Bundesrat Stenographisches Protokoll 623. Sitzung / Seite 63

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

16.04

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Wir haben seit einigen Monaten bundesratsintern einen Arbeitskreis oder einen Unterausschuß, oder wie immer wir es nennen mögen, zur Behandlung der Gesetze zur Bundesrats- und Geschäftsordnungsreform in bezug auf den EU-Ausschuß eingerichtet.

Das Hauptziel dieses Ausschusses muß es nach unserem Dafürhalten sein, einen gemeinsamen Vorschlag zur Reform des Bundesrates vorzulegen. Nur, meine Damen und Herren, wird es durch die geplante Einführung des Konsultationsmechanismus so gut wie keinen Spielraum für eine Reform in Richtung mehr Effizienz geben. Einrichtungen, die verfassungsmäßig nicht vorgesehen sind, wie zum Beispiel die Landeshauptleutekonferenz, die sich – um einen berühmten österreichischen Abgeordneten zu zitieren – außerhalb des Verfassungsbogens befinden, haben das politische Sagen im Staate, und die legitime Legislative, die Landtage und der Bundesrat, wird zurückgedrängt.

Neue Gremien wie der Konsultationsmechanismus werden in großkoalitionärer Eintracht aus dem Boden gestampft, obgleich man bereits verfassungsmäßig legitime Organe hätte. Wir haben nämlich nicht nur den Bundesrat, der die Interessen der Länder auf Bundesebene zu vertreten hat, sondern wir haben im Finanz-Verfassungsgesetz auch einen Ständigen Ausschuß zwischen National- und Bundesrat, der sich der Finanzfragen annehmen soll, festgeschrieben. Aber "ständig" heißt in diesem Zusammenhang eigentlich niemals. Das ist die Verfassungsrealität in unserem Lande.

Es ist seit langem unbestritten, meine Damen und Herren, daß die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern grundlegend neu geordnet werden müssen und insbesondere auch die Aushöhlung des in Österreich ohnehin schwach entwickelten bundesstaatlichen Prinzips gestoppt werden muß. Die zentralistischen Tendenzen haben sich nach dem Beitritt zur Europäischen Union durch die Kompetenzverlagerung zu den Unionsorganen noch verstärkt – entgegen allen Beteuerungen vor der Abstimmung über den EU-Beitritt.

Dieser neuerliche massive Kompetenzverlust der Länder verstärkt eine Entwicklung, die das bundesstaatliche Prinzip der Bundesverfassung aushöhlt und eine schleichende Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellt. Es ist nicht zu bezweifeln, daß Österreich bereits jetzt ein relativ schwach ausgebildeter Bundesstaat ist, da der Bund ein erhebliches Übergewicht an Kompetenzen aufweist und der Einfluß des Bundesrates auf die Bundesgesetzgebung leider Gottes sehr gering ist.

Im sogenannten Perchtoldsdorfer Übereinkommen vom Oktober 1992 wurden deshalb zwischen dem damaligen Bundeskanzler als Vertreter des Bundes und dem damaligen Landeshauptmann von Niederösterreich als Vertreter der Länder eine große Bundesstaatsreform sowie eine Aufwertung des Bundesrates paktiert und in der Folge eine entsprechende Regierungsvorlage sowie entsprechende Änderungen des Finanzverfassungsrechtes ausgearbeitet. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen wurde aber die Bundesstaatsreform durch föderalismusfeindliche Anreicherungen geradezu ein Modell zentralistischer Staatsvorstellung, weshalb die Länder ihre ursprüngliche Zustimmung auch zurückziehen mußten.

Die erwähnte Regierungsvorlage, meine Damen und Herren, wurde seither nicht mehr behandelt. Die Debatte um eine Bundesstaatsreform ist zu einem gänzlichen Stillstand gekommen. Der Klubobmann der SPÖ im Nationalrat erklärte sogar die bisherigen Verhandlungsergebnisse für obsolet und sagte, man müsse wieder an den Start zurück.

Um eine weitere Aushöhlung des bundesstaatlichen Prinzips der Bundesverfassung zu verhindern, sollten daher nach unserer Auffassung auf Regierungsebene die Beratungen über die


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite