Parlamentskorrespondenz Nr. 366 vom 09.05.2025

Rückblick, Reflexion und Zukunftsperspektiven: Europatag 2025 im Parlament

Wien (PK) – Mit einem Festakt beging das Parlament heute den Europatag 2025 – in diesem Jahr im Zeichen der 30-jährigen EU-Mitgliedschaft Österreichs. Im Zentrum der Veranstaltung standen Rückblicke auf drei Jahrzehnte europäische Integration ebenso wie der Ausblick auf künftige Herausforderungen und Chancen. Nach den Eröffnungsworten von Nationalratspräsident Walter Rosenkranz und Grußworten des Leiters der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Patrick Lobis, hielt EU-Kommissar Magnus Brunner die Europarede.

Anschließend teilten der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky und die damalige Europa-Staatssekretärin Brigitte Ederer ihre persönlichen Erinnerungen an die Beitrittsverhandlungen. Zusammen mit der ehemaligen Außenministerin und späteren EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner tauschten sie ihre Perspektiven auf die Entwicklung der Union aus. ORF-Journalistin Margit Laufer führte durch das Programm, das mit Abschlussworten von Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler endete.

Rosenkranz: Europa ist stark, wenn es seine Vielfalt achtet und nicht Vereinheitlichung erzwingt

Nationalratspräsident Walter Rosenkranz erinnerte in seiner Eröffnungsrede an die Volksabstimmung am 12. Juni 1994, mit der sich rund zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher für den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft entschieden haben. Diese Entscheidung sei Ausdruck des Wunsches nach Partnerschaft, Zusammenarbeit und einer offenen Zukunft gewesen. Rosenkranz betonte, dass dieser Europatag nicht nur eine "symbolische Geste", sondern ein Anlass sei, an die Grundideen Europas zu erinnern und 30 Jahre EU-Mitgliedschaft zu reflektieren. Aus seiner Sicht sei Europa stark, wenn es seine Vielfalt achte und nicht Vereinheitlichung erzwinge. In diesem Sinne verwies Rosenkranz auf Charles de Gaulle und dessen Idee eines "Europas der Vaterländer". Die EU sei kein statisches Gebilde, sondern ein "lebendiger Organismus", der lernfähig sein müsse. Daher sei Kritik an der EU auch nicht als Angriff zu verstehen, sondern als Teil des demokratischen Dialogs. Gerade in Zeiten "gewaltiger Herausforderungen" müsse Europa widerstandsfähiger, bürgernäher und demokratischer werden. Der Europatag solle ein Impuls sein für ein Europa, das seine Wurzeln kennt, seine Ideale verteidigt und vor allem den Menschen dient, so Rosenkranz.   

Lobis: Österreich und die EU – eine Erfolgsgeschichte

In seinen Grußworten betonte Patrick Lobis, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, die Vorteile, die Österreich aus 30 Jahren EU-Mitgliedschaft gezogen habe – wirtschaftlich, geopolitisch und kulturell. Österreich sei "von einer Randlage ins Herz Europas gerückt". Jeder dritte Arbeitsplatz hänge mit dem EU-Binnenmarkt zusammen und über 150.000 junge Menschen aus Österreich hätten vom Erasmus-Programm profitiert. Der gemeinsame Weg Österreich und der EU stelle eine Erfolgsgeschichte dar. Persönlich erinnerte sich Lobis an die Zeit des Beitritts, die er selbst als Jugendlicher erlebt habe, und appellierte an die anwesenden jungen Menschen, sich aktiv, offen und "durchaus kontrovers" mit der Zukunft Europas auseinanderzusetzen. Gerade angesichts eines "raueren Windes" in der Weltpolitik, brauche es die Stärke von 450 Millionen Europäer:innen in einer geeinten Union.

Brunner: Weder Österreich ohne EU, noch EU ohne Österreich sind heute vorstellbar

Dass der Europatag direkt auf den Tag der Befreiung folge, erinnere daran, dass Frieden und europäische Integration bereits seit 80 Jahren "Hand in Hand gehen", stellte EU-Kommissar Magnus Brunner in seiner Europarede heraus. Der EU-Beitritt Österreichs sei schließlich Ausdruck des Willens der Bevölkerung gewesen, ein Leben in Freiheit, Demokratie und Wohlstand zu führen – die beste Entscheidung, die Österreich habe treffen können, denn sie stelle auch angesichts der heutigen Herausforderungen einen essenziellen "Anker" dar. Alleine wirtschaftlich habe Österreich "nur gewonnen" erklärte Brunner und verwies auf die Vorteile des Binnenmarktes und der EU-Förderungen, die regionale Wohlstandsunterschiede "drastisch verringert" hätten.

