Stenographisches Protokoll

730. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Mittwoch, 25. Jänner 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

730. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 25. Jänner 2006

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 25. Jänner 2006: 11.04 – 19.19 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), das Til­gungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Staatsbürger­schaftsrechts-Novelle 2005)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wer­den

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheber­rechtsgesetz-Novelle 2005 – UrhG-Nov 2005)

5. Punkt: Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Mel­degesetz 1991 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geän­dert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulzeit­gesetz 1985, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schülerbeihilfengesetz 1983, das Studien­förderungsgesetz 1992, das Bundes- Schulaufsichtsgesetz und das Bildungsdokumen­tationsgesetz geändert werden (2. Schulrechtspaket 2005)

9. Punkt: Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005)

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Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache der Präsidentin Sissy Roth-Halvax .............................................. 7


Bundesrat
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730. Sitzung / Seite 2

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ....................................................................................................................... 10

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 59

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Nationalrat

Beharrungsbeschlüsse .................................................................................................. 10

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 11

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), das Til­gungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Staatsbür­gerschaftsrechts-Novelle 2005) (1189 d.B. und 1254 d.B.) ............. 12

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 12

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 15

Stefan Schennach .................................................................................................  17, 40

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 20

Mag. Susanne Neuwirth .............................................................................................. 21

Bundesministerin Liese Prokop ..........................................................................  25, 39

Edgar Mayer .................................................................................................................. 28

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 30

Harald Vilimsky ............................................................................................................ 32

Mag. Gertraud Knoll .................................................................................................... 35

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 37

Johann Giefing ............................................................................................................. 38

Antrag der Bundesräte Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), das Til­gungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Staatsbür­gerschaftsrechts-Novelle 2005), (1189 d.B. und 1254 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ....................................  16, 42

Antrag der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Stefan Schennach, Kollegin­nen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert wer­den (Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005), (1189 d.B. und 1254 d.B.), gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 Abs. 1 GO-BR einen begründeten Einspruch zu erheben – Annahme ..................  24, 42

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Ar­beitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1122 d.B., 330/A und 1214 d.B. sowie 7437/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 42


Bundesrat
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730. Sitzung / Seite 3

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird (605/A und 1215 d.B.) .............................................. 42

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug ..................................................................................................  42, 60

Edgar Mayer .................................................................................................................. 48

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 52

Bundesminister Günther Platter ................................................................................ 54

Roswitha Bachner ........................................................................................................ 55

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 57

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 59

Albrecht Konecny (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 60

Antrag der Bundesräte Mag. Gerald Klug, Eva Konrad, Kolleginnen und Kol­legen zu Punkt 2, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-An­passungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Landar­beitsgesetz 1984 geändert werden (1122 d.B., 330/A und 1214 d.B. sowie 7437/BR d.B.), gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 Abs. 1 GO-BR einen begründeten Einspruch zu erheben – Annahme (namentliche Abstimmung) .....................................................................................................  47, 61, 64

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 64

Antrag der Bundesräte Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 2, ge­gen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1122 d.B., 330/A und 1214 d.B. sowie 7437/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich .................................................................  51, 64

Antrag der Bundesräte Mag. Gerald Klug, Eva Konrad, Kolleginnen und Kolle­gen zu Punkt 3, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird (605/A und 1215 d.B.), gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 Abs. 1 GO-BR einen begrün­deten Einspruch zu erheben – Annahme ..............................................  47, 63, 65

Antrag der Bundesräte Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 3, ge­gen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird (605/A und 1215 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ..........................................................................................................................  51, 65

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechts­gesetz-Novelle 2005 – UrhG-Nov 2005) (1240 d.B.)             ............................................................................................................................... 66

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 66

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ............................................................................ 67

Stefan Schennach ........................................................................................................ 68

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 69

Bundesministerin Mag. Karin Gastinger .................................................................. 70

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert


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730. Sitzung / Seite 4

wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2005 – UrhG-Nov 2005), (1240 d.B.), gemäß § 51 Abs. 1 GO-BR zur Tagesordnung überzugehen – Annahme ............  67, 71

Antrag der Bundesräte Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2005 – UrhG-Nov 2005), (1240 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich  68, 71

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Meldegesetz 1991 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden (1193 d.B. und 1246 d.B.) .............................................................................................. 71

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert wird (1247 d.B. sowie 7435/BR d.B.)                71

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird (180/A und 1248 d.B.) ................................. 71

Redner/Rednerinnen:

Manfred Gruber ............................................................................................................ 72

Franz Perhab ................................................................................................................. 75

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 77

Ana Blatnik .............................................................................................................  77, 86

Jürgen Weiss ................................................................................................................ 79

Peter Mitterer .........................................................................................................  80, 93

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ..................................................................  83, 90

Wolfgang Sodl .............................................................................................................. 85

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 88

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 90

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 92

Antrag der Bundesräte Manfred Gruber, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 5, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstät­ten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und Bundesgesetz, mit dem das Post­gesetz 1997, das Meldegesetz 1991 und das Bildungsdokumentationsgesetz ge­ändert werden (1193 d.B. und 1246 d.B.), gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 Abs. 1 GO-BR einen begründeten Einspruch zu erheben – Annahme ..................................................................................................................................  73, 93

Antrag der Bundesräte Franz Perhab, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 5, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Meldegesetz 1991 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden (1193 d.B. und 1246 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erhe­ben – Abstimmung erübrigt sich  76, 93

Antrag der Bundesräte Manfred Gruber, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 6, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufent-


Bundesrat
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730. Sitzung / Seite 5

haltsgesetz geändert wird (1247 d.B. sowie 7435/BR d.B.), gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 Abs. 1 GO-BR einen begründeten Einspruch zu erheben – Annahme ......  74, 94

Antrag der Bundesräte Franz Perhab, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 6, ge­gen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert wird (1247 d.B. sowie 7435/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ................................................  76, 94

Antrag der Bundesräte Franz Perhab, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 7, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend
ein Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird (180/A und 1248 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – An­nahme....................................... 76, 94

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulzeitge­setz 1985, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schülerbeihilfengesetz 1983, das Studienförderungsgesetz 1992, das Bundes- Schulaufsichtsgesetz und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden (2. Schulrechtspaket 2005) (1166 d.B. und 1195 d.B. sowie 7438/BR d.B.) ................................................................................................................. 94

Redner/Rednerinnen:

Mag. Wolfgang Erlitz .................................................................................................... 94

Josef Saller ................................................................................................................... 97

Stefan Schennach ...............................................................................................  98, 113

Erwin Preiner .............................................................................................................. 101

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 104

Karl Bader ................................................................................................................... 107

Mag. Gertraud Knoll .................................................................................................. 110

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 111

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Wolfgang Erlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend 800 zusätzliche LehrerInnen-Dienstposten für Integrations­unterricht – Annahme (E 200-BR/06)               97, 113

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kassasturz im Schulbereich – Annahme (E 201-BR/06)                                                                       100, 114

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über die Umsetzungskosten der Empfehlungen der Zukunftskommission – Annahme (E 202-BR/06)     101, 114

Antrag der Bundesräte Josef Saller, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Be­schluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Schul­pflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schülerbeihilfengesetz 1983, das Studienförderungsge­setz 1992, das Bundes- Schulaufsichtsgesetz und das Bildungsdokumentations­gesetz geändert werden (2. Schulrechtspaket 2005), (1166 d.B. und 1195 d.B. sowie 7438/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Annahme............................................................. 98, 113

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) (1167 d.B. und 1198 d.B.) ..................................................................................................................... 114


Bundesrat
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730. Sitzung / Seite 6

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 114

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 118

Eva Konrad ................................................................................................................. 121

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 123

Albrecht Konecny (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 124

Antrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hoch­schulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005), (1167 d.B. und 1198 d.B.), gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 Abs. 1 GO-BR einen begründeten Einspruch zu erheben – Annahme           115, 124

Antrag der Bundesräte Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005), (1167 d.B. und 1198 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ..........................  121, 124

Eingebracht wurden

Anfrage der Bundesräte

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zahl der Lehrerdienstposten (2377/J-BR/06)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Ru­perta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend die vom Minister befürwor­tete Dienstleistungsrichtlinie (2174/AB-BR/05 zu 2370/J-BR/05)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Hel­mut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichischen Strukturplan Gesundheit (2175/AB-BR/05 zu 2366/J-BR/05)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rückgang der Anzahl der TeilnehmerInnen an Schulschikur­sen (2176/AB-BR/06 zu 2368/J-BR/05)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenrefundierung für Personalaufwand der Exe­kutive im Rahmen der Hochzeit Feldbusch/Pooth II (2177/AB-BR/06 zu 2374/J-BR/05)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Katastrophenfonds (Zu 2166/AB-BR/06 zu 2362/J-BR/05)


11.03.48


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
730. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 11.04 Uhr

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Schönen guten Morgen! Ich eröffne die 730. Sitzung des Bundesrates, die ich auf Grund eines ausreichend unterstützten schriftlichen Ver­langens von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundesrates gemäß § 40 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates für heute einberufen habe.

Das Amtliche Protokoll der 729. Sitzung des Bundesrates vom 21. Dezember 2005 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ewald Lindinger und Hans Ager.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, bitte ich um Ihre Geduld und Aufmerksamkeit für meine Antrittsrede.

Antrittsansprache der Präsidentin

 


11.05.03

Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Entsprechend der Verfassung hat mit Beginn dieses Jahres Niederösterreich den Vorsitz im Bundesrat übernommen. Vom Niederösterrei­chischen Landtag als Erste gereiht, habe ich die Ehre, diese Funktion auszuüben. Ich danke der Volksvertretung meines Heimatbundeslandes für diesen Vertrauensbeweis und ersuche Sie, meine Damen und Herren des Bundesrates, mit mir im kollegialen Einvernehmen die Aufgabe der Landesrepräsentanz in der Bundesgesetzgebung zu erfüllen. Die Repräsentanz der Länder in der Bundesgesetzgebung erfolgt nach dem Parteienproporz der Landtage. Da sich dieser nach jeder Landtagswahl ändern kann, zeigt sich in der Zusammensetzung des Bundesrates die jeweilige Stärke der politi­schen Parteien und damit die Dynamik der Demokratie in Österreich. Aus eigener Er­fahrung als Bürgermeisterin weiß ich, dass die Dynamik der demokratischen Entschei­dungen auf der untersten Ebene, nämlich in den Gemeinden, besonders stark wirksam ist. Der Bundesrat erweist sich in dieser Dynamik geradezu als Seismograph des poli­tischen Lebens in unserem Staat. Da sich während einer Legislaturperiode des Natio­nalrates das Wählerverhalten in den Ländern ändern kann, ermöglichen die Bundes­staatlichkeit und mit ihr der Bundesrat eine Form der Teilung der Gewalten innerhalb der Gesetzgebung.

Die demokratische Gesetzgebung Österreichs ist – abgesehen von 1918 bis 1920, als es nach Ausrufung der Republik zuerst die provisorische und dann die konstituierende Nationalversammlung gab – stets von einem Zweikammernsystem gekennzeichnet gewesen. War es vor 1918 das Abgeordneten- und Herrenhaus, so sind es seit 1920 der Nationalrat und der Bundesrat. Ein Unterschied neben der Staatsform besteht dar­in, dass die Gesetzgebung der Monarchie mit der Bezeichnung „Reichsrat“ eine Ge­samtbezeichnung für das Haus der damaligen Gesetzgebung hatte, während im B-VG 1920 dies für das heutige Haus der Gesetzgebung nicht vorgesehen ist. National­rat und Bundesrat sind zwar im selben Haus, deren legislative Tätigkeit wird aber nicht von einer solchen Gesamtbezeichnung erfasst.

Das Wort Parlament kommt im B-VG nicht vor und ist auch nur eine Gebäudebezeich­nung; es steht – das sei betont – sowohl dem Nationalrat wie auch dem Bundesrat zu. Beide Kammern der Gesetzgebung sind Vertretungen des Volkes, wobei der Bundes­rat mit seinem Dienst an der Demokratie im Besonderen dem Föderalismus verpflichtet ist. Während die zweite Kammer Österreichs in der Monarchie Ausdruck des Konser­vativismus war, ist sie in unserer Republik Ausdruck des Föderalismus. Der Bundesrat


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
730. Sitzung / Seite 8

als Länderkammer ist eine Selbstverständlichkeit unseres Bundesstaates. Wir im Bun­desrat tragen Verantwortung sowohl als Volks- wie auch als Ländervertretung. Beide Aufgaben schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich.

Da die Demokratie zwar nicht alleine, aber wesentlich von Parteien getragen ist, ver­binden sich im Bundesrat Parteien- und Bundesstaatlichkeit. Lassen Sie mich betonen: Keine soll die andere verdrängen. Beide sollen einander ergänzen, damit weder Partei­politik auf Kosten der Länderinteressen stattfindet noch die Länderinteressen das Ge­meinwohl des Gesamtstaates außer Acht lassen. Wir wissen alle, dass dies im Einzel­fall nicht immer leicht ist. Oft wird der Bundesrat in der Ausübung seiner Aufgaben durch den Koalitionspakt der jeweils regierungsbildenden Parteien behindert. Seine mangelnde Wirksamkeit zeigt darum nicht das Fehlen von Zuständigkeit an, sondern eine Behinderung in deren Nutzung.

In diesem Zusammenhang erinnere ich an das absolute Veto bei Änderungen der Län­derkompetenzen, eine Zuständigkeit, welche bei den Verhandlungen zur heutigen EU-Mitgliedschaft Österreichs den Ländern eine starke Stellung verschaffte. Ich erinnere daran, dass der Bundesrat mit Ausnahme der Rechte auf Misstrauensvoten und zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen dieselben politischen Kontrollrechte wie der Nationalrat hat. Das Gleiche gilt für die Geltendmachung der rechtlichen Kontrolle beim Verfassungsgerichtshof, nicht aber für die finanzielle Kontrolle, da der Rech­nungshof ein Organ des Nationalrates ist.

All das zeigt, dass der Bundesrat als Länderkammer wesentliche Kompetenzen hat. Man möge sie ihn nur ausüben lassen, damit nicht die Parteienstaatlichkeit auf Kosten der Bundesstaatlichkeit geht.

Es besteht also kein Grund, von einem abgewerteten Bundesrat zu sprechen, wohl aber von einem Bundesrat, dessen Stellung zu verbessern begrüßenswert wäre. Dies zu erreichen ist in gleicher Weise Aufgabe des Bundesrates wie auch der Repräsen­tanten der Länder. In diesem Sinne wäre es erstrebenswert, wenn das Zustimmungs­recht des Bundesrates sich auf alle Gesetze, die mit finanziellen Belastungen der Län­der verbunden sind, erstrecken und um eine gleichberechtigte Mitwirkung am Finanz­ausgleich erweitert würde. Besonders erstrebenswert wäre, wenn dem Bundesrat eine Mitwirkungsmöglichkeit bereits am Beginn der Bundesgesetzgebung in Form eines Stellungnahmerechts zu Nationalratsvorlagen eingeräumt würde. Auch ohne Verfas­sungsänderung wäre es bereits heute für Bundesräte möglich, von Seiten der Länder – sei es Landesregierung mit Landeshauptmann oder Landtag mit Landtagspräsiden­ten – gegenüber dem Bundesrat abgegebene Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben im Bundesrat zu beachten.

Nicht anfreunden kann ich mich mit dem Vorschlag der Verminderung der Anzahl der Bundesräte oder der Ausübung der Bundesratsmandate durch Landtagsabgeordnete. Eine solche Maßnahme wäre aus meiner Sicht mit einem Verlust an Bürgernähe ver­bunden, denn unsere Arbeit findet nicht ausschließlich in den Ausschussberatungen und im Plenum statt. Ein großer Teil unserer Arbeit besteht darin, im Kontakt mit den Bürgern und Bürgerinnen die Interessen unserer Regionen, Bezirke und Gemeinden zu vertreten, Projekte zu unterstützen und auf die Umsetzung dieser Anliegen in Abstim­mung mit unserem Bundesland zu achten und diese zu forcieren.

Da gegenwärtig in diesem Haus im Verfassungskonvent auch eine Reform des Bun­desrates diskutiert wird, hoffe ich, dass auch wir Bundesräte die in einer Tagesklausur zu erarbeitenden Verbesserungsvorschläge für den Bundesrat einbringen werden. Ge­rade jetzt, wo der Bundesrat vermehrt in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt ist, besteht eine Chance zu positiven Veränderungen. Diese Veränderungen sollten vom Bundesrat selbst mit erarbeitet und nicht nur von außen vorgegeben werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
730. Sitzung / Seite 9

Jeder Bundesrat und jede Bundesrätin ist aufgerufen, seinen oder ihren Teil dazu bei­zutragen, in konstruktiver Weise die Institution Bundesrat an die Bürger heranzutragen und zu stärken, denn es scheint mir, dass es dem Bundesrat ähnlich ergeht wie den EU-Institutionen: Die Bevölkerung weiß zu wenig Bescheid, wofür wir zuständig sind und was wir tun. Bei dieser Gelegenheit gilt es, über den Bundesrat hinaus die Chance zu nützen, zum Verfassungsbewusstsein in Österreich wie auch im integrierten Europa beizutragen. Dass auf beiden Ebenen, nämlich sowohl auf der der EU als auch der un­serer Republik, Verfassungsreforminitiativen ergriffen werden, eröffnet die Chance und gibt die willkommene Gelegenheit, im Rahmen unserer Möglichkeiten einen Beitrag zum Verständnis des EU-Verfassungsvertrages zu leisten. Schon heute könnten wir in unseren Sitzungen Anliegen des integrierten Europa zur Sprache bringen. Gerade in diesem Halbjahr, in dem Österreich den Vorsitz in der EU innehat, wäre eine solche Bemühung besonders angebracht. Möglichkeiten und Grenzen der EU-Verantwortung gilt es dabei in gleicher Weise zu bedenken.

In dem Zusammenhang freut es mich, dass Bundeskanzler Dr. Schüssel in der Zeit seines EU-Vorsitzes eine eigene EU-Konferenz dem auch für die Bundesstaatlichkeit so wichtigen Thema der Subsidiarität widmet. Die Umsetzung des Konferenzthemas „Mehr Recht den Regionen“ bietet die Chance, die Akzeptanz für ein größer werden­des Europa in der Bevölkerung zu heben.

Auch von unserer Seite sollten wir die Zeit des Nachdenkens über den EU-Verfas­sungsvertrag in Bezug auf die Kompetenzen der EU-Institutionen wie Rat, Kommission und Europäisches Parlament sowie ihr Verhältnis zueinander und zu den parlamenta­rischen Kammern der Mitgliedsstaaten nützen. Wir könnten damit in einer Zeit angeb­licher Politikverdrossenheit und Demokratiemüdigkeit ein Beispiel für Verantwortung geben, das für manche Demokratien postkommunistischer Staaten wegweisend sein könnte, und so auch grenzüberschreitend einen Beitrag zur Entwicklung der Verfas­sungsstaatlichkeit des integrierten Europas leisten.

Ich freue mich, als Niederösterreicherin feststellen zu können, dass mein Bundesland schon lange eine aktive Nachbarschafts- und Europapolitik betreibt und über seine Auf­gaben im Regionalausschuss der EU hinaus föderale Anliegen in und gegenüber der EU konsequent vertritt.

In diesem Mit- und Füreinander haben wir die Chance, zu einer neuen Solidarität in un­serem Land und mit Österreich in Europa beizutragen, damit wirtschaftliches Wachs­tum und soziale Sicherheit möglichst allen zugute kommen. – Ich danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

11.16

Einlauf

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Eingelangt ist ein Schreiben des Steiermärkischen Landtages betreffend die Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs.1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2174/AB bis 2177/AB sowie der Beharrungsbeschlüsse des Nationalrates vom 21. De­zember 2005 gemäß Artikel 42 Abs. 4 B-VG verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.


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Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Das Land

Steiermark

SIEGFRIED SCHRITTWIESER

PRÄSIDENT DES STEIERMÄRKISCHEN LANDTAGES

Herrn

KR Peter MITTERER

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl-Renner-Ring 3

A-1017 Wien

Graz, am 20. Dezember 2005

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Sitzung des Steiermärkischen Landtages am 13. Dezember 2005 wurde Mag. Ulfried HAINZL als Ersatzmitglied für die vierte Stelle in den Bundesrat gewählt.

Ich beehre mich, Ihnen dies zur Kenntnis zu bringen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Siegfried Schrittwieser e.h.

A-8010 Graz – Landhaus. Tel.: (0316) 877-2217. Fax: (0316) 877-3993

Beilage

STEIERMÄRKISCHER LANDTAG

XV. GESETZGEBUNGSPERIODE – Einl.Zahl 108/2

Landtagsbeschluss Nr. 54

aus der 3. Sitzung der XV. Gesetzgebungsperiode des Steiermärkischen Landtages vom 13.12.2005

Herr Mag. Ulfried HAINZL wird als Ersatzmitglied an die 4. Stelle in den Bundesrat ge­wählt.

Die Übereinstimmung der Beschlussausfertigung mit der amtlichen Verhandlungs­schrift wird bestätigt.

Dr. Heinz Anderwald e.h.

*****

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 6).

Beharrungsbeschlüsse des Nationalrates gemäß Art. 42 Abs. 4 B-VG: Die ursprüng­lichen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Gesellschaft „Familie & Beruf Management GmbH“ erlassen sowie das Familienlastenausgleichsge­setz 1967 geändert wird (1257/NR d.B.),

ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997 geändert wird (Postgesetzno­velle 2005) (1258/NR d.B.), und


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ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (1259/NR d.B.),

werden gemäß Art. 42 Abs. 4 B-VG wiederholt.

*****

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind jene Beschlüsse des Nationalrates vom 6. und 7. Dezember 2005, hinsichtlich deren den jeweiligen sachlich zuständigen Ausschüssen des Bundesrates zur Berichterstattung eine Frist bis zum 24. Jänner 2006 gesetzt wurde.

Es ist dies der Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend eine Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, hinsichtlich dessen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung eine Frist bis zum 24. Jänner 2006 gesetzt wurde.

Es sind dies des Weiteren die Beschlüsse des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird, hinsichtlich deren dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur Berichterstattung eine Frist bis zum 24. Jänner 2006 gesetzt wurde.

Ebenso ist das der Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend eine Urheberrechtsgesetz-Novelle 2005, hinsichtlich dessen dem Justizausschuss zur Berichterstattung eine Frist bis zum 24. Jänner 2006 gesetzt wurde.

Es sind dies weiters die Beschlüsse des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betref­fend ein Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Meldegesetz 1991 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden, und ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert wird, so­wie ein Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird, hinsicht­lich deren dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Berichterstattung eine Frist bis zum 24. Jänner 2006 gesetzt wurde.

Es sind schließlich auch die Beschlüsse des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 be­treffend ein 2. Schulrechtspaket 2005 und ein Hochschulgesetz 2005, hinsichtlich de­ren dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zur Berichterstattung eine Frist bis zum 24. Jänner 2006 gesetzt wurde.

Da die genannten Ausschüsse innerhalb der ihnen gesetzten Frist keinen Bericht er­stattet haben, sind die gegenständlichen Vorlagen gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates auch ohne Vorliegen eines schriftlichen Ausschussberichtes in Verhandlung zu nehmen. Ich habe daher diese Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 sowie 5 bis 7 unter einem zu verhandeln.


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Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall, und wir werden daher so vorgehen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

11.20.561. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), das Tilgungsge­setz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Staatsbürgerschafts­rechts-Novelle 2005) (1189 d.B. und 1254 d.B.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Da der Bundesrat dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates eine Frist bis zum 24. Jän­ner 2006 gesetzt hat, ist diese Vorlage gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auch ohne Vorliegen eines schriftlichen Ausschussberichtes in Verhand­lung zu nehmen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


11.21.42

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hoher Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs eines fest­halten: Ich möchte mich bei den Regierungsparteien – und da hat sich seit der letzten Sitzung erfreulicherweise etwas geändert – für den unaufgeregten Umgang damit be­danken, dass wir heute eine Sitzung haben, die nicht auf dem Parlamentsfahrplan steht, sondern eine Sondersitzung ist und ihr Stattfinden einer Initiative der Grünen und der SPÖ verdankt, weil wir, und ich werde dann dazu noch ein paar Worte sagen, zu einer Reihe der heute zu behandelnden Materien ergänzende Informationen einholen wollten.

Wir haben die Sondersitzung nicht verlangt, um Ihnen, Frau Präsidentin, die frühere Abgabe Ihrer Antrittserklärung zu ermöglichen, aber ich möchte ausdrücklich festhal­ten, dass wir nicht aus Höflichkeit geklatscht haben, sondern aus voller Überzeugung. Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, für diese Rede. Sie hat zusammengefasst, was wir, so meine ich, gemeinsam über die Rolle des Bundesrates denken und in zahlreichen Beschlüssen zum Ausdruck gebracht haben. Insofern freue ich mich. Das ist ein guter Einstieg in ein neues Arbeitsjahr. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! (Allgemeiner Bei­fall.)

Wie gesagt, wir haben diese Sondersitzung nicht aus Jux und Tollerei verlangt, son­dern deshalb, weil wir immer die feste Absicht hatten und sie jetzt auch verwirklichen konnten, im Rahmen unserer verfassungsrechtlichen Möglichkeiten die Mitbestimmung des Bundesrates – ich sage es einmal mit einem schnoddrigen Ausdruck – auszu­reizen. Und wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen, sich die Unterlage, die zum ersten Mal in unserem Sitzungssaal aufliegt, anschauen, dann werden Sie merken, dass das keine leere Pflichtübung ist. Ich gebe zu, am Beginn der Sitzung ist es ein bisschen spät, um vielleicht auch einen Gesinnungswandel auf dieser Seite des Hauses einzu­leiten, aber lesen Sie diese Stellungnahmen und nehmen Sie zwei Dinge daraus mit: Erstens, dass eine Reihe der Stellen, die wir um Stellungnahmen ersucht haben, mit großer Freude, und sie sagen das auch, diese Möglichkeit zum Dialog mit der zweiten Kammer nützen.


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Wir sollten unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen – auch die können sich wieder ändern – die Nutzung dieser Möglichkeit beibehalten, in den direkten Dialog in erster Linie mit den Ländern, aber auch mit den großen gesellschaftlichen Organisationen unseres Landes zu treten, damit wir bei unseren Entscheidungen von einem breiten Spektrum an Meinungsäußerungen beraten und gestützt werden.

Der Bundesrat ist nicht der Erfüllungsgehilfe dieser oder irgendeiner Regierung. Er ist ein parlamentarisches Gremium, natürlich mit der vorrangigen Aufgabe – und dazu ha­ben wir heute auch Gelegenheit –, Interessen der Länder zu vertreten. Auf Grund der Form seiner Zusammensetzung, auf die auch die Frau Präsidentin hingewiesen hat, ist er ein sensibleres Instrument als der Nationalrat, um die Mehrheitsmeinung in der Be­völkerung wiederzugeben. Da die jeweilige Vertretung eines Bundeslandes nach einer Landtagswahl erneuert wird und diese zwar nicht öfter, aber in anderen Abständen als die Nationalratswahl stattfinden, ist die Mehrheit im Bundesrat das Resultat von neun Einzelentscheidungen und nicht nur einer Abstimmung. Dass sich seit dem Jahr 2002 etwas verändert hat, das kann ja nun jeder registrieren, gerade auch jeder, der im poli­tischen Leben steht.

Wenn wir diese Sondersitzung heute beantragt haben, ich sagte es schon, dann erstens, um ein breites Meinungsspektrum einzuholen, und zweitens, um zu vermei­den, dass Gesetze einfach durch Ablauf der Acht-Wochen-Frist in Kraft treten. Ich denke, niemand kann daran Kritik üben, dass sich der Bundesrat auch dann äußern und sich nicht verschweigen soll, wenn er ja sagt, und es wird einige Vorlagen geben, zu denen auch wir ja sagen in der Abstimmung, wo wir das In-Kraft-Treten nicht verhin­dern wollen. Dazu ist diese Sitzung ebenfalls notwendig.

Es hat im Dezember, als auf Grund der Fristsetzungsanträge für die ÖVP leicht auszu­rechnen war, wie wir vorgehen wollen, eine hektische Aufregung und große Kritik ge­geben, dass wir eine Sondersitzung anpeilen. Ich habe damals in einer Kurzwortmel­dung schon darauf hingewiesen, dass das ja nicht so ist, dass das ein Novum in der Geschichte des Bundesrates wäre. Wir haben im Jahr 2001, nicht in grauer Vorzeit, mit zumindest einem Akteur, der auch heute noch unter uns ist, eine Sondersitzung ge­habt, die die Fraktionen der ÖVP und der damaligen FPÖ beantragt haben. (Bundesrat Schennach: Das kann nur Bieringer gewesen sein!) – Ja, er leugnet es ja nicht!

Damals ging es nicht darum – und das macht vielleicht schon ein bisschen einen Un­terschied aus –, nach einer gründlichen, intensiven Beratung ja oder auch nein zu sa­gen, sondern es ging einmal mehr darum, eine Entscheidung des Verfassungsgerichts­hofes auszuhebeln, und daran soll immerhin erinnert werden. Es ging um die Bestim­mungen zu den Ambulanzgebühren. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sollte im April 2001 veröffentlicht werden und damit rechtsverbindlich sein. Um das zu unterlaufen, gab es eine Sondersitzung und auch damals den Beschluss, dem Sozial­ausschuss eine Frist zu setzen. Am 4. April fand dann diese Sondersitzung auch statt. Diese Vorgangsweise wurde gewählt, um dem SPÖ-Vorsitzenden des Sozialausschus­ses die Möglichkeit zu nehmen, durch eine Unterbrechung der Sitzung ein rechtzeitiges In-Kraft-Treten der Sanierung gemäß dem Verfassungsgerichtshoferkenntnis zu ver­hindern.

