Parlamentskorrespondenz Nr. 1155 vom 09.12.2025
Bundesregierung legt neue Nationale Strategie gegen Antisemitismus vor
Wien (PK) – Die Nationale Strategie gegen Antisemitismus (NAS) der österreichischen Bundesregierung soll den Fortbestand des jüdischen Lebens in Österreich schützen und langfristig absichern, Antisemitismus in all seinen Formen eindämmen und die Erinnerung an die Opfer der Shoah aufrechterhalten. Nach der NAS 1.0 für die Jahre 2021–2024 hat die Bundesregierung nun einen Bericht über die aktualisierte Nationale Strategie gegen Antisemitismus (NAS 2.0) vorgelegt (III-257 d.B.). Eine neue Welle des Antisemitismus nach dem 7. Oktober 2023 habe gezeigt, wie wichtig die Weiterentwicklung der Strategie ist, hält Bundeskanzler Christian Stocker in seinem Vorwort zum Bericht fest.
Aufbauend auf der Vorgängerstrategie formuliert die NAS 2.0 konkrete Ziele und Maßnahmen in den Bereichen Bildung und Forschung ebenso wie in Sicherheit, Integration, Medien und Zivilgesellschaft. Insgesamt wurden 49 Maßnahmen identifiziert, die acht strategischen Säulen bzw. Zielsetzungen zugeordnet sind. Die NAS für 2025-2030 soll damit die im Rahmen der Vorgängerstrategie implementierten Maßnahmen weiterentwickeln und aktualisieren. Damit wolle man der Tatsache Rechnung tragen, dass Antisemitismus kein statisches Phänomen sei, sondern sich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen verändere, hält die Bundesregierung in der Einleitung zum Bericht fest. Die operative Koordination der Umsetzung der Maßnahmen soll durch die Abteilung IV/12 – Förderung Österreichisch-Jüdisches Kulturerbe und Antisemitismusbekämpfung erfolgen. Sie ist als Koordinationsstelle in der Sektion IV – EU, Internationales und Gesamtstaatliche Koordinierung des Bundeskanzleramts angesiedelt.
Maßnahmen im den Bereichen Sicherheit und Strafverfolgung
Die erste Säule der Strategie sind die Bereiche Sicherheit und Strafverfolgung. Hier soll der Fokus auf dem Ausbau von Melde- und Erfassungssystemen, dem Schutz jüdischer Personen und Einrichtungen, der Sicherstellung der effektiven Verfolgung von Antisemitismus und der Schließung gesetzlicher Lücken liegen. Unter anderem ist eine Erweiterung der Deliktskennungen zu antisemitischen Motiven in Justizdatenbanken und die Evaluierung der Verbotsgesetz-Novelle 2023. Auch die Erstellung eines Leitfadens für verbotene Symbole für den Amtsgebrauch ist darin vorgesehen.
Resilienz von Bildung und Zivilgesellschaft stärken
Säule 2 umfasst den Bereich "Bildung und Resilienz". Dabei geht es um die Stärkung der Präventionsarbeit an Schulen, Weiterbildung von Pädagoginnen und Pädagogen, Ausweitung der Bildungsangebote, Umsetzung und Finanzierung von Projekten im Bildungsbereich sowie die Sensibilisierung unterschiedlicher Berufsgruppen im Alltag für die Problematik des Antisemitismus.
Unter anderem soll eine Weiterentwicklung von Schulorganisation und -kultur erfolgen, um angemessen auf Antisemitismus reagieren zu können. An den Schulen sollen Curricula zur Antisemitismusprävention verankert und Schulen und Schulbehörden bei Wertevermittlung und Extremismusprävention unterstützt werden. Durch einen Mobilitätszuschuss sollen Gedenkstättenbesuche finanziert werden. Teil der Maßnahme ist auch der Ausbau von Dialoginitiativen, die den Austausch zwischen Jugendlichen verschiedener sozialer, religiöser und kultureller Hintergründe fördern.
Kampf gegen Antisemitismus in der digitalen Sphäre
Übergreifendes Ziel der Maßnahmen in der Säule 3 "Digitales und Medien" ist die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Resilienz gegen Antisemitismus im digitalen Bereich und in den Medien. Schritte dazu sollen unter anderem die Intensivierung der Kooperation mit Online-Plattformen, der Ausbau der internationalen Zusammenarbeit sowie die Sensibilisierung von Medienvertreterinnen und Medienvertretern sein. Unter anderem sind hier der Aufbau einer Social-Media-Präsenz zur Vermittlung der Strategie und ihrer Inhalte sowie die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Melde- und Beratungseinrichtungen vorgesehen.
