Parlamentskorrespondenz Nr. 595 vom 24.06.2025

FMA-Vorstände Ettl und Müller berichten im Finanzausschuss: KIM-Verordnung sorgt für Kontroverse

Wien (PK) – Eine rege Diskussion führten die Abgeordneten im heutigen Finanzausschusses bei der Aussprache mit den Vorstandsmitgliedern der Finanzmarktaufsicht (FMA), Helmut Ettl und Eduard Müller. In der Debatte wurde die KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung) und die damit verbundene Empfehlung der FMA kontrovers diskutiert. Die KIM-Verordnung läuft Ende des Monats aus. An ihre Stelle tritt die Empfehlung der FMA, sich weiterhin an die Standards zu halten. Die FPÖ kritisierte die Empfehlung als "höchst bedenklich" und forderte Deregulierung, um leistbares Wohnen und mehr private Immobilienentwicklung zu ermöglichen. Auch die ÖVP betonte, dass Kredite für Private leichter zugänglich sein müssten. Die NEOS stellten die Wirksamkeit der KIM-Verordnung infrage. Die Grünen hingegen verteidigten die KIM-Verordnung als wichtigen Schutzmechanismus. Die SPÖ verwies auf gestiegene Kreditvergaben trotz der Verordnung. Obwohl die KIM-Verordnung auslaufe, dominiere sie in politischen Debatten, stellte Selma Yildirim (SPÖ) fest. Die Aussprache dauerte über eine Stunde länger als geplant.

"Dem österreichischen Finanzmarkt geht es gut, die Institutionen sind gut aufgestellt und kapitalisiert", fasste Ettl die allgemeine Lage am österreichischen Finanzmarkt zusammen. Die FMA sieht "keine strukturellen Probleme, die zu Turbulenzen führen könnten, die nicht bewältigbar sind". Ettl ortete Schwierigkeiten in einzelnen Segmenten. Die Gewinnlage der österreichischen Banken sei 2024 "außerordentlich gut" gewesen, hielt der FMA-Vorstand fest.

Die "Leistbarkeitslücke" und wie es dazu kam

Dominierende Themen der FMA seien die inländische Kreditvergabe an Privatpersonen und den gewerblichen Bereich. Seit 2010 hätten sich die Immobilienpreise verdoppelt, während die Einkommen um 50 % gestiegen seien, fasste Ettl zusammen. "Dies führte zu einer Leistbarkeitslücke". Bereits vor der verbindlichen KIM-Verordnung habe es Empfehlungen von der Finanzmarktaufsicht gegeben, so Ettl. Diese seien jedoch bei der Neukreditvergabe zu 90 % nicht erfüllt worden. Nachdem die Europäische Zentralbank im Jahr 2022 eine Zinswende durchgeführt hatte, wurden mit der KIM-Verordnung grundsätzliche Vergabekriterien festgelegt, die eine maximale Beleihungsquote von 90 %, eine Schuldendienstquote von maximal 40 % und eine maximale Laufzeit von 35 Jahren vorsehen.

Ausnahmekontingente von Banken nicht genutzt

Die Verordnung sehe eine 90%-ige Beleihungsquote vor, im Umkehrschluss müsse der Kreditnehmer 10 % eigenfinanzieren, stellte Ettl klar, denn oft wäre von 20 % die Rede. Es gebe umfangreiche Ausnahmekontingente von den Bestimmungen, die von den Banken nicht ausgeschöpft worden seien, betonte er. In diesem Sinne sprach sich der FMA-Vorstand gegen kompliziertere Regularien aus. "Die jetzige Regelung versteht jeder und es entspricht den Einstellungen der Österreicher:innen", hielt er fest.

Das sah die ÖVP anders. Es gehe bei der ÖVP Feedback ein, das mehr Flexibilität fordere, hielt Lindinger entgegen. Für ihn sei nicht verständlich, warum an der 40-%-Schuldenquote festgehalten werde, sagte er mit Blick auf unterschiedlich hohe Haushaltseinkommen.

Private Kreditvergabe wieder angesprungen

2025 – nach der neuerlichen Zinswende – gebe es eine Erhöhung bei der Neukreditvergabe von 70 %, führte Ettl aus. Mittlerweile würden die Vergabestandards in 90 % der Fälle eingehalten, weshalb kein Risiko mehr für den Finanzmarkt bestehe. Die KIM-Verordnung laufe Ende des Monats aus. An ihre Stelle tritt die Empfehlung der FMA, sich weiterhin an die Standards zu halten. Ein Abgehen werde keine Konsequenzen haben, allerdings werde die FMA genauer nachfragen und prüfen, ob dies vertretbar sei, so Ettl.

