Parlamentskorrespondenz Nr. 320 vom 25.04.2025
Nationalrat befasst sich mit Rechtsextremismus in Österreich
Wien (PK) – Eingehend befasste sich der Nationalrat heute mit dem Bericht über Rechtsextremismus in Österreich 2023 unter Berücksichtigung der Jahre 2020 bis 2022. Die Abgeordneten nahmen den Bericht mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen zur Kenntnis. Deutliche Kritik kam von der FPÖ, die den Bericht für "pseudowissenschaftlich" hält. Im Bericht wird festgehalten, dass es eine Reihe an Problemen in Sachen Erhebung und Aufbereitung der Daten gebe, die die Aussagekraft der Zahlen und die Möglichkeit sinnvoller Vergleiche über die Zeit limitieren. So könne grundsätzlich eine erhöhte Zahl rechtsextremistischer Straftaten auch mit anderen Faktoren wie einer veränderten gesetzlichen Lage oder Problemwahrnehmung zu tun haben. Nichtsdestotrotz zeige eine Sekundärdatenanalyse der staatlichen Kriminalstatistik, dass die Zahl rechtsextremistischer Straftaten in den Jahren 2020 bis 2023 angestiegen sei.
In der Minderheit blieben drei Anträge der FPÖ zu Justizthemen. Neben einer Senkung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre fordern die Freiheitlichen einen Straferschwerungsgrund für Täter:innen mit Asylantrag und wollen außerdem illegale Grenzübertritte als Straftatbestand erfassen. Zum Thema Strafmündigkeit fassten ÖVP, SPÖ und NEOS eine Entschließung zur Umsetzung effektiver Maßnahmen bei der Bekämpfung von Jugendkriminalität. Jugendkriminalität soll demnach eingedämmt werden, ohne unter 14-Jährige einer strafgerichtlichen Verfolgung auszusetzen. Neben "Normverdeutlichungsgesprächen" auch für nicht strafmündige Jugendliche sollten demnach etwa eine Durchsetzbarkeit von Ausgangsbeschränkungen geklärt und spezialisierte sozialpädagogische Wohngemeinschaften mit der Option eng befristeter Formen von Zwangsaufenthalt – unter richterlicher Prüfung - geschaffen werden.
Die Grünen setzten sich mit Anträgen zum einen für ein "echtes Maßnahmenpaket" gegen Kriminalität statt "Symbolpolitik" auf dem Rücken junger Menschen ein. Zum anderen forderten sie ein Mindestalter von 16 Jahren für die Nutzung von Social Media-Plattformen. Diese beiden Anträge blieben in der Minderheit.
Bericht über Rechtsextremismus in Österreich
Verfasst wurde der Bericht über Rechtsextremismus in Österreich vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) im Auftrag des Justizministeriums und des Innenministeriums, wie Justizministerin Anna Sporrer erläuterte. Was etwa den internationalen Blickwinkel bei dem Thema betrifft, ist dem Bericht zufolge vor allem für die seit jeher mit dem österreichischen Rechtsextremismus eng verflochtene deutsche Szene ein besonders hohes Maß an Austausch zu konstatieren. Aber auch für eine Reihe anderer Länder sei in relevantem Ausmaß Interaktion feststellbar.
Zudem habe sich der rechtsextreme Zeitschriftenmarkt (Print und Online) in Österreich in jüngerer Vergangenheit sehr dynamisch entwickelt. Die Digitalisierung wiederum habe zur Herausbildung neuer Formen eines primär auf mediale Verwertbarkeit hin orientierten Aktionismus, einen Typus des rechtsextremen Influencers, "seltener: der Influencerin", sowie zur verstärkten Heranziehung von Videospielen und Gaming-Plattformen zur Verbreitung rechtsextremer Ideologie geführt. Ein starker Anstieg zeige sich drüber hinaus 2023 bei antisemitischen und antimuslimischen Vorfällen in Österreich. In inhaltlicher Hinsicht sei die Bedeutung der einst zentralen Leugnung des Holocausts in jüngerer Vergangenheit zurückgegangen, der Antisemitismus jedoch von prägnanter Bedeutung geblieben.
