Parlamentskorrespondenz Nr. 709 vom 16.07.2025
Sicherheitsbericht 2023: Kriminalitätsrate gestiegen, Asylantragszahlen fast halbiert
Wien (PK) – Nachdem die Kriminalitätsrate 2022 erstmals wieder auf vorpandemischem Niveau angelangt war, setzte sich der Aufwärtstrend auch 2023 fort. Laut dem jüngsten Sicherheitsbericht des Innenressorts wurden insgesamt 528.010 Anzeigen erstattet, was einem Anstieg um 8 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht (III-175 d.B. und III-184 d.B.). Die Zunahme der Gesamtkriminalität betrifft fast alle Deliktsbereiche. So waren im Bereich der Eigentumskriminalität 162.242 strafbare Handlungen zu verzeichnen, in der Wirtschaftskriminalität 103.330, in der Gewaltkriminalität 85.374, in der Internetkriminalität 65.864 und in der organisierten Kriminalität 40.333 Delikte. Die Aufklärungsquote konnte zum siebten Mal in Folge über 50 % gehalten werden.
Geprägt war das Jahr 2023 zudem von stark sinkenden Asylantragszahlen. Diese hatten sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu halbiert (- 47,2 %), was im Bericht auf eine verstärkte europäische Kooperation bei der Bekämpfung irregulärer Migration zurückgeführt wird. Gleichzeitig gab es eine Steigerung um 26,2 % bei den Außerlandebringungen.
Auch aus dem zum Sicherheitsbericht gehörenden Tätigkeitsbericht der Strafjustiz geht eine Steigerung des Neuanfalls von Anzeigen um 6,2 % gegenüber dem Vorjahr hervor. Vermögensdelikte (+10,2 %) waren dabei am häufigsten.
Anstieg in nahezu allen Kriminalitätsbereichen
Mit 528.010 angezeigten Delikten wurde 2023 erstmals seit sechs Jahren die 500.000-Marke überstiegen. Trotzdem konnte die Aufklärungsquote mit 52,3 % auf hohem Niveau gehalten werden. Die Zunahme der Gesamtkriminalität betrifft laut Bericht nahezu alle Deliktsbereiche, wobei teilweise neue Höchstwerte erzielt wurden.
Im Bereich der Gewaltkriminalität stieg das Anzeigenaufkommen 2023 auf 85.374, was einer Steigerung um 8,3 % entspricht. 83,4 % davon konnten aufgeklärt werden. Im 53.336 Fällen bestand ein Bekanntschaftsverhältnis zwischen Täter:in und Opfer. 3.444 Gewaltdelikte wurden unter Verwendung von Schuss-, Hieb- oder Stichwaffen begangen. Dabei machen Stichwaffen mit 2.479 Fällen den größten Anteil der erfassten Waffen aus, da diese als "Gelegenheitswaffen" gerade im häuslichen Bereich oder für Beschaffungskriminalität verfügbarer seien, wie es im Bericht heißt.
2023 wurden 208 Morde (142 versucht, 66 vollendet) angezeigt. Dabei wurden 73 Menschen (42 Frauen, 30 Männer und ein unbekanntes Opfer) getötet. Die Aufklärungsquote bei den vollendeten Morden lag bei 89,4 %. 83,3 % der Getöteten lebten in einer familiären Beziehung mit der Täterin bzw. dem Täter oder hatten zumindest ein Bekanntschaftsverhältnis.
Bei den Vergewaltigungen war 2023 ein Anstieg um 13 % auf 1.287 angezeigte Straftaten zu verzeichnen (1.110 davon vollendet). 960 Männer und 17 Frauen wurden wegen vollendeter Vergewaltigung angezeigt. Bei den 1.119 Opfern handelte es sich um 1.066 Frauen und 52 Männer sowie ein unbekanntes Opfer. Die Aufklärungsquote lag bei 81,7 %. 550 der 977 wegen vollendeter Vergewaltigung angezeigten Verdächtigen waren österreichische Staatsbürger:innen, von den 1.118 Opfern waren es 795.
Im Deliktsbereich Kindesmissbrauch-Online wurde mit 15.822 Verdachtsmeldungen (2022: 10.230) ein neuerlicher Spitzenwert verzeichnet, was im Bericht vor allem auf den stetigen Anstieg der Meldung durch die US-NGO National Center for Missing & Exploited Children zurückgeführt wird. Eine Steigerung von 4,2 % auf 2.209 Tathandlungen gab es auch bei den Raubdelikten. 2.232 Gewalttaten wurden an Beamt:innen verübt (-70 im Vergleich zum Vorjahr).
Die Zahl der Einbrüche in Wohnräume ist gegenüber 2022 um 26,2 % gestiegen. Die Aufklärungsquote betrug 15,6 % und ist im Vergleich zu 2022 um 1,4 % gesunken. "Zu einem sehr großen Anteil" werden diese Delikte laut Bericht von reisenden Kriminellen begangen. Die Zahl der Anzeigen wegen des Diebstahls von Kraftfahrzeugen ist 2023 um 22,6 % gegenüber 2022 gestiegen, wegen Taschen- und Trickdiebstahl um 20,4 %.
Einen Anstieg um 12,4 % auf insgesamt 103.330 Delikte gab es 2023 im Bereich der Wirtschafts- und Finanzkriminalität. Darunter fällt auch der Internetbetrug, der laut Sicherheitsbericht vielfältige Vorgehensweisen umfasst und bei dem eine Steigerung der Anzeigenzahl um 23,3 % zu verzeichnen war. Bei der generellen Internetkriminalität sind 2023 65.864 Delikte zur Anzeige gebracht worden (+9,4 %). Die Aufklärungsquote fiel hier auf 31,6 %. Weiters liefert der Sicherheitsbericht Zahlen und Analysen etwa zur Suchtmittelkriminalität, der organisierten Kriminalität, zu Schlepperei und Menschenhandel, vorurteilmotivierter Kriminalität und Deep Fakes.
Anzahl der Asylanträge fast halbiert
Insbesondere im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik habe die enge europäische Zusammenarbeit eine entscheidende Rolle gespielt, wie Innenminister Gerhard Karner in seinem Vorwort zum Sicherheitsbericht ausführt. Die Asylanträge sind im Jahr 2023 mit 59.232 Anträgen gegenüber dem Jahr 2022 (112.272) stark gesunken (-47,2 %). Dazu kommt eine Steigerung der bei den Außerlandesbringungen um 26,4 % auf insgesamt 12.900. 6.910 davon erfolgten freiwillig (+20,4 %) und 5.990 zwangsweise (+34 %).
Die von 2015 bis 2023 gestellten 408.201 Asylanträge wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zum überwiegenden Teil abgearbeitet. Mit Ende 2023 waren 29.636 Verfahren in erster Instanz (inkl. Rechtsmittelfrist) anhängig.
Extremismus und Terrorismus
Nach wie vor führt der Sicherheitsbericht bezüglich des islamistischen Extremismus auch 2023 die online- und offline-Radikalisierung sowie "Foreign Terrorist Fighters" (FTF) als feststehende Komponenten des Bedrohungsbildes an. Das Mobilisierungspotenzial von zurückgekehrten oder an der Ausreise gehinderten FTF bleibe eine reale Gefahr und Anschläge nach einer (bedingten) Haftentlassung seien europaweit keine Einzelfälle. Hingewiesen wird auch auf die verstärkte Radikalisierung und Mobilisierung über die sozialen Medien. Angehörige der "Generation Z" (zwischen 1995 und 2010 geboren) treten laut Bericht verstärkt als Rezipienten bzw. aktive Mitgestalter extremistischer und terroristischer Online-Propaganda hervor.
Auch rechts- und linksextremistische Aktivitäten stellten in Österreich nach wie vor eine Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit dar. Zudem sei 2023 "in gewissen Kreisen der Trend zu einer größeren Politikverdrossenheit" festgestellt worden, heißt es im Bericht. Verwiesen wird auf unterschiedliche Strömungen wie staatsfeindliche Verbindungen und die auf reduziertem Niveau weiterhin bestehende Corona-Maßnahmen-Gegner-Szene, die Überschneidungen zu rechtsextremen Gruppierungen aufweise. Die COVID-19-Thematik sowie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hätten immer weniger Mobilisierungspotenzial entfalten. Daher sei eine Verlagerung der Schwerpunkte der rechtsextremen Szene auf bereits in der Vergangenheit besetzte Themen wie die Flüchtlingsbewegungen festzustellen gewesen.
Im Bereich Linksextremismus wird die Lage im Vergleich zu den Vorjahren als konstant beschrieben. Die polarisierenden und medienwirksamen Aktionen militanter Klimaschützer:innen fanden in der linksextremen Szene Zuspruch, personelle Überschneidungen beider Gruppen ließen sich jedoch nicht belastbar nachweisen, wie im Bericht ausgeführt wird. "Unterschiedliche Resonanzen" habe es auf den Nahostkonflikt gegeben. Die hätten von "phänomenübergreifend genutzten antiisraelischen Argumentationslinien" und einem gemeinsamen Auftreten auf Demonstrationen bis hin zu szeneninternen Spaltungen gereicht.
2023 wurden 1.208 "rechtsextremistische, fremdenfeindliche/rassistische, islamfeindliche, antisemitische sowie unspezifische oder sonstige Tathandlungen" bekannt, bei denen einschlägige Delikte angezeigt wurden (2022: 928 Tathandlungen). 791 Tathandlungen (65,5 %) konnten aufgeklärt werden (2022: 59,7 %). Von 97 Tathandlungen mit linksextremen Tatmotiven (2022: 96 Tathandlungen) konnten 15 (15,5 %) aufgeklärt werden (2022: 8,3 Prozent).
Tätigkeitsbericht der Strafjustiz
Teil des Sicherheitsberichts ist auch der Tätigkeitbericht der Strafjustiz. Laut diesem ist der Anfall an neuen Anzeigen 2023 gegenüber dem Vorjahr um 6,2 % auf insgesamt 316.681 Fälle angestiegen. Insgesamt kam es zu 44.376 gerichtlichen Verurteilungen (+2 %). 38.144 davon betrafen Männer und 6.232 Frauen. Bei den Verurteilungen österreichischer Staatsangehöriger war ein Rückgang von 2,1 % auf 24.645 und bei den ausländischen Staatsangehörigen eine Steigerung um 7,6 % auf 19.713 zu verzeichnen. Die Anteile jugendlicher (-5,5 %) und junger Erwachsener (-2,5 %) sanken leicht. Die häufigsten Delikte betrafen mit 13.850 Fällen fremdes Vermögen (+ 10,2 %), gefolgt von strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben (8.206), deren Anzahl im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert blieb.
2023 wurden 27.268 Strafen und Maßnahmen verhängt (+ 3,1 %). Davon waren 7.701 Geldstrafen (- 2,3 %) und 17.356 Freiheitsstrafen (+ 5,9 %). Die durchschnittliche Zahl der Häftlinge erhöhte sich 2023 auf 8.950 Personen (+2,8 %), wobei der Anteil an Jugendlichen um 17, 5 % auf 104 Häftlinge sank. (Schluss) wit