringliche Fragen an die Außenministerin. So etwa zum Ressort der Ministerin oder zu ihren Auslandsreiseaktivitäten. Hinterfragt wird etwa auch die Nominierung des ehemaligen Bundeskanzlers Karl Nehammer für die Europäische Investitionsbank (EIB).

Spanring: NEOS vertreten ausschließlich Brüsseler Interessen

Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Partnern in Europa – auch militärisch – sei grundsätzlich zu begrüßen, hielt Anfragesteller Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) fest. Der FPÖ-Mandatar plädierte für die Aufrüstung des "kaputt gesparten Bundesheers", sprach sich aber gegen ein "europäisches Führungskommando", gegen einen "gemeinsamen Generalstab" sowie gegen eine "verpflichtende Rüstungsbeschaffung" aus. Anstatt einer Ministerin "im Sold der Rüstungsindustrie" – Spanring bekam für diesen Ausdruck einen Ordnungsruf - brauche es Maßnahmen für eine "wehrhafte Neutralität, die von der überwiegenden Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher gewünscht werde. Die NEOS würden aber "ausschließlich Brüsseler Interessen" vertreten.

FPÖ-Mandatar Spanring kritisierte, dass die Außenministerin trotz der angespannten budgetären Lage finanzielle Mittel an die Ukraine oder nach Syrien "verschenke". Dies komme einem "Verrat an der eigenen Bevölkerung" gleich, die teilweise "kaum noch über die Runden" komme. Was die in der Anfrage formulierten Vorwürfe zu Verbindungen der NEOS mit "Profiteuren" des ukrainischen "Getreidedeals" betrifft, forderte Spanring Transparenz von der Außenministerin. Zudem ortete der FPÖ-Bundesrat Untätigkeit von Meinl-Reisinger bei der Rückführung von ausländischen Straftäterinnen und Straftätern. Erfolge in diesem Bereich würden eine Entlastung für die Steuerzahler:innen sowie für das Justizpersonal bringen.

Meinl-Reisinger: Österreich ist Teil der europäischen Sicherheitspolitik

Die "Unterstellungen der FPÖ, wie Verfassungs- und Neutralitätsbruch sowie Käuflichkeit" weise sie "auf das Entschiedenste zurück", hielt Außenministerin Beate Meinl-Reisinger einleitend fest. Sie wolle die Gelegenheit nutzen, um im Bundesrat über die Akzente der österreichischen sowie europäischen Außenpolitik zu informieren. In der aktuell geopolitisch instabilen Zeit würde die Bevölkerung wissen wollen, wie eine Rückkehr zu Frieden, Ordnung und Wohlstand möglich sei. Das Aufzeigen dieser Perspektiven sei ihre Aufgabe als Außenministerin. Für Meinl-Reisinger kann ein kleines Land wie Österreich seine Interessen nur in einem "gemeinsamen und starken Europa" wahren. Dies habe sich etwa im aktuellen Handelskonflikt mit den USA gezeigt. Dasselbe gelte für die mannigfaltige Bedrohung der Demokratie, etwa durch Cyberattacken oder Desinformationskampagnen. Nur eine aktive Mitarbeit in Europa biete hier Schutz.

Weiters betonte die Außenministerin, dass Österreich mit dem EU-Beitritt auch Teil der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik geworden und dies mit der heimischen Neutralität vereinbar sei. Es gehe nicht um Kriegswirtschaft, sondern um die Herstellung der Verteidigungsfähigkeit. Diplomatie und Multilateralismus sei "unsere erste Verteidigungslinie", an der man vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen aktiv teilnehme. Was die von der FPÖ kritisierten Mittel für Syrien betrifft, gehe es um humanitäre Hilfe, "damit sich die Menschen nicht auf den Weg nach Europa machen", erkläre die Außenministerin. Zu den FPÖ-Vorwürfen in Bezug auf den "Getreidedeal" hielt die Ressortchefin fest, dass es keine Verbindung zwischen ihr oder den NEOS und dem von den Freiheitlichen genannten Unternehmen gebe.

Bundesratsdebatte über Österreichs Position in Europa und in der Welt

Wenn man der Außenministerin zuhöre, gewinne man den Eindruck, es handle sich um eine Abgesandte der EU oder der NATO, nicht aber eines neutralen Landes wie Österreich, konstatierte Günter Pröller (FPÖ/O). Meinl-Reisinger und die NEOS würden behaupten, die Neutralität schütze Österreich nicht – genau das tue sie jedoch seit 1955. "Leider Gottes" sei man nun davon abgewichen, und der ehemalige Bundeskanzler Karl Nehammer sei nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine als einer der ersten ausländischen Staatschefs nach Kiew zu Präsident Wolodymyr Selensyi gereist. Meinl Reisinger habe diesen Weg mit ihrer Reise in die Ukraine nun fortgesetzt, so Pröller. Die Neutralität werde ohne demokratischen Rückhalt – 80 % der Bevölkerung wollten sie erhalten – "endgültig zu Grabe getragen". Nach den "Fehlentscheidungen" der EU hinsichtlich der Migrations-, der Klima- und der Corona-Politik vernehme man aus Brüssel nun "Kriegsrhetorik". Es brauche jedoch aktive Friedensgespräche, wofür sich Wien besonders als Zentrum eignen würde, erklärte Pröller.

