Parlamentskorrespondenz Nr. 883 vom 10.10.2025

GREVIO-Bericht: Mehr Prävention von Frauenmorden in Österreich

Wien (PK) – Die heimische Politik hat mit zusätzlichen Präventionsmaßnahmen auf die nach wie vor hohe Anzahl an Frauenmorden in Österreich reagiert: Das wird im jüngsten GREVIO-Bericht (III-221 d.B.) des Europarats lobend festgestellt. So begrüßen die Expertinnen und Experten in Sachen Gewaltschutz die Ausweitung des Betretungsverbots um das Annäherungsverbot im Gewaltschutzgesetz 2019 sowie vorbeugende Interventionen für junge Täter und Täterinnen. Trotzdem bestehen laut Bericht weiterhin Herausforderungen: beispielsweise sei die Abdeckung mit Gewaltambulanzen mangelhaft. Weiters brauche es verpflichtende Schulungen von Richtern und Richterinnen sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu allen Formen der Gewalt; eine Informationsweitergabe an Schulen und Kindergärten über Annährungsverbote; sowie einen umfassenden Nationalen Aktionsplan zum Gewaltschutz.

Das unabhängige Expertengremium GREVIO überwacht die Einhaltung der Istanbul-Konvention. In diesem Übereinkommen des Europarats haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen. Österreich ratifizierte die Konvention 2013. Den vorliegende Bericht erstellte GREVIO 2023 als erste thematische Evaluierung der gesetzten Maßnahmen, mit dem übergreifenden Tenor "Building trust by delivering support, protection and justice". Die Gesetzgebung habe also Sorge zu tragen, dass Gewaltopfern verlässlich Unterstützung und Schutz zukommt, nicht zuletzt im Hinblick auf die Strafverfolgung der Täter und Täterinnen.

Femizide: Mangelhafter Kontakt mit Hilfseinrichtungen

Österreich verzeichnet durchschnittlich pro Monat drei Femizide (2022: 39; 2021: 36; 2020: 31; 2019: 39). Drei Viertel der Frauenmorde wurden von (Ex-) Partnern der Opfer begangen. Als Hochrisikofaktoren identifizierte man eine psychische Erkrankung des Täters, frühere Vorkommnisse häuslicher Gewalt, finanzielle Belastungsfaktoren oder eine patriarchalische Denkweise des Mörders. Nur 5 % der Opfer hatten vorab spezialisierte Hilfsdienste kontaktiert, was für GREVO aufzeigt, dass in Österreich noch mehr Bewusstseinsbildung über vorhandene Hilfseinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen nötig ist. Einzubeziehen sei dabei das Thema Selbstmord in Verbindung mit geschlechtsspezifischer Gewalt. Außerdem müsse verstärkt Bewusstseinsbildung bei Männern und Burschen in Bezug auf ihr Verständnis von Männlichkeit betrieben werden.

Der Bericht beschreibt in diesem Zusammenhang Initiativen auf Landesebene, die auf ein positives, gewaltfreies Männerbild und die Abkehr von Geschlechterstereotypen abzielen. Letztlich brauche es allerdings bundesweit wirksame politische Maßnahmen, getragen von den erforderlichen institutionellen, finanziellen und organisatorischen Strukturen, so GREVIO. Finanziell langfristig abzusichern seien nicht nur Gewaltschutzzentren, sondern auch andere spezialisierte Hilfsdienste. GREVIO begrüßt die erfolgte Budgeterhöhung in diesem Bereich, gibt allerdings zu bedenken, dass die Aufteilung der Mittel auf verschiedene Ressorts und föderal bedingte Zuständigkeiten von Ländern und Gemeinden einen Überblick über das Gesamtbudget erschweren.

Vergewaltigung: Strafrahmen erhöht, Hilfszentren ausgebaut

2019 erhöhte der Gesetzgeber den Strafrahmen im österreichischen Gewaltschutzgesetz für Vergewaltigung durch Ausübung von Gewalt, Drohung oder Nötigung sowie für Stalking und fortgesetzte Gewaltausübung. Die Mindeststrafe für Vergewaltigung wurde von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht und eine gänzlich bedingte Strafe ausgeschlossen. Bei fortgesetzter Gewaltausübung gegen Unmündige und Wehrlose drohen nunmehr - statt zwischen sechs Monaten und fünf Jahren - ein Jahr bis zehn Jahre Haft. Personen, die wegen physischer oder sexueller Gewalt gegen Kinder verurteilt wurden, kann gerichtlich die Berufsausübung in Bereichen verwehrt werden, in denen sie Kontakt mit Minderjährigen haben.

