Parlamentskorrespondenz Nr. 413 vom 19.05.2025
Volksanwaltschaft: Anhaltende Krisen verschlechtern Qualität der Verwaltung
Wien (PK) – Die anhaltenden Krisen der letzten Jahre haben den Informations- und Unterstützungsbedarf der Menschen erhöht, heißt es im Tätigkeitbericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2024 (III-130 d.B.). Personelle und finanzielle Engpässe im Gesundheits- und Pflegebereich, in der Justiz oder bei der Polizei verschärften sich laufend und wirkten sich auf die Qualität der erbrachten Leistungen aus. Die Anzahl an Hilfesuchenden ist über Jahrzehnte kontinuierlich angestiegen und erreichte laut Bericht insbesondere in Krisenjahren "immer neue Rekorde". 2024 gingen rund 24.000 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft ein. In etwa einem Fünftel der rund 12.000 abgeschlossenen Prüfverfahren ergaben diese, dass tatsächliche Missstände in der Verwaltung vorlagen. Ziel der Volksanwaltschaft ist es, in diesen Fällen für die Betroffenen akzeptable Lösungen zu erreichen und die Gesetzgebung anhand von Fallbeispielen für den vorhandenen Verbesserungsbedarf zu sensibilisieren.
Zudem führte die Volksanwaltschaft 458 Kontrollen im Rahmen ihres verfassungsrechtlichen Auftrags zum Schutz der Menschenrechte durch, etwa in Justizanstalten, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Psychiatrien oder Pflegeeinrichtungen. Bei rund 67 % der Kontrollen wurden Defizite festgestellt. Auch hier stellte der Personal- und Ressourcenmangel einen zentralen Risikofaktor dar.
Verwaltungsprüfung in Zahlen
Insgesamt 23.955 Beschwerden gingen im Berichtsjahr bei der Volksanwaltschaft ein. Davon führten 7.386 zu Prüfverfahren in der Bundesverwaltung. 77 amtswegige Verfahren leitete die Volksanwaltschaft aufgrund eines Missstandsverdachts von sich aus ein. 2024 konnten 12.109 Prüfverfahren abgeschlossen werden. In knapp einem Fünftel, konkret 2.368 Fällen, stellte die Volksanwaltschaft tatsächlich ein Fehlverhalten der Behörde fest.
Den höchsten Anteil aller Prüfverfahren verzeichnete dabei der Bereich "Innere Sicherheit", der rund 27 % aller Verfahren ausmachte. Die Beschwerden betrafen zum Großteil Fragen des Asyl-, Niederlassungs- und Fremdenpolizeirechts, gefolgt von Beschwerden über die Polizei. In den Sozial- und Gesundheitsbereich fielen 19,5 % und in den Bereich Justiz und Datenschutzbehörde 18,5 % der Prüfverfahren.
3.466 Prüfverfahren betrafen die Landes- und Gemeindeverwaltung. Mit 48,5 % entfielen die meisten auf Wien, gefolgt von Niederösterreich mit 16,8 % und Oberösterreich mit 11,3 %. Mehr als ein Viertel der Beschwerden bezogen sich auf Probleme rund um die Bereiche Staatsbürgerschaft, Wählerevidenz und Straßenpolizei. Auf die Bereiche Mindestsicherung, Jugendwohlfahrt, Menschen mit Behinderungen und Grundversorgung entfiel ein weiteres knappes Viertel.
Zudem ist seit 2017 die unabhängige Rentenkommission zur Entschädigung von Heimopfern bei der Volksanwaltschaft eingerichtet. 2024 gingen dort 560 Anträge auf Heimopferrente ein – rund 15 % weniger als im Vorjahr. Der Anteil an Betroffenen aus ehemaligen "Taubstummenanstalten" (ca. 30 %) und Betroffenen aus Einrichtungen der Gemeinde Wien (rund 21 %) sei nach wie vor hoch, aber weder der Bund noch die Stadt Wien zahlten 2014 pauschalierte Entschädigungen aus, gibt die Volksanwaltschaft zu bedenken.
