Parlamentskorrespondenz Nr. 474 vom 02.06.2025
Landesverteidigungsbericht 2024/2025: Personal bleibt Schlüsselfrage
Wien (PK) – Der gemäß Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG) vorgelegte Landesverteidigungsbericht für die Jahre 2024 und 2025 zeichnet ein nach wie vor angespanntes Bild der militärischen Verteidigungsfähigkeit Österreichs (III-168 d.B.). Zwar zeigten die bereits gesetzten Reform- und Aufbaumaßnahmen bereits Erfolge, doch bleibe die derzeitige Einsatzfähigkeit des Bundesheeres weiterhin eingeschränkt. Als zentrale Herausforderung wird auch im aktuellen Bericht der Personalmangel unterstrichen. Die durch das Verteidigungsressort (BMLV) in diesem Bereich selbst zu setzenden Maßnahmen seien laut Bericht "weitestgehend ausgereizt". Gefordert werden nun Anpassungen insbesondere bei der Besoldung, die nicht mehr im Verantwortungsbereich des BMLV liegen.
Aufgrund der Herausforderungen beim Aufbau der Verteidigungsfähigkeiten des Bundesheeres und der weiterhin fortschreitenden Verschlechterung der globalen Sicherheitslage werde eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf 2 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) bis 2032 angestrebt. Eine dementsprechende Novelle des LV-FinG sei bereits im Regierungsprogramm vorgesehen. Mit den für den Berichtszeitraum zur Verfügung gestellten Budgetmitteln könne der Aufbauplan "ÖBH2032+" laut Bericht weiter umgesetzt werden.
Verschlechterung des sicherheitspolitischen Umfelds
Der Befund "fundamental geänderter sicherheitspolitischer Rahmenbedingungen" seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine aus dem Bericht des Vorjahres sei im Wesentliche aufrecht zu erhalten. Der geopolitische Wettbewerb habe sich verschärft und stabilisierende globale Ordnungselemente wie die Vereinten Nationen und internationale Abkommen zur Rüstungsbegrenzung würden an Wirkung verlieren. Es sei sowohl kurz- als auch langfristig von einer Verschlechterung des "eurostrategischen Umfeldes" auszugehen, etwa am Westbalkan oder im Nahen Osten. Technologische Entwicklungen insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz veränderten die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen, inklusive der Gefechtsfelder, mit zunehmender Geschwindigkeit. Die für Österreich relevantesten verteidigungspolitischen Risiken seien die Konfrontation Russlands mit der EU und der NATO, eine weitere Destabilisierung des südlichen und östlichen Krisenbogens, ein Angriff auf die EU bzw. einen Mitgliedstaat sowie Extremwetterereignisse.
Eine Maßnahme, mit der den wachsenden hybriden Bedrohungen und den fehlenden strategischen Vorwarnzeiten begegnet werden soll, ist laut Bericht die Schaffung rasch verfügbarer Reaktionskräfte. So sei einerseits eine "Bereitschaftstruppe/Inland" aufzustellen, in die auch Milizelemente mit höherem Bereitschaftsgrad ("Reaktionsmiliz") integriert werden sollen. Andererseits müsse für die Sicherstellung planbarer Auslandseinsätze eine "Bereitschaftstruppe/Ausland" vorgesehen werden. Zur Sicherstellung der Verfügbarkeit reaktionsfähiger Kräfte ist laut BMLV eine Erhöhung des Planstellenkontingentes notwendig.
Höchste Priorität für Personal
Dem Personal komme laut Bericht nach wie vor höchste Priorität zu, um die notwendige Verbesserung der militärischen Fähigkeit des Bundesheeres sicherzustellen. Mit dem aktuellen Mobilmachungsrahmen von 55.000 Soldat:innen sei ein Einsatz zur militärischen Landesverteidigung über einen längeren Zeitraum nicht durchzuhalten.
Im Rahmen der Umsetzung des Aufbauplans "ÖBH2032+" sei bereits eine Vielzahl an Maßnahmen zur Attraktivierung des Bundesheers als Arbeitgeber getroffen worden, wie z.B. die Aufstockung der Budgetmittel für Belohnungen, Leistungs- und Rekrutierungsprämien. Diese zeigten auch Erfolge, wie einen leichten Aufwärtstrend bei den Neueinsteiger:innen und einen leichten Abwärtstrend bei den frühzeitigen Abgängen. Aufgrund der vorangegangenen langen Phase der Einsparungen und des Personalabbaus, dem demographischen Wandel und dem starken Wettbewerb am Arbeitsmarkt könnten jedoch die erforderlichen Zuwachsraten mit BMLV-internen Maßnahmen alleine nicht erreicht werden. Der Spielraum sei "weitestgehend ausgereizt" und es bedürfe laut Bericht tiefgreifender Maßnahmen im Personalbereich, die nicht mehr im Verantwortungsbereich des BMLV gelöst werden könnten.
Notwendig sei insbesondere eine Anpassung der Besoldung aller Personengruppen im Bundesheer an das Niveau des zivilen Arbeitsmarktes. Die besonderen Mehrbelastungen des militärischen Dienstes müssten eine entsprechende finanzielle Abgeltung erfahren und die große Verantwortung etwa der Kommandant:innen sei verstärkt zu berücksichtigen, heißt es im Bericht. Sozial- und arbeitsrechtliche Nachteile für Angehörige der Miliz müssten beseitigt werden und für den "Zweitberuf Milizsoldat:in" bedürfe es einer gesamtstaatlichen Förderung etwa durch steuerliche Begünstigungen, eine Miliz-Zusatzpension oder die Anerkennung der Einsatzleistungen im Rahmen einer Gesamtdienstzeitberechnung.