Justizministerin Sporrer hielt gegenüber der Kritik der FPÖ fest, dass der Bericht nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt worden sei. Die Zahlen seien alarmierend, zumal sich etwa die Straftaten nach dem Verbotsgesetz von 2015 bis 2024 mehr als verdreifacht hätten. Zu verzeichnen seien etwa auch Körperverletzungen, Stalking und gefährliche Drohungen, was sie für eine bedrohliche Entwicklung halte. Eine zentrale Erkenntnis sei die Warnung vor der Normalisierung der rechtsextremen Sprache und Denkweise und dass sich die Phänomene bis in die gesellschaftliche Mitte ziehen würden. Ein Begriff wie "Umvolkung", der eindeutig aus NS-Diktion stamme, dürfe im Hohen Haus nicht zur Normalität werden, so Sporrer.
FPÖ mit scharfer Kritik, ÖVP für verbesserten Bericht
Harald Stefan (FPÖ) kritisierte die Erstellung des Berichts durch das DÖW als "pseudowissenschaftliche Agitation von Linksextremen". Er führte Beispiele aus dem Bericht an, wonach etwa von Rechtskatholizismus bis zur Ablehnung von Islamismus vieles als rechtsextrem dargestellt würde. Die FPÖ sei "sowieso" das Synonym dafür, was in dem Bericht als rechtsextrem bezeichnet werde, nannte Stefan das einen "müden Versuch", die FPÖ "anzupatzen". Das wahre Problem sei die massive Zuwanderung, mit der Gewalt und eine Ablehnung der Grundordnung importiert worden seien. Auch Markus Leinfellner (FPÖ) ortet im Bericht eine "pseudowissenschaftliche Hassschrift gegen die FPÖ". Außerdem werde das Bild verfälscht, so Leinfellner, der den Anstieg an Anzeigen den tatsächlichen Verurteilungen gegenüberstellte.
Jede Art von Extremismus sei antidemokratisch und strikt abzulehnen, hielt Johanna Jachs (ÖVP) fest. Man wisse, dass der Rechtsextremismus der häufigste und gefährlichste sei. Es gelte aber, extremistische Gefahren sowohl von "links" als auch von "rechts" aufzuhalten. Stellenweise halte sie Bewertungen des Autors im Bericht für überzogen. Das schade der Sache, zumal Extremismusbekämpfung nicht parteipolitisch sei sollte. Es brauche einen Schulterschluss gegen Rechtsextremismus und gegen jede Form des Extremismus, so Jachs. Wolfgang Gerstl (ÖVP) erachtet es als alarmierend, dass die sogenannte "neue Rechte" an Einfluss gewinne und auch Antisemitismus eine besorgniserregende Zunahme verzeichne. Die rechtsextremistischen Tathandlungen bis hin zum Mord müssten ganz Österreich betroffen machen. Aus seiner Sicht sollte sich der Bericht aber an konkreten Definitionen orientieren. So sei eine Person rechts der Mitte noch lange nicht rechtsextrem. Er freue sich auf den nächsten, "verbesserten" Bericht, so Gerstl.
SPÖ, NEOS und Grüne kritisieren Terminologie der FPÖ
Sabine Schatz und Antonio Della Rossa (beide SPÖ) warfen der FPÖ vor, mit ihrer Terminologie wie etwa einer Verwendung des Begriffs "Umvolkung" die Dinge zu verharmlosen. Die Zahlen im Bericht wie etwa der hohe Anstieg an rechtsextremen Straftaten seien beängstigend, so Schatz. Rechtsextremismus sei eine Gefahr für die Demokratie, für das gesellschaftliche Zusammenleben und für die innere Sicherheit.