Beschwerden im Asyl und Fremdenrecht: Starker Beschwerdeanstieg beim BFA
Rund 2.000 Geschäftsfälle fielen in den Vollzugsbereich des Innenressorts, 75 % davon bezogen sich auf das Asyl-, Niederlassungs- und Fremdenrecht. Beschwerden über die Dauer von Aufenthaltstitelverfahren gingen zurück. Nach wie vor bezog sich ein Großteil auf Wien. Beschwerden über die Dauer von Staatsbürgerschaftsverfahren steigen dort hingegen jedes Jahr stark an (2021: 233, 2024: 633).
Ebenso verhielt es sich mit den Beschwerden über das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA): 2024 beschwerten sich knapp 1.000 Personen (2022: 418) vor allem über die Dauer von Asylverfahren. 771 dieser Beschwerden waren laut Volksanwaltschaft vor allem wegen einer Verletzung der Entscheidungspflicht berechtigt. 345 Fälle betrafen die Polizei etwa wegen der Nichtentgegennahme von Anzeigen oder mangelhafter Auskunftserteilung.
Gesundheit und Soziales: Zu lange Wartezeiten, zu geringe Kostenersatzzahlungen
Die Anzahl der Eingänge im Gesundheitsbereich aufgrund des Wegfalls der Beschwerden zum COVID-19-Pandemiemanagement sind im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen (von 392 auf 144). Angeführt werden im Bericht etwa Beschwerden über strukturelle Defizite bei der medizinischen Versorgung post-viraler Erkrankungen wie ME/CFS oder über das Fehlen eines Kostenzuschusses für die Impfung gegen Herpes Zoster.
Angestiegen ist hingegen die Anzahl an Beschwerden in Angelegenheiten der sozialen Krankenversicherung von 358 auf 421. Viele betrafen lange Wartezeiten auf ärztliche Behandlungen und MRT-Untersuchungen, zu geringe Kostenersatzzahlungen oder zu hohe Rezeptgebühren aufgrund kleiner Packungsgrößen.
Die Anzahl der Beschwerden im Bereich der Pensionsversicherung ist mit 503 im Vergleich zum Vorjahr etwa gleich geblieben. Beschwerden wegen zu langer Verfahrensdauer sind deutlich weniger geworden. Viele betrafen jedoch die medizinischen Untersuchungen im Rahmen der Beantragung einer Arbeitsunfähigkeitspension. Die betroffenen beklagten ein mangelndes Einfühlungsvermögen der begutachtenden Ärzt:innen, kurze und oberflächliche Untersuchungen sowie, dass Begutachtungen nicht im Rahmen von Hausbesuchen durchgeführt werden, obwohl Betroffene nachweislich nicht in der Lage sind, persönlich in der PVA zu erscheinen.
Justiz: "Drückender Überbelag" als Hauptbeschwerdegrund
Im Justizbereich betrafen viele Eingaben Sachverhalte, die ausschließlich in die Zuständigkeit der Gerichte fallen. Die Volksanwaltschaft war in diesen Fällen laut Bericht bemüht, den Betroffenen die Rechtslage zu erläutern. Einige Beschwerden bezogen sich jedoch auch auf Verfahrensverzögerungen und mangelnde Kommunikation mit Gerichtspersonen. Dies werde oftmals als Verweigerung der Rechtspflege empfunden, so die Volksanwaltschaft. Knapp 900 Beschwerden kamen von Insassinnen und Insassen des Straf- und Maßnahmenvollzugs. Die Volksanwaltschaft hielt 2024 insgesamt 17 Sprechstunden in solchen Einrichtungen ab. Übergreifendes Thema war stets der "drückende Überbelag". Dieser und Fragen des Personalmangels prägten auch Gespräche mit den Anstaltsleiter:innen.
Weitere Beschwerdeverfahren in der öffentlichen Verwaltung betrafen unter anderem das Finanzamt – vermehrt den Entfall der Abgabestellen etwa für Steuererklärungen -, das AMS oder das Führerscheinwesen.