Eine "besoldungsmäßige Attraktivierung" sei auch im Bereich der Auslandseinsätze notwendig. Die Leistung eines militärischen Solidarbeitrages insbesondere im Rahmen der Gemeinsamem Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) sei zu gewährleisten. Es stelle aber eine Herausforderung dar, die ausschließlich auf freiwilliger Basis einsetzbaren Kräfte in der erforderlichen Quantität und Qualität bereitzustellen, wie im Bericht ausgeführt wird.
Generell müsse das BMLV selbst über die Personalhoheit hinsichtlich Bewertung und Zuordnung von Arbeitsplätzen verfügen. Die im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehene dahingehende Anpassung der Rechtslage müsse zeitnah erfolgen. Es brauche eine leistungsfähige Personalverwaltungsorganisation mit dazugehöriger Struktur und qualifiziertem Personal sowie verstärkte Digitalisierung, Automatisierung und Beschleunigung bei Behördenverfahren und in der Administration. Dadurch würde über die Eigenverwaltung in Friedenszeiten auch eine rasche Mobilisierung im Anlassfall ermöglicht, heißt es im Bericht.
Zudem fordert das BMLV, die akademische Ausbildung der Berufsoffiziere an der Theresianischen Militärakademie vollumfänglich anzuerkennen. Seit nunmehr 25 Jahren sei diese für Berufsoffiziere Ernennungsvoraussetzung, ohne dass eine ausbildungsadäquate Besoldung, wie im allgemeinen Verwaltungsdienst, eingeführt worden sei. Die Besoldung der Truppenoffiziere sei daher anzupassen. Im Hinblick auf die Bedrohungen im Cyber-Bereich wurde zusätzlich der Fachhochschul-Bachelorstudiengang "Militärische informations- und kommunikationstechnologische Führung" eingeführt. Es zeige sich bereits jetzt, dass die Absolvent:innen durch den zivilen Bereich abgeworben würden. Um dies zu verhindern, müsse auch deren Besoldung an ihren "Marktwert" angepasst werden.
Weiters regt das BMLV an, die Mobilität der Soldatinnen und Soldaten durch zielgerichtete Maßnahmen (z.B. Förderung der Wohnversorgung, Fahrkostenzuschüsse) zu erhöhen und die Kaufkraftunterschiede zwischen West- und Ostösterreich nach Möglichkeit auszugleichen.
Stärkung des Wehrwillens, Beendigung der Assistenzeinsätze
Einen essenziellen Stellenwert räumt das BMLV der Bewusstseinsbildung der Bevölkerung für die Umfassende Landesverteidigung ein. Die Umsetzung einer aktualisierten Österreichischen Sicherheitsstrategie und die Erstellung eines neuen "Landesverteidigungsplanes" unter Berücksichtigung des Strategischen Kompasses sowie des White Paper for Defence und der EU-Preparedness Union Strategy seien hierbei von hoher Bedeutung.
Die Stärkung des Wehrwillens der österreichischen Bevölkerung soll laut Bericht auch die bei rund 15.000 stagnierende jährlich Zahl an Grundwehrdienern erhöhen. Der Grundwehrdienst müsse als wertvoller Dienst an der Gesellschaft etabliert und die Bereitschaft zur Leistung des Grundwehrdienstes gesteigert werden. Auch das Potenzial der weiblichen Staatsbürger sei besser auszunutzen.
Zur möglichst raschen Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit sei es zudem erforderlich, Soldatinnen und Soldaten grundsätzlich nur für die Einsatzvorbereitung zur militärischen Landesverteidigung einzusetzen. Langandauernde Assistenzleistungen behinderten diese Einsatzvorbereitung und seien daher nur im unbedingt notwendigen Ausmaß und zeitlich limitiert durchzuführen. Insbesondere der seit fast 35 Jahren andauernde Assistenzeinsatz zur Überwachung der Staatsgrenze müsse daher nach Möglichkeit alsbald beendet werden.Zur Frage der Dauer des Wehrdienstes und der Übungspflicht von Milizsoldat:innen sei laut Bericht eine Expert:innengruppe eingesetzt worden. Zielsetzung sei die rasche Sicherstellung der personellen Einsatzbereitschaft insbesondere des Milizkaderpersonals.
Schutz von Luft- und Weltraum, Aufbau der Infrastruktur
Dargestellt werden im Bericht auch die Beschaffungen und Investitionen in den verschiedenen Bereichen der Infrastruktur und Rüstung. Dem Schutz des Luftraumes durch bodengebundene Luftverteidigung und Kampfflugzeuge komme aufgrund des modernen Kriegsbildes eine besondere Bedeutung zu. Maßnahmen in diesem Bereich seien mit hoher Priorität zu verfolgen, um den Einsatz der Landstreitkräfte zu ermöglichen und den Schutz der Bevölkerung sowie kritischer Infrastruktur zu gewährleisten. Zudem müsse die Domäne Weltraum in den Streitkräften weiter implementiert werden, um in hochkomplexen Einsatzszenarien bestehen zu können.
Eine Grundvoraussetzung der militärischen Landesverteidigung sei außerdem Infrastruktur in erforderlicher Quantität und Qualität. Dafür müssten der über fast 30 Jahre andauernde Investitionsrückstau abgebaut und die infrastrukturellen Voraussetzungen zur Integration der neuen Rüstungsgüter geschaffen werden. (Schluss) wit