"Immobilienentwickler haben eine Bank nach der anderen abgeklappert"

Österreich habe einen hohen Anteil an gewerblichen Immobilienfinanzierungen, erläuterte Ettl und erinnerte an die Signa-Pleite im Jahr 2023. Seitdem werde ein Anstieg an "Non Performing Loans" festgestellt - konzentriert auf bestimmte Regionen und Sektoren. "Immobilienentwickler haben eine Bank nach der anderen abgeklappert und von zig Banken Kredite bekommen", so Ettl. Regionalbanken hätten dabei ihr Gebiet verlassen und Kredite für den Ballungsraum Wien vergeben. Da viele Banken eine Abwartestrategie verfolgten, sei das Ausmaß der Verluste in diesen Ausfällen noch unklar. Seit Dezember 2023 seien 54 % aller Insolvenzen im Immobiliensektor gewesen. Konkurse seien schmerzhaft für einige Kreditinstitute, laut Ettl geht davon jedoch keine Gefährdung für das System aus. Um die Risiken aus der gewerblichen Immobilienfinanzierung zu begrenzen, habe die FMA einen sektoralen Systemrisikopuffer gesetzt. Demnach müssen Institute dafür zusätzliches Kernkapital halten, so Ettl.

Fehlende Liquidität bei Immobilienfonds

Vorstand Müller thematisierte Immobilieninvestmentfonds. Das Volumen dieser Fonds habe sich stark verringert. Derzeit liege es bei 7,23 Mrd. €, um 34,1 % weniger als 2022, betonte er. Dies sei nicht unmittelbar gefährdend, Müller schätzte die Situation am österreichischen Immobilienfondsmarkt aber als angespannt ein. Ein Fonds werde bereits abgewickelt, hielt er fest. Die Fonds seien offen, weitere Geldmittel könnten daher abgezogen werden, warnte er. Das Problem sei bereits mit einer Novelle des Immobilieninvestmentfondsgesetz im Jahr 2021 adressiert worden, jedoch mit einer langen Übergangsfrist. Eine Lösung sei erst 2027 in Sicht.

Müller thematisierte auch die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und den Auswirkungen auf die Aufsicht. Künstliche Intelligenz, Blockchain-Technologien und digitale Assets würden an Bedeutung gewinnen, neue Finanzprodukte würden entstehen und neue Finanzdienstleister den Markt betreten, hielt er fest. Qualität und Seriosität waren Müller dabei ein wichtiges Anliegen. Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung würden gravierende Risiken für Finanzdienstleister darstellen. Müller hob dabei auch das Reputationsrisiko hervor, sollten auf höchstem Level nicht die Geldwäschebestimmungen eingehalten werden. Ab 1. Jänner 2026 werde die FMA die Aufsicht über Finanzsanktionen einschließlich der Überwachung von Versicherungen, Wertpapierfirmen und Krypto-Dienstanbietern übernehmen, hielt der Vorstand fest.

FPÖ hält Empfehlung mit Erwartungshaltung für "höchst bedenklich"

"Hätte man nicht damals auch mit Empfehlungen arbeiten können?", wollte Arnold Schiefer (FPÖ) wissen. Im privaten Sektor gebe es wenig Kreditausfälle, betonte er. Er machte sich dafür stark, Wohnen billiger zu machen. Dabei solle nicht nur der soziale Wohnbau vorangetrieben werden, sondern auch leistbares Eigentum ermöglicht werden. Schiefer sprach sich dafür aus, Immobilienentwicklung im privaten Bereich wieder zu forcieren.

Hubert Fuchs (FPÖ) konnte die Logik der FMA zur KIM-Verordnung nicht nachvollziehen. Er verwies auf das Legalitätsprinzip und empfand die Empfehlung mit Erwartungshaltung für "höchst bedenklich". Auch nachzufragen verursache Zeitaufwand und damit Kosten, die der Konsument tragen müsse, betonte er. Fast alle im Raum seien für Deregulierung, fasste Fuchs mit Blick auf FPÖ, ÖVP und NEOS zusammen. Ein Aufsichtsgremium werde keine Deregulierung vorschlagen, kritisierte er und sprach sich dafür aus, sofort mit der Deregulierung zu beginnen.

Angesichts der hohen Gewinne der Banken im Jahr 2024 hinterfragte Maximilian Linder (FPÖ), ob diese nicht einen größeren Beitrag zur Budgetsanierung hätten leisten können.

ÖVP: Es muss möglich sein, Kredite zu bekommen

Kurt Egger (ÖVP) wollte von den FMA-Vorständen wissen, wie es zu dem Rundschreiben der FMA gekommen sei. Seitens der FMA erklärte Müller, die Entscheidung zu dem Rundschreiben sei im Rahmen des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG), dem auch Vertreter des Fiskalrats, des Finanzministeriums und der Nationalbank (OeNB) angehören, getroffen worden. Im Finanzmarktstabilitätsgremium würden Entscheidungen üblicherweise einstimmig getroffen, erfuhr Fuchs (FPÖ).