Aus Sicht von Sophie Marie Wotschke (NEOS) schütte die FPÖ mit ihrer Sprache bzw. den genannten Begriffen "Öl ins Feuer". Die FPÖ komme im Bericht 231 Mal vor und verschiebe die Hemmschwelle für Rechtsextremismus, warf sie den Freiheitlichen vor. Ralph Schallmeiner (Grüne) ging auf "selbsternannte alternative Medien" ein, die rechtsextreme Narrative verbreiten würden. Er ortet hier ein "Scharnier" zur FPÖ. Umso wichtiger sei es, dass der Bericht darauf hinschaue. Aus Sicht von Lukas Hammer (Grüne) lege der Bericht die Verbindung zur rechtsextremen Szene offen. Ihm zufolge gehe es den Freiheitlichen darum, die Grenzen des "Sagbaren" immer weiter "nach rechts" zu verschieben. Ebenso wie Yannick Shetty (NEOS) bemängelte Hammer außerdem einen Zwischenruf von Herbert Kickl (FPÖ), in dem es den beiden zufolge neuerlich um den Begriff "Umvolkung" ging. In einer kurzen Sitzungsunterbrechung kamen die Abgeordneten diesbezüglich überein, das Thema in der Präsidiale weiter zu erörtern.
Strafmündigkeit ab zwölf Jahren: Keine Mehrheit für FPÖ-Antrag
Die Forderung der FPÖ nach einer Senkung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre wurde von den anderen Parteien im Nationalrat abgelehnt. Die Freiheitlichen argumentierten die wiederholt vorgebrachte Forderung nach einer Senkung der Strafmündigkeit und Deliktsfähigkeit auf zwölf Jahre damit, dass die Zahl der unter 14-jährigen tatverdächtigen Personen in den letzten Jahren dramatisch angestiegen sei. Die registrierten Straftaten, die von Kindern zwischen zehn und 14 Jahren begangen worden seien, hätten sich mehr als verdoppelt. Das von der FPÖ vorgeschlagene mehrstufige Konzept sieht eine Inhaftierung nur als letzte Möglichkeit vor. Zwangsmaßnahmen wie eine "Schnupperhaft" sollten demnach aber gesetzt werden können.
Harald Stefan (FPÖ) wies darauf hin, dass es aus Sicht der Freiheitlichen ein Bündel an Maßnahmen brauche, bei dem erst an letzter Stelle eine Anhaltung stehe. Immerhin habe die Dreierkoalition mit einer eigenen Entschließung nun den Handlungsbedarf erkannt, so Stefan. Dass "straffällige Ausländer immer jünger und jünger" würden, bezeichnete Markus Tschank (FPÖ) außerdem als das Ergebnis einer völlig gescheiterten Asyl- und Migrationspolitik.
Mit Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters würde die Kriminalität nicht sinken, zeigte sich Muna Duzdar (SPÖ) überzeugt. Elke Hanel-Torsch (SPÖ) zufolge werde außerdem ein Großteil der Straftaten von ein paar wenigen "Systemsprengern" begangen. Die Bundesregierung arbeite an Prävention etwa durch multiprofessionelle Teams, zumal die Situation sich nicht verbessere, wenn Kinder ins Gefängnis kommen würden.
Auch Johanna Jachs (ÖVP) wies auf Statistiken hin, die zeigen würden, dass es sich bei Jugendkriminalität nicht um ein Massenphänomen, sondern um einzelne Täter handle. Auch wenn sich die ÖVP zuvor für eine Herabsetzung des Alters ausgesprochen habe, sei jetzt mit dem Regierungsprogramm ein breiter Kompromiss mit sinnvollen Maßnahmen zur Prävention und Erziehung erarbeitet worden. Für "Intensivtäter" sei ihr das Thema Ausgangsbeschränkungen wichtig, für das sie noch vor dem Sommer auf eine Umsetzung hoffe.