Meine Damen und Herren! Wir alle – und ich übe daran nicht die geringste Kritik – nützen streng nach dem, was in unserer Geschäftsordnung steht, deren Möglichkeiten. Wir sollten uns das nicht gegenseitig vorwerfen, und wir sollten es uns schon gar nicht gegenseitig vorwerfen, wenn einer von uns auf eine originelle Idee kommt.

Wir werden – und das möchte ich zu diesem Abschnitt meiner Rede noch hinzufügen – selbstverständlich dabei bleiben, dass wir differenziert vorgehen. Der Bundesrat ist nicht nur nicht der Erfüllungsgehilfe der Regierung, er ist auch nicht das Werkzeug


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einer Neinsagerei. Wir werden dort, wo wir das inhaltlich für angemessen halten und formal verantworten können, unsere Einsprüche vorlegen und hoffentlich beschließen. Wir werden dort – ein solcher Fall kommt heute vor: Schulpaket –, wo es gute Gründe gibt, inhaltlich dagegen zu sein, aber formale Argumente gibt, um zuzustimmen, zustimmen, aber gleichzeitig in einem Entschließungsantrag die Regierung darauf auf­merksam machen, dass wir in einem ganz konkreten, wichtigen Fall – Stützlehrer – mit dem materiellen Inhalt dieses Gesetzespaketes nicht zufrieden sind, und hoffen, dass das Gehör findet. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und wir werden in vielen, vielen Fällen selbstverständlich zustimmen, auch dann, wenn es in Einzelfällen oder bei bestimmten Paragraphen Differenzen gibt, weil wir unsere Aufgabe nicht darin sehen, den Gesetzgebungsprozess möglichst zu erschweren, son­dern darin, ein Maximum für die Menschen unseres Landes zu erreichen.

Ich hatte ursprünglich nicht die Absicht, in diesem Redebeitrag – die Frau Präsidentin möge mir dieses Eingeständnis verzeihen – den gegenständlichen Gesetzesbeschluss des Nationalrates auch inhaltlich zu behandeln. Ich gebe aber zu, dass hier heute Mor­gen eine für mich völlig neue und überraschende Situation entstanden ist, eine beinahe einzigartige Situation; ich habe sie jedenfalls so noch nicht erlebt. Hochrangige Verfas­sungsexperten und leitende Beamte haben uns telefonisch kontaktiert und dringend gebeten, in der heutigen Sitzung auf die absolute Verfassungswidrigkeit einer Bestim­mung der Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz hinzuweisen, damit der Nationalrat bei seiner neuerlichen Beratung, wenn schon sonst nichts, zumindest diese eklatante Verfassungswidrigkeit beseitigen kann.

Nach dem neuen § 39a werden die Behörden des Bundes, der Länder und Gemein­den, die Geschäftsstellen des AMS sowie die Träger der Sozialversicherung verpflich­tet, auf Anfrage der Staatsbürgerschaftsbehörde Daten zu übermitteln; und es wird weiters, und das einfachgesetzlich, festgehalten: Eine Verweigerung dieser Auskunft ist nicht zulässig. – Damit werden die verfassungsrechtlich garantierten Verschwiegen­heitspflichten, bis hin zu Grundrechten wie dem Grundrecht auf Datenschutz, einfach­gesetzlich aufgehoben! Es ist offensichtlich, dass diese Bestimmung klar verfassungs­widrig ist und in die Rechte der Betroffenen, aber auch in die Rechte dieser genannten anderen Behörden in einer eklatant verfassungswidrigen Weise eingreift.

Wir werden selbstverständlich die Abgeordneten aller Fraktionen im Nationalrat, die sich mit dieser Vorlage neuerlich zu beschäftigen haben, wenn unser Einspruchsantrag in weiterer Folge eine Mehrheit findet, von diesem Umstand in Kenntnis setzen. Ich sage aber gleich dazu, Frau Bundesminister, dass, sollte diese offensichtliche Verfas­sungswidrigkeit im Nationalrat nicht beseitigt werden, dann die sozialdemokratische Bundesratsfraktion diese Gesetzesbestimmung beim Verfassungsgerichtshof einem Gesetzesüberprüfungsverfahren unterziehen wird.

Meine Damen und Herren! Auch das ist ein Beispiel dafür, wie sich Dinge verändern können. Ich glaube ja nicht, dass ich so gereift bin, dass es jetzt plötzlich alle diese An­rufe gibt. Die Frau Präsidentin hat davon gesprochen, der Öffentlichkeit den Bundesrat nahe zu bringen, und wir scheinen Fortschritte zu machen. Ich glaube, dass Beamte – auch solche, die an dem Gesetz mitgearbeitet haben, sage ich in Klammer dazu – die Möglichkeit sehen, durch den Einspruch und durch den Hinweis auf dieses spezifische Problem eine Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zu verhindern. Wir haben auf die­sen Sachverhalt aufmerksam gemacht. Ich bitte Sie, Frau Bundesminister, sich das auch selbst sehr, sehr gründlich anzuschauen. Es ist wirklich, wenn Sie das nachlesen, einsehbar, warum es diese Einwände gibt.

Ich möchte das als Beispiel dafür anführen, wie wir uns Bundesratsarbeit in Zukunft vorstellen: im Dialog mit den Menschen, im Dialog mit denen, die die Gesetze ausfüh-


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ren müssen, im Dialog selbstverständlich mit den Ländern und im Dialog mit den gro­ßen Organisationen unseres Landes. Das kann auch einer Regierung ganz gut tun, wenn sie gelegentlich ein solches Memento zugerufen bekommt, aber es tut auf jeden Fall unserem Land gut! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.36


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Dr. Kühnel. Ich erteile es ihm.

 


11.36.43

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Be­vor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, möchte ich mich für die europapolitischen Passagen der Frau Präsidentin in ihrer Antrittsrede sehr, sehr herzlich bedanken. Sie dokumentiert nicht nur einerseits in ihrer Rede, dass das Bundesland Niederösterreich im Allgemeinen, aber auch der Bundesrat im Besonderen ein besonderes Nahever­hältnis zur EU hat. Denn wir haben in unserer Arbeit festgestellt, dass Europa, Brüssel, Straßburg für unsere Arbeit sehr, sehr wichtig ist und wir im Bundesrat immer wieder sehen, dass sehr viele Gesetzesinitiativen aus Brüssel kommen.

Diese rhetorischen Anregungen, die hier vorgebracht worden sind, werden aber noch in einer anderen Weise besonders dokumentiert. Ich möchte dir, Frau Präsidentin, sehr herzlich dafür danken, dass wir nun auch im Bundesrat die Europaflagge haben, damit wir immer vor Augen geführt bekommen, dass Europa für uns von ganz, ganz beson­derer Bedeutung ist. Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrätinnen und Bundesräten der SPÖ.)

Herr Bundesrat Klubobmann Konecny hat in seiner Rede sehr allgemein gesprochen und versucht zu begründen, warum diese Sitzung stattfindet. Darauf möchte ich nicht eingehen; ich möchte nur festhalten, dass er eigentlich zum Tagesordnungspunkt fast nicht gesprochen (Bundesrat Konecny: Richtig!), außer dass er eine Verfassungsge­richtshofbeschwerde in Aussicht gestellt hat. Daher fällt es mir in meiner Rede nun sehr, sehr leicht, auf die Vorteile des Staatsbürgerschaftsgesetzes einzugehen.

Wenn ich meine politische Laufbahn im 1. Bezirk betrachte – und ich weiß, dass die Sozialdemokraten das gelegentlich belächeln –, dann möchte ich kurz in die achtziger Jahre zurückgehen und darauf hinweisen, dass es früher eine so genannte Staatsbür­gerschaftskommission in den Bezirken gab. Diese Staatsbürgerschaftskommissionen hatten die Akten für die Einbürgerung zu beurteilen und Stellungnahmen abzugeben.

Was ist aber mit dieser Staatsbürgerschaftskommission in Wien passiert? – Nachdem diese Staatsbürgerschaftskommission gelegentlich Fragen an die Stadt Wien gestellt hatte, warum zum Beispiel diese oder jene Einbürgerung stattfinden sollte, warum zum Beispiel ein Hilfsarbeiter einen in goethischer Sprache verfassten Lebenslauf abgab, um österreichischer Staatsbürger zu werden, und nachdem auch Fragen gestellt wor­den waren bezüglich der Einkünfte, die dieser Staatsbürgerschaftswerber hatte, wurde in Wien – wie könnte es anders sein! – diese Kommission abgeschafft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, das war in den acht­ziger Jahren. Damals gab es für die denkenden Menschen in der Politik schon Hinwei­se darauf, dass sich da eine Praxis entwickelt, die auf Dauer sicher nicht sehr günstig für die Republik ist.

Nunmehr ist es darum gegangen, diese Erkenntnisse, die sich aus neun verschie­denen Verwaltungspraxen – denn die Staatbürgerschaftsverleihung ist Landessache – entwickelt haben, einer generellen Vereinheitlichung zuzuführen. Aus dem heraus ist


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man hergegangen und hat versucht – wie das die gute Politik tun soll –, entsprechende Vereinheitlichungen durchzuführen und Lösungen anzubieten.

Hier wurde unter anderem geregelt: die Einschränkung der Möglichkeit einer vorzei­tigen Einbürgerung vor Ablauf von zehn Jahren; eine Vereinheitlichung der Fristen des zur Erlangung der Staatsbürgerschaft notwendigen rechtmäßigen Aufenthaltes; die Erhöhung des zur Einbürgerung notwendigen Deutschniveaus und Schaffung der Not­wendigkeit von Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes. Dieser Punkt erscheint mir ganz beson­ders wichtig, weil es einfach notwendig ist, die Sprachkenntnisse zu haben, um sich in die Gesellschaft des neuen Landes zu integrieren.

Was ebenfalls besonders wichtig ist und was gelegentlich auch unseren Schülern ganz gut täte, ist, dass wir eine Ausbildung in Demokratie erhalten. Was bedeutet Demokra­tie? – Mehrheitsentscheidungen zum Beispiel, regelmäßige Wahlen, Rechtsstaatlich­keit. Denn viele dieser Zuwanderer nach Österreich kommen ja aus Ländern, die nicht unbedingt als demokratisch einzustufen sind. Daher ist das ein besonderer Punkt von ganz außerordentlicher Wichtigkeit, dass mittel- bis langfristig die Demokratie auch bei den neuen Staatsbürgern verankert wird.

Ferner geht es um Kenntnisse über Österreich. Man muss einfach etwas über unser Land wissen, über seine Geschichte und natürlich auch über das Bundesland, in dem man seinen Aufenthalt gewählt hat.

Vom Herrn Klubobmann ist, wie gesagt, erwähnt worden, dass eine Verfassungsge­richtshofbeschwerde in Aussicht sein könnte. Hier muss ich aber schon sagen – und ich war auch eine gewisse Zeit in einem Bundesministerium tätig –, dass es sehr, sehr notwendig ist, dass für die Entscheidung ein entsprechender Zugriff auf die Daten, die in Österreich vorhanden sind, gegeben ist. Denn die Behörde soll, wenn sie einen Staatsbürgerschaftsbescheid erlässt, doch bitte wissen, was sich in den zehn, 15 – und so weiter – Jahren abgespielt hat, damit hier eine gute und vernünftige Entscheidung im Interesse der Republik getroffen werden kann.

Als Letztes: Was mir ebenfalls wichtig erscheint, ist, dass ich auch den § 11a des neuen Gesetzes erwähne, worin gegen den Missbrauch der Scheinehen vorgegangen wird. Das ist meiner Ansicht nach ebenfalls eine besondere Errungenschaft.

Daher erlaube ich mir zum Abschluss, einen Antrag gemäß § 43 der Geschäftsord­nung des Bundesrates einzubringen, dass gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985, das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden – in Klammer: Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 –, kein Einspruch erho­ben wird.

Dieser Antrag ist mit den notwendigen Unterschriften versehen, und ich darf Ihnen, Frau Präsidentin, diesen Antrag überreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.44


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Dieser Antrag, der soeben eingebracht wurde, ist ausreichend unterstützt und steht somit ebenfalls zur Debatte.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

gemäß § 43 GO-BR der Bundesräte Dr. Kühnel, Kolleginnen und Kollegen gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit


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dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005) (1189 d. B. und 1254 d. B.), keinen Einspruch zu erheben (TOP 1)

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), das Tilgungsge­setz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Staatsbürgerschafts­rechts-Novelle 2005) (1189 d. B. und 1254 d. B.), wird kein Einspruch erhoben.

*****

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach genannt. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.44.50

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Frau Präsidentin, auch von unserer Fraktion ein großes Kompliment für Ihre Rede! Ich schließe mich hier Herrn Professor Konecny vollinhaltlich an, wenn er meinte: Mit dieser Rede, aber auch mit der heutigen Sondersitzung hat das Jahr für den Bundesrat gut begonnen. Ich kann Ihnen für Ihr Halbjahr, für Ihre Vorsitzführung und vor allem für den Elan, den Sie dafür einbringen, und die Tatkraft nur herzlichst gratulieren und unsere Unterstützung dafür bereits als sicher erklären. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Im Vorfeld dieser heutigen Sondersitzung sind Worte wie „totalitärer Machtrausch von Rot und Grün“ gefallen. Ich verstehe das alles nicht! Und ich verstehe nicht, dass zum Beispiel die ÖVP hier dem Kollegen Himmer die Möglich­keit geben will – und diese Sondersitzung unterstreicht es ja, dass wir uns hier heute in einer Weise in acht Materien vertiefen können ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Klubobmann Molterer hat das gestern gesagt; nicht Himmer, sondern Molterer (Bundesrat Konecny – in Richtung Bundesrat Mag. Himmer –: Sie können sich gern davon distanzieren!) laut Austria Presseagentur: Das Parlament sei auf einem Tiefstand angelangt, heißt der Titel der Erklärung von Herrn Klubobmann Molte­rer. Das können wir gerne zur Verteilung herumreichen, wenn Sie sagen, es hat das niemand gesagt. Es ist leider gestern über die APA gelaufen, daher kann man doch annehmen, dass er es gesagt hat. Es ist auch kein Widerruf dieser Aussage erfolgt, sondern man kann es auch sonst nachlesen.

Wir haben heute diese Sondersitzung gemacht, die es uns allen ermöglicht, acht Mate­rien in einer Ausführlichkeit zu diskutieren, zu der wir bei der letzten Sitzung nicht die Möglichkeit hatten. Und was wir hier durch geänderte Mehrheitsverhältnisse seit den letzten Sitzungen erreicht haben, ist, dass die Länder in einer Weise eingebunden wer­den, wie sie vorher noch nicht eingebunden waren, nämlich so, dass wir sie nachträg­lich noch einmal um Stellungnahmen ersuchen. Die vielen Stellungnahmen, die zwi­schen der ersten Sitzung, dem Bundesrat und bei einer Verschiebung der Materie bis zur zweiten Behandlung eintreffen, zeigen das Bedürfnis nach Kommunikation. Wenn die Frau Präsidentin in ihrer Antrittsrede von der Notwendigkeit und dem Geist des Föderalismus spricht, kann ich nur sagen, dass wir mit dieser Vorgangsweise den Föderalismus und die Bedeutung dieses Hauses neu belebt haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt das neue Staatsbürgerschaftsgesetz vor uns. Ich muss ehrlich sagen: Nur zu sagen, dass ich erschüttert bin über das, was hier vorliegt, ist praktisch schon harmlos; ich schäme mich für so ein Gesetz! Ein solches Gesetz sollte eigentlich von einem anderen Gedanken herkommen, die Reform eines


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Staatsbürgerschaftsgesetzes sollte nämlich den Integrationsgedanken, den Angebots­gedanken als Grundlage haben, aber nicht die Abwehr, die Verschärfung, das Hinaus­zögern, das undifferenzierte Gleichmachen, egal ob Menschen in Not sind oder nicht, das nicht individuelle Behandeln von Lebens- und Familiensituationen. Es geht darum, Menschen mit Rechten und Pflichten auszustatten, um in einer Gesellschaft zu partizi­pieren. Aber was machen wir? – Wir setzen auf Abwehr, wir setzen auf Verzögerung.

Ein modernes und zeitgemäßes Staatsbürgerschaftsgesetz soll Hilfen der Integration anbieten. Es soll die Möglichkeit bieten, dort, wo Missbrauchsverdacht besteht, eine Handhabe zu haben, keine Frage, oder auch dort, wo Fehler sind, keine Frage; aber es geht darum, den Menschen Integration zu erleichtern, insbesondere deshalb, weil wir hier vielfach auch innerfamiliäre Beziehungen determinieren und regeln.

Meine Damen und Herren! Wenn wir vom Föderalismus reden: Die Länderreferenten und -referentinnen haben das alte Staatsbürgerschaftsgesetz immer als nachvollzieh­bar betrachtet, und es gab durch die Treffen der Länder auch eine Österreich-einheit­liche Praxis im Vollzug. Der Wunsch der Länder war immer: keine Veränderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes, solange sich die Länder nicht zu einer Meinung zusam­menfinden. Und der frühere Innenminister hat immer gesagt: Solange die Länder nicht aus einem Mund sprechen, möchte ich es nicht verändern.

Bei dieser Novellierung sind die Länder nicht eingebunden gewesen, sie werden jetzt mit einer Staatsbürgerschaftsrechts-Änderung konfrontiert, die sie so, in der Form, nicht wollten. Es kann in Wirklichkeit niemand erklären – außer mit dem Argument der Abwehrhaltung –, warum jetzt ein von den Ländern als praktikabel, als nachvollziehbar, als tauglich befundenes Gesetz aus Jux und Tollerei und auf Grund von Ängsten ver­ändert wird, die so nicht da sind.

Wenn wir jetzt einmal die Verschärfungen in diesem Gesetz sehen, die einen Ein­spruch hervorrufen – nein, ich gehe noch einen Satz zurück: Unser Einspruch, den wir heute hier erheben, begründet sich auch aus der Perspektive, dass die Länder hier nicht in der geeigneten Form eingebunden waren, dass die Länder ein Gesetz als taug­lich betrachtet haben und dass nun diese niemals, auch von der Regierungsseite her nie offen und ehrlich diskutierte Änderung – denn alles, was seitens der Regierung bis­her gesagt worden ist, ist nie auf die wirklichen und ehrlichen Motive eingegangen – erfolgt. Deshalb der Einspruch aus föderaler Sicht!

Aber ich möchte auch einmal inhaltlich an die Sache herangehen, und da kommen schon die Schamgrenzen zutage. Zum Beispiel bei anerkannten Flüchtlingen: eine Fristverlängerung der Einbürgerungsmöglichkeit bei anerkannten Flüchtlingen von vier auf sechs Jahre. – Warum?

Zweitens: Personen mit Refoulementschutz haben nun eine von sechs auf fünfzehn Jahre verlängerte Wartefrist. Diese Leute haben ja nicht einmal einen Pass – fünfzehn Jahre Warten ohne Pass! Das sind Grundrechte, meine Damen und Herren, die hier in der Tat verschärft werden, was mehr als eine Schamesröte hervorrufen müsste.

Minderjährige: dort, wo eigentlich die Integration am meisten greifen müsste – wir ha­ben heute noch ein Schulpaket auf der Tagesordnung –, Wartefrist bei Minderjähri­gen – lassen Sie sich das auf den Lippen zergehen – von vier auf zehn Jahre verlän­gert! Von vier auf zehn Jahre bei Minderjährigen verlängert! Wo greifen hier Integrati­onsbemühungen? – Wir müssen uns um die dritte, vierte und fünfte Generation in einer Art und Weise bemühen und ihnen nicht die kalte Schulter einer Gesellschaft hinhalten. Auch bei Minderjährigen, die in Österreich geboren wurden, gibt es eine Verschiebung von vier auf sechs Jahre.


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Es gibt natürlich in jedem kritisierbaren Gesetz auch etwas, worüber man sagen muss: Wenigstens, danke! Der Sitzenbleiberpassus wurde zumindest – danke! – abgemildert, aber er wurde nur abgemildert und ist nach wie vor in der Form völlig unbrauchbar, nämlich menschlich, pädagogisch und ökonomisch. Jetzt muss es eine positive Note in der fünften Schulstufe geben. Ich denke, dass wir hier ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Ist das so ein Unglück?)

Nein, aber wir setzen diese Familien unter einen enormen Druck! Sie legen ein Schul­paket vor, worin von den 800 geforderten Stützlehrern 300 bewilligt werden – nur 300 von 800 dringend benötigten Stützlehrern! Wenn ich nicht A sage, dann kann ich nicht B fordern, Herr Kollege Kühnel! Sie fordern B und leisten nicht das, was bei A notwen­dig ist, nämlich Stützlehrer und entsprechende Angebote. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Dr. Kühnel: Ja wenn Sie nicht einen ...!)

Herr Kollege Kühnel! Einbürgerung und Integration, die sich nur auf Druck auf Minder­jährige begründen, sind unanständig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Wenn ich jetzt noch davon ausgehe, dass es durchaus Fami­lien mit unterschiedlichen Staatsbürgerschaften gibt – wir leben in einer mobilen Ge­sellschaft, alles gibt es –, dann ist das etwas, worüber wir denken müssen: Was laden wir da auf Familien ab? – Natürlich hat Integration die Sprache Deutsch zur Vorausset­zung, aber da muss ich mehr als nur einen Bestrafungsakt für Jugendliche machen.

EhegattInnen: Die Wartefrist kann nun elf Jahre dauern – elf Jahre, sie kann elf Jahre dauern! (Ruf bei der ÖVP: Kann! Das kann sie!) Fünfjährige Ehebestandspflicht: Wo­hin drängen wir denn diejenigen, die nach vier Jahren sagen: wir können nicht, wir waren die Falschen!, so wie viele Österreicher und Österreicherinnen schon nach ein paar Monaten feststellen, dass sie die falsche Partner- und Partnerinnenwahl getroffen haben. Dann gilt das alles nicht! Wir verlangen von solchen Beziehungen: „Pickt fünf Jahre zusammen!“, weil es keine Änderungen, keine Ausnahmen, nichts Berücksichti­gungswürdiges gibt. Wir gehen nicht auf das Faktum ein, dass auch Integrationssu­chende einmal eine gescheiterte Beziehung haben können. Das gibt es nach diesem Gesetz nicht.

Es gibt nach diesem Gesetz auch etwas nicht, was es bisher gab und was sogar der Verwaltungsgerichtshof eingemahnt hat: dass es für Menschen in Notlage eine Aus­nahme seitens der Behörde gibt. Jetzt gibt es keine Ausnahmen mehr!

Meine Damen und Herren! Jetzt kommt die größte Absurdität; oder ich weiß ja nicht, was man da noch überbieten kann, ich glaube, die Minderjährigen stehen ganz oben. Wir alle fordern Mobilität, Mobilität, Mobilität! Wenn nun jemand zehn Jahre auf die Staatsbürgerschaft wartet, aber aus beruflichen Gründen einen Superjob bekommt – meinetwegen pendelnd, oder irgendwie in München oder in Düsseldorf –, und wenn sich derjenige mehr als „20 von Hundert“ dort aufhält, ist die Wartefrist weg. Wenn er den Job nach sechs Jahren hat, weil ihm die österreichische Firma sagt: Jetzt geh bitte in die Schweiz!, oder sonst wohin, dann ist das weg! Es ist weg! Er darf das nicht unterbrechen.

Sind wir ein Gefängnis? Oder was sind wir hier eigentlich? – Nehmen wir bei Beziehun­gen, bei Jobs Rücksicht darauf, dass es „Mobilitäten“ gibt, wenn ich das bei Beziehun­gen einmal so sagen darf? Das gibt es alles, aber dieses Gesetz verstößt dagegen: Dieses Gesetz berücksichtigt das nicht.

Weiters finde ich es auch seltsam, dass man dem Forschungs- und Wirtschaftsstand­ort, vor allem dem Wissenschaftsstandort Österreich mit diesem Gesetz fast einen Todesstoß versetzt. Es geht nämlich darum: Was ist „niedergelassen“? – Jetzt steht da drin: Als „Niederlassung“ zählt es nicht für Studierende, Schüler und Schülerinnen, Künstler und Künstlerinnen; die können meinetwegen zehn Jahre im Musikverein diri-


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gieren, sie haben sich hier nicht „niedergelassen“. Aber es zählt auch nicht für For­scher und Forscherinnen und für humanitäre Aufenthaltsberechtigte. Es zählt nicht, die sind nicht „niedergelassen“ und werden hier ausgenommen. – Das darf doch nicht wahr sein!

Das darf im Grunde nicht wahr sein, weil wir es hier eigentlich gerade vom Wissen­schafts- und Wirtschaftsstandort her bräuchten. Im Grunde wäre es eine Attraktivität, hier offener zu sein, aber so liegt eine von Ängsten bestimmte, kleinkarierte Regelung vor, die menschliche Härten schafft, die meiner Meinung nach völlig unzeitgemäß ist, die mit den Ländern in der Weise nicht verhandelt ist und die meiner Meinung nach Dutzende und Aberdutzende neue Härtefälle schaffen wird. Deshalb, meine Damen und Herren, geschieht diesem Gesetz zu Recht der Einspruch.

Ich hoffe, auch im Lichte dessen, was Herr Professor Konecny über die Verfassungs­widrigkeit des § 39a gesagt hat, dass man im Nationalrat bei der Wiederbefassung – die ihm der Bundesrat als eine Chance anbietet, nämlich die Chance des Nationalra­tes, sich wieder mit diesem Gesetzentwurf zu befassen –, dieses Gesetz quasi generell neu aufmacht, dass man neu in Verhandlungen eintritt und es irgendwann – in hoffent­lich verbesserter Form – wieder in den Bundesrat kommt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.00


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Ing. Kampl. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.00.48

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­te Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Sehr geehrte Frau Präsident! Alles Gute für Ihre künftige Arbeit! Eine Frau Bürgermeister als Bundesratspräsident bringt Toleranz, bringt Demokratie mit, die wir als Bürgermeister haben – und wir sind neun Bürgermeister hier im Haus –, da wir täglich unmittelbar mit den Menschen in Kontakt sind.

Liebe Frau Präsident! Ich glaube, du wirst immer das Gemeinsame finden, und ich wünsche dir für die Republik Österreich viel, viel Erfolg! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Der Tagesordnungspunkt 1 der heutigen Sitzung betrifft die Änderung des Staatsbür­gerschaftsgesetzes. Das Staatsbürgerschaftsrecht eines Bürgers unserer Republik ga­rantiert Schutz, garantiert Rechte und volle Teilnahme an der Demokratie und an allen demokratischen Einrichtungen. Das haben wir zum Teil verlernt; vor allem unserer Jugend müsste es heute mehr näher gebracht werden, dass sie ja voll mitgestalten darf, und wir sollen sie zu dieser Mitgestaltung gerne einladen.

Das Recht, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben, ist Teil der derzeitigen Bundesverfassung, etwas, was wir Bürgermeister und auch die Länder schon lange gewollt und gefordert haben. Das heute zu verhandelnde, vorgelegte Gesetz sollte diese Regelung weiter gesetzlich verankern. Herr Kollege Schennach, das ist, glaube ich, der Sinn dieser heutigen Gesetzeswerdung.

Darüber hinaus besteht mit diesem Gesetz kein Widerspruch zum Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das seit 1. Jänner 2006 in Kraft ist. Die Wünsche, die österreichi­sche Staatsbürgerschaft zu erhalten, waren so unterschiedlich, dass es ohne eine ge­setzliche Regelung bisher zu nicht nachvollziehbaren Einbürgerungen gekommen ist.

Folgende Voraussetzungen für eine Einbürgerung, die wir begrüßen, müssen gegeben sein: das Vorleben der betroffenen Person, das Strafregister der betroffenen Person,


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der deutschen Sprache mächtig beziehungsweise das Bemühen, derer mächtig zu werden, ordentlicher Wohnsitz.

Österreich und Europa brauchen Zuwanderung. Dessen sind wir uns alle bewusst. Österreich und Europa brauchen Zuwanderung, Zuwanderer, die sich im Gastland als Gäste benehmen. Österreich und Europa brauchen Zuwanderer, die bereit sind, das Gastland als neue Heimat zu schätzen.

Mit diesem Gesetz werden künftig viele Vorbehalte gegenüber den nach Österreich zu­gereisten jungen Menschen ausgeräumt. Ich bin davon überzeugt, dass mit diesem Gesetz viele Österreicher viel offener unsere neuen Bürger aufnehmen und ihnen be­gegnen werden. – Ich danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.04


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. Ich erteile ihr das Wort.

 


12.04.32

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Minister! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als erste Rednerin aus dem Bundesland Salzburg möchte auch ich mich sehr herzlich für Ihre heutige Rede bedan­ken und Ihnen im Namen des Bundeslandes Salzburg – ich hoffe, ich darf das, Herr Kollege Bieringer – alles, alles Gute für Ihre Präsidentschaft wünschen. Natürlich wer­den wir dem Wunsch nach Zusammenarbeit gerne nachkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SPÖ-Fraktion stimmt bekannterweise die­ser Regierungsvorlage nicht zu, da es keinen Grund dafür gibt. Ich habe, ehrlich gesagt, auch von Herrn Kollegen Kühnel noch keinen guten Grund für eine Änderung des bestehenden, sehr praktikablen Staatsbürgerschaftsrechts gehört. Dieses ist heute schon, Kollege Kampl, eines der strengsten Europas. Unzweifelhaft ist das so! – Das war Punkt eins.

Punkt zwei: Es ist so, dass die Länder, die das Staatsbürgerschaftsrecht tagtäglich zu vollziehen haben, eben nicht in die Verhandlungen eingebunden waren.

Drittens wird unserer Meinung nach damit eine Novelle geschaffen, die inhaltlich eigentlich völlig kontraproduktiv ist.

Viele Punkte hat Herr Kollege Schennach zwar heute schon genannt, aber dieses Ge­setz ist es wirklich wert, dass alle diese Punkte nicht nur einmal genannt werden, son­dern sie können gar nicht oft genug genannt werden, nämlich wie schlimm sich das schlussendlich auswirken wird und wie schlimm das für den Ruf Österreichs im Aus­land sein wird. Deshalb erlaube ich mir, viele dieser Punkte noch einmal aus persön­licher Sicht zu wiederholen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kolleginnen und Kollegen! Einen unmittelbaren Handlungsbedarf gibt es nicht! Nie­mand konnte bisher das Gegenteil beweisen. Der Anstieg der Einbürgerungen von 1990 bis 2004 war nicht auf die vorzeitigen Ermessens-Einbürgerungen zurückzufüh­ren, wie das immer gerne dargestellt wird. Es wird meist gesagt: Die sind ja einfach nur so eingebürgert worden, das war irgendwie nicht richtig. – Das ist vor allen Dingen auf die regulären Einbürgerungen, insbesondere der Familienmitglieder, zurückzuführen. Und ich habe noch nicht gehört, dass das nicht der Wunsch aller hier im Saal oder in diesem Staat ist.


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Im Jahr 2005 ist die Zahl der Einbürgerungen – im Gegenteil! – um fast 15 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gesunken. Also ein unmittelbarer Handlungsbedarf lässt sich da wirklich nicht feststellen.

Lassen Sie mich anhand von zwei mir persönlich wichtigen Punkten einige Dinge klar­stellen! Das erste betrifft die Fristverlängerung; das ist schon dargestellt worden. Diese Fristverlängerung trifft anerkannte Flüchtlinge. Anerkannte Flüchtlinge! Durch die Verlängerung der Frist von vier auf sechs Jahre müssen die anerkannten Flüchtlinge jetzt also zwei Jahre länger warten. Wer sich mit dieser Materie je auseinander gesetzt hat, weiß, was es bedeutet, in unserem Land anerkannter Flüchtling zu werden – wirk­lich! –, und wie viele Jahre es schon von vornherein dauert, bis man so weit ist. Diesen Leuten dann noch zu sagen: So, jetzt könnt ihr noch zwei Jahre warten, bis ihr die Staatsbürgerschaft bekommt!, da frage ich mich, mit welchem Recht wir uns eigentlich erlauben zu glauben, dass uns das zusteht. Das möchte ich wirklich wissen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Über die Erhöhung der Wartezeit von sechs auf fünfzehn Jahre für Personen mit Re­foulementschutz möchte ich jetzt gar nichts mehr sagen. Überlegen Sie sich doch ein­mal Folgendes: Diese Personen waren gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, ge­zwungen, sonst hätten sie nämlich diesen Status in diesem Staat nie bekommen. Sie haben schwerste Verfolgungen erlitten! Und diesen Menschen jetzt die Einbürgerung auf diese Art und Weise zu erschweren, das finde ich absolut skandalös! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.– Sie können sich dann zu Wort melden und klarstellen, was Sie glauben, was daran richtig ist. Sie sind sowieso der nächste Redner. Ich bin ge­spannt, wie Sie das begründen werden. Sie werden es begründen müssen.

Die Wartefrist für Minderjährige ist schon angesprochen worden. „Minderjährige“ – das klingt immer so gesetzmäßig. Es handelt sich um Kinder, es handelt sich hiebei um Kinder! Da wird die Wartefrist von vier auf zehn Jahre erhöht. Sagen Sie mir, was das für einen Sinn haben soll! Ich weiß es nicht. Ich sehe keinen Sinn darin. Es sind Kinder, die in diesem Staat, in Österreich geboren worden sind. Kinder erhalten die Möglichkeit der Staatbürgerschaftsverleihung nicht nach vier Jahren – vier Jahre sind ohnehin schon ganz schön lang –, nein, erst nach sechs Jahren. Quasi unmittelbar bevor sie in die Schule kommen, werden sie hier, obwohl sie hier geboren worden sind, überhaupt erst eingebürgert. Erklären Sie mir bitte, Herr Kollege Mayer: Warum?! – Ich sehe keinen Grund dafür.

EhegattInnen werden mit einer Wartefrist bis zu elf Jahren (Bundesrat Mayer: Kann!) – natürlich „kann“, aber es ist möglich; wir werden sehen, wie es ausgelegt wird – kon­frontiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Über Nacht, quasi über Nacht, wenn dieses Gesetz, wie Sie es ja gewollt hätten, schon in Kraft getreten wäre, wird die Frist für EhepartnerInnen von Österreichern und Ös­terreicherinnen, die bisher drei Jahre betragen hat, nun auf einmal auf sechs Jahre erhöht.

Wissen Sie, Kolleginnen und Kollegen, wie viele unbillige Härten mit dieser Regelung verbunden sind und wie so ein Gesetz Hoffnungen von Menschen zerstören kann?

Ich möchte Ihnen nur einen Fall schildern, der – neben vielen anderen Fällen – persön­lich an mich herangetragen worden ist, denn, Herr Kollege Kühnel: Ich arbeite nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart ganz bewusst in einem Verein aktiv mit, der sich mit der Integration von ausländischen Frauen beschäftigt. Und ich könnte Ihnen nicht nur eine Geschichte erzählen, sondern Hunderte! Aber eine erzähle ich Ihnen jetzt, weil sie typisch ist für das, was mit solchen Leuten, die integrationswillig sind, passiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Es handelt sich um den Fall einer aus der Russischen Föderation stammenden jungen Frau. Das ist eine junge Frau, die einen Österreicher geheiratet hat, die im Dezem­ber 2005 bereits drei Jahre lang in Österreich gelebt hat und genau so lange verheira­tet war. Es ist eine qualifizierte Frau, sie ist Fachärztin für Neurologie.

Innerhalb von wenigen Monaten hat sie es geschafft, die Nostrifizierung ihrer Ausbil­dung hier in Österreich zu bekommen. Das ist nicht einfach. Menschen, die sich damit auskennen, wissen, wie schwierig das ist. Sie hatte bereits eine Stelle als Assistenz­ärztin zugesagt bekommen. Das ist dann durch die Ärztekammer ein bisschen blockiert worden. Und sie hat trotz dieser hohen Qualifikationen – sie war in Russland nämlich an einer Uni-Klinik tätig – de facto ein Arbeitsverbot bis zu ihrer Einbürgerung.

Der Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft ist natürlich längst eingebracht. Wer sich mit solchen Ländern auskennt, weiß, wie lange es dauert, bis die notwendigen Dokumente aus einem Land wie Russland endlich einmal in Österreich einlangen. Der Antrag hat also nicht früher eingebracht werden können. Eine Überprüfung dauert ihre Zeit, zwei bis drei Monate dauert so eine Anspruchsüberprüfung. Dann – die drei Mo­nate waren quasi schon erfüllt – sollte dieses Gesetz in Kraft treten. Und aus die Hoff­nung auf einen Arbeitsplatz, auf Integration, auf die Möglichkeit zu arbeiten – trotz aller Integrationsbemühungen und guter Deutschkenntnisse dieser Frau!

Es gibt viele, viele solcher Fälle; Menschen, die sich um die Einholung der nötigen Do­kumente bemühen – was im Übrigen ganz schön teuer ist –, die eine Lebensplanung haben et cetera, die sprachlich und kulturell integriert sind, die einen Beitrag leisten wollen zum Wohle des Staates, des Landes, in dem sie jetzt leben.

Und ihnen allen sagen Sie: Weitere drei Jahre zurück auf die Wartebank! Interessiert uns nicht. – Hier werden Hoffnungen zerstört und Integrationsbemühungen völlig zu­nichte gemacht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Dr. Kühnel: Was ist die Staatsbürgerschaft?) – Sie können gerne erklären, wenn das für Sie etwas an­deres bedeuten sollte, als im Staatsvertrag steht. (Neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Kühnel. – Bundesrat Boden: Er versteht es nicht! Er hat nur vier Klassen Pflichtschule!)

Ich komme zum zweiten Punkt, werte Kolleginnen und Kollegen. Das ist auch eine Tat­sache, die mir besonders wichtig ist, nämlich dieser so genannte Sitzenbleiber-Passus, der auch schon angesprochen worden ist. Er ist mir deshalb wichtig, weil ich persönlich auch von so einer Maßnahme betroffen bin.

Es ist zwar eine gewisse Abmilderung vorhanden – nicht nur auf Grund der Proteste der SPÖ, sondern viele haben sich dagegen gewandt –, trotzdem sieht dieses Gesetz jetzt immer noch vor, dass die Schulpflichtigen der fünften Schulstufe einerseits eine positive Deutschnote vorweisen müssen, andererseits ein Test absolviert werden muss.

Meiner Meinung nach ist diese Regelung weder menschlich ... (Bundesrat Konecny: Lehrer haben nicht immer Erfolg!) – Ich weiß, ich weiß, aber ich bemühe mich ohnehin (in Richtung des Bundesrates Dr. Kühnel), es ihm beizubringen, aber es ist natürlich schwierig, wenn man nicht zuhören kann, dann irgendwie mitzukriegen, was der Be­treffende meint. Aber ich bemühe mich. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bun­desrat Konecny: Lehrer haben nicht immer Erfolg!) – So ist es, völlig richtig. Das weiß ich aus meiner persönlichen Berufserfahrung, die ich jetzt gleich noch dazu einbringen möchte.

Ich frage Sie erstens, was die Kinder dafür können. Wer bringt ihnen denn die notwen­digen Deutschkenntnisse bei? Die LehrerInnen, die nicht oder viel zu wenig vorhanden sind? Die Lehrerinnen und Lehrer, die gar nicht ausgebildet worden sind für diese


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Umstände des Unterrichts? Die Lehrerinnen und Lehrer, für die das eine unzumutbare Situation ist? Denn mit der Deutschnote entscheiden sie de facto über die Staatsbür­gerschaft. – Können Sie sich das vorstellen? Ich, ehrlich gesagt, nicht. – Oder die Mütter, die selbst oft nicht einmal ihre eigene Sprache schreiben können, geschweige denn eine fremde, geschweige denn Deutsch?

Glauben Sie mir, als Deutschlehrerin an einer HTL weiß ich, wovon ich rede! Ich erlebe dort tagtäglich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Ergebnisse der PISA-Studie in Bezug auf die Lese- und Rechtschreibkompetenz stimmen. Das trifft allerdings sehr oft auch auf unsere Kinder zu, die mit der deutschen Muttersprache aufgewachsen sind und die eigentlich, wenn man das Gesetz so vollziehen würde – na ich will ja nicht sa­gen, dass man ihnen die Staatsbürgerschaft wegnehmen soll, aber wenn es nach der Deutschnote ginge, dann müsste man das, ehrlich gesagt, tatsächlich tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Über die so genannten Heimatkundetests rede ich jetzt nicht wirklich. Ich weiß nicht recht, wer Fragen daraus heute hier herinnen beantworten könnte. Ich schlage vor, wir machen diesen Test jetzt unmittelbar, sofort – und dann schauen wir uns die Ergeb­nisse der Herren und Damen Bundesräte, Gesetzes- und Volksvertreter an, wie sie hier abschneiden. Bitte schön! (Bundesrat Dr. Kühnel macht eine wegwerfende Hand­bewegung. – Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)

Aber, Kolleginnen und Kollegen, das ist ein ernstes Thema. (Bundesrat Dr. Kühnel: Herr Kollege Reisenberger! Sie auch! Wir beide lassen uns von ihr testen!) – Gerne. Also ich nehme an, der Test wird gleich vorliegen. Herr Kollege, Sie können dem allen hier heraußen gerne offiziell widersprechen. Ich bin neugierig darauf.

Ich bringe jetzt jedenfalls folgenden Antrag ein:

Antrag

der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Schennach und KollegInnen gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR

auf Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Staatsbürgerschaftsrechts-Novel­le 2005) (1189 der Beilagen und 1254 der Beilagen)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005) (1189 der Beilagen und 1254 der Beilagen), einen Einspruch zu erhe­ben.

*****

Der gegenständliche Antrag wird – neben den von mir bereits dargestellten inhaltlichen Fakten – gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR aus Sicht der Länder auch noch wie folgt begrün­det:

„Das Staatsbürgerschaftsgesetz – so wie es jetzt ist – ist nach Ansicht der Länderrefe­rentInnen vollziehbar und praktikabel.“ – Diese Länderreferentinnen und -referenten treffen sich mehrmals pro Jahr, um den Vollzug österreichweit zu vereinheitlichen. – „Es gibt daher keinen Grund für die Verschärfung des bestehenden Staatsbürger-


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schaftsrechts, welches schon jetzt eines der strengsten Europas ist. Dazu kommt, dass die Länder, die das Staatsbürgerschaftsrecht tagtäglich zu vollziehen haben, in die Verhandlungen zur Novellierung nicht eingebunden wurden.“ (Bundesrat Konecny: Das Übliche!)

„Der Wunsch nach einheitlicher Vollziehung wurde 2003 in einer Landeshauptleute­konferenz geäußert und ein diesbezüglicher Beschluss gefasst. Die Vorschläge, die danach unter dem Vorsitz von Kärnten für eine Novellierung des Staatsbürgerschafts­gesetzes gemacht wurden, waren jedoch größtenteils andere als jene, die jetzt mit der Regierungsvorlage beschlossen werden sollen. In der Landeshauptleutekonferenz konnte kein endgültiger Konsens gefunden werden, für den damaligen Innenminister war jedoch klar, dass das Staatsbürgerschaftsrecht nicht novelliert wird, solange es keine Einigung unter den Ländern gibt. Dies war“ – und ist wohl – „der jetzigen Innen­ministerin egal, die gesetzlichen Bestimmungen wurden und werden ohne Einbezie­hung der Länder formuliert.

Die Wünsche der Länder sind in der vorliegenden Regierungsvorlage daher kaum“ – oder gar nicht – „berücksichtigt. Eine erfolgreiche Integration von ausländischen Mit­bürgerInnen wird damit verhindert.“

Wir hoffen sehr, Frau Bundesministerin, dass die Nachdenkpause, die Sie heute be­kommen, von der Regierung genutzt wird, nicht nur um jetzt endlich die Länder mit einzubeziehen, die das ja vollziehen müssen, sondern auch um die von Professor Konecny dargestellte Verfassungswidrigkeit des § 39a zu reparieren.

Aus all den genannten Gründen wird daher von uns der Antrag gestellt, gegen den ge­nannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.19


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Der von den Bundesräten Mag. Neuwirth und Schennach eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs.1 der Geschäftsordnung des Bun­desrates, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Prokop. – Bitte.

 


12.20.10

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte versuchen, jetzt einige Dinge klarzustellen, die, fälsch­licherweise oder falsch informiert, hier angesprochen wurden.

Zum einen war es aus verschiedensten rechtlichen Gründen sehr wohl notwendig, eine Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes einzubringen, weil sich auch andere Ge­setze geändert haben und wir dahin gehend anpassen mussten – zum Beispiel die inhaltliche Harmonisierung mit dem Fremdenrechtsbestand im NAG und FPG. Da waren die Unterhaltstitel aneinander anzupassen, denn es hätte zur Erlangung eines Aufenthaltstitels zum Beispiel mehr Unterhaltsmittel bedurft, als wenn man hier Staats­bürger werden wollte.

Oder der Einbau der Integrationsvereinbarung, die im Parlament beschlossen wurde, die im Fremdenrechtspaket berücksichtig ist. Das alles ist auch eine Notwendigkeit, bei der Staatsbürgerschaft mit eingebracht zu werden.

Die Nichtbeherrschung der deutschen Sprache war bislang kein Grund, die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu verweigern. Diese Judikatur gab es. Da hier gesagt wurde, dass die Staatsbürgerschaft ein Mittel der Integration sein soll, so möchte ich dem wirk-


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lich widersprechen. Sie ist das höchste Gut, das ein Staat zu vergeben hat, und soll der Höhepunkt einer erfolgreichen Integration sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Integration ist sehr breit gestreut, es ist auf dem Weg der Integration viel zu machen, aber bei der Staatsbürgerschaft muss und soll sich der neue Bürger zu diesem Staat in voller Hinsicht bekennen. Das muss er auch können, dazu gehört eben zum Beispiel die Sprache. (Bundesrat Reisenberger: 15 Jahre! Ärger wie die Schweizer!)

Die Diskussion die Kinder betreffend: Diese Passage, die jetzt im Entwurf enthalten ist, soll es für Kinder leichter machen. Wenn bisher für ein Kind die Staatsbürgerschaft be­antragt wurde, so war es, wenn es im fünften Schuljahr ist, schon mindestens fünf Jah­re in der Schule. Wenn das Kind es dann nicht schafft, eine positive Deutschnote zu bekommen – auch das ist möglich, das geschieht auch bei Österreichern –, dann kann es eine Deutschprüfung ablegen, die auf A 2-Level ist, die es auch sicherlich schafft. Dieses Kind kann Deutsch sprechen, denn sonst hätte es dem Schulunterricht nicht fünf Jahre lang folgen können. Daher soll das eine Erleichterung für die Kinder sein und absolut keine Erschwernis. – So viel, um das auch einmal klarzustellen.

Wir hatten eine barocke Flut von Aufenthaltsregeln, die die jeweiligen Fristen geregelt haben. Diese sind vereinheitlicht worden. Wenn hier gesagt wurde, dass die Bundes­länder nicht eingebunden waren und dass es keinen Wunsch der Bundesländer gebe, so darf ich auch hier berichten, dass es sehr wohl von den Landesamtsdirektoren, von den Landeshauptleuten Beschlüsse dazu gab – mehrere Jahre hindurch – und dass die Landeshauptleutekonferenz sehr wohl einen Konsens mit einem Zehn-Punkte-Pro­gramm gefunden hat.

Wir haben diese zehn Punkte, wo Konsens bestand, in dieses Gesetz eingebaut. Dort, wo kein Konsens war – es wurde ja von der letzten Rednerin gesagt, es gab einen Vor­schlag von einem Bundesland, das war kein Konsens –, haben wir das in dieser Form auch nicht eingebaut.

Darüber hinaus gab es eine Arbeitsgruppe mit den Bundesländern. Es hat viele Einzel­kontakte gegeben. Wir haben vieles im praktikablen Bereich mit den Bundesländern abgesprochen, und sie sind sehr, sehr wohl in die Praxis eingebunden. Sie sind auch jetzt bei den Entwürfen eingebunden – es wird jetzt schon an Verordnungen gearbei­tet –, denn wir brauchen das, wir müssen das vorbereiten.

Hier kommt zum Beispiel auch die Frage, die Sie schon angeschnitten haben, mit der Heimatkunde zum Tragen. Die betreffende Person, die Staatsbürger wird, soll ein ge­wisses Wissen über die Werte, über die Geschichte, über die Rechte und Pflichten des neuen Staates erlangt haben.

Wir sind da mit den Ländern in einer engen Kooperation, es wird dazu eine Mul­tiple Choice-Unterlage geben. Ich weiß schon, dass man sagen kann: Blödsinn, das lernt man auswendig, da weiß man, was man machen muss! – Es wird Wechsel ge­ben, wie das abläuft, aber allein wenn man sich einmal darauf vorbereitet und weiß, was ein Wahlrecht ist, was in Österreich an Frauenrechten vorhanden ist, all das sind Dinge, die in diesen Katalog hineinkommen sollen. Ich glaube, dass ein neuer Bürger dieses Staates das sehr wohl auch können soll und können muss.

Wichtig war uns auch, dass sehr wohl der legale Aufenthalt zählt. Bisher war es so, dass man auch illegal hier sein kann und bei Illegalen auch die Fristen zählen. Ich glaube, das ist eine andere Rechtsauffassung. Das sind sicherlich Dinge, die grund­sätzlich zu regeln sind.

Die Frage der Nichtstaatsbürger, jener, die einen besonderen Schutz, den Refoule­mentschutz genießen, umfasst jene Leute, die auch jetzt nicht Staatsbürger werden


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können, die kein Asyl bekommen können, die man aber nicht in die Heimatländer zu­rückführen kann, weil dort die Gefahr einer Verfolgung besteht. Das kann sich laufend ändern, daher ist dieser Status – das ist nicht nur in Österreich so, das ist in ganz Europa so – jener Status, den diese Regelung beinhaltet.

Zur Frage der sechs Jahre bei Asylwerbern: Derzeit besteht die Möglichkeit oder auch die Notwendigkeit, die Aberkennung des Asylstatus bis zu fünf Jahre vorzunehmen, falls falsche Daten angegeben wurden oder Sonstiges passiert ist. Daher ist es nur logisch, auch den Aufenthalt des Asylberechtigten an diese Fristen zu binden.

Ich nehme an, dass Frau Bundesrätin Neuwirth sehr wohl auch weiß, wenn sie in einer derartigen Einrichtung arbeitet, dass ein anerkannter Asylwerber – und eine Tsche­tschenin ist wahrscheinlich so ein Fall, den Sie genannt haben, nämlich eine aner­kannte Asylwerberin – einem Österreicher, einer Österreicherin gleichgestellt ist und sie hier keine anderen Rechte auch bei der Arbeitsbewilligung hat. Das sind Tatsa­chen, die gegeben sind. Darüber hinaus kann man auch dann um einen Aufenthaltstitel einkommen. Auch das sind Dinge, die man hier heranziehen muss.

Über die Fristen bei Heirat ist sehr lange diskutiert worden – auch im Asylbereich und in sonstigen Bereichen, auch über die Scheinehen. Das ist sicherlich auch ein Mittel, Scheinehen früher zu unterbinden. Es wird unattraktiv, wenn man eine Scheinehe ein­geht und dann fünf Jahre warten muss, damit man zu dem Geld kommt, das man er­hält, wenn man diese Ehe eingeht. Wir haben dazu auch sehr viele Beispiele von der Fremdenpolizei bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch der Terrortatbestand ist in dieses Gesetz aufzunehmen gewesen. Das war früher nicht so. Wir müssen die Grundwerte eines Staates sehr wohl hochstellen. Wir müssen Möglichkeiten haben, Leute, die sich nicht an diese Grundwerte halten, abzulehnen. Es gibt diesbezüglich viele Diskussionen, was sie gerade heute wieder lesen können, wenn Sie die Zeitung aufschlagen. Wenn uns unsere Werte aberkannt werden und wenn Leute, die nach Österreich kommen, die hier Asyl bekommen haben, uns
die Werte ihrer Heimat aufzwingen wollen, dann ist das auch eine Frage, mit der sich nicht nur unsere Bürger auseinander setzen, sondern mit der sich auch die Gesetzge­bung auseinander setzen muss. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Wir haben auch die Möglichkeit, Vorbestraften oder eben jenen, die im Terrorbereich die Grundwerte nicht anerkennen, die Staatsbürgerschaft zu versagen. Ich glaube ein­fach, dass die Staatsbürgerschaft wirklich das höchste Gut ist. Das ist ein Akt auf Le­benszeit. Es muss daher die vorausschauende Integrationsprognose für den Fremden gemacht werden. Und das muss in vielen Bereichen überprüft werden, um das auch erreichen zu können.

Das, was Herr Bundesrat Schennach angeführt hat, nämlich zum Beispiel, dass Künst­ler schlechter gestellt sind, stimmt nicht. Künstler sind gerade im § 11 Absatz 4 Ziffer 4 genau als Ausnahme, als jene, die begünstigt sind, angeführt. Künstler, Leute aus der Wirtschaft und Menschen, die sonstige außerordentliche Leistungen erbracht haben, können die Staatsbürgerschaft früher als erst nach sechs Jahren bekommen. Sie sind sogar definitiv angeführt.

Zur Frage betreffend den Brief, der eingebracht wurde, nämlich dass hier verfassungs­rechtliche Bedenken bestünden: Ich möchte auch hier betonen, dass es sich hiebei um von den Behörden rechtmäßig ermittelte, bei ihnen vorhandene Daten handelt, und diese Daten werden im Einzelfall zur jeweiligen Beurteilung der legalen Beschäftigung, des Aufenthaltes herangezogen. Diese Daten sind zweckgebunden zu übermitteln und nach Abschluss des Verfahrens zu löschen. Das steht auch klar drinnen. (Vizepräsi­dentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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Auch im Fremdenpaket haben wir im § 37 Abs. 5 NAG genau dieselbe Passage – und diese ist problemlos von der SPÖ mitbeschlossen worden. Auch der Datenschutzbeirat hatte diesbezüglich keine Bedenken, und im Hearing wurden diese Punkte nicht ange­führt. Das nur zu diesem Punkt. Daher glaube ich, dass das einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof standhalten wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

12.31


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


12.31.18

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Staatsbürgerschaftsrecht ist an und für sich der logische Abschluss eines bestens vorbereiteten und nun finalisier­ten Fremdenrechtspaketes dieser Bundesregierung. Damit sowie mit dem bereits beschlossenen Asyl- und Fremdenpolizeigesetz und dem Niederlassungs- und Aufent­haltsgesetz haben wir eine neue Basis, Menschen, die zu uns gekommen sind, ent­sprechend zu integrieren.

Integrieren, das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt, wie das die Frau Ministerin angesprochen hat, wobei die Verleihung der Staatsbürgerschaft sozusagen den Schlusspunkt einer gelungenen Integration darstellen soll. Das bedeutet vor allem, dass der Staatsbürgerschaftswerber über entsprechende Sprachkenntnisse verfügt und eine entsprechende Kommunikation pflegen kann. Nur wer sich zu unserer Repub­lik Österreich bekennt, wer die Landessprache spricht, wer sich also am Leben in unserem Land beteiligen kann, der soll auch die Staatsbürgerschaft erhalten.

Weitere Punkte sind die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der Ge­schichte Österreichs. Außerdem sind eine Vereinheitlichung der Fristen – bewusst noch einmal betont: Vereinheitlichung der Fristen! – sowie die Sicherung des Lebens­unterhaltes ohne Transferleistungen, sprich Sozialhilfe, vorgesehen.

Die Aussage, dass wir dieses Staatsbürgerschaftsgesetz-neu nicht brauchen, muss man in aller Form zurückweisen! Die Frau Ministerin hat das ausreichend erklärt. Auch die Feststellung, dass die Länder hier nicht mit eingebunden waren, muss man ganz entschieden zurückweisen, denn die Landeshauptleutekonferenz 2004 – damals war immerhin Landeshauptmann Häupl der Vorsitzende, Frau Kollegin Neuwirth, das muss man betonen –, Ihr Landeshauptmann Häupl hat damals diesen Beschluss herbeige­führt. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Ich habe eine Landeshauptfrau!) – Landeshaupt­mann Häupl, natürlich nicht Ihr Landeshauptmann, Sie haben eine Landeshauptfrau, das ist ganz klar. Aber auch sie war dabei, als man den Beschluss herbeigeführt hat, ein Staatsbürgerschaftsgesetz-neu zu machen. (Bundesrat Konecny: Ja, aber nicht mit dem Inhalt!)

Herr Kollege! Da wurden Punkte normiert und Wünsche geäußert, und diese Punkte und Wünsche sind in das Staatsbürgerschaftsrecht eingeflossen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Das ist ein ganz wichtiger Faktor.

Wenn Sie sagen, dass es keine Punkte gebe, ein Staatsbürgerschaftsgesetz-neu zu fordern, muss ich hier anfügen, dass auch Verwaltungsübertretungen mit hineingenom­men wurden und der Unfug der Scheinehen berücksichtigt wurde. Schon allein diese Punkte rechtfertigen ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz, ohne die anderen noch ein­mal aufzuzählen, die die Frau Ministerin erwähnt hat. Ich denke, das sind ganz, ganz wichtige Punkte.


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730. Sitzung / Seite 29

Wenn Sie sagen, dass wir kein neues Staatsbürgerschaftsgesetz brauchen, sage ich Ihnen, dass die österreichische Bevölkerung der Auffassung ist, dass wir ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz brauchen. In einer Umfrage haben sich 61 Prozent der Be­völkerung für ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz ausgesprochen. Neun von zehn Befragten – und diese Umfrage ist repräsentativ – haben gesagt (Bundesrat Boden: Dann soll es aber besser werden!), es sollten sogar verpflichtend ein Deutschkurs und eine Deutschprüfung vorgeschrieben werden.

Wenn Sie sonst immer das Ohr „an der Bevölkerung“ haben, dann frage ich Sie jetzt: Wo haben Sie das Ohr bei diesem ganz konkreten Punkt Staatsbürgerschaft gehabt? Sie haben der Bevölkerung nicht zugehört! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Diese Umfragedaten kommen nicht unbedingt von einem der ÖVP nahe stehenden Institut, das muss ich auch noch hier anfügen (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Deshalb ist es nicht richtiger!), sondern diese Umfrage hat der unabhängige ORF gemacht. Sie werden ja zugestehen, dass der ORF unabhängig ist. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen sowie demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ und des Bun­desrates Schennach. – Bundesrat Konecny: Der Witz des Tages!) Oder soll ich hier anfügen, dass er vielleicht doch sozialdemokratisch-lastig ist? (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)

Ich habe mir gestern die Fernsehübertragung aus Schladming angesehen, und wäh­rend dieser war der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei sehr oft in Jubelpose im Fernsehen zu sehen. Daher muss ich mich schon fragen, ob der ORF nicht doch sozialdemokratisch-lastig ist. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bei aller Freude, die Sie damit haben, Herr Kollege. (Bundesrat Gruber: Herr Molterer wird schon angerufen haben! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie verstehen die Botschaft dahinter nicht! (Bundesrat Gruber: Herr Molterer hat heute schon telefo­niert!) Zuhören, Herr Kollege Gruber, ist immer wieder angesagt! (Bundesrat Gruber: Er hat heute schon angerufen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie hat er an­gerufen? (Bundesrat Gruber: Nein! – Ruf bei der SPÖ: Den ORF!) – Warum auch nicht? Es ist doch legitim, dass man den ORF anruft. (Bundesrat Gruber: Aber bitte den Kundendienst!) Welche Botschaft dann dahinter steht, ist doch etwas ganz ande­res.

Herr Kollege Konecny! Ihre künstliche Aufregung verstehe ich jetzt aber wirklich nicht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich sage und erkläre es Ihnen genau so, wie es ist. So war es, und das ist die Realität. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Schennach: Der glaubt es ja selbst nicht!) – Ich glaube es selbstverständlich, Herr Kollege Schennach! So wie ich es Ihnen erklärt habe, so war es auch tatsächlich. (Bundesrat Gruber: Ist in Vorarlberg schon der Fasching aus­gebrochen?)

