Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 23

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Es ist niemand unterdrückt. Bitte, sagen Sie nicht, Frauen seien unterdrückt, die trotz Schei-dung weiterhin mit dem Mann die Obsorge durch beide Teile ausüben wollen. Wo ist die Unterdrückung? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Weil sie zu Bittstellerinnen werden!)

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Gibt es dieses Modell der gemeinsamen Obsorge beider Elternteile auch in anderen Staaten, und wie sind dort die Erfahrungen damit?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es gibt dieses Modell auch in anderen Staaten, und zwar sind mir diesbezüglich Prozentsätze, wenn auch nicht mit genauester statistischer Auswertung, bekannt gegeben worden. In Frankreich ist es so, dass nach Anfangsschwierigkeiten, weil da die Krise am akutesten ist, im Prinzip 90 Prozent der Geschiedenen die Obsorge beider Teile praktizieren, also wünschen. In Deutschland sind es 50 bis 60 Prozent. In Österreich haben wir eine persönliche Schätzung von einer sehr bekannten Familienrichterin eingeholt, die auch meiner Erfahrung entspricht, und danach sind es zirka 40 bis 50 Prozent.

Das heißt, es soll die Masse der verbleibenden Familieneinheiten mit diesem von ihnen gewünschten Modell leben dürfen.

Präsident Johann Payer: Frau Bundesrätin Anna Höllerer, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Wie stellt sich dann ganz genau der Unterschied der gemeinsamen Obsorge, wie sie jetzt im Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 vorgesehen ist, zur obligatorischen gemeinsamen Obsorge in Deutschland dar?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich kann Ihnen diese Frage nicht auswendig beantworten, aber ich bin nicht überzeugt, dass die obligatorische gemeinsame Obsorge in Deutschland so geregelt ist. Nach meinen Informationen ist es so, dass in Deutschland aus einer Begleitforschung hervorgeht, dass 50 bis 60 Prozent der Geschiedenen bei dieser Form der Obsorge, die ich Ihnen beschrieben habe, bleiben. Die gemeinsame Obsorge in der Form, wie sie sein müsste, wenn dieses Wort grammatikalisch interpretiert wird, würde bedeuten, dass beide Eltern jede Handlung nur gemeinsam setzen könnten, und das ist nicht praktikabel.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 1111/M, an den Herrn Bundesminister. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Gottfried Kneifel, ... (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Ich hätte noch eine Ergänzung, bitte!)  – Dann habe ich die Pause falsch interpretiert. – Bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Nein, Sie haben sie richtig interpretiert, nur habe ich jetzt die Unterlagen gefunden und wollte der Frau Bundesrätin nur eine noch genauere Information geben.

Ich habe eine Unterlage, in der Folgendes steht: Nach dem seit 1. 7. 1998 in Kraft stehenden § 1671 BGB – deutsches Recht – ist bei einer Ehescheidung eine gerichtliche Entscheidung über die elterliche Sorge nur noch dann vorgesehen, wenn ein Elternteil einen Antrag auf Alleinsorge stellt. – Das heißt, es ist im Prinzip dasselbe, was wir machen. Von der Abkühlungsphase, die Sie vielleicht auch interessiert, sind wir abgekommen, und ich glaube, die deutsche Rechts


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