Weitere Schritte soll die Förderung automationsunterstützter Systeme zur Erkennung und Bekämpfung von antisemitischer Hate Speech und Fake News im Internet und die Förderung von Trusted-Flagger-Organisationen im Sinne des Digital Services Act sein. Auch soll antisemitismuskritische Medienkompetenz in der Bevölkerung gefördert werden.
Maßnahmen gegen Antisemitismus im Integrationsbereich
Maßnahmen, die in der Säule 4 "Integration und Dialog" zusammengefasst sind, sollen sich auf die Vermittlung von demokratischen Werten und historischer Grundbildung konzentrieren. Dazu gehört etwa die Stärkung der Zusammenarbeit mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft und die Finanzierung von Projekten im Integrationsbereich. Geplant ist die Erweiterung der Integrationserklärung für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte durch eine Erklärung gegen Antisemitismus und die Aufnahme von Antisemitismus als verpflichtendes Querschnittsthema in Integrationsprogrammen. Auch die Weiterentwicklung der Dokumentationsstelle Politischer Islam und die aktive Einbindung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in die Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus fallen darunter. Weitere Vorhaben sind die Erweiterung der Werte- und Orientierungskurse, wozu auch die Durchführung von Gedenkstättenbesuchen gehört, und Community-Formate in Kooperation mit jüdischen Organisationen.
Stärkung der Erinnerungskultur
Säule 5 der NAS 2.0 definiert Maßnahmen in den Bereichen "Erinnerung, Gedenken und Kultur" zur Stärkung der Erinnerungskultur, der Förderung der internationalen Zusammenarbeit und der Umsetzung und Finanzierung von Projekten im Erinnerungs- und Gedenkkulturbereich.
Vorgesehen sind etwa der Start des Prüfprozesses für ein mögliches österreichisches Holocaust-Museum, aber auch die Förderung und Stärkung des jüdischen Kultur- und Gemeindelebens in Österreich. Neben der Unterstützung zivilgesellschaftlicher Erinnerungs- und Gedenkinitiativen sind auch die Sichtbarmachung von Orten der NS-Verbrechen in Kooperation mit Ländern und Gemeinden und die Prüfung einer Novellierung der Kriegsgräberfürsorgegesetze Schritte zur Stärkung der Erinnerungskultur.
Unterstützung von Forschung und Dokumentation
Säule 6 deckt die Bereiche Forschung und Dokumentation ab. Darunter fallen die Maßnahmen der Weiterentwicklung der Antisemitismusforschung, die Stärkung bestehender Forschungsstrukturen und die Umsetzung und Finanzierung von themenspezifischen Forschungsprojekten.
Im Detail sind die Einrichtung einer Dokumentationsstelle im Bundeskanzleramt, die Weiterführung umfassender empirischer Erhebungen und Forschung im Auftrag des Parlaments und die Weiterentwicklung der Arbeitsgruppe Antisemitismusforschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geplant. Die Rechtsextremismusforschung soll dauerhaft am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands verankert werden.
Zusammenarbeit auf EU- und internationaler Ebene
Säule 7 adressiert die EU- und internationale Ebene. Hier will Österreich sich in der Förderung von Initiativen zur Antisemitismusbekämpfung und Sichtbarmachung jüdischen Lebens und jüdischer Kultur auf europäischer und internationaler Ebene einbringen. Dem sollen die Fortführung der like-minded Gruppe European Conference on Antisemitism und die Stärkung der Zusammenarbeit im Rahmen der International Holocaust Remembrance Alliance und Vorbereitung einer österreichischen Präsidentschaft dienen.
Auf internationaler Ebene sind die Aufnahme von Antisemitismus-Klauseln in Standardverträge der Austrian Development Agency und das Engagement gegen Antisemitismus im Rahmen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (Dreijahresprogramm 2025 – 2027) geplant.
Gesamtgesellschaftliches Wirken der Strategie sicherstellen
Die Säule 8 "Demokratie, Gesellschaft und Sport" adressiert die Sicherstellung eines gesamtgesellschaftlichen Wirkens der NAS und den dazu notwendigen Austausch zwischen den staatlichen und privaten Institutionen zur Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus.
Dazu soll die Stärkung von Projekten religiöser Begegnungsarbeit, insbesondere zwischen jungen Menschen und die Förderung des gesellschaftlichen Miteinanders unter Kirchen und Religionsgesellschaften beitragen. Geplant ist die Erstellung eines Handbuchs zur Erkennung von Rechtsextremismus im Fußball, die Umsetzung eines Drei-Stufen-Plans gegen Diskriminierung im Sport und ein jährlicher Bericht an den Nationalrat sowie Evaluierung der NAS 2.0 im Jahr 2030. (Schluss) sox