Zurück zum Thema – ich danke Ihnen, dass Sie mir wieder zuhören –: Wer als Flücht­ling, als Asylwerber nach Österreich kommt, Asyl bekommt, bei uns dann auch in den Arbeitsprozess eingegliedert wird und damit ein Erwerbseinkommen hat, guten Willens ist, bei uns zu leben, damit einen ordentlichen Wohnsitz nachweisen kann und sich an die Gesetze hält, der wird bei Vorhandensein entsprechender Deutschkenntnisse – und das zu den Fristen – nach sechs Jahren, begünstigt nach den Richtlinien der Gen­fer Konvention – auch diese haben wir in diesem Gesetz berücksichtigt –, unsere Staatsbürgerschaft erhalten können.

Damit legen wir auch ganz klar fest: Wir wollen keine neuen Staatsbürger haben, die schwer vorbestraft sind, die von der Sozialhilfe leben und die der deutschen Sprache nicht mächtig sind! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ja.


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Zum Schluss darf ich aus Vorarlberger Sicht im Zusammenhang mit dem Integrations­fonds, der für die verpflichtenden Deutschkurse Arbeitsbehelfe vorgibt, den Rat oder die Bitte anschließen, dass man diese Behelfe noch einmal einer Prüfung unterziehen möge.

Ich habe hier ein paar Beispiele, wo wahrscheinlich der Fehlerteufel zugeschlagen hat. Die Landeshauptstadt Bregenz hat zum Beispiel nicht 121 000 Einwohner, sondern 27 000. Da hat man offensichtlich den Bezirk mit der Stadt verwechselt. Oder: Dass in Vorarlberg viele Menschen von der Landwirtschaft leben, ist nicht ganz zutreffend. Vor­arlberg hat nach Wien die niedrigste Agrarquote Österreichs. (Zwischenruf des Bun­desrates Bieringer.)

Genauso ist es mit der Ritterzeit, Herr Kollege Bieringer. Damals sollen in Vorarlberg viele Burgen und Schlösser gebaut worden sein. Das ist eine kleine Übertreibung. Ebenso ist es nicht richtig, dass die Vorarlberger Grafen und Herzöge zum Beispiel von den Tiroler Grafen regiert wurden. Wir haben uns nie gerne regieren lassen – schon gar nicht von den Tirolern. (Allgemeine Heiterkeit.) – Anwesende ausgenommen.

So gibt es einige „Besonderheiten“ in dieser Broschüre des Integrationsfonds, wobei ich wirklich betonen möchte, dass sich da wahrscheinlich der Fehlerteufel eingeschli­chen hat.

Das Land Vorarlberg ist gerne bereit, Hilfe bei der Gestaltung landesspezifischer Be­helfe zu leisten. (Bundesrat Konecny: Eine eigene Vorarlberger Staatsbürgerschaft kommt nicht!) – Wir haben manchmal eigene Vorstellungen, aber wir sind mit Freude und Liebe Österreicher, Herr Kollege Konecny. (Demonstrativer Beifall des Bundesra­tes Konecny.) – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.39


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.39.40

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Auch ich habe nach den Gründen für diese Änderung gesucht, auch in den Erläuterungen zu diesem Gesetz, und in den Erläuterungen steht als Begründung, dass das Regierungsprogramm umgesetzt werden muss. – Das ist für mich keine Begründung, denn man kann ja im Laufe der Zeit darüber nachdenken, ob ein Regierungsprogramm noch sinnvoll ist.

Eine weitere Begründung ist die Einschränkung der vorzeitigen Einbürgerung vor Ab­lauf von zehn Jahren, die Reduktion der vorzeitigen Verleihung aus besonderen Grün­den. – Auch das ist für mich kein Grund, denn die vorzeitige Einbürgerung nach vier bis sechs Jahren erfolgte im Jahr 2004 in 3,6 Prozent aller Fälle, und ich nehme an, dass bei diesen 3,6 Prozent aller Fälle auch ein guter Grund bestand, dass vorzeitig einge­bürgert wurde.

Die nächste Begründung lautet: keine Ausweitung der Doppelstaatsbürgerschaften. – Vielleicht können Sie mir erklären, warum man eine Reform braucht, damit man etwas nicht ausweitet. Normalerweise macht man eine Reform, um etwas einzuschränken oder um etwas auszuweiten, aber nicht, um etwas nicht auszuweiten.

Im Übrigen gibt es Länder, in denen man die Staatsbürgerschaft nicht zurückgeben kann. Das wird sich also meines Wissens nicht ganz verhindern lassen.

Der letzte Punkt – und in diesem sind wir alle uns einig – ist die Erleichterung der Bei­behaltung und Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft.


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Das heißt, der einzige irgendwie definierte Grund für diese Änderungen beziehungs­weise für einen Großteil dieser Änderungen ist die Einschränkung der vorzeitigen Ein­bürgerung, und unter diesem Vorwand haben Sie letztendlich für fast alle Menschen, die eingebürgert werden wollen, die Wartefrist sehr massiv verlängert. Es ist letztend­lich eine Verzögerung bis hin zum Ausschluss von der Verleihung der Staatsbürger­schaft.

Wie gesagt, der Beweggrund dafür, dass man die Staatsbürgerschaft später verleihen möchte, ist für mich aus den Unterlagen nicht ersichtlich.

Die Fristverlängerungen wurden schon ein paar mal aufgezählt. Ein Punkt, bei dem es mir aber besonders aufstößt – noch dazu, nachdem ich heute in der „Krone“ einen Arti­kel über Zwangsehe und Ehrenmorde gelesen habe, nämlich dass die EU da handeln möchte –, ist diese Sache mit den Ehegattinnen. Es wird der Zeitraum verlängert, sodass es nunmehr heißt, dass man fünf Jahre in aufrechter Ehe und nicht getrennt von Bett und Tisch miteinander verbringen muss.

Sie haben gesagt, dass Scheinehen damit unattraktiver gemacht werden. Ich würde Sie bitten, zu bedenken, dass manche Ehe auch nicht attraktiv ist. Das sieht Ihre Kolle­gin, Frau Minister Rauch-Kallat, offenbar auch manchmal so, denn sie sagt: Traditions­bedingte Gewalt stellt einen massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht dar.

Wenn eine Frau unter der Gewalt ihres Ehemannes leidet, dann kann sie sich von ihm trennen, hat aber das Problem, dass sie die Staatsbürgerschaft vielleicht nicht be­kommt, oder sie bleibt bei ihm und tut sich das weiter an. Ich weiß nicht, inwieweit das Sinn macht und die Scheinehe unattraktiv wird oder auch die Ehe attraktiver für Men­schen, die sich in Wirklichkeit trennen sollten.

Die Vertreterin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt macht ganz konkrete Vor­schläge: sichere Unterkünfte für betroffene Frauen, Fachleute, die sie beraten, und vor allem einen von den Männern rechtlich unabhängigen Aufenthaltsstatus für Mädchen, die zur Heirat nach Österreich geholt werden. Die Abhängigkeit vom Ehemann sei eines der größten Probleme für sie.

Diese Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes, wonach fünf Jahre hindurch keine Trennung erfolgen darf, sondern die Ehe fünf Jahre lang aufrecht sein muss, ist für mich in diesem Bezug kontraproduktiv. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Ich glaube nicht, dass das Problem der Scheinehen so groß ist wie das Problem der Ge­walt in der Familie. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Es geht nur um die Scheinehen.

Herr Kollege Mayer hat vorhin auch gesagt: Wir wollen nur Staatsbürger, die arbeiten wollen und die einen Arbeitsplatz haben. Ich sage dazu: Es ist ein großer Unterschied, ob es darum geht, dass jemand arbeiten möchte, oder darum, auch einen passenden Arbeitsplatz zu haben. Es gibt in Österreich schon fast 400 000 Menschen, die arbeiten wollen, aber keinen Arbeitsplatz haben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bun­desrat Mayer: Das sind ja keine Ausländer, die ...!)

Viele der anderen Gründe sind schon einige Male aufgezählt worden.

Die Frau Ministerin hat auch erwähnt, dass die Staatsbürgerschaft die Krönung der Integration ist. – Ich denke, einige Bereiche der Integration werden nur dann funktionie­ren, wenn jemand Staatsbürger ist, denn die Staatsbürgerschaft ist in vielen Fällen doch noch Grundvoraussetzung für einen Arbeitsplatz, für den Zugang zu einer Ge­meindewohnung in noch vielen Gemeinden, obwohl das eigentlich europarechtlich schon anders zu regeln wäre.


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Bei uns in Niederösterreich gibt es zum Beispiel eine ganz „nette“ Regelung, danach ist die österreichische Staatsbürgerschaft auch Grundvoraussetzung dafür, dass man eine Hortbetreuungsunterstützung für seine Kinder bekommt. Das Problem dabei ist, dass gerade die Kinder, die den größten Bedarf an Betreuung hätten, weil die Eltern sie zu Hause nicht so betreuen können, sie nicht so unterstützen können, keine Förderung des Landes bekommen, weil sie nicht österreichische Staatsbürger sind.

Gleichberechtigung ist meiner Meinung nach eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Integration auch wirklich funktioniert.

Dieses Staatsbürgerschaftsrecht ist meiner Meinung nach auch ein wichtiger Punkt für die Integrationspolitik des Landes, aber Integration wird mit dieser Gesetzesnovelle sicher nicht erreicht. Dieses Gesetz verzögert und verteuert die Erlangung der Staats­bürgerschaft für viele Menschen – damit auch die Integration. Der Grund dafür ist mei­ner Meinung nach nach wie vor geheim.

Integration wäre eine Grundvoraussetzung dafür, dass Wahlkämpfe wie der letzte Wie­ner Landtagswahlkampf, durch den Herr Strache mit einer in meinen Augen ziemlich grauslichen Linie ziemlich viele Stimmen gewinnen konnte, nicht stattfinden. Gäbe es eine wirklich gute Integrationspolitik in Österreich, hätte er nicht so viel dazugewinnen können. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich hoffe, dass dieses Gesetz nicht dazu dient, künftig solch „erfolgreiche“ Wahlkämpfe weiter zu fördern. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.46


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Vilimsky. – Bitte.

 


12.46.56

Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Frau Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch von mir vorweg die Fest­stellung, dass die Rede der neuen Präsidentin mit Wertschätzung zu beachten ist. Es war eine gute Rede, eine Rede, die von Äquidistanz zu den unterschiedlichen politi­schen Kräften getragen war. Und die Präsidentin hat auch zum Ausdruck gebracht, dass sie um eine ehrliche und gute Weiterentwicklung des Bundesrates bemüht ist.

Es hat in der heutigen Debatte zur Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle so etwas wie ein Grundkonsens geherrscht, dass Zuwanderung wichtig ist und auch für die Zukunft von­nöten sein wird. – Ich erlaube mir, dem mit aller Deutlichkeit zu widersprechen; ich begründe auch, warum. (Bundesrat Kraml: Hätte mich gewundert!)

Vor nicht allzu langer Zeit gab es eine Studie des sehr, sehr renommierten Münchner ifo-Institutes; das ist das Institut, das sehr, sehr viele qualitativ hochwertige makroöko­nomische Studien für das Gebiet Deutschlands erstellt. Der Präsident dieses Institutes hat nachgewiesen, dass der durchschnittliche Einwanderer (Bundesrat Mag. Himmer: Wir sind in Österreich!), der noch keine zehn Jahre in Deutschland ist, Jahr für Jahr 2 400 € mehr vom Staat erhält, als er diesem in Form von Steuern und Abgaben leis­tet. Rechnet man die Zahl auf eine fünfköpfige Familie hoch, ergibt dies eine Transfer­leistung von fast 120 000 € im Laufe von zehn Jahren. Die Zuwanderer müssten mehr als 25 Jahre in Deutschland leben, um über die ganze Periode hinweg netto mehr an den Staat zu leisten, als sie erhalten.

Nun wird es interessant: Zu dieser direkten kommt die indirekte Migration in den Wohl­fahrtsstaat, in dem angesichts hoher Arbeitslosigkeit und inflexibler Löhne die Zuwan­derer wohl über 3 Millionen Deutsche in die Arbeitslosenunterstützung gedrängt haben.

Frau Minister! Vielleicht machen wir für den österreichischen Raum auch solch eine Studie. Es ist das zwar nicht 1 : 1 umzulegen, mit Sicherheit ist es aber in den wesent-


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lichen Kernbereichen tendenziell umzulegen. Wir werden draufkommen, dass es, wenn wir weiterhin eine Politik betreiben, bei der die Türen und Tore für weitere Zuwan­derung offen sind, zu Verdrängungseffekten führt, zu Verdrängungseffekten auf dem Arbeitsmarkt, zu sozialen Verdrängungseffekten, durch die nicht nur Österreicher ihren Arbeitsplatz verlieren, sondern auch jene Zuwanderer, die zu uns gekommen sind und sich integriert haben, von weiteren Billigarbeitskräften verdrängt werden.

Das, was heute hier als Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle thematisiert und als Ver­schärfung geradezu dämonisiert wurde, ist in Wirklichkeit eine Mogelpackung, weil die Änderung in Wirklichkeit keine Verschärfung ist, sondern vielmehr die Einladung, auch weiterhin zu uns nach Österreich zu kommen. Es ist dies die Einladung an Personen aller Herren Länder, als Wirtschaftsflüchtlinge nach Österreich zu kommen. So wird Österreich weiterhin der Magnet sein für viele Personen, die glauben, bei uns in Öster­reich eine wirtschaftliche Zukunft zu finden, die wir ihnen nicht geben können.

Wir haben heute in Österreich bereits die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Re­publik – knapp 400 000 Arbeitslose; das ist bereits erwähnt worden –, und mit jedem Quäntchen mehr an Zuwanderung wird sich auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt entsprechend verschärfen.

Es war auch so, dass die Zuwanderungspolitik der schwarz-orangen Regierung dämo­nisiert wurde, dass gesagt wurde, wie restriktiv sie in Wirklichkeit sei. Nur: Sieht man sich die Zahlen an – das „profil“ hat das vor kurzem gemacht –, so sieht man, dass sich unter dieser Regierung die Zuwanderungsquote verdoppelt hat.

Genauso ist es im Bereich der Staatsbürgerschaftsverleihungen, wo vom Jahr 2001 bis dato ein signifikanter Anstieg, nämlich ein Anstieg um mehr als 50 Prozent zu verzeich­nen ist. Mit der jetzigen Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle doktert man ein bisschen an den Fristen herum, aber auch mit dieser Novelle bleibt die Regelung eine Einla­dung, sodass Österreich auch in Zukunft ein Zielland für all jene sein wird, die aus wirt­schaftlichen Gründen zu uns kommen.

Es ist weiterhin so – und das ist für mich das Absurde daran –, dass Asyl, das wichtig, gut und notwendig ist, mit der Frage der Einwanderung verquickt wird. Asyl ist Schutz auf Zeit – Einwanderung und Staatsbürgerschaft sind etwas ganz anderes. Es ist das damit eine Themaverfehlung, weil diese beiden Dinge nichts miteinander zu tun haben.

Jeder weiß, dass Österreich im Visier sehr, sehr vieler Asylbegieriger ist. Jeder weiß, dass wir einen Visa-Skandal haben – bei diesem ist heute der erste Prozesstag –, und in weiterer Folge wird es so sein, dass Menschen mit einem ergaunerten Visum, viel­leicht eines korrupten Beamten, hierher kommen und dann, bevor die Frist für dieses Visum abläuft, unter einem anderen Namen Asyl beantragen, und genau dann beginnt hier die Frist für die Einbürgerung zu laufen.

Wir haben in Österreich generell ein bisschen die Tradition – das geht noch auf die rot-schwarze Regierung zurück –, dass Flüchtlinge nach Ende des Vorliegens des Grun­des, aus dem sie nach Österreich gekommen sind, hier verweilen. Das war bei den bosnischen Kriegsflüchtlingen so, denen Österreich richtigerweise und in guter Weise Schutz geboten hat. Als allerdings der Grund weggefallen war, nämlich die kriege­rische Auseinandersetzung, und diese Flüchtlinge hätten heimkehren können und sol­len, um beim Wiederaufbau zu helfen, ist ein gut Teil dieser Flüchtlinge hier geblieben. Na sicher ist es wahrscheinlich angenehmer, hier das österreichische Sozialsystem zu nutzen, als nach Hause zu fahren, um bei der schweren Wiederaufbauarbeit zu helfen. (Bundesrätin Konrad: Wenn Sie Kinder haben und aus einem Kriegsland flüchten, nehmen Sie dann Ihre Kinder und gehen Sie zurück in ein zerstörtes Land ...?)


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Das ist eine prinzipielle Frage, denn es gibt generell schon so etwas wie eine Gemein­schaft, und wenn ich aus einer Gemeinschaft fliehe und dann wieder zurückkehren möchte, weil ich dort geboren bin, weil ich dort meine Wurzeln habe, und merke, dass ich den Wiederaufbau mittragen kann, dann werde ich das wahrscheinlich tun. Zumin­dest sollte das Land, das Schutz und Asyl gewährt hat, keine Einladung an diese Per­sonen aussprechen, wenn der tatsächliche Grund weggefallen ist, sodass die Men­schen auch tatsächlich wieder nach Hause kehren.

Der Grund dafür, dass Österreich so sehr im Visier von Menschen steht, die unter viel­fach falschen Bedingungen und Gründen Asyl begehren, ist auch klar: Österreich hat eine Anerkennungsquote von 20 Prozent, im benachbarten Deutschland liegt sie bei 1,5 Prozent. Von der ÖVP wird Rot-Grün immer gerne dämonisiert und das rot-grüne Gespenst an die Wand gemalt, aber es ist in Österreich unter dieser schwarz-orangen Regierung vielfach schlimmer als in Deutschland, oder, anders ausgedrückt,  Deutsch­land hat unter einer rot-grünen Regierung eine vielfach restriktivere Politik gemacht als hier unsere Bundesregierung.

Wir hätten mit diesem Gesetz die Chance gehabt, der österreichischen Staatsbürger­schaft wirklich jene Wertschätzung zu geben, die sie auch verdient und die sie benö­tigt. Diese Chance ist jedoch vertan worden.

Schauen wir uns zum Beispiel die Gemeinde Wien an: In Wien sind 83 Prozent der Staatsbürgerschaftsvergaben über Ermessensbescheide, also vorzeitig erfolgt. In Wien ist es sehr oft so, dass Neo-Österreicher, wenn sie zur Behörde, wenn sie zum Arzt gehen, einen Dolmetscher brauchen, weil sie kein einziges Wort Deutsch sprechen können. Das ist ein falscher Weg! Das ist keine Integration! Da geht es rein darum, sich zusätzliches Wahlvolk zu erschließen. Das merkt man auch daran, dass sich die SPÖ vor der Wahl in Arabisch, Russisch, Hindu und in vielen anderen Sprachen (Bun­desrat Konecny: Hindu gibt es nicht, das ist keine Sprache!) – ich zeige Ihnen all das – direkt an die wahlberechtigten Neo-Österreicher wendet und die nicht einmal wissen, worum es bei dieser Wahl geht. (Bundesrätin Bachner: Darum informieren wir sie in ihrer Sprache, damit sie es lesen können!) – Sie sollten aber verstehen, worüber sie abstimmen.

Wenn jemand wahlberechtigt ist und nicht einmal den geringsten Tau davon hat, wen er wählt ... (Bundesrätin Bachner: Aber wenn ich ihnen nicht einmal die Chance gebe, verstehen sie es erst recht nicht!) Ja, aber er muss einmal zumindest verstehen, wel­che Partei sich für welches politische Wollen ausspricht. Erst dann kann jemand be­rechtigt sein und berechtigt werden, an einer Wahl teilzunehmen.

Wir von der FPÖ haben da gänzlich andere Vorstellungen. Wir sind für eine Wartefrist von 15 Jahren, wobei die Ausnahmegenehmigungen so gut wie alle zu streichen und nur in ganz besonderen Fällen zu gewähren wären. Wir stellen uns vor, dass es eine 24-monatige Integrationsfrist gibt, innerhalb welcher die Grundkenntnisse der deut­schen Sprache zu erwerben, zu erlernen sind. Geschieht das nicht in einem notwendi­gen Ausmaß, erkennt man gleich zu Beginn, dass der Integrationswille nicht vorhanden ist, was mit dem Verlust der Aufenthaltsberechtigung einhergehen müsste.

Wien ist, wie ich es schon erwähnt habe, nicht nur Opfer einer verfehlten Einbürge­rungspolitik der Regierung, sondern auch Täter, weil in Wien ganz gezielt über das In­strument der Einbürgerung versucht wird, sich neue Wählerschichten zu erschleichen. Das ist ein falscher, ein unanständiger Weg, und dieser Weg gehört durchbrochen. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Staatsbürgerschaft kann, aber muss nicht am Ende der Integration stehen. Staatsbür­gerschaft ist dann zu gewähren, wenn jemand die deutsche Sprache erlernt hat, wenn jemand wirtschaftlich auf eigenen Beinen steht und wenn jemand – das ist für mich


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auch entscheidend – bereit ist, den österreichischen Wertekatalog zu akzeptieren. Dann kann am Ende die Vergabe der Staatsbürgerschaft stehen, und dann ist es auch gut so, wenn am Ende die Staatsbürgerschaft steht und die Integration vollzogen ist, wenn also die Vergabe der Staatsbürgerschaft der Endpunkt ist und nicht als Zuckerl irgendwo auf dem Weg hin zur Integration die Staatsbürgerschaft zum Schleuderpreis vergeben wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das Gesetz ist voll von Ausnahmebestimmungen, nach denen nach sechs Jahren die Staatsbürgerschaft vergeben wird. Das Gesetz öffnet Tür und Tor all jenen, die über den Status des Asylwerbers die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben wollen, wobei Asyl überhaupt nichts damit zu tun hat, dauerhaft in ein Land auszuwandern, sondern damit, Schutz für einen bestimmten Zeitraum zu suchen.

Die vorliegende Novelle ist aus unserer und aus meiner Sicht kein gutes Gesetzes­werk, sondern die Fortschreibung einer verfehlten Politik. Würde man jetzt diese No­velle zurück an den Start verweisen, dann könnte das auch die Chance bieten, jene Punkte herauszureklamieren und eine Wende in der österreichischen Einbürgerungs- und Staatsbürgerschaftspolitik zu erreichen, wo auch gewährleistet ist, dass die öster­reichische Staatsbürgerschaft eine wirkliche Wertschätzung in der Gesetzgebung er­hält, was mit diesem Gesetzeswerk nicht der Fall ist.

Wenn ich heute hier den Einspruch unterstütze, mache ich das aus einer technischen Notwendigkeit heraus und nicht aus Überzeugung der Begründung gegenüber. Die Begründung ist eine schlechte – dieses Gesetz an den Start zurückzuverweisen ist allerdings richtig. Es ist wichtig und vielleicht ein letzter Hoffnungsanker dafür, dass die österreichische Staatsbürgerschaft in Zukunft einen entsprechend hohen Wert erhält. – Danke sehr. (Bundesrat Reisenberger: Für Sie müsste noch hinein, dass er FPÖ-Mit­glied ist, wenn er eine Staatsbürgerschaft haben möchte! Das fehlte noch!)

12.59


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Knoll. – Bitte.

 


12.59.26

Bundesrätin Mag. Gertraud Knoll (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der guten Wün­sche genug gewünscht, ich kann mich diesen anschließen.

Ich habe tatsächlich im Vorfeld meiner Angelobung im Bundesrat sehr positive Signale bekommen, was die Gesprächsmöglichkeit und vor allem auch das Gesprächsklima hier im Bundesrat betrifft. Darüber habe ich mich sehr gefreut, und gerade deshalb möchte ich schon grundsätzlich etwas zu Ihrem Schwert-Sager, Herr Kollege Bieringer, anbringen.

Nun unterstelle ich Ihnen ja wirklich nicht, dass Sie das so gemeint haben, dass der Bundeskanzler hier tatsächlich physisch in legendärer Drachentötermanier einmar­schieren soll. (Allgemeine Heiterkeit.) Aber ich frage mich, wie Sie es denn wirklich gemeint haben. Was wäre denn Ihrer Meinung nach seine Aufgabe, in welcher Form sollte er hier eingreifen? (Bundesrat Bieringer: Sie müssen das Interview lesen! Zum Bundesrat habe ich mich nicht geäußert! – Bundesrat Konecny: Ich habe das deshalb auch nicht angesprochen!) – Ja, ich möchte nur Folgendes anbringen: Ich kann mir natürlich gut vorstellen und es bleibt Ihnen ganz unbenommen, wenn die ÖVP einmal nicht mehr in der Regierung sitzt, immer mit der SPÖ zu stimmen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Halten wir das doch einmal fest! Das ist es ja, was Sie mit der Patriotismuskeule immer einfordern, dass wir das angeblich zu tun hätten. Spaß beiseite! Mir geht es eigentlich


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nur darum: Niemand sitzt hier aus Gnade irgendeiner Obrigkeit, sondern wir haben ein freies Mandat. Und der Bundesrat ist verpflichtet, seinen Beitrag zur Reife der Demo­kratie zu leisten und die Entwicklung der Demokratie weiterzubringen. Genauso wer­den wir das auch in Zukunft halten, auch wenn das vielleicht nicht immer ganz so sym­pathisch ist wie etwa heute mit dieser Sondersitzung.

Zum Staatsbürgerschaftsgesetz. Ich möchte jetzt nicht all die guten Argumente von Kollegin Neuwirth, Kollegem Schennach oder Kollegin Kerschbaum wiederholen, die bereits angeführt worden sind, um darzustellen, dass es keine schlüssige Begründung für diese Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes gibt. Offenbar war es jedenfalls keine Initiative der Länder, die tagtäglich dieses Gesetz zu vollziehen haben, die ihre Beschwerden, ihre Anregungen zur Veränderung lautstark hätten verbreiten können, wenn es tatsächlich so notwendig gewesen wäre. Es ist schon zum Ausdruck gekom­men, dass es vor allem darum geht, dass ein Regierungsvorhaben umgesetzt werden soll. Der politische Wille ist: Das, was europaweit zu den strengsten Gesetzen gehört, ist uns noch nicht scharf genug. Darum geht es! Hauptsache, es gibt für die Zuwan­derInnen ein Signal, das lautet: Stopptafel – so lange wie möglich. Ihr dürft zwar länger warten, aber ihr sollt dafür auch mehr bezahlen.

Jetzt einmal ganz abgesehen davon, was das für ein klein kariertes Signal Österreichs an diese Menschen ist. Ich frage mich hier Folgendes: Wir wollen ja auch von ihnen, dass sie, so schnell es geht, gute ÖsterreicherInnen werden, was immer das auch ist. – Darüber sind wir sicherlich auch unterschiedlicher Meinung. – Aber das wollen wir doch von ihnen, dass sie das werden. Wir muten ihnen zu, dass sie von der Ge­schichte der einzelnen Bundesländer etwas wissen. Vielleicht sollen sie auch noch die Landeshymne aufsagen, oder solche Scherze. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Sin­gen!) – Oder singen, ja. – Gleichzeitig wird aber nichts getan, um die Integrationsmög­lichkeiten zu verbessern. Davon wird ja heute noch beim Schulpaket zu sprechen sein.

Deshalb die Frage: Weiß diese Regierung denn immer noch nicht, dass gerade der Erfolg, und zwar in jeder Hinsicht, im internationalem Vergleich wesentlich von Interna­tionalisierung abhängig ist? Und diese Internationalisierung braucht ein ganz anderes Signal, nämlich: Wir wollen euch, und wir wollen alles tun, damit ihr euch möglichst gut und schnell das aneignet, was Menschen brauchen, um Österreicherinnen und Öster­reicher zu werden, die diesen Namen auch verdienen.

Am rechtlichen Umgang mit EinwanderInnen lässt sich im Grunde genommen die Of­fenheit einer Gesellschaft messen. Wenn man dieses Staatsbürgerschaftsgesetz unter dieser Prämisse, unter dieser Anforderung anschaut, dann lässt sich ablesen, wie eng und wie schmalspurig die ÖVP Österreich wirklich sieht. Ich zitiere – es ist ein Zitat, es sind nicht meine Worte –: Die Alpenrepublik entwickelt sich durch das neue Staatsbür­gerschaftsgesetz zusehends in Richtung einer geschlossenen Veranstaltung. – Zitat­ende.

Das ist keineswegs allein ein roter Befund, sondern das stellte Heinrich Neisser, Vize­präsident des Nationalrats über viele Jahre, Vizepräsident der Liga für Menschen­rechte, im Dezember bei der Vorstellung des menschenrechtlichen Befunds 2005 für Österreich fest. Und ich muss Ihnen sagen, es ist diesem Befund leider ohne Anmer­kung Recht zu geben. Deshalb kann es von Seiten meiner Fraktion für dieses Staats­bürgerschaftsgesetz nur eine ganz eindeutige Ablehnung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

13.05


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

 



Bundesrat
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730. Sitzung / Seite 37

13.05.42

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Es ist ja nicht so, dass man in der Politik grundsätzlich immer das sagen muss, was die Mehrheit bei Meinungsumfragen sagt. Man kann ja durchaus auch eine Meinung vertreten, von der man annimmt, dass sie noch nicht die Mehrheit hat. Fest steht nur, dass in diesem Fall, ohne dass es das alleinige Kriterium ist, die Mehrheit der Bevölkerung hinter diesem Staatsbürgerschaftsgesetz steht, und das wissen wir. Wenn heute hier Einwände von der Sozialdemokratie, von den Frei­heitlichen und von den Grünen gekommen sind, so zeigt sich bereits darin, dass dieser Entwurf die Mitte ganz gut erwischt haben muss.

Es wird immer wieder beschworen, was diese neue Konstellation des Bundesrates denn nicht alles bedeute. Davor fürchte ich mich nicht, wenn ich die Argumente höre, die in der Debatte gegen dieses Staatsbürgerschaftsgesetz vorgebracht wurden. Es wurde sogar von Gewalt in der Familie gesprochen, was ganz andere Kapitel der Poli­tik betrifft. Das wird also alles miteinander vermengt. Ich denke auch nicht, dass der Slogan, dass die Staatsbürgerschaft ein Integrationsmittel ist, etwas ist, was in der Be­völkerung verstanden wird, und ich sage auch: mit Recht nicht verstanden wird.

Auf der anderen Seite darf ich schon die Freiheitlichen erwähnen, die ja genauso ab­stimmen wie die Sozialdemokratie, wozu ich übrigens die Sozialdemokratie sehr be­glückwünsche. (Bundesrat Gruber: Danke!) Wenn man von einer Nullzuwanderung und einer schwarz-orangen Regierung spricht, dann möchte ich schon festhalten: Fünf­einhalb Jahre lang haben auch diese Restfreiheitlichen, die es jetzt noch gibt, diese Regierung mitgetragen. – Das zum einen.

Zum anderen bezweifle ich auch, dass bei einer Nullzuwanderung der wo auch immer herstammende Ur-Vilimsky nach Österreich gekommen wäre, weil ich nicht vermute, dass das ein ganz genuiner Alpenrepublikaner war. Das würde ich also zu bedenken geben.

An die Adresse Ihrer Freunde: Wenn bei der Fußball-WM die ersten bosnischen Öster­reicher, die hier aufgewachsen sind, für Österreich Tore schießen, dann werde ich mir einmal genau die leuchtenden Augen von Ihnen und von Ihren Freunden anschauen beziehungsweise, ob Sie da nicht jubeln, weil es ja ein Bosniake war. Das ist so wie in Frankreich: Wann immer ein Schwarzer ein Tor schießt – das war früher auch bei den Amerikanern so, dann war er Amerikaner –, dann ist er Franzose. Da würde ich als Ös­terreicher also sehr vorsichtig sein.

Zu guter Letzt – und das ist der eigentliche Punkt meines Redebeitrags – habe ich eine Bitte an den Fraktionsobmann der Grünen, an Stefan Schennach. Ich habe ganz be­wusst keine tatsächliche Berichtigung gemacht, weil ich das mit der Beweisführung ein­fach flexibler gestalten möchte. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schennach.) Der Fraktionsobmann der Grünen hat davon gesprochen, dass die Worte „totalitärer Machtrausch“ gefallen wären. Mir ist nicht bekannt, wer in der ÖVP von einem totalitä­ren Machtrausch der Grünen gesprochen hätte, daher würde ich den Fraktionsobmann der Grünen sehr herzlich bitten, uns das zu erklären. Wir ärgern uns zwar über das eine oder das andere, aber wir fühlen uns wirklich noch nicht vom totalitären Macht­rausch überrollt.

Ich kann mich erinnern, dass, als ich Jugendobmann war und meinen Bonzenquäler-Slogan hatte, diejenigen am meisten beleidigt waren, zu denen ich gesagt habe: Du bist für mich gar kein Bonze, weil du gar nicht so einflussreich bist. Die waren dann auch beleidigt. Die, zu denen ich „Bonzen“ gesagt habe, waren beleidigt, und die, zu denen ich gesagt habe, ihr seid keine, waren auch beleidigt. Ich habe den Eindruck, Stefan Schennach gehört zu dieser letzteren Kategorie, weil ich sage: Für den totalitä-


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ren Machtrausch reicht es noch nicht. – Bitte, nicht gekränkt sein! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

13.10


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Giefing. – Bitte.

 


13.11.03

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ursprünglich wollte ich mich heute zu diesem Ta­gesordnungspunkt nicht melden, mir sind aber ein paar Aspekte eingefallen, die nicht nur für mich beziehungsweise für meine Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates interessant sind, sondern vielleicht auch für die Frau Bundesminister sehr, sehr inter­essant sein könnten.

Allen, die nun in diesem Saal sitzen und die vielleicht in den vierziger Jahren geboren worden sind, wird in Erinnerung sein, dass in den fünfziger Jahren, als es in Österreich keine Arbeit gegeben hat, viele unserer Landsleute nicht aus eigenem Willen unser Land verlassen haben, sondern weil das eben die wirtschaftliche Situation zur damali­gen Zeit erfordert hat. Diese Leute sind damals nach Kanada, nach Neuseeland, nach Australien und so weiter ausgewandert.

Ich kenne einige Fälle, aber einen möchte ich Ihnen kurz schildern: eine Tischlerlehre in Österreich, die Lehre 1953 abgeschlossen und keine Arbeit in Österreich. Daher mit dem Schiff nach Kanada, wenn Sie so wollen und vielleicht aus heutiger Sicht, geflüch­tet. (Bundesrat Mayer: Wann? – Bundesrat Gruber: War das der Strohsack?) – Nein, das war nicht der Stronach, der war nämlich Mechaniker, der war nicht Tischler. Es war auch nicht Schwarzenegger. – Das heißt also, er ist 1953 nach Kanada, wenn Sie so wollen, geflüchtet oder ausgewandert, egal, wie Sie das heute bewerten wollen. Es gab jedenfalls keine Arbeit in Österreich. Er ist schweren Herzens ausgewandert; liebend gerne wäre er hier geblieben.

In Kanada hat er dann in der Landwirtschaft gearbeitet, in der Folge auch als Tischler. Dann hat er eine Generalunternehmung gegründet; eine sehr, sehr tüchtige Person also. Wenn man in Kanada eine Generalunternehmung gründet – und da können alle, die mit der Materie nicht so vertraut sind, nachfragen oder nachlesen –, dann setzt das auch voraus, dass man die kanadische Staatsbürgerschaft annimmt, denn sonst hat man dort wenig oder gar keine Chance, irgendwelche Aufträge zu bekommen. Wenn man die kanadische Staatsbürgerschaft annimmt, setzt das voraus, dass man die ös­terreichische Staatsbürgerschaft zurücklegt oder abgibt.

Und nun komme ich zur Pointe dieser Geschichte: Das sind manchmal Leute, die in ihrer Pension wiederum in ihr Heimatland zurückkehren möchten. Sie möchten nach dieser nicht der eigenen Willkür geschuldeten Auswanderung liebend gerne wieder nach Hause. Das geht jetzt aber nicht mehr, Frau Minister. Nach drei Monaten wirft die Republik Österreich diese Personen wieder hinaus.

Daher möchte ich sagen: Bitte, schauen Sie sich diesen Aspekt auch an! Wir haben heute schon über Asylanten gesprochen, die man integrieren und die man Deutsch lehren muss, für die man also Kosten aufwenden muss, damit sie Deutsch lernen, ja damit sie überhaupt die Lebenshaltungskosten bestreiten können. Diese Personen aber bekommen Pension von Kanada. So jemand fällt der Republik Österreich mit kei­nem Cent ins Budget. Diese Leute lässt man nicht nach Österreich, während wir uns heute damit befassen, wie wir Leute aus der Türkei oder sonstigen Staaten in Öster­reich integrieren könnten.


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Liebe Frau Minister! Ich würde Sie bitten: Überprüfen Sie diese Fakten! Lassen wir vielleicht diesen Aspekt in diese Novelle einfließen! Das waren Österreicher, und die sind nach wie vor Österreicher. Dass man die nicht in unser Land lässt, bezeichne ich persönlich als kleinen Skandal. Ich meine, wir sollten daher die Problemlage dieser Gruppe, die nicht gerne aus unserem Land gegangen ist, sondern weil das die wirt­schaftliche Situation damals erfordert hat, überdenken und überlegen, ob man das nicht in diese Novelle des Staatsbürgerschaftsrechtes hineinnimmt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

13.16


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister, Sie haben das Wort.

 


13.16.03

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich darf ganz kurz noch einmal darauf eingehen. Ich möchte gleich mit dem letzten Teil beginnen.

Zum einen: Die Migrationsbewegungen sind ein Teil der Geschichte dieser Welt. Es gab sie immer – von den Völkerwanderungen bis zum heutigen Tag. Wie die Zahlen der letzten 25 Jahre beweisen – zufällig habe ich gestern in Brüssel dazu eine Wort­meldung machen müssen, daher habe ich die Zahlen ausgehoben –, haben sich die Migrationsbewegungen verdoppelt. Es sind also deutlich mehr Menschen in Bewegung geraten. Es handelt sich um ganz unterschiedliche, sehr viel schwerer zu bewältigende Migrationsströme.

Das zeigt sich zum Beispiel an Kanada, das vorhin angeführt wurde. Kanada war und ist in aller Augen eigentlich noch immer ein typisches Einwandererland – diese be­rühmte green card, die immer wieder erwähnt wird –, tatsächlich ist Kanada mit diesen Regelungen jedoch im Bereich Einwanderer und Asylwerber weltweit und in absoluten Zahlen vom ursprünglich vierten Platz auf den siebenten Platz zurückgefallen. Öster­reich liegt bereits vor Kanada, um nur einmal diese Zahlen zu vergleichen. Das sind Tatsachen, die wir natürlich auch immer wieder in die Diskussion einbringen müssen.

Es wurde immer wieder behauptet, dass es keinen Grund gab, dieses Gesetz zu än­dern. Ich möchte daher noch einmal unterstreichen, was ich in allen Punkten zu erläu­tern versucht habe. Ich werde das jetzt nicht mehr wiederholen: Es ist zum einen mit dem Fremdenpaket im Zusammenhang gestanden und zum anderen ein alter Wunsch der Bundesländer. Ich habe zwei konkrete Punkte angesprochen: Es waren die Lan­desamtsdirektoren, die von ihren Koordinatoren, von ihren Fachbeamten diese Infor­mation hatten, die diesen Beschluss fassten. Ein ganz konkreter Vorschlag mit zehn Punkten wurde von der Landeshauptleutekonferenz 2004 unter Vorsitz von Bürger­meister Häupl formuliert. Es war dies eine deutliche und klare Aufforderung, dieses Gesetz anzupassen und zu harmonisieren. Dem sind wir bei allen Kontakten nachge­gangen. Das möchte ich noch einmal sagen. Ich muss zur Kenntnis nehmen, wenn das nicht zur Kenntnis genommen wird, aber es ist einfach eine Tatsache, die wir auch belegen können.

Es ist die Frage der Internationalisierung angesprochen worden, dass der Erfolg Inter­nationalisierung voraussetzt. Das alles stimmt. Wir befinden uns heute in einer globa­len Welt, und es ist wahnsinnig viel in Bewegung. Und genau damit sind wir dann aber auch konfrontiert. Ich war gestern im so genannten LIBE-Ausschuss – das ist der Aus­schuss für Innenpolitik und Justiz – in Brüssel bei einem Hearing beziehungsweise bei einer Fragestunde, und dort kam das Thema Asyl zur Sprache. Es ist von allen Län­dern bis auf ein Land betont worden, dass wir hier strenger und korrekter vorgehen, in­tensiver miteinander kooperieren müssen. Dieser LIBE-Ausschuss hat eine sehr große, nicht konservative Mehrheit, um auch das zu betonen. Alle Länder haben das Problem


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in ganz unterschiedlicher, aber sehr intensiver Ausformung. Besonders hervorgehoben wurde, dass die Trennlinie zwischen Hilfesuchenden und Asylwerbern ganz klar gezo­gen werden sollte. Hier gibt es die Genfer Konvention, hier gibt es Grundsatzbeschlüs­se, und das ist der eine Teil. Da gibt es eigentlich überhaupt keine Diskussion, wer das zu sein hat. Man muss nur überlegen, welches die Herkunftsländer und wie sicher die Drittländer sind. Das sind die Einzelpunkte dazu.

Der zweite Punkt ist die legale Einwanderung, die zum Teil gewollt, zum Teil notwendig ist, aber auch gewissen Grundsätzen folgen muss: Arbeitsmöglichkeit, Integrations­möglichkeit, soziale Möglichkeiten in den einzelnen Staaten; und die illegale Migration. Diese illegale Migration ist heute eine sehr große Gefahr, weil sie nicht nur unkontrol­lierbar ist und zu menschlichen Tragödien derer führt, die herkommen und sich enorm viel vom Goldenen Westen erwarten, sondern sich unter diesem Deckmantel auch Kri­minalität, Terrorismus und Sonstiges verbirgt.

Diese drei Trennstriche sind also deutlich zu ziehen. In vielen Wortmeldungen hier ist das aber auch wieder deutlich vermischt worden. Frau Bundesrätin Kerschbaum hat das mehrfach getan. Im Bereich des Niederlassungsgesetzes sind Aufenthaltstitel etwas ganz, ganz anderes als eben die Staatsbürgerschaft. Das muss man klar tren­nen. Wir haben versucht, und das war auch notwendig, das aneinander heranzuführen und zu harmonisieren. Gerade im Niederlassungsgesetz gibt es erstmals die Möglich­keit, bei Gewalt in der Familie die vom Ehegatten getrennte Niederlassung der Frau zu regeln. Damit haben wir genau das aufgenommen, was den Wünschen und Forde­rungen der Interventionsstellen entsprach. Diese Möglichkeit besteht also nun, und die Frau kann nach einer Trennung unabhängig vom Mann sehr wohl das Niederlas­sungsrecht und danach auch die Staatsbürgerschaft bekommen. Das wurde in dieser Novelle erstmals so gemacht.

Zum Schluss möchte ich noch eines betonen: Wir haben in diesem Gesetz die For­derungen einer ausreichenden Beherrschung der Sprache, eines genügenden Ein­kommens und der Anerkennung der Werte sehr wohl verankert und verpflichtend festgeschrieben. Der Bereich Asyl ist ein internationales Recht, und den anerkannten Asylwerbern ist letztlich auch die Staatsbürgerschaft zu geben. Das ist ein internatio­nales Recht, und dem kommen wir auch nach. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­räte Ing. Kampl und Mitterer.)

13.22


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


13.22.24

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Eine kurze Wortmeldung noch, weil ich die Worte des Kollegen Vilimsky nicht so stehen las­sen will und kann.

Dem Kollegen Himmer muss ich zuerst kurz noch Folgendes sagen: Ich habe aus der Erinnerung folgende Worte memoriert: rücksichtslose Mehrheit, Achse, Blockaderat, rot-grüner Machtrausch, totale Opposition, Missbrauch der Geschäftsordnung und Schwerter, die Schüssel in die Hand nehmen muss. – Bei so vielen Ausdrücken zum derzeitigen Zustand kommt das Wort „totalitär“ nur in Form von „die totale Opposition, die sich hier durchsetzt“ vor. Insofern nehme ich dieses Wort daher gerne zurück – ich habe nie ein Problem damit, wenn ich fälschlich etwas behaupte. Die Summe der anderen Ausdrücke, die gefallen sind, sind zwar auch nicht gerade schwach, aber wie gesagt: Wo Kollege Himmer Recht hat, hat er Recht, und ich stehe nicht an, das auch zurückzunehmen. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Himmer: Bravo!)


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Nun zu den Ausführungen des Kollegen Vilimsky: Man kann ja Studien von allen mög­lichen Instituten heranziehen, wobei allerdings das ifo München doch ein sehr renom­miertes Institut ist. Wenn Sie die Studie dieses Instituts aufschlagen, finden Sie dort gleich einen ganz wichtigen Namen einer jungen, arrivierten Wirtschaftswissenschafte­rin aus Linz. Sie heißt Dr. Karin Mayr, ich glaube, sie ist sogar eine Kollegin der Kol­legin Lichtenecker. Diese Frau Dr. Karin Mayr hat im Jahr 2004 eine Studie vorgelegt, die internationale Beachtung gefunden hat: „Die Auswirkungen von Migration auf den Öffentlichen Haushalt“.

Diese Studie bezieht sich auf Österreich, aber es gibt in der Folge auch eine für Deutschland. Das Fazit dieser Studie ist, dass Migranten keine Sozialschmarotzer sind: Sie zahlen mehr ein, als sie herausbekommen. Die Migranten füllen also die Fi­nanzierungslücken der staatlichen Haushalte. Das ist ein Faktum.

Ich habe jetzt unter ifo nachgeschaut. Sie müssen ein bisschen aufpassen, denn da sind auch Diskussionsbeiträge bei Veranstaltungen drinnen. Ich habe während Ihrer Rede zum Beispiel einen gefunden: „Achtung, die Polen kommen!“ Das ist mit Sicher­heit keine Äußerung des Instituts. Das, was Sie haben, ist möglicherweise auch keine Äußerung des Instituts. – Im Übrigen heißt es mittlerweile wohl eher: „Achtung, die Deutschen kommen!“, und das sowohl aus Sicht Österreichs als auch aus Sicht Po­lens. Seit der EU-Erweiterung gehen vor allem Deutsche in Richtung Polen in qualifi­zierte Arbeitsplätze. Fragen Sie doch einmal unsere Hochschulen und Universitäten! Da werden Sie eher andere Bilder zum Beispiel aus Graz zu sehen bekommen.

Darum geht es aber hier jetzt nicht. Tatsache ist, Herr Kollege Vilimsky, ohne die Ein­bürgerung von 800 000 Menschen in den letzten zehn Jahren wären wir bei knapp sechs Millionen Einwohnern in Österreich. Ohne die Einbürgerungen würden wir min­destens ein Drittel unserer Krankenhäuser zusperren müssen. Fragen Sie einmal die Frau Präsidentin der Niederösterreichischen Wirtschaftskammer, wie viele Betriebe Konkurs erklären oder ihre Tätigkeit einstellen hätten müssen, wenn das nicht passiert wäre!

Auch als Grüner vertraue ich anderen Studien, nämlich beispielsweise jener der Welt­bank. Die Weltbank hat eine Studie über das Thema vorgelegt, welchen Einwande­rungsbedarf die Europäische Union bis zum Jahr 2018 hat, um die Grundsicherung und die Grundleistung unserer staatlichen Strukturen, unserer Wohlfahrts- und Sozial­einrichtungen zu erhalten. Das ist eine ganz andere Ebene der Diskussion.

Wir leben im Zeitalter des Genderns, ich denke also, man darf auch nicht mehr „Milch­mädchenrechnung“ sagen, aber mit Ihrer Rechnung, dass AusländerInnen Österrei­cherInnen Jobs wegnehmen, mit der schaffen Sie – egal, ob in Deutschland oder in Österreich – nicht einmal mehr in einer Grundschule eine Prüfung. Lassen Sie diesen Blödsinn beiseite, es findet hier keine Verdrängung statt! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Vielmehr muss man sich fragen, warum hoch qualifizierte Migranten eigentlich in Jobs tätig sind, die heute von Österreichern und Österreicherinnen gar nicht mehr ausgeübt werden. Gehen Sie einmal in Spitäler oder anderswo hin, dann sehen Sie, wie die sozi­ale Wirklichkeit aussieht, und lassen Sie im Sinne einer vernünftigen Diskussion diese ideologische Verbrämtheit einmal beiseite. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­räten der SPÖ.)

13.27


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir hatten keine Berichterstattung, daher kommen wir jetzt zur Abstimmung, weil die Debatte geschlossen ist.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Neuwirth, Schennach, Kolleginnen und Kolle­gen vor, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates mit der beigegebe­nen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es erübrigt sich daher eine Abstimmung über den Antrag Dr. Kühnel, keinen Einspruch zu erheben.

13.28.342. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitslosen­versicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1122 d.B., 330/A und 1214 d.B. sowie 7437/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird (605/A und 1215 d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Da der Bundesrat dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur Berichterstattung über die beiden gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates eine Frist bis zum 24. Jän­ner 2006 gesetzt hat, sind diese Vorlagen gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auch ohne Vorliegen eines schriftlichen Ausschussberichtes in Ver­handlung zu nehmen.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


13.29.42

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Bedauerlicher­weise ist der Rang der Vertreter der Regierung nicht besetzt. Ich werde mich trotzdem bemühen, in meinen Ausführungen auf das eine oder andere einzugehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da es sich bei den beiden Tagesordnungspunkten 2 und 3 um eine Spezialdisziplin im Arbeitsrecht handelt – ich gebe das zu Beginn offen zu –, erlauben Sie mir, ganz zu Beginn meiner Ausführungen einen kurzen Bericht dar­über zu geben, worum es einerseits in diesen beiden Materien im Detail geht und was andererseits bisher geschehen ist und bedauerlicherweise nicht geschehen ist.

In unserer Tagesordnung zur heutigen Plenarsitzung heißt es zwar korrekt, aber lapi­dar: Beschluss des Nationalrates vom 6.12.2005, mit dem im Arbeitsrecht Veränderun­gen getroffen werden sollen. Es geht im Konkreten um das Angestelltengesetz, um das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, um das Arbeitslosenversicherungsgesetz und letztlich auch um das Landarbeitsgesetz.

Bei diesen arbeitsrechtlichen Aspekten – und es ist mir doch ein besonderes Anliegen, dies zu Beginn hervorzuheben, weil es wichtig für die Gesamteinschätzung ist –, bei diesen beiden arbeitsrechtlichen Aspekten handelt es sich im Wesentlichen um das so


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genannte Individualarbeitsrecht, also ein Arbeitsrecht, in dem sich in dieser Spezialdis­ziplin lediglich der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin und der Arbeitgeber gegenüber­stehen, individuell, ohne ausreichenden Schutz, ohne betriebsrätliche Beratung. Das ist insofern wichtig, um das einschätzen zu können, damit man auch die weitere Ent­wicklung inhaltlicher Art ausreichend beurteilen kann: zwei Vertragsparteien, liebe Kol­leginnen und Kollegen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, zwei Vertragsparteien, deren Interessenlage zu einem Zeitpunkt von Rekord-Arbeitslosigkeit und bedauerlicherweise zu wenig offenen Stellen unterschiedlicher nicht sein kann, sodass von gleichberech­tigten Partnern auf der Ebene des Arbeitsvertrages gerade in Zeiten wie diesen, eines extrem angespannten Arbeitsmarktes, keinesfalls gesprochen werden kann.

Ich habe es zu Beginn erwähnt: Was ist bisher geschehen, und was ist bisher nicht geschehen? – Ich darf in Schlagworten kurz Revue passieren lassen, wie diese Ge­setzesinitiative in den Nationalrat gekommen ist, damit wir leichter einschätzen können, warum wir im Bundesrat, der zweiten Kammer im parlamentarischen System der Bun­desgesetzgebung, diesen Weg gewählt haben, den wir eingeschlagen haben.

Es hat eine Regierungsvorlage gegeben, mit der dieses arbeitsrechtliche Thema in den Nationalrat gekommen ist. In diesem Zusammenhang – die Frau Präsidentin von der Wirtschaftskammer ist jetzt bedauerlicherweise draußen – mache ich darauf aufmerk­sam, dass diese Vorlage ohne Begutachtung in das Parlament gekommen ist: eine arbeitsrechtliche Thematik, die – und das ist ein wichtiger Punkt – ohne Sozialpartner­gespräche ins Parlament gekommen ist!

Warum hebe ich das in diesem Zusammenhang besonders hervor? – Der zuständige Bundesminister Bartenstein hat im Sommer 2005 diese Sozialpartnergespräche ange­kündigt. Ich darf in diesem Zusammenhang zitieren: Ich kenne die Probleme und lade die Sozialpartner zu Gesprächen ein. – Bartenstein im August 2005. Diesen Worten folgten leider keine Taten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Husch-Pfusch-Gesetzgebung und – ich er­wähne das in diesem Zusammenhang auch – dann im Nationalrat mit äußerst eigen­artigen Antragsaktivitäten einzelner Vertreter der Regierungsmehrheiten wurde das Arbeitsrecht in der Regierungsvorlage im Nationalrat noch zusätzlich verschärft – ich möchte das besonders hervorheben –, sodass zum jetzigen Zeitpunkt der zweiten Kammer des parlamentarischen Systems in Österreich, dem Bundesrat, nichts anderes übrig geblieben ist, als im zuständigen Ausschuss die Handbremse zu ziehen!

Ich möchte in diesem Zusammenhang doch darauf aufmerksam machen, dass es ge­lungen ist, mit einer Debatte im Wirtschaftsausschuss gemäß § 33 der Geschäftsord­nung des Bundesrates eine Einladung von Auskunftspersonen beziehungsweise zur Vorlage von Sachverständigengutachten, wie gesagt, das zweite Mal, mit einer ent­sprechenden Mehrheit zu beschließen. Ich stehe auch nicht an, mich als Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion bei den Grünen für die Unterstützung dabei zu bedan­ken.

Eines sei in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch hervorgehoben, damit das in der politischen Debatte des heutigen Tagesordnungspunktes zu keiner Polemik Anlass gibt. Ich bin der Frau Präsidentin sehr dankbar dafür, dass sie im Ausschuss darauf aufmerksam gemacht hat, dass es in diesem Paket des Arbeitsrechtes einen wichtigen Punkt gibt; ich schaue jetzt bewusst in Ihre Richtung, Kollege Mayer, Sie haben sich nach mir zu Wort gemeldet. Es gibt einen Punkt, in dem es um die Frage der Sterbe­begleitung von Kindern geht, um die Ausdehnung von sechs auf neun Monate. Ich habe ausdrücklich im Ausschuss festgehalten, dass das eine sozialpolitisch äußerst begrüßenswerte Maßnahme ist.


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Ich halte das auf dieser Ebene der Ausschussberatungen deshalb fest, weil ich es auch vermeiden möchte – ich bin gespannt, ob das gelingen wird –, dass unter diesem Tagesordnungspunkt im Plenum zu diesem Thema polemische Debattenbeiträge kom­men. Ich unterstelle Ihnen das keinesfalls, bei allem Respekt. (Bundesrat Mayer: Danke! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, aber im Rahmen einzelner Bun­desländeraktivitäten war schon zu hören – Kollege Kühnel, bei allem Respekt –: Die Roten verhindern sozialpolitische Verbesserungen! (Bundesrat Kneifel: Das stimmt ja! So ist es ja!)

Ich sage in diesem Zusammenhang, es ist bedauerlich, dass diese sozialpolitische Verbesserung in das Gesetzespaket mit verpackt wurde und unter einem abgehandelt wird. Das bringe ich auf den Punkt, daher sage ich: Wir begrüßen diese Maßnahme, aber durch die anderen, auch vorgesehenen arbeitsrechtlichen Veränderungen wird dieser Punkt – nicht von uns verschuldet – verzögert. Man kann das alles verbessern. Ich sage in dem Zusammenhang nur, wir freuen uns, wenn das Gesetz noch einmal in den Nationalrat kommt und dann auch die entgeltliche Absicherung in der Familienhos­pizkarenz gleich mit verpackt wird. Ich bin sehr begeistert, wenn das alles neu kommt. Mir war es wichtig, diesen Punkt festzuhalten: Das ist im Ausschuss breit diskutiert worden, dafür gibt es heute in der Plenarsitzung keine Gelegenheit mehr, dies zu zer­reden.

Was die Einladung zur Vorlage von Sachverständigengutachten betrifft, liebe Kollegin­nen und Kollegen, so wurde das vorliegende Material heute verteilt. Ich darf mich, nachdem ich das im Ausschuss beantragt habe, bei allen recht herzlich bedanken, die die Gelegenheit wahrgenommen haben. Ich möchte eines besonders hervorheben, und ich hoffe, dass das auch auf breite Zustimmung im Plenum stoßen wird. Ganz be­sonders begeistert war ich von der äußerst präzisen, sehr detaillierten, äußerst auf­schlussreichen und umfangreichen Stellungnahme der Bundesarbeitskammer zu die­sem Thema.

Ich möchte an dieser Stelle wirklich ein herzliches Dankeschön an die Arbeiterkammer ausrichten. In einer hochgradig spezialisierten Materie ist es gelungen, viel Licht in angeblich dunkle Sphären dieses Arbeitsrechtes zu bringen. Ich sage deshalb „angeb­lich“, weil es, wenn man sich die Debattenbeiträge im Nationalrat zu diesem Thema durchliest, entweder an der vorgeschrittenen Uhrzeit gelegen ist, oder es war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ganz klar, wie dieses AVRAG oder das Angestellten­gesetz geändert werden soll.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich jetzt aber ins Detail eingehen. Um welchen Beschluss geht es im Konkreten? – Spezi­almaterie Arbeitsrecht: Es geht im Wesentlichen darum, dass versucht wird, gesetzlich zu definieren, welche Arbeitsvertragsklauseln in Zukunft zulässig sein sollten und wel­che nicht zulässig sein sollten.

Der Ist-Zustand im derzeitigen Arbeitsrecht, nämlich die Konkretisierung von unzähli­gen unfairen Arbeitsvertragsrechtsklauseln, wird fortgeschrieben. Ich erinnere noch einmal daran, liebe Kolleginnen und Kollegen: Da stehen sich beim Abschluss des Arbeitsvertrages zwei ungleiche Partner gegenüber. Wenn wir hohe Arbeitslosigkeit haben, dann unterschreibt jeder Arbeitsplatzsuchende den Arbeitsvertrag innerhalb der rechtlich zulässigen Grenzen, mögen sie auch noch so ungerecht sein. Im Konkre­ten werden also die Botschaft, die wir bisher hatten, und der Ist-Zustand, den wir bisher im Arbeitsrecht hatten – das ist die unterste Ebene, da gibt es keine Betriebsräte –, der unfaire Zustand, den wir bisher hatten, nämlich die volle Flexibilität zugunsten der Arbeitgeber und gleichzeitig die Einschränkung der Mobilität der ArbeitnehmerInnen, manifestiert. Das ist die Hauptbotschaft dieser neuen Gesetzesvorlage.


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In der Praxis – das sollte man in diesem Zusammenhang auch besonders erwähnen, davon müssen wir ausgehen, die Arbeiterkammer schreibt das sehr deutlich, und das steht auch außer Streit – gibt es sieben unfaire Arbeitsvertragsrechtsklauseln. Der Bundesregierung ist es in einer Husch-Pfusch-Aktion dieses Gesetzes gerade einmal gelungen, zwei zu finden – zwei! Das ist ein weiteres Indiz dafür, warum man sich beim Suchen wohl eher etwas Zeit hätte lassen sollen. Bei diesen beiden Vertrags­rechtsklauseln, die letztlich doch gefunden wurden, möchte ich die Ergebnisse auch vorwegnehmen: Es gibt in Summe eine Verbesserung und zwei gravierende Ver­schlechterungen.