Von einer "EU-hörigen" Außenministerin, die österreichisches Steuergeld "mit vollen Händen hinaus" werfe und die Neutralität "mit Füßen" trete, sprach auch Sandra Jäckel (FPÖ/W). Thomas Karacsony (FPÖ/B) fand es unverständlich, dass Österreich sich mit 2 Mio. € an der Initiative "Grain from Ukraine" beteilige, anstatt inländischen Weizen zu kaufen und diesen anschließend zu verschenken. Es brauche eine Außenpolitik, die österreichische Interessen und Werte vertritt und Steuergeld verantwortungsvoll einsetzt. Markus Steinmaurer (FPÖ/OÖ) kritisierte ebenfalls, dass Beate Meinl-Reisinger ihre erste Auslandsreise in die Ukraine unternommen habe. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten seien aus seiner Sicht die wichtigsten Handelspartner Deutschland und die USA zu bereisen, um dort Kontakte zu pflegen.

Laut Harald Himmer (ÖVP/W) handle es sich bei der Kritik der FPÖ um das "übliche Prozedere", wenn eine neue Regierung antritt. Obwohl sich diese erst seit einem Monat im Amt befinde, würden schon abschließende Urteile über die Fähigkeiten ihrer Mitglieder gefällt. Hinsichtlich der Neutralität erinnerte Himmer, dass es bereits eine Vielzahl an Diskussionen darum gegeben habe und auch die FPÖ darin bereits durchaus andere Positionen als ihre aktuelle vertreten habe. Alle Parteien würden sich für Frieden einsetzen und auch seitens der EU vernehme er keine "Kriegsrhetorik". Doch angesichts der weltpolitischen Lage und gegenwärtigen Verfassung der großen "sicherheitspolitischen Blöcke" USA, Russlan dund China, könne man nur zu dem Befund kommen, dass Europa verteidigungspolitisch "nachschärfen" müsse, so Himmer. Für Christoph Thoma (ÖVP/V) habe die Dringliche Anfrage gezeigt, wie hervorragend die Außenministerin arbeite. Von den Freiheitlichen verwendete Ausdrücke wie "NATO-Beate" und "Beate Langstrumpf" bezeichnete er als "verwerflich".

Die FPÖ versuche mit ihrer "Dringlichen zu Kraut und Rüben" die Bundesregierung so breit wie möglich "anzupatzen" und hoffe, dass etwas "hängen bleibt", entgegnete Stefan Schennach (SPÖ/W) den Freiheitlichen. Diese sollten zur Kenntnis nehmen, dass sich auch die Bundesregierung zur Neutralität, zur aktiven Friedenpolitik und zu einem vereinten Europa bekenne. Die regelbasierte internationale Ordnung sei nun durch den russischen Angriffskrieg und auch das "erratische Agieren" des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump zerstört worden. Nun gelte es als Europa und als Österreich internationale Verantwortung zu übernehmen. Hier könne es als Sitz der UNO und der OSZE eine wichtige Rolle in der aktiven Friedenpolitik spielen. Auch die EU habe zu Zeiten des österreichischen Beitritts anerkannt, dass die Neutralität "Österreichs eigenständiger Beitrag für den Frieden in Europa" darstelle, so  Schennach.

Die FPÖ wolle Österreich "vor allem abschotten", was weder wirtschaftlich noch verteidigungspolitisch möglich sei, sagte Elisabeth Kittl (Grüne). Neutralität bedeute nicht Verantwortungslosigkeit, sondern aktive Friedenspolitik. Dabei gehe es nicht nur um Waffen, sondern auch um Infrastruktur und Energieversorgung, vor allem wenn man sich unabhängig von Aggressoren machen möchte. Kittl plädierte dafür, in diesem Sinne auch einen genauen Blick auf die Waffenexporte zu werfen. Wichtig sei zudem, dass die Entwicklungszusammenarbeit weiter bestehen bleibe – auch diese bedeute Friedenssicherung.

Es wäre im Interesse Österreichs, wenn auch die FPÖ aus ihrem "Traumland" aufwache und die Welt sehe, "wie sie ist", appellierte Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) an die Freiheitlichen. Der russische Präsident Putin führe Krieg gegen Europa und es sei klar, dass die Neutralität Österreich nicht schütze. Schützen würde nur "Solidarität, eine klare Linie und Stärke". Das sei die einzige Sprache, die "autoritäre Führer"  verstünden. Nach "Jahren der Blockade" gebe es nun viel zu tun in der Außen- und Sicherheitspolitik, die  auf die "Höhe der Zeit" gebracht werden müsste. (Schluss Bundesrat) mbu/med/kar/wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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