Klaus Lindinger (ÖVP) argumentierte dafür, die individuelle Situation zu berücksichtigen und die Schuldenquote von 40 % vom realistischen Einkommen abhängig zu machen. Es müsse möglich sein, Kredite zu bekommen. Lindinger sprach sich dafür aus, dass Banken "mit Hausverstand agieren", da sie schließlich die Kredite zurückbezahlt bekommen müssten. Ein Nachfragen der FMA erzeuge neben den Kosten auch Bürokratieaufwand, hielt Lindinger fest.

Ettl bestätigte: Aufsicht führt zu Kosten. Aber wenn am Finanzmarkt etwas passiere, seien die Kosten immens hoch. Der FMA-Vorstand warnte vor Deregulierung am Finanzmarkt angesichts der geopolitischen Instabilität. Es gelte, die Lehren aus 2008 weiterzuziehen. Vereinfachungen und Effizienzsteigerungen seien jedoch möglich.

NEOS standen KIM-Verordnung kritisch gegenüber

Die NEOS standen der KIM-Verordnung kritisch gegenüber. Christoph Pramhofer (NEOS) schlussfolgerte, die KIM-Verordnung habe zum Gegenteil der ursprünglichen Intention geführt. Die 40-%-Grenze hielt Pramhofer für problematisch, da es im Gegensatz dazu möglich sei, 50 % des Einkommens für Miete auszugeben und zusätzlich zu sparen. Zudem verwies er auf Unterschiede zwischen fixen und variablen Krediten. Er sprach sich dafür aus, die Höhe des Haushaltseinkommens zu beachten. Hohe Baukosten würden auch von den Energiekosten verursacht, hob Pramhofer hervor.

Grüne: Leistbares Wohnen nicht über lockere Kreditvergabe ermöglichen

In einem Schlagabtausch hielt Nina Tomaselli (Grüne) entgegen, dass nicht nur die Preise beim Neubau stiegen, sondern auch die Grundstückspreise und die Preise gebrauchter Immobilien. Demnach seien Preisanstiege nicht kostengetrieben, argumentierte Tomaselli.

Es habe seit 2012 Empfehlungen gegeben, die nicht ernst genommen worden seien, hielt sie fest. Leistbares Wohnen könne nicht über lockere Kreditvergabe ermöglicht werden. Die KIM-Verordnung habe sich bei den Rating-Einstufungen positiv ausgewirkt, machte Tomaselli aufmerksam und hinterfragte die Auswirkungen des Auslaufens. Ettl führte aus, es müsse sehr genau erklärt werden, warum die KIM-Verordnung durch eine Empfehlung ersetzt werde.

SPÖ: Kreditvergaben an Private um 70 % gestiegen, obwohl KIM-Verordnung in Kraft ist

Selma Yildirim (SPÖ) interessierte sich für Firmenverflechtungen bei Kreditvergaben und die Besicherung solcher Kredite. Die Verflechtungen seien  zu spät erkannt worden, führte Müller dazu aus.

Kai Jan Krainer (SPÖ) hielt fest: Kreditvergaben an Private seien um 70 % gestiegen, obwohl die KIM-Verordnung in Kraft sei. Problematisch sah er die Reduktion der Wohnbauförderung. Zudem interessierte sich Krainer für die Geldwäscheanfälligkeit von Kryptowährungen.

Finanzminister Marterbauer: "Pragmatische Vorgangsweise" der FMA

Finanzminister Markus Marterbauer verwies auf die eindeutige Meinung der Literatur: Banken seien bei der Kreditvergabe strikt zu regulieren. Dabei verwies er auf das individuelle Risiko der Verschuldung. Vergangene Krisen seien immer aus dem Immobilien- und Finanzbereich gekommen, betonte er. Kreditvolumen seien stark von Zinsen abhängig. Da das Systemrisiko nicht mehr existiere, sei der Grund für die Verordnung entfallen. Die FMA agiere weisungsfrei, hielt er fest. In der Empfehlung ortete er eine "pragmatische Vorgangsweise".

Marterbauer ging auch auf die Nachfrage nach leistbarem Wohnen in Ballungsräumen ein. Es gebe einen Zuwachs an Wohnungen, "aber nicht im leistbaren Bereich". Das Regierungsprogramm sehe eine Evaluierung der Wohnbauförderung vor. Schiefer (FPÖ) zeigte sich angesichts der Situation beim Wohnbau besorgt und richtete sich an Marterbauer mit der Forderung, unterstützend tätig zu werden. Marterbauer verwies auf die angespannte Budgetsituation: "Wenn ausreichend Mittel vorhanden wären, würden wir in leistbares Wohnen investieren." Sinnvolle Maßnahmen seien zwar möglich, müssten jedoch finanziell abgesichert sein. Daher wolle er unter anderem kostentreibende Wohnbaustandards überprüfen. Zudem könne die in Wien etablierte Widmungskategorie "geförderter Wohnbau" auch auf andere Ballungsräume ausgeweitet werden. (Schluss Finanzausschuss) gla