Ich möchte noch einmal erwähnen, dass ein neues Gesetz geschaffen wird, wo wir in der Praxis die Situation haben: Sieben Klauseln sind relevant, und nur auf zwei wird eingegangen. Fünf hat man offensichtlich vergessen, oder man hat sie bedauerlicher­weise nicht gefunden. Erlauben Sie mir jetzt, dass ich in der gebotenen Kürze auf die zwei eingehe, die geregelt werden und heute zur Beschlussfassung vorliegen. Es han­delt sich dabei einerseits um die Konkurrenzklausel und andererseits um die Ausbil­dungskosten-Rückerstattungen.

Worum geht es dabei? – Bei der Konkurrenzklausel geht es im Wesentlichen darum, dass eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin getroffen wird, dass man für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner Erwerbs­tätigkeit massiv eingeschränkt wird. Bisher ist das nur im Angestelltengesetz geregelt, die Judikatur des Obersten Gerichtshofes hat diesen Aspekt auch auf andere Arbeits­verhältnisse analog ausgeweitet.

Was kommt jetzt tatsächlich neu? – Tatsächlich neu ist das, woraus sich bereits das erste Problem ergibt. Die Bundesregierung führt ins Treffen, dass man sagt: Nein, das wollen wir in Zukunft nicht so haben, bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze sollten überhaupt keine Konkurrenzklauseln zulässig sein. Ich stehe nicht an, in dem Zusammenhang diese Einkommensgrenze an sich als einen Aspekt und Ansatz her­vorzuheben, der begrüßenswert ist, der eine positive Tendenz hat. – Dies so weit zu meiner Einschätzung, dass es eine Verbesserung mit sich bringt.

Was in dem Zusammenhang kolportiert wird, war auch eine interessante Debatte: der Betrag von 2 125 € Monats-Bruttoentgelt. Tatsächlich hat man in dieser – ich sage das noch einmal; ich weiß, dass der Begriff weh tut, erlauben Sie mir trotzdem, dass ich das so tituliere – gesetzlichen Husch-Pfusch-Aktion legistisch durch derartige Unschär­fen letztlich den Text so gestaltet, dass die 2 125 € nicht mehr stimmen, weil man die Sonderzahlungen vergessen hat, weil man die Überstunden vergessen hat, weil man den Zeitpunkt der Beendigung als zufälligen Beendigungsmonat vergessen hat, sodass wir tatsächlich – und es ist wichtig, das hervorzuheben – statt auf 2 125 € im Monat auf nur noch 1 821 € brutto kommen. Das bedeutet, die Verbesserung – ich möchte sie als richtigen Schritt hervorheben – reduziert sich erheblich!

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Punkt ist diese Entgeltgrenze. Wenn man 2006 ein neues Gesetz macht, ist das ein sozialpolitischer Meilenstein. Das ist eine entschei­dende Frage, und der Punkt ist die Vergleichsbasis. Ich habe hervorgehoben, dass wir vorher keine Entgeltgrenze hatten. Aber wenn wir das Angestelltengesetz – und da darf ich jetzt vielleicht noch einmal kurz um Aufmerksamkeit bitten – auf der Basis von 1921 heranziehen (Bundesrat Dr. Kühnel: In jedem zweiten Satz ...!), dann war die Einkommensgrenze für das Verbot einer Konkurrenzklausel bei 120 000 Kronen.

Jetzt gebe ich zu, ich habe mir im ersten Durchgang etwas schwer getan; ich bin ein geborener Achtundsechziger, mit Kronen habe ich nie bezahlt. Wenn man das hoch­rechnet, sehr geehrte Damen und Herren, dann beträgt die Grenze von damals heute 3 100 €. Ich möchte es daher in dem Zusammenhang auf den Punkt bringen: Wir ma-


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chen 2006 ein neues Gesetz im Arbeitsrecht, das ein sozialpolitischer Rückschritt vor die Zeit von 1921 ist und dort nicht einmal mehr 40 Prozent des Niveaus erreicht. Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube feststellen zu müssen: Das ist abzulehnen!

Der zweite Punkt ist der Ausbildungskosten-Rückersatz. Worum geht es in diesem Zu­sammenhang? – Es geht im Wesentlichen darum, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Folgendes vereinbart wird: Du darfst einen bestimmten Kurs mit speziel­len Ausbildungsinhalten machen, aber damit ich als Arbeitgeber etwas davon habe, verlange ich von dir, dass du eine bestimmte Dauer bei mir im Unternehmen bleibst. – Das ist an sich ein Gedanke, den man durchaus nachvollziehen kann, den man inner­halb einer vernünftigen Dauer und innerhalb vernünftiger Grenzen nachvollziehen kann. Ich bin in der Debatte sehr offen und sage das auch ganz ehrlich, aber: Was kommt? Die Frage ist: Wie wird so etwas legistisch umgesetzt?

In dem Gesetz fehlt völlig, dass es nicht um die Ausbildungskosten geht, sondern es gibt überhaupt keinen Hinweis zu Neben- und Rahmenkosten. Jetzt wissen wir alle, wie diese Spezialseminare über die Bühne gehen: Die Kolleginnen und Kollegen müs­sen irgendwo hinfahren, da entstehen Fahrtkosten, da entstehen Quartierkosten, und da entstehen Schulungskosten – in der Regel im Interesse des Arbeitgebers. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass ein Verbot ... (Bundesrat Mag. Himmer: Das eine ist im Interesse vom Arbeitgeber, das andere im Interesse vom Arbeitnehmer! Wenn Sie selber auf ein Seminar fahren ...!)

Nein, nein! Stellen Sie sich vor: Ein Arbeitnehmer geht zu seinem Chef und sagt: Ich fahre jetzt auf einen Spezialkurs, der kostet 10 000 €, ich bin eine Woche weg, und dann komme ich wieder! Den Arbeitgeber, der darauf sagt: Selbstverständlich, ich freue mich auf nächsten Montag! – Kollege, nicht böse sein –, den muss ich suchen gehen! (Bundesrätin Bachner: Den musst du mit der Lupe suchen! – Bundesrat Mag. Himmer: Entweder sind es die Kosten, oder es sind nicht die Kosten! Es sind beides Kosten!) Und so, wie die fünf anderen Klauseln offensichtlich nicht gefunden wurden, werden wir diesen Arbeitgeber auch nicht finden. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... Klassenkampf! Als Achtundsechziger ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Darf ich jetzt vielleicht auf den Kern der Sache im Bereich der Ausbildungskosten kom­men? (Bundesrat Mag. Himmer: ... mehr als eine Suppe!) Liebe Kolleginnen und Kol­legen, wie lange wollen wir, dass diese Bindung auf Arbeitsvertragsebene gesetzlich zulässig sein soll oder nicht? Wie lange?

Angeblich – und das möchte ich auch dazusagen – ist im Nationalrat darüber diskutiert worden: Fünf Jahre sind die Regel, das ist die gängige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Ich sage noch einmal dazu, vielleicht war es die späte Stunde, vielleicht ist es in der Kürze der Zeit nicht gelungen, die gesamte Palette der Judikatur des Oberlandesgerichtes Wien oder des Obersten Gerichtshofes schnell auf den Punkt zu bringen. Faktum ist, dass eine dreijährige Bindungsdauer bei dieser Arbeitsvertragsver­einbarung der Regelfall ist und die Ausdehnung auf fünf Jahre die Ausnahme für ganz beschränkte Spezialausbildungen darstellt.

Diese Geschichte wird mit dem vorliegenden Gesetz so ausgedehnt, dass fünf Jahre der Regelfall werden und acht Jahre im Extremfall zulässig sind. Dazu kommt – ich möchte jetzt keinen Ausflug mehr ins Arbeitsrecht machen, Kollege Mayer weiß das aus seiner beruflichen Tätigkeit –, dass wir im Arbeitsrecht gemäß der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch von der geltungserhaltenden Re­duktion sprechen. Das bedeutet, wenn wir de facto in der Praxis eine schriftliche Ver­einbarung haben, die den Arbeitnehmer dazu zwingt, bei irgendeinem Kurs 15 Jahre ans Unternehmen gebunden zu sein, und er diese unterschreibt, dann bedeutet die geltungserhaltende Reduktion, dass die Klausel nicht nichtig ist und damit aus dem


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Arbeitsvertrag verschwinden muss, sondern dann bleibt sie so drinnen, wie es die Basis im Gesetz vorsieht. Insofern ist es nicht irrelevant, welche Bindungsdauer wir in diese Novelle aufnehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe jetzt versucht, einige Aspekte aufzuzeigen, wie sich dieses Gesetz in der Praxis auswirkt. Kollegin Bachner wird dann noch einige äußerst interessante Aspekte der Praxis zu diesem Thema einbringen. Ich frage Sie schon – und wäre Herr Bundesminister Bartenstein heute anwesend, dann müsste ich ihn das fragen –: Glauben Sie reinen Gewissens, dass in Zeiten wie diesen am öster­reichischen Arbeitsmarkt eine gesetzliche Veränderung in dieser Form a) in Ordnung und b) wirklich sozial gerecht ist? – Wir sind sehr gespannt, ob es irgendwann dazu eine offene und ehrliche Meinung gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir ganz zum Schluss, dass ich zu diesem gesetzlichen, äußerst eigenartigen Konvolut vielleicht noch einen kurzen Aus­flug in die Theorie des Rechts mache. Wenn wir ein Gesetz neu regeln (Bundesrat Mag. Himmer: Na, das wird dann länger dauern!) – das Thema ist zu ernst –, wenn wir ein Gesetz neu regeln (Zwischenrufe bei der ÖVP), dann sollte das Gesetz so gestaltet sein (Bundesrat Mag. Himmer: Darin besteht die Kunst beim Reden, dass man sich kurz fassen kann!), dass es bestimmte Funktionen erfüllt. Da sind die Friedensfunktion, die Gestaltungsfunktion und auch die Ausgleichsfunktion ein ganz entscheidender Aspekt.

Nachdem ich versucht habe, hervorzuheben, dass mit Sicherheit nicht mehr von Frie­den in diesem Vertragsrecht gesprochen werden kann, dass eine zweckmäßige und effiziente Gestaltung nicht einmal in Sicht ist und dass ein Ausgleich von widersprüch­lichen Interessen Lichtjahre entfernt ist, wird es Sie nicht überraschen, wenn ich jetzt meine beiden Anträge stelle.

Ich darf daher den Antrag stellen:

Antrag

Die Bundesräte Mag. Klug, Konrad und GenossInnen stellen gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Antrag auf Einspruch gegen den Ge­setzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Gesetz, mit dem das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Landarbeits­gesetz 1984 geändert werden.


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Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die eben zitierten Gesetze geändert werden sollen, einen Einspruch zu erheben.

*****

Zum nächsten Tagesordnungspunkt ebenso der

Antrag

Die Bundesräte Mag. Klug und Konrad stellen gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates den Antrag auf Einspruch gegen den Gesetzesbe­schluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltenge­setz geändert werden soll.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird, einen Einspruch zu erheben.

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Begründung habe ich – ich gebe zu, in einer etwas breiteren Form – bereits in meinen Ausführungen zum Angestelltengesetz und zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz ausführlich darzulegen versucht.

Zum Landarbeitsgesetz, sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir einen kur­zen Hinweis: Wir sind aufgefordert, ein Gesetz, das offensichtlich verfassungswidrig ist, spätestens in der zweiten Kammer der Bundesgesetzgebung, dem Bundesrat, zu stoppen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich appelliere an alle, in diesem Zusammenhang ihr politisches Schutzschild zum Wohle der arbeitenden Bevölkerung in diesem Land im Zuge dieser Abstimmung besonders hervorzuheben. Erteilen wir gemeinsam einer Spezialdisziplin im Arbeitsrecht, die in einer Husch-Pfusch-Aktion durch den National­rat gepeitscht wurde, eindeutig eine Absage! Unterstützen Sie die sachlichen Anliegen in diesem Zusammenhang zum Wohle der arbeitenden Bevölkerung in diesem Lande. Ein herzliches Glück auf! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.57


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die von den Bundesräten Mag. Klug und Konrad, Kolleginnen und Kollegen eingebrachten Anträge gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, gegen die vorliegenden Beschlüsse des National­rates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, sind genügend unter­stützt und stehen demnach mit in Verhandlung.

Wir gehen jetzt in der Debatte weiter. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mayer. – Bitte.

 


13.57.56

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Klug, ich darf mich eingangs sehr herz­lich dafür bedanken, dass Sie quasi im Vorhinein meinen Redebeitrag gestaltet haben und mir so mitgeteilt haben, was ich hier zu sagen habe – eine besondere neue Quali­tät, dazu muss ich Ihnen gratulieren!

Wenn Sie mir hier gleich Polemik ans Herz legen wollen: Fakten, aber keine Polemik, das ist unser Auftrag hier im Bundesrat. Ich muss Ihnen außerdem zu diesem voraus­eilenden Gehorsam, den Sie von mir erwartet haben, schon auch noch mitteilen, dass jetzt Ihr Exkurs ins Arbeitsrecht eher ein Seminar zu Arbeitsrecht oder eine universitäre Vorlesung war, aber eher wenig an Fakten zur Sache geboten hat. Ich möchte deshalb auch zur Sache kommen, und ich verspreche Ihnen, ich werde wesentlich kürzer sein.

Einer der wesentlichen Punkte der Novellierung dieses Arbeitsvertragsrechts-Anpas­sungsgesetzes ist die Änderung bei der Hospizkarenz. Das ist für uns sehr, sehr we­sentlich. Hier erfolgt eine Ausweitung von sechs auf neun Monate, weil vor allem – und das zeigen die Erfahrungswerte – die Betreuung von tumorkranken Kindern länger als sechs Monate dauert. Hier gibt es auch keine Polemik, Herr Kollege. Es ist eine enorm wichtige Maßnahme, die Pflegeleistung in den Familien und bei den schwerstkranken Kindern zu verbessern.


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Die Hospizkarenz ist jetzt aber auch für Wahl- und Pflegeeltern möglich, sie wird sogar auf die leiblichen Kinder des Ehepartners, des Lebensgefährten ausgedehnt und auch auf die Betreuung von sterbenden Lebensgefährten.

Wesentlich ist auch die Verbesserung in Bezug auf die Unterstützungszahlungen aus dem Härteausgleichsfonds, die von 500 € auf 700 € des gewichteten Haushaltseinkom­mens angehoben werden.

Ich darf in Erinnerung rufen, etwas Wichtiges, dass eine umfassende Absicherung der ArbeitnehmerInnen in der Kranken- und Pensionsversicherung während der Hospiz­karenz gegeben ist und dass die Beiträge vom Staat bezahlt werden. Die Abfertigungs­ansprüche bleiben ebenfalls erhalten.

Das sind wesentliche Verbesserungen, Herr Kollege! Die Familienhospizkarenz ist eine wichtige Maßnahme in unserem sozialen Netz, die tragende Säule in unserer Sozial- und Familienpolitik, um die uns viele beneiden und die es vor dem Jahre 2002 in Öster­reich nicht gegeben hat. Ich sage dies auch bewusst in Hinblick darauf, dass die häus­liche Pflege in Vorarlberg einen besonderen Stellenwert hat – dazu die ambulanten und stationären Dienste, die sich sehr wertvoll mit Krankenpflegevereinen und mobilen Haushilfediensten ergänzen. Da gilt bei uns: So viel ambulant wie möglich, so viel sta­tionär wie nötig. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben angesprochen, dass im Wirtschaftsausschuss Konsens geherrscht hat: Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates hat eben eine andere Vorgabe als der Aus­schuss im Nationalrat, da der Ausschuss des Bundesrates nicht derartige Rechte hat. Wenn Sie das auch dort betont haben, so muss ich in aller Form sagen: Dann stimmen Sie zu! Stimmen Sie einfach diesem Gesetz zu, und betreiben Sie keine wahltakti­schen Spielchen im Bundesrat! Genau das wollen wir: eine Zustimmung zu dieser Hos­pizkarenz und keine Verzögerungstaktik, wie sie hier praktiziert wird. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Reinhold Einwallner.)

Ich empfehle Ihnen wirklich ohne Polemik, diesen besonderen Mosaikstein der Sozial­politik Ihrem stets lockeren Sager über soziale Kälte hinzuzufügen. – Das empfehle ich Ihnen! (Bundesrat Mag. Klug: Ich habe schon gewusst, warum ich es sage! Genau so! Genau das habe ich ...!) – Ja, ja, genau deshalb. Das ist soziale Kälte, Herr Kollege!

Das sind soziale Errungenschaften dieser Bundesregierung: in einem hohen Maße ausgebaute Familien- und Sozialpolitik. Das ist überhaupt keine Politik, das ist ein Faktum! (Bundesrat Mag. Klug: Wer trägt das Verschulden?)

Wenn Sie hier die Stellungnahme der Bundesarbeitskammer zitieren – natürlich haben auch die Wirtschaftskammer und die Bauernkammer Stellungnahmen abgegeben, auch der Gewerkschaftsbund, Kollegin Bachner wird das sicher auch noch erwäh-
nen –, dann ist das gut und richtig, aber wenn Sie diese Expertise dann in einem besonderen Maße loben, dann muss ich Ihnen sagen: Na ja, das entspricht den Inten­tionen Ihrer Partei und kann natürlich in der Nähe eines Gefälligkeitsgutachtens ange­siedelt werden. – Das muss man in dieser Form sagen, wenn man das genauer durch­liest. (Bundesrat Mag. Klug: Das war eine Herzensangelegenheit! Er sollte wissen, woher er kommt! Arbeiterkammer!) – Ja, eine Herzensangelegenheit, die von Ihrer Par­tei vorgegeben ist.

Im Zusammenhang mit den Gesetzesmaterien möchte ich auf einen anderen Bereich zu sprechen kommen, und zwar auf das Thema Konkurrenzklauseln, weil das einen wichtigen Schritt für die Arbeitnehmer bedeutet. Es ist eine Verbesserung. Die Arbeits­welt erfordert heute immer mehr Flexibilität und Mobilität, und das ist auch oft mit einem Standortwechsel verbunden. Die EU hat dies auch ausdrücklich in der Lissabon-Strategie entsprechend angeführt.


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Tatsächlich kommt es immer häufiger vor, dass Firmen ihren Mitarbeitern Verträge im Niedriglohnbereich und im geringfügigen Bereich mit Konkurrenzklauseln anbieten, und das ist geradezu paradox. Mit der neu vorliegenden Fassung haben wir eine Frei­grenze von 2 125 € eingeführt. – Wenn Sie das auch abwerten, dann sei Ihnen das un­benommen. (Bundesrat Mag. Klug: Das ist Tatsache!) Das ist eine entscheidende Ver­besserung, weil es 50 Prozent der ArbeitnehmerInnen betrifft. (Bundesrat Mag. Klug: Das stimmt nicht!) 50 Prozent der ArbeitnehmerInnen haben durch diese Konkurrenz­klausel jetzt einen Vorteil. (Bundesrat Mag. Klug: Sie haben die Stellungnahme nicht gelesen!) – Wenn das keine Verbesserung ist, dann kenne ich mich wirklich nicht mehr aus! (Bundesrat Gruber: Es scheint so zu sein!)

Sie beten hier immer wieder die hohen Arbeitslosenzahlen herunter. Da kommt natür­lich zum Ausdruck, dass dadurch auch immer mehr Druck auf den einzelnen Arbeit­nehmer entsteht. – Das ist auch ein Faktum, und das müssen Sie zur Kenntnis neh­men!

Diese Änderung stellt eine zeitgemäße und sozialpolitisch enorm wichtige Maßnahme zum Schutz von wirtschaftlich schwächeren ArbeitnehmerInnen dar (Bundesrat Mag. Klug: „Zeitgemäß“?!) und ist daher sachlich auch völlig richtig. (Bundesrat Mag. Klug: Na bravo!)

Nächstes Thema: Ausbildungskosten. Sie haben ja die gesetzlichen Hintergründe aus­reichend erklärt. Ich sage es jetzt einfach, niederschwellig und für jedermann verständ­lich, denn wir haben hier keine Vorlesung zu halten, sondern uns einfach auf die Fak­ten zu beschränken, die das Gesetz beinhaltet, und das ist nun einmal die Tatsache. Bei den Ausbildungskosten wird klar geregelt, dass die Einschulungskosten davon aus­genommen sind – gerade in diesem Bereich ist es auch oft zu Missbrauch gekom­men! –, damit eine wesentliche Einschränkung auf tatsächliche Ausbildungskosten, die auch betriebsspezifisch sind, gelegt wird.

Außerdem sind Minderjährige davon ausgenommen, und dem Arbeitnehmer muss die Rückzahlung der Ausbildungskosten auch wirtschaftlich zumutbar sein. Weiters ist es eine wesentliche Vorfrage, wie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt ist. Un­zulässig ist zum Beispiel eine Rückzahlung bei provisorischen und befristeten Dienst­verhältnissen, um hier nur einige Ausschließungsgründe zu nennen.

Wenn Sie mir Polemik vorwerfen, Herr Kollege Klug, dann frage ich Sie: Wie oft haben Sie in Ihrer Rede „Husch-Pfusch-Partie“ erwähnt? – Das ist auch Polemik, oder nicht? (Bundesrat Mag. Klug: Das ist eine! Schauen Sie sich das an! Das ist ein Beispiel!) Oder „durchpeitschen“ haben Sie gesagt: Was wird hier durchgepeitscht? – Überhaupt nichts wird durchgepeitscht! Durchpeitschen geht wesentlich rasanter, zumindest in der Vorstellung eines Vorarlbergers, das muss ich Ihnen sagen! (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Gruber: Der Verfassungsgerichtshof ...!)

Sie hätten ja jahrzehntelang selbst die Möglichkeit gehabt, diese Gesetze durchzubrin­gen! (Rufe bei der SPÖ: Im Herbst!) 50 Jahre unter SPÖ-Sozialministern haben Sie un­genutzt verstreichen lassen! Da gab es vor Jahrzehnten bereits erste zarte Versuche, und Sie haben es nicht geändert. Wir ändern es jetzt, und das ist Ihnen auch wieder nicht recht. (Bundesrat Mag. Klug: Was ist denn mit der Bindungsdauer?) – Bitte hören Sie jetzt mit der Bindungsdauer auf! Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. (Bundesrat Mag. Klug: Ah, eh nicht! Das habe ich mir gedacht!)

Die gesetzlichen Änderungen sind eine wichtige Präzisierung, bringen deutlich mehr Klarheit und Transparenz und wesentlich mehr Sicherheit für tausende Arbeitnehme­rInnen in unserem Lande. Ich darf mich auch als Arbeitnehmervertreter bei unserem Bundesminister Bartenstein für diesen wichtigen Schritt und für diese Verbesserungen in der Arbeitnehmerpolitik bedanken. (Bundesrat Mag. Klug: Na bravo!)


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Ich darf deshalb auch folgende Anträge einbringen:

Antrag

gemäß § 43 GO-BR

der Bundesräte Mayer, Kolleginnen und Kollegen

gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1122 der Beilagen, 330/A und 1214 der Beilagen sowie 7437/BR der Beilagen), kei­nen Einspruch zu erheben.

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1122 der Beilagen, 330/A und 1214 der Beilagen sowie 7437/BR der Beilagen), wird kein Einspruch erhoben.

*****

Antrag

gemäß § 43 GO-BR

der Bundesräte Mayer, Kolleginnen und Kollegen

gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird (605/A und 1215 der Bei­lagen), keinen Einspruch zu erheben.

Der Bundesrat wolle beschließen:

gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird (605/A und 1215 der Bei­lagen), wird kein Einspruch erhoben.

*****

Ich darf weiters noch ein Verlangen unserer Fraktion einbringen:

Gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung verlangen die unterzeichneten Bundesräte eine namentliche Abstimmung in Bezug auf den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitvertragsrechts-An­passungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsge­setz 1984 geändert werden.

*****

Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl.)

14.07



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Die von den Bundesräten Mayer, Kolleginnen und Kol­legen soeben eingebrachten Anträge, gegen die vorliegenden Beschlüsse des Natio­nalrates keine Einsprüche zu erheben, sind genügend unterstützt und stehen demnach mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


14.08.03

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier wieder eine Gesetzesnovellierung vor uns liegen, die eine Mischung aus Änderungen verschiedener Gesetzeslagen darstellt – einerseits des Arbeitsvertragsrechts-Anpas­sungsgesetzes, andererseits des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, des Landarbeits­gesetzes und so weiter, und damit werden auch viele Neuerungen eingeführt.

Die erste Passage, auf die ich eingehen möchte und die selbstverständlich in dieser Form unsere absolute Unterstützung erfährt, nämlich die Erweiterung des Anspruchs auf Karenz zur Begleitung von schwer kranken Kindern, ist uns ein wichtiges Anliegen. Ich denke, das Thema Pflege und Pflegeleistungen könnte im Rahmen einer Enquete inhaltlich besser behandelt werden, um zu sehen, wie wir in diesen Bereichen Fort­schritte zu Wege bringen können.

Nun zu den anderen Bereichen, die ganz zentral betroffen sind: Den vorliegenden No­vellierungen ist einmal grundsätzlich vorzuwerfen, dass es kein ordentliches Begutach­tungsverfahren gegeben hat, was tatsächlich ein Riesenmanko ist, das in dieser Regie­rung wirklich zunehmend Platz greift.

Ich möchte jetzt die zwei zentralen Punkte herausgreifen, die Kollege Klug und Kollege Mayer vorher schon angesprochen haben, nämlich einerseits die Konkurrenzklausel und andererseits das Thema der Ausbildungskosten-Rückerstattung. Das sind zwei sehr heikle Bereiche. Wir haben einen Minister in unseren Reihen, dessen große Heer­scharen von solchen Dingen jedenfalls nicht betroffen sind, dass so etwas eintreten kann wie eine Konkurrenzklausel, durch die Leute, die aus einem Dienstverhältnis aus­scheiden, de facto ein Jahr nicht in dem Bereich, aus dem sie kommen, oder in der Branche, aus der sie kommen, oder in ähnlichen Betrieben arbeiten dürfen bezie­hungsweise Ausbildungskosten rückerstatten müssten.

Nun bin ich die einzige Rednerin, die de facto nicht aus der Gewerkschaft kommt, son­dern ich bin im Bundeswirtschaftsparlament vertreten. Das macht die Sache, finde ich, spannend und interessant. Und ich sage: Das Problem mit diesen beiden Regelungen ist, dass sie nicht innovativ sind. Sie sind meiner Meinung nach auch wissenschaftlich nicht in dieser Form begründbar, denn sie sind nachteilig für die Wirtschaft an sich.

Was machen wir damit? – Sowohl mit dem Thema Konkurrenzklausel als auch mit den Ausbildungskosten-Rückerstattungs-Modalitäten behindern und verhindern wir die Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. Wir leben in einer sehr dynamischen und sehr innovativen Zeit. Wir leben in einer Zeit der Bildung, der Ausbildung, der Weiterbildung. Das Tempo ist ein rasches, und genau darauf muss man auch reagieren und in diesem Sinne agieren. Diese beiden Bereiche werden das jedoch ganz grundlegend verhindern. Der Wettbewerbsvorteil einer Volkswirtschaft wird sich darin ausdrücken und darin Niederschlag finden, wie schnell sie sich anpas­sen kann.

Kollege Mayer! Das Vorliegende ist de facto ein Hemmnis. Das wird sich zeigen, und das hat sich schon gezeigt. Schauen Sie sich Länder wie zum Beispiel Dänemark an: Dänemark versucht zum einen, die Mobilität seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer zu forcieren. Das Spannende dabei ist – und das muss man einfach auch so


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sagen –: Dänemark hat eine unglaublich niedrige Arbeitslosenrate. Warum? – Einer­seits werden mit Ausbildungsförderungen und dergleichen die Mobilität der Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer und deren Qualität forciert. Andererseits ist dort aber das Arbeitslosengeld nicht so wie in Österreich auf 60 Prozent des Letztverdienstes und auf ein halbes Jahr nach Beendigung des Dienstverhältnisses beschränkt, sondern es ist beinahe so hoch wie das Letzteinkommen und kann auch über einen wesentlich längeren Zeitraum bezogen werden. Was passiert? – Die Leute wagen sich viel eher auf den Arbeitsmarkt, um Neues zu beschreiten. Das ist gut so, und das funktioniert. Es tritt trotzdem nicht das ein, was immer vermutet wird, dass bei hohen Arbeitslosen­geldern die Leute länger in der Arbeitslosigkeit verbleiben. Das ist nicht so! Die Bei­spiele zeigen es.

Wir haben es bei diesem Gesetzentwurf in den angesprochenen Bereichen also mit einer Beeinträchtigung der Mobilität und einer Beeinträchtigung der Flexibilität der Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu tun.

Was machen Sie, wenn jemand zum Beispiel aus der IKT-Branche kommt? Das ist ein Riesenbereich mit unglaublich vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber ein relativ beschränkter Bereich. Das AMS vermittelt einen Job, und dieser Mensch sagt dann: Sorry indeed, ich habe eine Konkurrenzklausel unterschrieben, ich darf für ein Jahr in dieser Branche nicht arbeiten! Was ist dann? Sperre des Arbeitslosengeldes? Das kann es doch nicht sein. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer. Bundesrat Gru­ber: Übersehen!  Bundesrätin Bachner: Pech gehabt!)

Das sind Bereiche, die man klar verändern muss, und das muss man auch klar zum Ausdruck bringen, denn so etwas wollen wir nicht, und ich nehme nicht an, Kollege Mayer, dass du willst, dass so etwas tatsächlich passieren kann – du als Arbeitnehme­rinnen- und Arbeitnehmervertreter. (Bundesrat Mayer: ... Das ist schon eine Verbesse­rung! Bundesrat Gruber: Husch-Pfusch!) – Wo ist die Verbesserung?