Brunner betonte die Rolle Österreichs innerhalb der EU und konstatierte, dass weder Österreich ohne die EU noch eine EU ohne Österreich heute vorstellbar seien. Österreich setze als "Brückenbauer" wichtige Impulse in Europa, was etwa die EU-Erweiterung speziell am Westbalkan, die Entwicklung ländlicher Regionen oder auch die Migrationspolitik betreffe. In einiger Hinsicht könne die EU "noch ein bisschen mehr Österreich vertragen", so Brunner. Trotz der Erfolge, gebe es nämlich Reformbedarf. Die Wirtschaft müsse "dringen angekurbelt" und nationale Barrieren sowie Bürokratie abgebaut werden – so könne das BIP um bis zu 10 % gesteigert werden. Zudem gelte es in Wissenschaft und Innovation zu investieren, damit die "Klügsten und Besten Europa wählen".

In den kommenden Jahren werde die Sicherheitsfrage die europäische Politik dominieren, denn das "Friedensversprechen von damals" werde heute auf die Probe gestellt, erklärte Brunner. Es sei daher wichtig, dass sich die EU "in ganz großen Schritten" in Richtung Verteidigungsfähigkeit bewege. Man müsse "der Wahrheit ins Auge sehen", dass Europa gemeinsam stärker sei. Der europäische Weg sei nicht immer der einfachste, aber "am Ende immer der bessere", so Brunner.

Persönliche Erinnerungen an die Beitrittsverhandlungen

Im anschließenden von Margit Laufer (ORF) moderierten Podiumsgespräch berichteten Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky, der 1995 an der Spitze der Regierung stand, und die damalige Europa-Staatssekretärin Brigitte Ederer, die vor Ort in Brüssel verhandelt hat, zum Teil sehr persönlich von den teilweise sehr zähen EU-Beitrittsverhandlungen Österreichs. Knackpunkte seien insbesondere der Transitvertrag und die notwendige Öffnung der Landwirtschaft gewesen, erzählten sie. Auch mussten Bedenken Frankreichs und Russlands überwunden werden. Es habe von österreichischer Seite aber einen großen Zusammenhalt gegeben, betonte Ederer. Für sie war das ein maßgeblicher Grund dafür, dass die Verhandlungen schließlich positiv abgeschlossen werden konnten.

Auch den Tag der Volksabstimmung, als rund zwei Drittel der Österreicher:innen für den EU-Beitritt Österreichs gestimmt haben, hat Ederer noch gut in Erinnerung. Sie sei "einen Meter über dem Boden geschwebt", meinte sie. Um davor skeptische Stimmen zu überzeugen, die es Vranitzky zufolge auch innerhalb der SPÖ gab, sind die roten Regierungsmitglieder in ganz Österreich ausgeschwärmt, um für den EU-Beitritt zu werben, wie der Ex-Kanzler skizzierte.

Die ehemalige österreichische Außenministerin und spätere EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner war zum Zeitpunkt der EU-Beitrittsverhandlungen bei der UNO. Auch sie hat die skeptische Haltung Frankreichs zur damaligen EU-Erweiterung in Erinnerung. Zudem schilderte sie die schwierige Zeit für sie als Außenministerin, als die EU im Jahr 2000 wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ Sanktionen gegen Österreich verhängte. Sie habe bei Sitzungen und in vielen Pressegesprächen versucht, bestehende Vorurteile auszuräumen. Langsam habe sich die Stimmung dann gewandelt.

Um einen Ausblick gebeten, meinte Ederer, sie mache sich im Moment große Sorgen um die Europäische Union. Insbesondere vermisst sie den ihrer Ansicht nach notwendigen Zusammenhalt innerhalb der EU. Auch Ferrero-Waldner hob die Bedeutung der europäischen Einheit hervor. "Wenn wir zusammenstehen, sind wir stark", sagte sie und äußerte sich zuversichtlich, dass es Europa auch dieses Mal gelingen werde, aus Krisen zu lernen. Vranitzky betonte, dass Europa im globalen "Gigantenkampf" grundsätzlich großes Potenzial habe, er zeigte sich aber über die Anti-EU-Strömungen in vielen Ländern besorgt.

Eder-Gitschthaler: Errungenschaften Europas müssen bewahrt werden

In ihren Abschlussworten hob Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler hervor, dass der EU-Beitritt Österreich und die österreichische Identität verändert habe. Eine ganze Generation junger Menschen sei in einem Europa aufgewachsen, das keine Grenzen kenne. Auch wenn die EU nicht perfekt sei – Stichwort Bürokratie –, brauche es die europäische Einheit und den europäischen Zusammenhalt, mahnte Eder-Gitschthaler. Gemeinsam gelte es, jene Werte zu verteidigen, auf denen die Europäische Union gegründet worden sei: Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde. "Europa lebt – durch uns!", so die Bundesratspräsidenten.

Beendet wurde die Veranstaltung mit dem Abspielen der Bundeshymne und der Europahymne. (Schluss) gs/wit

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.

Eine Aufzeichnung des Festakts ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.