Präventive Menschenrechtskontrolle im Überblick
Seit 2012 ist die Volksanwaltschaft auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich zuständig und erfüllt gemäß UN-Protokoll zur Prävention von Menschenrechtsverstößen den Auftrag als "Nationaler Präventionsmechanismus" (NPM). Die präventiven Menschenrechtskontrollen der Volksanwaltschaft werden von insgesamt sieben Experten-Kommissionen durchgeführt, von sechs Kommissionen mit regionaler Zuständigkeit und einer bundesweiten Kommission für den Straf- und Maßnahmenvollzug. Sie besuchen bundesweit meist unangekündigt Einrichtungen, in denen Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt werden bzw. eingeschränkt werden können, überprüfen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und beobachten Polizeieinsätze etwa bei Demonstrationen oder Abschiebungen.
2024 fanden insgesamt 458 solcher Kontrollen statt – 435 in Einrichtungen, 23 bei Polizeieinsätzen. Laut Volksanwaltschaft seien die derzeitigen Herausforderungen in Politik und Wirtschaft auch in den betroffenen Einrichtungen spürbar. Ein Hauptgrund sei der Personalmangel sowohl in Pflegeheimen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe als auch den Justizanstalten. Bei rund 67 % der Kontrollen wurden Defizite festgestellt. 12,6 % der Beanstandungen betrafen jeweils freiheitsbeschränkende Maßnahmen sowie Lebens- und Aufenthaltsbedingungen (z. B. Hygienestandards, Verpflegung oder das Angebot an Freizeitaktivitäten). Ähnlich häufig wurde die bauliche Ausstattung bemängelt (12,4 %). Probleme beim Personal fielen in rund 11 % der Fälle auf, gefolgt von Beanstandungen zum Gesundheitswesen (10 %), zum Bildungs-, Arbeits- und Beschäftigungsangebot (7,1 %) und dem Recht auf Familie und Privatsphäre (6,8 %).
Krankenhäuser, Psychiatrien und Menschen mit Behinderungen: Mangelnde Betreuung und Unterstützung
In Krankenhäusern und Psychiatrien legte die Volksanwaltschaft ihren Prüfschwerpunkt hauptsächlich auf das Entlassungsmanagement der Psychiatrien. Die Kommissionen besuchten österreichweit 55 Krankenanstalten. Dabei wurde festgestellt, dass Patient:innen häufig viel später entlassen werden, als aus medizinischer Sicht notwendig wäre, da es oft an geeigneten Betreuungs- oder Wohnformen für chronisch psychisch erkrankte Menschen fehlt.
Bezüglich der Menschen mit Behinderungen musste die Volksanwalt erneut feststellen, dass Österreich seine Pflichten bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention nach wie vor nicht erfüllt. Im Bericht werden insbesondere Mängel bei der De-Institutionalisierung hervorgehoben. Für Menschen mit Behinderung sei eine ausreichende Unterstützung für ein Leben in der Gemeinschaft bereitzustellen. Das Kontrollorgan empfiehlt die Erstellung einer Nationalen Strategie unter anderem zur Klärung von Finanzierungsverantwortlichkeiten und eine gesetzliche Neuregelung, die auch Rechtsansprüche beinhaltet.
Haftbedingungen: Volksanwaltschaft sieht "Kultur der Gewalt"
Den Prüfschwerpunkt "Gewalt in Haft" schloss der NPM im Jahr 2024 ab. Besucht wurden 32 Justizanstalten und 17 Nachsorgeeinrichtungen, wobei fast 500 Gespräche mit Personal und Insassen geführt wurden. Die Volksanwaltschaft resümiert, dass Haftanstalten häufig von einer "Kultur der Gewalt" geprägt seien, die von vielen normalisiert werde. Auch hier stelle der Personalmangel einen zentralen Risikofaktor dar. Der NPM empfahl unter anderem strukturierte Gewaltpräventionskonzepte zu etablieren. Als neuen Prüfschwerpunkt im Bereich des Straf- und Maßnahmenvollzugs beschloss der NPM, sich jenen Inhaftierten zu widmen, die aufgrund ihres psychischen Gesundheitszustands einen spezifischen Betreuungsbedarf haben.
Außerdem führten die Kommissionen der Volksanwaltschaft 107 Besuche in Pflegeheimen und 95 Besuche in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe durch. In letzteren stellten neben der angespannten Personalsituation die fehlenden Betreuungsplätze die größte Herausforderung dar. (Schluss) wit