Auf andere Bereiche gehe ich jetzt nicht mehr in dieser genauen Form ein, das hat Mag. Klug vorhin schon getan, aber summa summarum fordern wir Grünen, dass es möglich ist, flexibler zu agieren, Mobilität zu fördern und gleichzeitig auch Sicherheit für die Menschen zu schaffen, die in den Unternehmungen arbeiten, denn das ist klare Motivationslehre: gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – tolles Unternehmen. Daher sollten wir das in dieser Form vorantreiben.

Insbesondere – sosehr ich mit Ihnen zufrieden bin, Herr Minister Platter – vermisse ich jetzt doch den Minister Bartenstein, weil wir doch immer von „Flexicurity“ reden. – Das ist unser neues Modewort, aber wo ist es denn in dieser Diskussion? Da fällt man dann immer zurück in die Zeiten der fünfziger Jahre, und – mit Verlaub, Herr Kollege Knei­fel – dann tönen Worte durch die Hallen wie „Klassenkampf“. Da mutet es doch irgend­wie etwas seltsam an, wenn man dann auf solchen Regelungen beharrt, die tatsächlich nicht innovativ sind und Mobilität in dieser Form auch absolut beschränken.

Bei den Ausbildungskosten-Rückerstattungsregelungen ist es – hier greife ich einen Punkt heraus – etwas skurril, dass man die Rückzahlbarkeit auf fünf bis acht Jahre ausdehnt. In Zeiten, wo Wissen unglaublich schnell veraltet, Wissen und Humankapital unglaublich schnell verfällt, kann es das doch nicht sein! Kollege Mayer! Es ist ja nicht so, dass halb Österreich einen Staplerschein macht – so wichtig diese Ausbildung auch ist –, sondern andere Ausbildungen, die sehr schnell wieder Neues und Zusätzli­ches brauchen. Da ist ein Zeitraum von fünf bis acht Jahren ein absoluter Hemmschuh für Innovationsprozesse. – Das kann es nicht sein.

Jetzt nenne ich noch ein Beispiel, das mich schon sehr verwundert hat: Ich halte es für sehr wichtig, das Thema Karriere mit Lehre und modulare Bildungssysteme zu forcie­ren. Und was haben wir? – Es fehlt tatsächlich ein Verbot, dass die Ausbildungskosten


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bei Lehrverhältnissen und anderen Arbeitsverhältnissen, die Ausbildungscharakter ha­ben, rückerstattet werden müssen. Da gelten keine Altersgrenzen, sondern Lehren können auch später absolviert werden.

Da – wie ich vorhin betont habe – eine der Regelungen, nämlich die in Bezug auf die Karenzausdehnung zur Begleitung von schwer kranken Kindern, natürlich unsere absolute Unterstützung erhält, bedauern wir es, dass diese Novelle in dieser Form nicht mitgetragen werden kann, da sie erstens mobilitätshindernd ist, zweitens große Ungerechtigkeiten birgt und drittens – ein wesentlicher Grund für mich – einen absolu­ten Innovationshemmschuh für unsere Wirtschaft darstellt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Platter. – Bitte.

 


14.17.48

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Damen und Herren! Zuerst wollte ich mich eigentlich nicht zu Wort melden, aber auf Grund dieser Diskussion ist es mir sehr wichtig, als Bundesregie­rungsmitglied doch eine Stellungnahme abzugeben.

Wie ich jetzt diesen Diskussionen entnommen habe, beabsichtigen die SPÖ und die Grünen, dieser Gesetzesmaterie nicht die Zustimmung zu geben; das heißt, dass ein Einspruch erhoben wird. Es wird dann wieder der Nationalrat damit befasst werden, und ich gehe davon aus, dass dort ein Beharrungsbeschluss gefasst wird, aber diese gesetzlichen Maßnahmen, die man vorsieht, werden um Monate verzögert.

Ganz besonders schmerzt das – wie es bereits zum Ausdruck gebracht wurde – im Be­reich der Familienhospizkarenz. Ich kann Ihnen sagen, ich bin stolz darauf, dass diese unsere Regierung im Jahre 2002 diese gesetzliche Maßnahme beschlossen hat. Es hat schon längere Zeit – da war ich noch im Nationalrat – Diskussionen darüber gege­ben, aber eine Familienhospizkarenz konnte nicht ermöglicht werden. Wir haben das im Jahre 2002 getan. Das war eine unglaublich große sozialpolitische Maßnahme und hat auch Wärme in dieser Republik Österreich ausgestrahlt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Meine Damen und Herren! Es wurde jetzt eine Evaluierung über den Zeitraum durch­geführt, und es wurde festgestellt, dass die Dauer nicht ausreichend war und dass ge­rade bei Kindern, die schwerst krank sind, die durchschnittliche Dauer der Inanspruch­nahme bei vier beziehungsweise fünf Monaten liegt.

Deshalb erachte ich es schon als eine sehr wichtige Maßnahme, dass nun eine Aus­weitung durchgeführt wird und diese Familienhospizkarenz bis zu neun Monate in An­spruch genommen werden kann – eine Maßnahme, auf die die Eltern sehr warten. Deshalb habe ich kein Verständnis dafür, dass man jetzt Einspruch erhebt und dadurch diese Möglichkeit, die die Bundesregierung schaffen will und der Nationalrat auch schaffen wird, wieder verzögert. Deshalb möchte ich an Sie appellieren, dass Sie auch die Stimmen der Eltern hören, die diese Maßnahme dringend brauchen, und dass der Bundesrat sich diese Ablehnung noch einmal überlegt.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie aber glauben, dass sich der Einspruch primär gegen die Neuregelung hinsichtlich des Ausbildungskostenrückersatzes oder der Kon­kurrenzklausel richtet, so möchte ich Ihnen Folgendes zu bedenken geben: Mit der Ein­schränkung der Gültigkeit von Konkurrenzklauseln durch Einführung einer Entgeltgren­ze für 2006 von 2 125 € wird der missbräuchlichen Verwendung derartiger Klauseln bei Beziehern von niedrigen bis mittleren Arbeitseinkommen ein Riegel vorgeschoben.


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Ich weiß aus vielen Debatten, dass von der Öffentlichkeit nichts mehr angeprangert wird als Missbräuche. Und die Regierung hat die Aufgabe, da entsprechend einen Rie­gel vorzuschieben.

Wenn Sie glauben, bei der Neuregelung des Ausbildungskostenrückersatzes Beden­ken zu haben, so möchte ich Ihnen mitteilen, dass die bisherige Judikatur möglichst unverändert umgesetzt wird (Rufe bei der SPÖ: Stimmt nicht!), dass aber auch Ausbil­dungsinitiativen, die, wie wir alle wissen, ganz wesentlich für das Gedeihen unserer Wirtschaft sind, nicht von vornherein abzuwürgen sind. Diese Regelung ist zweifellos ein Kompromiss zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. (Bun­desrat Mag. Klug: Wieso?)

Ich möchte Ihnen Folgendes sagen, weil Sie den Minister Bartenstein angesprochen haben: Minister Dr. Martin Bartenstein bemüht sich unglaublich, immer wieder Vor­schläge zu machen und Gesetzesinitiativen durchzuführen, damit wir den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit gewinnen. Schauen Sie sich das Ranking an, und schauen Sie sich in Bezug auf vergleichbare Länder an, wo wir liegen! Das hat nur den Grund, dass hier einfach gearbeitet und evaluiert wird und dass bestimmte Maßnahmen durchgeführt werden.

Es wurde hier immer wieder der Klassenkampf erwähnt. Wir brauchen keinen Klassen­kampf! Was wir brauchen, sind (Bundesrat Mag. Klug: Anständige Gesetze! Sozial gerechte Gesetze!) vernünftige Angebote, um jene, die nicht im Erwerbsleben stehen, in die Unternehmungen zurückführen zu können. (Bundesrätin Bachner: Aber damit nicht!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte auch Folgendes sagen: Wir brau­chen Flexibilität. Diese Flexibilität ist für die Unternehmer notwendig. Die Wirtschaft muss Möglichkeiten, aber auch Absicherungen haben, wenn im Ausbildungsbereich Investitionen getätigt werden – das ist doch selbstverständlich, sonst wird es ja nicht weiter gefördert –, dass diese Ausbildungsmöglichkeiten angenommen werden kön­nen. Andererseits braucht es auch diese entsprechende Flexibilität für die Arbeitneh­mer.

Ich sage Ihnen das auch als engagierter Arbeitnehmervertreter von Tirol, wo ich auch meine Zuständigkeit habe. Deshalb habe ich mich hier zu Wort gemeldet. Es geht darum, dass man Dinge zulässt, auch wenn sie von der Regierung kommen, dass die Opposition nicht nur aus dem Grund, dass man die Möglichkeit hat, Einsprüche zu erheben, eine Verzögerung erwirkt.

Deshalb ersuche ich Sie und appelliere an Sie, dass Sie diesen wichtigen Maßnahmen insbesondere im Bereich Familienhospizkarenz heute die Zustimmung erteilen und kei­nen Einspruch erheben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

14.23


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Bachner. Ich erteile ihr das Wort.

 


14.23.50

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Wir ha­ben Ihren Appell gehört. Ich gebe Ihnen Recht und auch mir tut es Leid, dass gerade der Bereich der Familienhospizkarenz auf Grund dieser Verknüpfung von mehreren Materien heute nicht zu einem Beschluss kommen wird, weil wir Einspruch erheben, denn im Bereich der Familienhospizkarenz können wir unsere Unterstützung vollinhalt­lich gewähren.


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Nichtsdestotrotz lasse ich die sozialdemokratische Fraktion und auch die Grünen nicht schuldig werden, da so quasi als Verhinderer und Blockierer hingestellt zu werden, wenn wir eine Materie vorliegen haben, der wir einfach nicht die Zustimmung geben können.

Wenn Sie betonen, dass sich der Herr Bundesminister Bartenstein ständig bemüht, Lö­sungen zu finden, dann frage ich Sie, warum es bei dem damals angebotenen Sozial­partnergespräch, wo es ja in Wirklichkeit um Lösungsfindung gegangen wäre, nur bei der Ankündigung blieb und es nie umgesetzt wurde. – Das zeigt uns schon, dass kein so großer Wille zu wirklicher Lösungsfindung auf Sozialpartnerebene vorhanden sein kann.

Der Kollege Klug und auch die Kollegin Lichtenecker haben schon sehr ausführlich auf die Vor- und Nachteile des vorliegenden Gesetzes aufmerksam gemacht, und Sie ha­ben gerade in Ihrem Redebeitrag – ich musste innerlich direkt grinsen – wieder gesagt, wir brauchen Flexibilität.

Herr Bundesminister! Das wird uns ohnehin täglich mehrmals von den Unternehmen und der Regierung mitgeteilt, aber gerade mit diesem Gesetz und mit diesen angespro­chenen Klauseln erzeugen Sie das genaue Gegenteil. Oder es findet so statt, dass wir von den Arbeitnehmern alles verlangen, jegliche Flexibilität, aber die Absicherung für die Arbeitnehmer darf nicht sein. Wenn sie sich verändern wollen, wenn sie von sich aus flexibel sein wollen, dann fesseln wir sie mit Händen und Füßen. – Genauso schaut nämlich dieses Gesetz aus! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zum Kollegen Mayer: Du hast dem Kollegen Klug vorgeworfen, dass er Wahltaktik be­treibt. Wenn ich jetzt nicht davon ausgehen würde, dass du das wahlpolemisch ge­meint hättest, müsste ich mich als leitende Sekretärin im ÖGB fragen, wo du arbeitest (Bundesrat Mayer: Da war ich nicht beim ÖGB!), denn du müsstest die Materie und die Problematik besser erkennen als alle anderen. Darüber bin ich schon sehr verwundert, aber vielleicht sollten wir uns einmal außerhalb des Plenums über dieses Thema unter­halten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt den Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat eine Studie, die wirklich brandaktuell ist, zur Kenntnis bringen. Sie wurde auch heute Vormittag bei einer Pres­sekonferenz präsentiert und zeigt genau die Problemstellung auf, die mehrfach andis­kutiert wurde.

Kollege Klug hat schon gesagt, in dieser Gesetzesvorlage werden in Wirklichkeit nur zwei Punkte behandelt. Es gibt ja sehr viele Klauseln, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, und, Kollege Mayer, auch da liegst du falsch. Du hast uns wieder vorgeworfen, wir waren ja früher in der Regierung und hätten das alles per Gesetz ver­hindern können. Gerade du müsstest auch wissen, dass genau diese Entwicklungen mit den Absurditäten in den Dienstverträgen erst in den letzten Jahren aufgetreten sind und das zunehmend massiv so gehandhabt wird. (Bundesrat Mayer: Da ist ausgerech­net die Regierung schuld, oder?) – Nein, ich gebe da nicht einmal der Regierung allein die Schuld, wirklich nicht. Das habe ich nicht gesagt, aber dann darf ich nicht die Augen schließen und Gesetze machen, die das noch einmal verstärken.

Die Studie wurde im Auftrag von Arbeiterkammer und ÖGB gemeinsam mit der Fach­hochschule Wiener Neustadt durchgeführt, und zwar genau zum Thema Arbeitsver­tragsklauseln. Die Befragung hat zwischen Ende November und Anfang Jänner unter 820 TeilnehmerInnen stattgefunden. Die Voraussetzung für die Teilnahme war, dass der oder die Betroffene einen schriftlichen Arbeitsvertrag beziehungsweise einen Dienstzettel hat und vorweisen kann.


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Interessant ist das Ergebnis dieser Umfrage: 92 Prozent aller Befragten Arbeitnehme­rInnen haben mittlerweile zumindest eine der nachteiligen Klauseln in ihrem Arbeitsver­trag. In Wirklichkeit hat ein Arbeitsvertrag ohne Fußangeln heute schon Seltenheits­wert.

Ich nenne einige Beispiele, wie diese Arbeitsvertragsklauseln ausschauen: So hat etwa die Hälfte der ArbeitnehmerInnen Änderungsklauseln zum Arbeitsort beziehungsweise zur Tätigkeit in ihrem Arbeitsvertrag. Ebenfalls rund die Hälfte der ArbeitnehmerInnen hat eine Form der Pauschalentlohnung und eine ausdrückliche Verpflichtung zur Leis­tung von Überstunden und Mehrstunden als Vertragsbestandteil. Gut ein Drittel der be­fragten ArbeitnehmerInnen ist durch eine Konkurrenzklausel beim Arbeitsplatzwechsel behindert. Ebenfalls mobilitätshemmend wirken Ausbildungskostenrückersatz-Klauseln in diesen Arbeitsverträgen.

Zeitgleich mit dieser Studie, die da durchgeführt wurde, hat die Arbeiterkammer Wien in einem Beratungszeitraum von zwei Monaten mit den Beratern und Beraterinnen etwas erhoben. In diesen zwei Monaten wurden gezählte 9 000 Personen beraten. Diese 9 000 Personen wurden in diesem Zeitraum auch spezifisch zu diesen Arbeits­rechtsklauseln und weiteren Themen befragt. Und dieses Ergebnis der Studie hat sich in Wirklichkeit genau bestätigt.

Darüber hinaus haben wir seit zwei Jahren im ÖGB ein Beratungszentrum. Ich lade – und das meine ich ernst und überhaupt nicht polemisch – jedes Bundesratsmitglied gerne ein, sich eine Woche bei uns in das Beratungszentrum zu setzen und sich live von den betroffenen Menschen anzuhören, wie es ihnen derzeit mit Verträgen im Ar­beitsleben geht, was es da alles gibt. Davor sollten wir nicht die Augen verschließen. Das hat Kollege Klug aufgezeigt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dr. Lich­tenecker.)

Und da geht es nicht um Wahltaktik und nicht um Polemik, sondern da geht es uns um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Letztlich ist das auch zum Schutz der Wirt­schaft, denn es müssen auch die Wirtschaft und die Unternehmen daran interessiert sein, dass sie wirklich zufriedene ArbeitnehmerInnen zur Verfügung haben.

Deshalb werden wir von der SPÖ Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais.

 


14.31.30

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Minister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich habe mich auch zu diesem Thema gemeldet. Kollege Klug hat im Ausschuss schon gesagt, die Fami­lienhospizkarenz von sechs auf neun Monate zu erhöhen sei zu begrüßen. Daher kann ich nur fragen: Warum stimmen Sie nicht zu? (Bundesrätin Bachner: Das haben wir jetzt mehrfach gesagt! – Bundesrat Gruber: Schon fünf Mal erklärt!)

Ja, das habe ich schon gehört, aber ich möchte trotzdem noch einmal hervorstreichen, dass unsere Regierung dieses Gesetz im Jahr 2002 geschaffen hat und dass Ihre Fraktion schon vorher die Möglichkeit gehabt hätte, in diesem Bereich etwas zu tun, jedoch gar nichts getan hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Bachner, da Sie das jetzt noch einmal gesagt haben, kann ich Ihnen dazu nur sagen: Springen Sie einfach über Ihren Schatten und Sie tun etwas Gutes! (Bundesrätin Bachner: So hoch kann ich nicht springen! – Bundesrat Gruber: Schade um die Zeit! Das ist lächerlich) – Wir helfen Ihnen.


Bundesrat
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Zu den Arbeitsrechtsklauseln muss ich festhalten: Wir haben zu Hause selbst einen Betrieb, und in diesem haben wir überhaupt keine Klauseln angewandt. Also ist es nicht gang und gäbe, dass das alle Betriebe haben. (Bundesrätin Bachner: Habe ich auch nicht gesagt!)

Ich möchte zur Familienhospizkarenz noch einige Worte sagen, denn ich denke, es geht darum, dass es im Leben nicht immer nur Sonnenseiten gibt, sondern auch eher schwerere Zeiten (Bundesrat Stadler: Das merkt man eh! Jeden Tag!), in denen eine Familie von Krankheit betroffen ist und daher die Pflege sehr wichtig ist.

Wie wir auch schon angemerkt haben: Im Jahr 2002 wurde dieses Gesetz von dieser Regierung eingeführt. Es ist evaluiert worden, und von 2002 bis heute haben 775 Per­sonen die Familienhospizkarenz in Anspruch genommen. Ich glaube, das zeigt aber auch, dass diese Regierung soziale Wärme ausstrahlt und dass sie einfach Vorkehrun­gen für unsere Bevölkerung schafft. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Wie im Kühlschrank!)

Die soziale Wärme ist überall in den verschiedensten Bereichen vorhanden. Wir sehen es: Wir haben die höchsten Sozialausgaben, die es überhaupt je in diesem Lande ge­geben hat. Wir haben den höchsten Beschäftigungsstand – Beschäftigung schafft Ar­beit und damit kann man sich auch das soziale System leisten. (Bundesrat Gruber: Die höchste Arbeitslosigkeit! Sie sind eine Schönrednerin! – Bundesrätin Bachner: Die höchste Arbeitslosigkeit! Das müssen Sie dazusagen!)

Jetzt noch einmal zurück zur Familienhospizkarenz. Es hat sich einiges verändert. So sind nun Frauen verstärkt auf dem Arbeitsmarkt, was gut ist. Daher ist eben diese Familienhospizkarenz besonders wichtig geworden, da die Frauen dadurch Zeit für die Pflege haben.

Die Evaluierung dieses Gesetzes hat uns auch gezeigt, dass 92 Prozent meinen, dass dieses Gesetz vorzüglich und unkompliziert ist. Es ist auch schon angesprochen wor­den, dass besonders bei schwer kranken Kindern die Zeit mit sechs Monaten nicht ausreichend ist, dass neun Monate für die Pflege ideal sind. Die Evaluierung hat uns das gezeigt, daher soll das bei dieser Anpassung vorgesehen werden.

Wir haben heute aber auch andere Familienverhältnisse, andere Lebensgemeinschaf­ten. Daher soll auch neu hineinkommen, dass eben Pflegekinder, Stiefkinder und Wahlkinder mit umfasst sind.

Es gibt aber auch eine Verbesserung, auf die Einkommensgrenze bezogen. Der Härte­ausgleichsfonds wurde pro Fall von 500 auf 700 € hinaufgesetzt.

Abschließend möchte ich sagen, dass das eine wirklich wichtige sozialpolitische und familienpolitische Maßnahme ist. Wir würden uns freuen, wenn Sie diesem Gesetz die Zustimmung geben könnten, es würden sich, glaube ich, auch sehr viele Menschen freuen, die das momentan betrifft. Daher möchte ich Sie noch einmal bitten ... (Bundes­rätin Bachner: Trennen! – Bundesrat Gruber: Trennen! Nicht alles auf einmal!) – Wir haben das jetzt fünf Mal sagen müssen, damit Sie vielleicht dafür sind. (Bundesrat Rei­senberger: Nein! Nein! – Bundesrätin Bachner: Das haben wir von Anfang an ge­sagt!)

Aber ich denke, auch im Bereich des Arbeitsrechtes sind das sehr wohl Verbesserun­gen. (Nein-Rufe bei der SPÖ.) – Ja! Das sind sehr wohl Verbesserungen. Darum denke ich, es ist dies ein Schritt in die richtige Richtung. (Bundesrätin Bachner: Im Gegenteil!) Ihr könntet hiezu auch die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

14.37



Bundesrat
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730. Sitzung / Seite 59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Es wurde mir der Wunsch nahe gebracht, zur Klärung einer aufgetretenen Geschäftsordnungsfrage die Sitzung kurz zu unterbrechen. Ich komme dem nach und bitte die Mitglieder der Präsidialkonferenz, sich zusammenzufin­den.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 14.37 Uhr unterbrochen und um 15.04 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


15.04.57

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bun­desrat Mag. Klug, werter Kollege, Ihre ausführlichen Informationen bestanden aus zum Teil sehr guten Überlegungen, heute dieses Gesetz als Husch-Pfusch-Gesetz zu verur­teilen, finde ich jedoch nicht richtig, weil Ihre eigene Bundesarbeitskammer säumig ist.

Am 20. Jänner flatterten 14 Seiten eines Gutachtens für die Bundesräte ins Parlament, und erst heute Vormittag wurden sie uns vorgelegt. Jetzt frage ich Sie, wer in der Lage ist, das so rasch zu studieren. Ebenso ist es bei den Unterlagen vom Österreichischen Gewerkschaftsbund.

Ich meine, dass sich Herr Präsident Verzetnitsch und Herr Tumpel mit ihren Mitarbei­tern schon bemühen sollten (Bundesrat Reisenberger: Präsident Tumpel, so viel Zeit muss sein!), uns rechtzeitig die Unterlagen zu liefern. (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine Frechheit!) Das ist keine Frechheit. (Bundesrat Konecny: Was hat das mit dem Prä­sidenten zu tun? Es ist nicht verteilt worden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich habe heute Vormittag die Unterlagen erhalten. (Bundesrat Konecny: Das hat doch nichts mit dem Präsidenten zu tun!) Herr Kollege Konecny, bitte keine Aufregung. (Bundesrat Konecny: Das ist ein Skandal!) Tatsache ist, heute um neun Uhr Vormittag (Bundesrat Konecny: Ja!) haben wir die Unterlagen bekommen. (Bundesrat Konecny: Was hat das mit Fritz Verzetnitsch zu tun? Ungeheuerlich! – Bundesrat Reisenberger: Beschweren Sie sich im Haus!) Wo bleibt die Verantwortlichkeit der Bundeswirtschafts­kammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes? – Ich bleibe dabei. (Bun­desrat Konecny: Das ist trotzdem eine Frechheit!)

Nun zur Änderung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, des Arbeitslosen­versicherungsgesetzes und des Landarbeitsgesetzes. Eine sehr positive Änderung ist die Ausdehnung des Hospizkarenzgeldes auf Wahl- und Pflegeeltern und Wahl-, Pflege- und Stiefkinder bis zum neunten Monat. Viele Betroffene freuen sich darüber, und viele werden auch den Dank für diese Gesetzesänderung zum Ausdruck bringen.

Weiters erfolgt eine Zuordnung zur Land- und Forstwirtschaft für Mitarbeiter, für die bisher keine Regelung vorhanden war, wie für Mitarbeiter, die in Nationalparks – bisher wusste man nicht, wohin sie gehören –, in der Betreuung von Rasenanlagen – auch dafür gab es keine Zuordnung –, in Reitställen – bisher keine Zuordnung –, in Holz­schlägerungsunternehmen – keine Zuordnung – beschäftigt werden.


Bundesrat
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Es kommt zu einer allgemeinen Verbesserung des Landarbeiterrechtes, zu einer bes­seren Zuordnung der Landarbeiterordnung – für Länder und Arbeitgeber.

Viele Fragen sind noch offen, und wir sollten die Sozialpartner der Arbeitgeber und Ar­beitnehmer zu einem modernen Gesetz verpflichten. Der gesamte Bundesrat möge sich dafür verwenden. Die Schwellenwerte sind gemeinsam zu finden. Da ist ja, glaube ich, die große Diskrepanz zu finden, die wir zu beseitigen haben.

Mit dem heutigen Gesetz werden viele anstehende Probleme beseitigt. Wir alle sollten die Zustimmung zu diesem Gesetz geben und uns für weitere gute Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern aussprechen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer und bei der ÖVP.)

15.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Professor Konecny unter Hinweis auf die Geschäftsordnung das Wort. – Bitte.

 


15.08.40

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Kollege Kampl hat gemeint, dass der Präsident des ÖGB und der Präsident der Bundesarbeitskammer säumig und nachlässig waren.

Tatsache ist, dass beide ihre Meinung wiederholt im Vorfeld öffentlich und schriftlich bekundet haben. Sie wurden vom zuständigen Ausschuss des Bundesrates erneut um eine Stellungnahme ersucht und haben diese absolut fristgerecht dem Bundesrat über­mittelt.

Auf Grund einer Rechtsauffassung der Bundesratskanzlei, dass diese Stellungnahmen an den Ausschuss gerichtet worden seien, wurden sie nicht verbreitet. Sie wurden lediglich in einem Exemplar den Fraktionen übermittelt, und da das BZÖ keine Fraktion ist (Bundesrat Ing. Kampl: Drei Fraktionen!) – gut, drei Fraktionen, aber nicht nach der Geschäftsordnung –, wurden Sie damit nicht beteilt.

Wir haben heute in der Früh in der Präsidialkonferenz nach einer Diskussion die Mei­nung vertreten, dass das nicht die richtige Vorgangsweise war, und haben das Letzt­mögliche gemacht, nämlich dafür gesorgt, dass die Stellungnahmen allen Mitgliedern des Hauses, so wie andere geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen, vorliegen.

Ich entschuldige mich für meinen Ausbruch – Kollege Kampl, du konntest das nicht wissen –, aber ich habe mich trotzdem ein bisschen getroffen gefühlt, weil die Attacke wirklich die Falschen getroffen hat. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Kampl: Danke!)

15.10


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zum Wort gelangt nun Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


15.10.23

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemäß den intensiven Beratungen in der Präsidialkonfe­renz werde ich jetzt selbstverständlich alles tun, was zur ordnungsgemäßen Behand­lung des beantragten Einspruches gehört. Ich werde mich auch bemühen, gemäß mei­nen Zusagen, den Text, der bedauerlicherweise etwas lang ist, so über das Podium zu bringen, dass das trotzdem ein angenehmer Beitrag ist, um die Tagesordnungs­punkte 2 und 3 in einer Spezialdisziplin, die wir heute sehr intensiv beraten haben, gut einer Beschlussfassung zuzuführen.


Bundesrat
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag zu Tages­ordnungspunkt 2:

Antrag

der Bundesräte Mag. Klug, Eva Konrad und KollegInnen gem. §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR auf Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeits­losenversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1122 der Beilagen)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitslosenver­sicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1122 der Beilagen), einen Einspruch zu erheben.

Der gegenständliche Antrag wird gem. § 43 Abs. 1 GO-BR wie folgt begründet:

Der Einspruch bezieht sich auf folgende zwei Bestandteile des Gesetzesbeschlusses:

1. Änderungen bei den Bestimmungen über die Konkurrenzklausel und die Ausbil­dungskosten-Rückersatzklausel

Trickreiche Formulierungen, unfaire Klauseln: Immer häufiger sind Arbeitnehmer ge­zwungen, schmutzige Arbeitsverträge zu unterschreiben. Wer auf Jobsuche ist, nimmt einiges in Kauf, um endlich einen Arbeitsplatz zu bekommen. Das wird von den Unter­nehmern mehr und mehr ausgenützt: Sie verwenden systematisch Arbeitsvertragsfor­mulare, die von Rechtsanwälten und Steuerberatern entworfen wurden und mit Klau­seln gespickt sind, die den Arbeitnehmer einerseits maximal verfügbar machen, ander­seits maximal in seiner Bewegungsfreiheit einschränken. Die AK hat im Sommer 2005 auf diesen Missstand aufmerksam gemacht, worauf Minister Bartenstein eine Lösung in Sozialpartnergesprächen ankündigte. Nichts davon wurde wahr gemacht: Im vorlie­genden Gesetzesbeschluss des Nationalrates werden sogar neue Probleme für Arbeit­nehmer und Arbeitnehmerinnen geschaffen.

Statt einer soliden Herangehensweise hat sich die Bundesregierung für einen Schnell­schuss entschieden, der vorsieht, dass der Arbeitgeber Ausbildungskosten nicht wie derzeit drei, sondern sogar fünf Jahre lang nach Erhalt der Ausbildung zurückfordern kann – in Zukunft einschließlich des während der Ausbildung bezogenen Lohns!

Anstatt die aufgezeigten Probleme umfassend zu lösen, liegt nunmehr ein Gemisch aus riesigen Schutzlücken, einer einzigen Verbesserung und deutlichen Verschlechte­rungen vor.