Kinder würden im Gefängnis nicht verantwortungsbewusster, sondern sehr wahrscheinlich danach wieder straffällig oder brechen die Schule früher ab, meinte Sophie Marie Wotschke (NEOS). Mit multiprofessionellen Teams und "Jugend-WGs" soll daher versucht werden, dass diese wieder "zurückgeholt" würden. Es sei wichtig, hier Maßnahmen zu setzen wie etwa die Kinder- und Jugendhilfe besser auszustatten, so Agnes Sirkka Prammer (Grüne).
Barbara Neßler (Grüne) brachte den Antrag der Grünen zur Altersbeschränkung für Social Media ab 16 Jahre ein. Jugendstudien würden zeigen, dass auch Jugendliche diese Beschränkung wollen. Sie seien online mit Hass, Krieg und Bodyshaming und damit mit Dingen konfrontiert, die am Schulhof niemals zugelassen würden. Zugleich verdiene die Industrie dahinter Milliarden, so Neßler. Die entsprechende Altersverifikation sollte laut Grünen über die e-ID erfolgen, und zwar ohne Weitergabe von personenbezogenen Daten außer der Information, dass die Person das 16. Lebensjahr vollendet hat.
Illegale Grenzübertritte, neuer Straferschwerungsgrund
Ebenfalls von den anderen Parteien abgelehnt wurde ein FPÖ-Entschließungsantrag, der darauf abzielt, jede unerlaubte Einreise in das österreichische Staatsgebiet ohne gültige Einreisedokumente oder behördliche Genehmigung als Straftatbestand zu erfassen. Damit will die FPÖ "illegale Migration und Massenzuwanderung unter dem Deckmantel von Asyl" bekämpfen. Der Kriminalitätsanstieg in Österreich steht aus Sicht der Freiheitlichen in Zusammenhang mit illegaler Migration und Schlepperkriminalität, weshalb ihnen zufolge "Geschleppte" genauso bestraft werden sollten wie Schlepper.
Thomas Elian (ÖVP) hält den Vorschlag für weder praktikabel noch zielführend, wie er sagte. Zudem würde er internationalen Verpflichtungen widersprechen. Die aktuellen Zahlen der Grenzübertritte würden außerdem zeigen, dass die Situation unter Kontrolle sei und dass die Maßnahmen der Regierung Wirkung zeigen.
In der Minderheit blieb auch eine Initiative der FPÖ für eine Änderung des Strafgesetzbuches im Hinblick auf Straferschwerungsgründe. Den Freiheitlichen geht es in ihrem Gesetzesvorschlag um eine Verschärfung der besonderen Erschwerungsgründe für jene Täter:innen, die in Österreich einen Asylantrag eingebracht haben. Gelten soll der Erschwerungsgrund gemäß FPÖ-Idee auch dann, wenn das Asylverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen, eingestellt oder gegenstandslos geworden ist, oder der Aufenthalt des oder der Täter:in im Bundesgebiet geduldet worden ist. Sie sieht darin eine Möglichkeit der Abschreckungswirkung für "Ausländerkriminalität".
Als gleichheits- und grundrechtswidrig stuften Manfred Sams (SPÖ) und Bettina Zopf (ÖVP) diesen Antrag ein. Das Strafrecht bemesse sich nicht daran, wo jemand geboren wurde, so Sams, der den Antrag für "unnötig und brandgefährlich" hält. Ungleichbehandlung sei jedenfalls kein Nährboden für gute Integration, hielt Zopf fest. (Fortsetzung Nationalrat) mbu
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
Themen
Links
- 70/A(E) - strafrechtliche Sanktionierung des illegalen Grenzübertritts nach Österreich
- III-126 d.B. - Bericht über den Rechtsextremismus in Österreich 2023 (unter Berücksichtigung der Jahre 2020 bis 2022)
- 144/A - Strafgesetzbuch - StGB
- 19/NRSITZ - 19. Sitzung des Nationalrats vom 25. April 2025
- 29/A(E) - Herabsetzung der Strafmündigkeit