Parlamentskorrespondenz Nr. 312 vom 25.04.2025

EU will Ende 2025 neuen Aktionsplan für Konsument:innen vorstellen und sich besser für Pandemien rüsten

Wien (PK) – Am 11. Februar hat die Europäische Kommission ihr Arbeitsprogramm für 2025 vorgestellt und dabei 51 neue Initiativen sowie 37 Evaluierungen und sogenannte Fitness-Checks zu bestehenden Rechtsvorschriften angekündigt. Gleichzeitig sollen 123 Vorschläge aus der letzten Legislaturperiode weiterverfolgt werden. Einige dieser Vorhaben betreffen auch die Bereiche Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz. Was hier genau geplant ist und welche Schwerpunkte der aktuelle Trio-Ratsvorsitz der EU Polen, Dänemark und Zypern setzen will, darüber informiert ein Bericht von Sozial- und Gesundheitsministerin Korinna Schumann (III-149 d.B.).

Neue Richtlinien- und Verordnungsvorschläge liegen vorerst zwar nur wenige vor, laut Bericht sind aber mehrere Strategie- und Aktionspläne in Ausarbeitung. Zudem stehen etliche Rechtsakte aus den vergangenen Jahren weiter in Verhandlung. Dazu gehören etwa geänderte Regeln für neue gentechnische Verfahren (NGT), ein Legislativpaket für den Arzneimittelbereich, strengere Vorgaben für Tiertransporte, ein besserer Schutz von Hunde und Katzen sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Spielzeug. Die seit 2008 diskutierte Antidiskriminierungsrichtlinie soll hingegen endgültig ad acta gelegt werden: Nachdem sich auch zuletzt kein Konsens zwischen den EU-Mitgliedstaaten abgezeichnet hat, will die EU-Kommission den Entwurf zurückziehen.

Aktionspläne und Strategien

Im Konkreten will die EU-Kommission im 4. Quartal 2025 etwa einen neuen Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) und einen Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze vorlegen. Zudem soll eine neue Verbraucheragenda 2026-2030 inklusive eines Aktionsplans für Konsument:innen im Binnenmarkt auf den Weg gebracht werden. Auch für Pandemien und andere gesundheitliche Notlagen will sich die EU – etwa durch eine Krisenstrategie und Vorgaben zur Bevorratung kritischer medizinischer Güter wie Arzneimittel und Impfstoffe – besser rüsten. Bereits im Jänner vorgestellt wurde ein Aktionsplan zur Verbesserung der Cybersicherheit für Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen.

Dem aktuellen Rats-Trio Polen, Dänemark und Zypern sind im Gesundheitsbereich unter anderem eine stärkere Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit der Gesundheitssysteme der EU-Länder, ein gerechter Zugang zu Arzneimitteln und Medizinprodukten für alle EU-Bürger:innen und die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie ein Anliegen. Zudem wollen sie einen besonderen Fokus auf die Erhöhung der Jugendbeschäftigung, eine stärkere Integration vulnerabler Gruppen in den Arbeitsmarkt, die Befähigung älterer Menschen, länger aktiv zu bleiben, sozialen Zusammenhalt und die Bewältigung demografischer Herausforderungen legen. Der diesjährige Verbrauchergipfel ("European Consumer Summit") wird am 20. Mai in Brüssel stattfinden.

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Bekämpfung von Scheinpraktika

Was konkrete Rechtsakte betrifft, plant die EU-Kommission laut Bericht unter anderem die Überarbeitung mehrerer Richtlinien zum Schutz von Arbeitnehmer:innen. Das betrifft etwa die geltenden Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten, die Bildschirmarbeit, den Schutz vor karzinogenen Stoffen und den Bereich Telearbeit bzw. das Recht auf Nichterreichbarkeit. Zudem wird auf EU-Ebene weiter über einen im vergangenen Jahr vorgelegten Richtlinienentwurf zur Bekämpfung von Scheinpraktika sowie über die Stärkung Europäischer Betriebsräte in multinationalen Unternehmen verhandelt. In Bezug auf die Europäischen Betriebsräte sind die Verhandlungen dabei schon weit gediehen, das Sozialministerium hofft auf eine baldige Annahme der Richtlinie.

Arbeitslosengeld für Grenzgänger:innen weiter umstritten

Weiterhin zäh verlaufen hingegen die Verhandlungen über einen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2016, der auf eine bessere Koordinierung der Sozialsysteme der EU-Länder abzielt und unter anderem die grenzüberschreitende Gewährung von Arbeitslosengeld, Familienbeihilfe und Pflegeleistungen betrifft. Mehr als ein Dutzend Trilogverhandlungen zwischen der Kommission, dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten waren bisher erfolglos. Zuletzt hatte der belgische Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2024 vorgeschlagen, die strittigen Punkte – etwa Leistungen für arbeitslose Grenzgänger:innen – aus dem Entwurf herauszunehmen und die verbleibenden Regelungen zu beschließen, was aus österreichischer Sicht sinnvoll wäre. die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und einige Mitgliedstaaten lehnten ein solches "Splitting" dem Bericht zufolge bislang aber ab. Nun hat der polnische Ratsvorsitz die Arbeiten wieder aufgenommen und strebt eine Einigung im ersten Halbjahr 2025 an.

Ebenso schwierig gestalten sich die Trilogverhandlungen zur Überarbeitung des Rechtsrahmens für alternative Streitbeilegungsmechanismen. Auch hier hofft der polnische Ratsvorsitz aber auf eine baldige Einigung.

Europäischer Behindertenausweis fixiert

In Zusammenhang mit der EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen verweist das Sozialministerium unter anderem auf die im vergangenen Jahr erzielte Einigung in Bezug auf die Einführung eines Europäischen Behindertenausweises und eines Europäischen Parkausweises für Menschen mit Behinderungen. Die Richtlinie wurde am 14. November 2024 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und ist bis 5. Juni 2027 umzusetzen. Auch darüber hinaus unterstützt Österreich die EU-Behindertenrechtsstrategie 2021-2030, die sich laut Bericht im Großen und Ganzen mit dem österreichischen Aktionsplan deckt.

Erweitertes Arzneimittelpaket

Im Gesundheitsbereich werden die Verhandlungen über das von der EU-Kommission vorgeschlagene Arzneimittelpaket fortgeführt. Um einen Binnenmarkt für Arzneimittel zu schaffen, sollen allgemeine Arzneimittelvorschriften überarbeitet und Unternehmen ermutigt werden, ihre Arzneimittel in sämtlichen EU-Ländern anzubieten und gezielt Arzneimittel für ungedeckte medizinische Bedarfe zu entwickeln. Außerdem will die Kommission die Verfahren zur Zulassung von Generika und Biosimilars vereinfachen und antimikrobielle Resistenzen (AMR) intensiver bekämpfen. Zur Behebung von Arzneimittelengpässen sind unter anderem die Erstellung einer EU-weiten Liste kritischer Arzneimittel und Engpasspräventionspläne der Mitgliedstaaten vorgesehen.

Mit dem "Critical Medicines Act" hat die EU-Kommission außerdem im März dieses Jahres einen weiteren Rechtsakt vorgelegt. Dabei geht es unter anderem um staatliche Beihilfen für den Ausbau von Kapazitäten zur Herstellung kritischer Arzneimittel, die gemeinsame Beschaffung von Medikamenten und breiter aufgestellte Lieferketten.

Österreich spricht sich grundsätzlich für einen raschen Abschluss der Verhandlungen über das Arzneimittelpaket aus, wobei dem Gesundheitsministerium eine Balance zwischen Leistbarkeit, Verfügbarkeit und dem Schutz von Innovation und der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit wichtig ist. Auch der Legislativvorschlag zum Thema kritische Arzneimittel wird "in der Sache begrüßt". Arzneimittel-Engpässe könnten nur durch EU-weite Maßnahmen langfristig wirksam bekämpft werden, ist das Ressort überzeugt.

Strengere Regeln für Tiertransporte sowie für Hunde- und Katzenzucht

Auch dass die EU-Kommission die Tiertransport-Regelungen überarbeiten will, bewertet das Gesundheitsministerium mit dem Hinweis auf hohe Tierschutzstandards in Österreich positiv. Ein entsprechender Verordnungsvorschlag liegt seit Dezember 2023 auf dem Tisch. Er sieht unter anderem kürzere Transportzeiten und mehr Ruhepausen, eine Erhöhung des Platzangebots, Temperaturgrenzen während des Transports und strengere Auflagen für Ausfuhren in Nicht-EU-Länder vor. Zudem soll auch der Transport von Tieren wie Kaninchen oder Haustiere geregelt werden. Österreich unterstützt viele Vorschläge, sieht in manchen Bereichen aber noch Anpassungsbedarf. Die Verhandlungen laufen, zuletzt wurde unter ungarischem Vorsitz Ende November 2024 ein Fortschrittsbericht vorgelegt.