Als Lücke im Gewaltschutzpaket sieht GREVIO das Fehlen einer Bestimmung zur verpflichtenden Information von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen bei Betretungs- und Annäherungsverboten. Außerdem bemängeln die Berichtsautorinnen und –autoren, dass die Teilnahme an Fortbildungen zum Umgang mit Gewaltopfern im Ermessen von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten liegt. Zudem würden Laienrichter und Laienrichterinnen zu Strafverfahren bei Vergewaltigungen und schwerem sexuellen Missbrauch von Minderjährigen beigezogen, wodurch Aussagen der traumatisierten Opfer häufiger falsch eingeschätzt werden könnten, meint das Expertengremium.

Gemäß der Bestimmung der Istanbul-Konvention, wonach Vergewaltigungsopfern sofortige medizinische Versorgung und Traumahilfe gepaart mit gerichtsmedizinischer Untersuchung zuteilwerden soll, wurden in allen österreichischen Bundesländern entsprechende Krisenzentren eingerichtet. Allerdings bestehe noch ein Mangel an Gewaltambulanzen und nicht jedes Krankenhaus verfüge über einen Untersuchungskit für Vergewaltigungsopfer, beanstandet GREVIO.

Häusliche Gewalt: Prävention durch Abschreckung und Bildung

Positiv hebt der Bericht hervor, dass Österreichs Strafverfolgungsbehörden und die Justiz der GREVIO-Empfehlung gefolgt sind, wonach institutionsübergreifend vereinheitlichte Datenkategorien wie Alter, Beziehungsverhältnis oder Geschlecht zur Skizzierung der Täter-Opfer-Beziehung zu entwickeln sind. Die Abgleichung verschiedener Datenquellen habe zum Ziel, ein umfassendes Bild der Fälle häuslicher Gewalt und Femizide über die verschiedenen Phasen der Strafverfolgung hinweg zu vermitteln. Bemängelt wird von GREVIO wiederum, dass Justizdaten wie die Anzahl strafgerichtlicher Verurteilungen nichts über Angemessenheit und Abschreckungswirkung der Strafe aussagen. Zivilgerichte Vorwürfe von Gewalt gegen Frauen im Kontext von Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren seien ordnungsgemäß zu untersuchen, pocht GREVIO auf eine Gefährdungsanalyse in solchen Verfahren.

Als Präventivmaßnahme gegen häusliche Gewalt empfiehlt das Expertengremium, nicht zuletzt in Bildungseinrichtungen die Programme zur Bewusstseinsbildung über alle Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen verstärkt zu fördern. Einhergehen solle dies mit Informationen über Einrichtungen für Opfer wie Gewaltschutzzentren, Frauenhäuser und Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung.

Gesetzespaket gegen neue Gewaltformen im Internet

2021 wurde mit dem Gesetzespaket "Hass im Netz" Opfern, die auf Internetforen erheblich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt wurden, die Möglichkeit eröffnet, über ein Eilverfahren die Beseitigung der verletzenden Inhalte zu erwirken. Adressaten eines derartigen Unterlassungsauftrags sind nicht nur Täter oder Täterinnen, sondern auch jene Online-Plattformen, die den widerrechtlichen Inhalt verfügbar machen. "Upskirting" und andere unbefugte Bildaufnahmen von intimen Körperteilen wurden unter Strafe gestellt. Einher mit den Gesetzesänderungen gingen die Einrichtung von Cybercrime-Kompetenzstellen bei den Staatsanwaltschaften, von einer Beratungsstelle für Opfer von Hass im Netz und Gewalt sowie Schulungsmaßnahmen in Sachen Cybergewalt für Polizeibedienstete und Mitarbeitende der Gewaltschutzzentren. Allerdings konstatiert GREVIO eine hohe Komplexität bei den Rechtsnormen zu Cybercrime, weswegen verstärkte Schulungen der Polizei und spezialisierte Einheiten bei den Staatsanwaltschaften empfohlen werden.

Sinkendes Alter bei Sexualstraftätern

Besorgniserregend sei die Tatsache, dass Sexualstraftäter immer jünger werden, heißt es im Bericht. Ursache dafür sei der steigende Konsum von (Gewalt-)Pornografie durch Kinder und junge Erwachsene, der verletzendes sexuelles Verhalten auslösen könne. Angesichts des fehlenden Wissens Jugendlicher über die Notwendigkeit der Zustimmung zu sexuellen Handlungen empfiehlt GREVIO, eine weitreichende Präventionskampagne zu diesem Thema in Österreich auszuarbeiten. Eine derartige Kampagne solle nicht zuletzt Mädchen und Frauen nach Gewalterfahrungen ermutigen, Hilfe zu suchen. Zusätzlich seien die Bemühungen zu verstärken, Kindern in altersgerechter Art und Weise den Begriff der freien Zustimmung in sexuellen Beziehungen zu vermitteln sowie ihnen und ihren Eltern die schädlichen Auswirkungen von Gewaltpornografie und des Teilens intimer Bilder von sich selbst und anderen zu verdeutlichen. Lobend erwähnt dabei GREVIO die Vereine Neustart und Limes, die junge Täter und Täterinnen mit Gewaltpräventionsberatung betreuen. (Schluss) rei