Hinsichtlich des ebenfalls im Dezember 2023 vorgelegten Verordnungsentwurfs zum Schutz von Hunden und Katzen plant Polen die Aufnahme von Trilogverhandlungen, sobald das Europäische Parlament seine Position zu den Vorschlägen der EU-Kommission festgelegt hat. Mit der Verordnung sollen erstmals einheitliche EU-Standards für die Zucht und die Haltung von Hunden und Katzen in Zuchtbetrieben, Tierhandlungen und Tierheimen festgelegt werden. Ziel ist es, den illegalen Handel mit Hunden und Katzen einzudämmen und die Tiere besser zu schützen. So ist unter anderem geplant, bestimmte Eingriffe wie das Kupieren von Ohren und Schwänzen zu untersagen, die Paarungshäufigkeit zu beschränken und ein Inzuchtverbot zu verankern. Zudem sollen alle Tiere – auch importierte – im Sinne einer besseren Rückverfolgbarkeit registriert werden müssen. Personen, die Tiere in Tierheimen oder Tierhandlungen betreuen, werden ein Mindestmaß an Fachkenntnis vorweisen müssen.

Österreich sieht noch einige offene Fragen zum Verordnungsentwurf, wiewohl es einheitliche EU-Standards für Hunden und Katzen begrüßt. Überdies ist es dem Gesundheitsministerium ein Anliegen, dass strengere innerstaatliche Tierschutzbestimmungen auch künftig beibehalten werden können.

Neue gentechnische Verfahren in der Pflanzenzucht

Weiterhin äußerst kritisch bewertet Österreich hingegen einen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission, der einen neuen Rechtsrahmen für Pflanzen bzw. für daraus hergestellte Lebens- und Futtermittel bringen soll, die mit Hilfe neuer genomischer Verfahren (NGT) wie gezielter Mutagenese und Cisgenese gezüchtet wurden. Dazu gehören etwa auch der Einsatz der Genschere CRISPR/Cas und ähnliche Techniken, die eine zielgerichtete Veränderung von pflanzlichem Erbgut ermöglichen.

Österreich erkenne grundsätzlich die Potentiale von NGT an, diese seien jedoch auch mit Risiken behaftet, heißt es im Bericht. Außerdem wird auf kritische Stellungnahmen der Bundesländer und des Bundesrats sowie auf das Regierungsprogramm verwiesen. Österreich hat daher mehrfach gegen eine gemeinsame Ausrichtung des Rates zum Kommissionsvorschlag gestimmt. Nichtsdestotrotz konnte im März 2025 dafür eine qualifizierte Mehrheit der EU-Länder erzielt werden. Damit können die Trilogverhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission beginnen.

Konkret schlägt die EU-Kommission vor, NGT-Pflanzen künftig in zwei Kategorien einzuteilen, je nachdem ob das Ergebnis eines gentechnischen Eingriffs theoretisch auch durch herkömmliche Züchtungsmethoden erzielt werden könnte oder nicht. Nur Pflanzen mit komplexeren Veränderungen (Kategorie 2) sollen demnach das umfangreiche Zulassungsverfahren der GVO-Verordnung durchlaufen müssen, während für den Anbau und das Inverkehrbringen von Pflanzen und Produkten der Kategorie 1 eine einfache Anmeldung sowie ein Eintrag in eine EU-weite Datenbank genügen würden. Österreich pocht allerdings auf eine generelle Risikobewertung sowie auf eine Kennzeichnungspflicht, um die Wahlfreiheit von Konsument:innen zu gewährleisten. Auch das Europäische Parlament spricht sich laut Bericht für eine Kennzeichnung aus.

Antidiskriminierung: Kein "Levelling up"

Zurücknehmen will die Kommission dem Bericht zufolge den Entwurf für eine Antidiskriminierungsrichtlinie, über die bereits seit 2008 erfolglos auf EU-Ebene verhandelt wird. Dabei geht es darum, den Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung über den Bereich der Arbeitswelt hinaus zu erweitern, etwa was den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, inklusive Wohnraum, oder die Gesundheitsversorgung betrifft. Österreich hat den Richtlinienvorschlag laut Bericht unterstützt und bedauert, dass die erforderliche Einstimmigkeit zur Annahme der Richtlinie nicht erreicht werden konnte. Ebenso mangels absehbaren Konsens ad acta gelegt werden soll ein Verordnungsvorschlag zum Thema gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel. (Schluss) gs