Unfaire Klauseln lassen sich in zwei Gruppen teilen: Einerseits solche, die dem Arbeit­geber maximalen Zugriff auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers verschaffen sollen, zum Beispiel exzessive Versetzungsklauseln, All-inclusive-Klauseln und Klauseln zur einseitigen Veränderung der Arbeitszeit. Anderseits gibt es Klauseln, die die Bewe­gungsfreiheit des Arbeitnehmers maximal einschränken sollen: Konkurrenzklauseln für die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses, Ausbildungskosten-Rückersatzklauseln und Pönalklauseln (zum Beispiel für die nicht exakte Einhaltung der Kündigungsfrist).

Von den mindestens sieben Typen nachteiliger Vertragsklauseln kümmern sich die Re­gierungsparteien mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss gerade einmal um zwei: die Konkurrenzklauseln und die Ausbildungskosten-Rückersatzklauseln. Alle anderen Klauselarten können damit weiter systematisch die Arbeitnehmer benachteiligen.


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Bei den Konkurrenzklauseln gibt es eine einzige Verbesserung gegenüber der jetzigen Rechtslage: Konkurrenzklauseln sollen für Arbeitnehmer mit einem Einkommen bis zu zirka 1 800 Euro im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses unwirksam sein. Es ist nicht einzusehen, warum Arbeitnehmer, die über dieser Einkommensgrenze liegen, weiter­hin an den Betrieb gefesselt werden und sich beruflich nicht verbessern können. Men­schen, die sich von einem Arbeitgeber trennen wollen (wegen schlechten Betriebs­klimas, eines besseren Angebots, einer Übersiedlung aus privaten Gründen), müssen sich aufgrund einer Konkurrenzklausel trotz nachgefragter Qualifikation umschulen lassen und/oder Einkommenseinbußen hinnehmen – nur um die Angst des früheren Arbeitgebers vor Wettbewerb zu beruhigen. Es ist deshalb längst an der Zeit, Kon­kurrenzklauseln generell für ungültig zu erklären oder zumindest die gleiche Rechts­lage wie in Deutschland herzustellen: Dort sind Konkurrenzklauseln nur gültig, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Schaden ersetzt, der durch den erzwungenen Branchenwechsel entstanden ist (zum Beispiel Einkommensverlust, Umschulungskos­ten etc.).

Bei den Ausbildungskosten-Rückersatzklauseln bringt der Gesetzesbeschluss des Na­tionalrates gar massive Verschlechterungen für Arbeitnehmer: Erstens wird die Frist für die Rückforderbarkeit von derzeit (nach der Judikatur) im Regelfall drei Jahren auf fünf Jahre nach erhaltener Ausbildung erstreckt. Und zweitens soll der Arbeitgeber zusätz­lich den vom Arbeitnehmer während der Ausbildung bezogenen Lohn zurückverlangen können – obwohl die Menschen meist von den Arbeitgebern zu den Ausbildungen ver­pflichtet werden.

2. Erweiterung des Mitgliederkreises der Landarbeiterkammern

Grundsätzlich hat der Bund Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz für das Ar­beitsrecht (Art 10 Abs. 1 Z 11 B-VG). Hinsichtlich des Landarbeitsrechtes (Arbeitsrecht der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter) und des Arbeiter- und Angestelltenschut­zes, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt, steht dem Bund nur die Grundsatzgesetzgebung zu, den Ländern die Ausführungsge­setzgebung und Vollziehung (Art 12 Abs. 1 Z 6 B-VG).

Der bundesverfassungsrechtliche Kompetenzbegriff „auf land- und forstwirtschaftli­chem Gebiet“ knüpft nicht an die land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit des einzelnen Arbeitnehmers als solche an, sondern stellt darauf ab, dass die betroffenen Arbeitneh­mer diese Tätigkeit im Rahmen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft erbrin­gen.

Das Landarbeitsgesetz (LAG – Grundsatzgesetz des Bundes) darf folglich nur solche Betriebe als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft definieren, deren Einordnung als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb durch die Kompetenzgrundlage des Art 12 Abs. 1 Z 6 B-VG gedeckt ist.

Die Abgrenzung der beiden Kompetenztatbestände voneinander erfolgt durch Abgren­zung der Land- und Forstwirtschaft vom Bereich der gewerblichen Tätigkeit.

Dabei muss es sich um eine spezifische land- und forstwirtschaftliche Ausnahme aus der sonst bestehenden Gewerberechtskompetenz des Bundes handeln. Dass eine Tätigkeit aus anderen Gründen aus dem Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen wurde, reicht nicht aus. Jene Arbeitnehmer sind als solche auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet anzusehen, die in Betrieben beschäftigt sind, deren Tätigkeit unter den Begriff „land- und forstwirtschaftliches Gebiet“ fällt.

Mit anderen Worten: Es kommt darauf an, was der Betrieb überwiegend macht und nicht was der Arbeitnehmer macht.


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Der Betrieb ist dann auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet tätig, wenn seine Tätig­keit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Land- und Forstwirtschaft steht, er die­sem Wirtschaftszweig zugehört.

Zusammenfassend muss daher festgestellt werden: Die Kompetenzbestimmung des Art 12 Abs. 1 Z 6 B-VG umfasst nur Tätigkeiten jener Personen, die in Betrieben tätig sind, die aufgrund ihres Gepräges im Wirtschaftsleben als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft zu qualifizieren sind. Sie umfasst aber nicht Betriebe, in denen nur in untergeordnetem Umfang Tätigkeiten verrichtet werden, die auch in land- und forstwirt­schaftlichen Betrieben anfallen, oder bei denen kein unmittelbarer Zusammenhang zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb besteht.

Ein Gutteil der Betriebe, die im vorliegenden Gesetzesbeschlusses aufgezählt sind, ist vom Umfang der Tätigkeiten so weit gefasst, dass auch solche umfasst sind, die nicht land- und forstwirtschaftlicher Natur sind, sodass sie nicht kompetenzrechtlich gedeckt sind.

Aus all den genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.

*****

(Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf übergehen zum Tagesordnungspunkt 3 und auch diesbezüglich gemäß den ausführlichen Beratungen der Präsidialkonferenz jetzt folgenden Antrag stellen:

Antrag

der Bundesräte Mag. Klug, Eva Konrad und KollegInnen gem. §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR auf Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird

Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird, einen Einspruch zu erheben.

Der gegenständliche Antrag wird gem. § 43 Abs. 1 GO-BR wie folgt begründet:

Der vorliegende Gesetzesbeschluss ist in Ergänzung zu den Änderungen des Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetzes ergangen. Von den mindestens sieben Typen nachteiliger Vertragsklauseln kümmern sich die Regierungsparteien mit dem vorliegen­den Gesetzesbeschluss gerade einmal um die Konkurrenzklauseln.

Hiebei gibt es eine einzige Verbesserung gegenüber der jetzigen Rechtslage: Konkur­renzklauseln sollen für Arbeitnehmer mit einem Einkommen bis zu zirka 1 800 Euro im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses unwirksam sein. Es ist nicht einzusehen, warum Arbeitnehmer, die über dieser Einkommensgrenze liegen, weiterhin an den Betrieb gefesselt werden und sich beruflich nicht verbessern können. Menschen, die sich von einem Arbeitgeber trennen wollen (wegen schlechten Betriebsklimas, eines besseren Angebots, einer Übersiedlung aus privaten Gründen), müssen sich aufgrund einer Kon­kurrenzklausel trotz nachgefragter Qualifikation umschulen lassen und/oder Einkom­menseinbußen hinnehmen – nur um die Angst des früheren Arbeitgebers vor Wettbe­werb zu beruhigen. Es ist deshalb längst an der Zeit, Konkurrenzklauseln generell für ungültig zu erklären oder zumindest die gleiche Rechtslage wie in Deutschland herzu­stellen: Dort sind Konkurrenzklauseln nur gültig, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitneh-


Bundesrat
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mer den Schaden ersetzt, der durch den erzwungenen Branchenwechsel entstanden ist (zum Beispiel Einkommensverlust, Umschulungskosten etc.).

Aus all den genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.

*****

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.23


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die beiden Einspruchsanträge sind somit vollständig verlesen.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Mag. Klug, Konrad, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden. Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne der erwähnten Bestimmung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“.

Ich bitte nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Winter und Saller geben die Bundesrätin­nen und Bundesräte ihr Stimmverhalten bekannt.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. Demnach entfallen auf den Antrag, ge­gen den vorliegenden Beschluss Einspruch zu erheben, 32 „Ja“-Stimmen und 25 „Nein“-Stimmen. – Der Antrag auf Erhebung eines Einspruches ist somit ange­nommen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Damit erübrigt sich auch die Abstimmung über den Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Bachner, Blatnik, Boden;

Ebner, Einwallner Reinhold, Erlitz;

Giefing, Gruber, Gumplmaier;

Haselbach, Hladny;

Kerschbaum, Klug, Knoll, Konecny, Konrad, Kraml;


Bundesrat
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Lichtenecker;

Mörk, Molzbichler, Mosbacher;

Neuwirth;

Preiner;

Reisenberger;

Schennach, Schimböck, Sodl, Stadler;

Todt;

Vilimsky;

Wiesenegg, Winter.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Bader, Baier, Bieringer;

Diesner-Wais;

Einwallner Thomas;

Fröhlich;

Gansterer;

Haller, Himmer, Höfinger;

Jany;

Kampl, Kneifel, Köberl, Kritzinger;

Mayer, Mitterer;

Perhab;

Roth-Halvax;

Saller, Schnider, Spiegelfeld-Schneeburg;

Tiefnig;

Wolfinger;

Zwazl.

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz geändert wird.

Es liegt hiezu ebenfalls ein Antrag der Bundesräte Mag. Klug, Konrad, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begrün­dung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Damit erübrigt sich wieder eine Abstimmung über den Antrag, keinen Einspruch zu er­heben.


Bundesrat
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15.31.074. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-No­velle 2005 – UrhG-Nov 2005) (1240 d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Da der Bundesrat dem Justizausschuss zur Berichterstattung eine Frist bis zum 24. Jänner 2006 gesetzt hat, ist diese Vorlage gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsord­nung auch ohne Vorliegen eines schriftlichen Ausschussberichtes in Verhandlung zu nehmen. Ein solcher Ausschussbericht liegt auch tatsächlich nicht vor.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny.

 


15.31.37

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Tatsächlich handelt es sich – ich habe das schon bei einer anderen Gelegenheit betont – um eine schwierige Materie, in der ein komplexer Inter­essenausgleich zu treffen ist zwischen jenen, die künstlerische Werke schaffen und damit zugleich die Rechte an deren Verwertung primär innehaben, jenen, die diese Rechte verwerten wollen, und den Konsumenten, die je nachdem, wie die Bedingun­gen dieser Rechteverwertung aussehen, mehr oder weniger zur Kassa gebeten wer­den und damit auch, wenn die Kassa relativ hohe Gebühren verlangt, in ihrem Be­streben, am Kulturleben teilzunehmen, gehemmt werden. (Präsidentin Roth-Halvax übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es ist mir bewusst, und ich sage das nochmals, dass dieser Interessenausgleich nicht leicht zu finden ist und dass bei solchen komplexen Interessenkonstellationen immer die Gefahr besteht, dass es eine Lösung von zweien gegen einen gibt. Der Konsument ist im Prinzip der schwächste Teilnehmer dieses Triangels, weil er nicht unmittelbar mitsprechen kann und mitspricht. Zudem ist die Möglichkeit eines Oligopols durchaus gegeben.

Das ist aber nicht das, was im gegenwärtigen Fall geschieht. Ich halte es für zutiefst charakteristisch, dass die Justizsprecherin der ÖVP, Frau Fekter – die offenbar aus Interesse am Thema heute Vormittag mit Ihnen, Frau Bundesminister, viel Zeit im Vor­raum zugebracht hat –, im Ausschuss die in dieser Novelle enthaltene Regelung als wichtig für den Wirtschaftsstandort Österreich bezeichnet hat. Ich bezweifle zwar auch das, aber wenn Kultur und die Rechte von Kulturschaffenden und die Rechte von Kon­sumenten zurückgedrängt werden, um eine angebliche Stärkung des Wirtschaftsstand­ortes zu erreichen, dann gruselt es mich ein bisschen.

Tatsache ist, dass wir gegen diesen Gesetzestext zahlreiche Einwendungen, aber kei­nen Einspruch haben, weil wir meinen, dass in diesem Gesetz auch positive Elemente, vor allem solche organisatorischer Art enthalten sind und dass wir es uns daher vorbe­halten wollen, unter anderen politischen Rahmenbedingungen dieses Gesetz wieder zu ändern, es jetzt aber durchaus in Kraft treten zu lassen.

Das Loben jener Gesichtspunkte, wo tatsächlich Fortschritte erzielt wurden, was ich auch nicht bestreite, überlasse ich den Kollegen von den Regierungsfraktionen. Ich konzentriere mich auf die Kritikpunkte.

Wir meinen, dass hier ein Gesetz für die Filmindustrie, für die großen Produzenten, aber auch für den ORF gemacht wurde, sicherlich nicht für die Künstlerinnen und Künstler und sicherlich nicht für die Konsumenten. Wir bedauern, dass im Zuge der


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strukturellen Veränderungen die Schiedsinstanz unter die Räder gekommen ist, in der zumindest in bescheidenem Umfang die einzig vorstellbare Vertretung der Konsumen­ten – in diesem Fall durch die Sozialpartner – gegeben war. Diese gibt es jetzt also nicht mehr.

Wir bedauern zutiefst, dass in dieser Regelung nach wie vor weitestgehende Unklar­heiten über die Mittelverwendung in den Fonds enthalten sind, vor allem aber bedau­ern wir, dass man sich nicht entschließen konnte, Mittel der Kabelvergütung diesen Fonds zuzuführen, um damit sowohl dort, wo es um Kulturförderung, wie dort, wo es um soziale Unterstützungen geht, diesen Einrichtungen genügend Mittel zuzuführen, mit denen sie tatsächlich etwas bewirken können.

Besonders problematisch finden wir die Regelung, die für das so genannte Folgerecht in diesem Gesetz normiert ist. Es ist richtig, dass die Grenze, die mögliche Ober­grenze, ab der dieses Folgerecht Platz greift, von der EU mit 3 000 € festgesetzt wurde. Das ist aber kein Zwang, das ist nur eine Beschränkung nach oben. Was heißt das in der Realität? – Der arrivierte Künstler, der sein Werk verkauft, hat eine seriöse Chance, von einem künftigen Wertzuwachs im Wege des Folgerechtes, also beim Wei­terverkauf zu profitieren. Der junge, nicht arrivierte Künstler, der für ein Blatt oder ein anderes Kunstprodukt ungleich weniger als 3 000 € erhält, wird vom Folgerecht ausge­schlossen. Er, der es möglicherweise besonders brauchen könnte, bekommt schlicht und einfach nichts.

Das ist ein Verständnis von Umgang mit Künstlern, dem wir nicht folgen können und weswegen wir wie gesagt gegen dieses Gesetz weitestgehende Einwendungen haben. Die strukturellen Verbesserungen und einige andere Schritte – Kollege Spiegelfeld wird darauf zweifelsfrei erschöpfend hinweisen – machen es in unseren Augen aber zuläs­sig, folgenden – ich beruhige Sie – sehr kurzen Antrag, den ich nun verlesen werde, zu formulieren:

Antrag

der Bundesräte Prof. Konecny, Schennach und KollegInnen auf Übergang zur Tages­ordnung

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, nach Ende der Debatte über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2005 – UrhG-Nov 2005) (1240 d.B.) zur Tagesordnung überzugehen.

*****

Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.38


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Der von den Bundesräten Konecny, Schennach, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand gemäß § 51 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf Übergang zur Tagesordnung ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster Redner hat sich Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihm.

 


15.39.15

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ob-


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wohl bereits die Erwartungshaltung meiner Rede gegenüber formuliert wurde – (Bun­desrat Schennach: Minütlich wächst!) und minütlich wächst –, möchte ich trotzdem sagen, dass über die guten Dinge und den ohne Zweifel richtigen und vernünftigen Versuch, hier einen Interessenausgleich zu bewirken, schon in unserer vorhergehen­den Sitzung ausgiebig gesprochen worden ist.

Herr Professor! Ich möchte hier, da es dezidiert angesprochen worden ist, zum Folge­recht schon noch ein Wort sagen. Es wurde überlegt, es wurde sehr genau überlegt; allerdings nützt es überhaupt nichts, wenn Galerien Werke junger Künstler dann über­haupt nicht mehr ankaufen, sondern nur in Kommission nehmen. Es handelt sich da um eine Abwägung; man hat es jetzt eben einmal so probiert. Bei manchen Gesetzen wird es so sein, dass man sie durchaus novellieren kann, wenn man zum Schluss kommt, dass sie nicht das Richtige waren. Ich meine allerdings, dass wir gerade auch den jungen Künstlern nichts Gutes tun, wenn wir einem Galeristen quasi die Argumen­tation in die Hand geben und es damit erschweren, solche Werke zu verkaufen. Dieser Aspekt ist jedenfalls bedacht worden.

Wenn Sie die Äußerung der Frau Nationalratsabgeordneten Fekter mit „Gruseln“ an­sprechen, dann möchte ich schon sagen: Wirtschaftsstandort heißt Sicherheit, klare Regelungen. Das ist nichts Gruselhaftes, sondern das sind einfach klare Bedingungen. (Bundesrat Schennach: Das Gruseln kommt einem in Schlössern!) – Es kommt nicht nur in Schlössern vor! – So war es auch gemeint, und man hat sich bei dieser Novelle schon sehr bemüht, den angesprochenen Interessenausgleich zwischen Kulturschaf­fenden, Verwertern und Konsumenten zu finden.

Wir denken, es ist ein gutes Gesetz, und ich darf folgenden Antrag gemäß § 43 der Geschäftsordnung stellen:

Antrag

der Bundesräte Dr. Spiegelfeld-Schneeburg, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2005) (1240 d.B.), keinen Einspruch zu erheben

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2005) (1240 d.B.), wird kein Einspruch erhoben.

*****

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

15.41


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Der von den Bundesräten Dr. Spiegelfeld-Schnee­burg, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach genannt. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.42.22

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie Professor Konecny ja schon ausgeführt hat, wol-


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len wir unsere Kritik an diesem Gesetz sichtbar machen, aber keinen Einspruch erhe­ben. Was die Urheberrechtsgesetz-Novelle betrifft, möchte ich mich bezüglich eines Punktes ein bisschen verbreiten, nämlich der Frage des Folgerechtes.

Lieber Kollege Spiegelfeld! Es ist halt nicht ganz so einfach, dass, wenn man mit den Preisen hinunter geht, die Galerien die jungen Künstler nehmen. Tatsache ist, dass wir aus dem, was die EU als obersten Wert bezeichnete – 3 000 € –, den Minimalwert ma­chen. Wir reizen die Grenze also ganz nach oben aus. Wenn heute ein Fotograf ein Bild verkaufen will, dann bekommt er 500 € dafür. Er fällt also raus. Wenn Sie sich heute zu Vernissagen von jungen Künstlern begeben, dann werden Sie Bilder zwi­schen ungefähr 300 € und 2 000 € einkaufen. Die fallen alle raus. Das Folgerecht be­ginnt erst ab 3 000 €.

Was wir mit dieser Novelle tun, ist im Prinzip Standardumsetzung, im Wesentlichen Umsetzung dessen, was die EU einfordert. Die EU hat uns allerdings einen Spielraum gelassen, und so, wie wir den Spielraum interpretieren, sind wir quasi die nach oben drängenden Vorreiter in Europa. Unser Schwellenwert liegt also bei 3 000 €, der Schwellenwert in Deutschland bei 500 € und in England bei 1 000 €. Dabei haben wir hier in Österreich ohnehin schon so viele Probleme im Kultursektor – die Nicht-Ab­schreibbarkeit von Mäzenatentum im Bereich von Kunst und Kultur, die mangelnde Möglichkeit von Künstlern und Künstlerinnen, einen entsprechenden Markt vorzufin­den, und so weiter und so fort. Und jetzt setzen wir auch noch das Folgerecht so hoch an.

Das ist der Kritikpunkt, den ich an diesem Gesetz habe. Der soll zwar sichtbar werden, aber nicht in einen Einspruch münden. Kollege Himmer! So etwas nenne ich differen­zierte Vorgangsweise einer Opposition, auch wenn andere Möglichkeiten bestünden.

Gehen wir zum Abschluss noch auf die Filmurheber ein. Bei ihnen haben wir die Ver­gütung noch heruntergesetzt. Im ursprünglichen Entwurf aus dem Hause der Frau Bun­desminister waren noch 50 Prozent vorgesehen. Heute liegt hier vor, dass man bei den Filmurhebern von 50 Prozent auf nur mehr 33 Prozent hinuntergegangen ist. Das ist ebenfalls eine Benachteiligung der Urheber.

Bei einem Urheberrecht sollten wir eigentlich die Urheber und -heberinnen von Wer­ken, egal ob Filme, Fotografien oder Gemälde, wo auch immer Urheberschaft vorliegt, begünstigen, und wir sollten es ihnen nicht dermaßen schwer machen. Das Folgerecht, so wie Sie es konzipiert haben, bleibt zumindest für die Jungen eigentlich ein Phanta­sieprodukt. Sie fallen nämlich aus diesem Recht heraus. Deswegen werden wir dann zwar zur Tagesordnung übergehen, aber die Kritik daran sollte sichtbar sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.46


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile es ihm.

 


15.46.24

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Bundesräte! In Bezug auf das Urheberrechtsgesetz sollte man drei Kategorien von Künstlern unterscheiden: a) Künstler, die selber Werke schaffen, b) andere, die nachgemachte Werke produzieren, und c) Künstler, die im Auftrag geschaffene Nachbildungen herstellen.

Im neuen Gesetz ist im § 16b die Höhe der Vergütung geregelt, sodass das wirklich für uns alle nachvollziehbar ist. Neu im Gesetz ist auch, wie ein Werksnutzungsberech­tigter anteilsmäßig zur Mitfinanzierung herangezogen werden kann, was bisher nicht


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möglich war. Geregelt ist auch die Vervielfältigung in den Schulen, was bisher auch nicht möglich war. Gesetzlich neu geregelt ist auch die Inanspruchnahme einer Vergü­tung für Trägermaterial und Vervielfältigungsgeräte. Entsprechend der neuen gesetz­lichen Regelung ist die Auskunftserteilung gegenüber betroffenen Künstlern verpflich­tend.

Es sind also viele Verbesserungen in diesem Gesetz, Frau Bundesminister. Es ist aber auch einiges offen geblieben. Ich nenne als Beispiel die gesamte AKM, vermittels der Autoren, Komponisten und Musikverleger immer wieder von jeder Geburtstagsfeier die AKM-Abgaben in voller Höhe abkassieren, auch wenn sie privat ist. Frau Bundesminis­ter! Ich bitte Sie, diese Form der AKM-Abgabe einmal zu prüfen. Es gibt keine klare Abgrenzung zwischen privat und gewerblich. Bei den Bürgern gibt es diesbezüglich eine große Diskussion. Sinn und Ziel der AKM war es immer, dass die Künstler auch einen entsprechenden Schutz für ihre Leistungen erhalten. Die Unterlagen der AKM deuten aber in eine ganz andere Richtung. Frau Bundesminister! Wir haben hier große Schwierigkeiten, und es werden laufend Einsprüche gegen die AKM-Abgabenvor­schreibungen erhoben. Das muss einer Regelung zugeführt werden.

Die heutige Gesetzesvorlage bezüglich Urheberrechtsgesetz ist eine wesentliche Ver­besserung, und wir sollten ihr alle die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei Bun­desräten der ÖVP.)

15.49


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Gastinger. Ich bitte sie darum.

 


15.49.44

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich dafür bedanken, dass es eine differenzierte Oppositionspolitik zu diesem Gesetzesvorhaben gibt, vor allem auch im Hinblick darauf: Wie Sie ja sicher alle wis­sen, haben wir im Bereich des Folgerechts eine EU-Richtlinie umzusetzen. Der Umset­zungstermin war der 1. Jänner 2006. Die Umsetzung erfolgt jetzt also schon verspätet. Dadurch, dass zur Tagesordnung übergegangen werden wird, wie sich das hier offen­sichtlich abzeichnet, wird es möglich sein, die Umsetzungsfrist nahezu einzuhalten.

Ich weiß es auch zu schätzen, dass doch anerkannt wird, dass mit diesem gesetz­lichen Vorhaben einige ganz wesentliche Verbesserungen gerade im Bereich des Ur­heberrechtes jetzt auch legistisch umgesetzt wurden.

Zu den Kritikpunkten: Es wird immer Kritikpunkte geben. Ich kann Ihnen nur versichern, dass wir immer versucht haben, einen Kompromiss zwischen doch immer wieder diver­gierenden Interessengruppierungen und Interessenvertretungen zu schließen. Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, ist das gerade im künstlerischen Bereich immer sehr komplex, weil hier wirklich unterschiedliche Interessen aufeinander prallen. Deswegen stehe ich auch nicht an zu sagen, dass dieses Gesetzesvorhaben ein Kompromiss war. Ich denke, dass es ein guter Kompromiss ist und dass wir damit sicherlich einen ganz wesentlichen Schritt weitergekommen sind.

Es hat sich für mich auch in dieser Diskussion wieder gezeigt, dass es immer wieder Verwechslungen mit dem bereits im Vorjahr beschlossenen Verwertungsgesellschaf­tenrecht gibt. Wie die Aufteilung der Fondsmittel erfolgt und Ähnliches, ist nicht Ge­genstand dieses Gesetzesvorhabens gewesen, sondern wurde bereits im letzten Jahr beschlossen.

Ich möchte mich an dieser Stelle dafür bedanken, dass dieses Gesetzesvorhaben nun­mehr auch den Bundesrat passieren wird, und bedanke mich auch für Ihre Aufmerk-


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samkeit. – Danke vielmals. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer und bei der ÖVP.)

15.51


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Es liegt mir hiezu ein Antrag der Bundesräte Professor Konecny, Schennach, Kollegin­nen und Kollegen vor, hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 6. Dezem­ber 2005 betreffend eine Urheberrechtsgesetz-Novelle 2005 gemäß § 51 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur Tagesordnung überzugehen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag die Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Über­gang zur Tagesordnung ist somit angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Spiegelfeld-Schneeburg, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

15.53.095. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungs­zählungen und Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Meldege­setz 1991 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden (1193 d.B. und 1246 d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert wird (1247 d.B. sowie 7435/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird (180/A und 1248 d.B.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 7 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Da der Bundesrat dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Berichterstat­tung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates eine Frist bis zum 24. Jänner 2006 gesetzt hat, sind diese drei Vorlagen gemäß § 45 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates auch ohne Vorliegen eines schriftlichen Ausschuss­berichtes in Verhandlung zu nehmen.

Wir gehen in die Debatte ein.

 


Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile es ihm.


Bundesrat
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15.54.14

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, ich möchte Ihnen auch eine gute Hand für Ihre Präsidentschaft wünschen. (Präsidentin Roth-Hal­vax: Danke schön!) Was Ihre Ausführungen betrifft, kann ich nur jedes Wort unterstrei­chen, allerdings habe ich auch eine kleine Kritik: Ich habe es nicht als sehr schön emp­funden, dass Sie im Vorfeld Ihrer Präsidentschaft einem Ihrer Vorgänger die Objektivi­tät als Präsident abgesprochen haben. Sie wissen wahrscheinlich, wen ich meine. Es ist das auch im „Kurier“ und in der „Kronen Zeitung“ gestanden. Ich habe es als nicht sehr schön empfunden, Herrn Präsidentem Pehm die Objektivität als Präsident abzu­sprechen. Ein kleiner Schönheitsfehler, und ich wollte das gesagt haben, weil ich kein Magengeschwür bekommen will, aber ich wünsche Ihnen trotzdem alles Gute. (Präsi­dentin Roth-Halvax: Wir haben Gott sei Dank Meinungsfreiheit in Österreich!) – So ist es; darum habe ich es auch hier gesagt! (Präsidentin Roth-Halvax: Gut!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ich bin immer wieder überrascht, wie diese Bundesregierung, aber auch die Mehrheit im Nationalrat mit sehr sensiblen und sehr heiklen Gesetzen, wie wir sie heute unter den Tagesordnungspunkten 5 und vor allem 6 zu behandeln haben, umgehen. Einmal ist es „speed kills“, ein anderes Mal verzichtet man überhaupt auf ein Begutachtungsverfahren. In diesem Fall, beim Regis­terzählungsgesetz, negieren Sie einfach den Datenschutzrat.

Wir Sozialdemokraten lehnen eine solche Vorgangsweise ab, eine Vorgangsweise, die bald dazu führen wird, dass jede Österreicherin/jeder Österreicher zu einem „gläsernen Staatsbürger“ wird. Wenn man den Redebeiträgen aus dem Nationalrat folgt, sieht man: Dieses Gesetz wurde bewusst am Datenschutzrat vorbeigeschleust. Diese Art, mit sensiblen Gesetzesmaterien umzugehen, ist nicht nur bedenklich, sondern auch aus datenschutzrechtlichen Gründen abzulehnen.

Was mit diesem Gesetz passiert, ist unserer Meinung nach ein Verstoß gegen be­stehende Menschenrechte sowie ein massiver Eingriff in die individuellen Rechte jedes Einzelnen. Mit diesem Registerzählungsgesetz gäbe man dem Innenministerium die technische Möglichkeit, verschiedenste personenbezogene Daten – und das ohne sachliche Notwendigkeit – individuell und willkürlich zu verknüpfen.

Es ist mehr als bedauerlich und verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, dass den In­tentionen des Datenschutzes in der vorliegenden Gesetzesmaterie nicht entsprochen wurde. Damit werden Datenabgleichungen möglich, die eher einer Bespitzelung und Überwachung des Einzelnen als der Idee der Volkszählung dienen.

Das Zusammenführen aller personenbezogenen Daten im Innenministerium ist für die Volkszählung absolut nicht notwendig und schafft erhebliche Missbrauchsgefahr, wie wir es ja schon alle mit dem Polizei-System EKIS erleben mussten. Dieses Gesetz ist bei weitem überzogen, weil es über das für Volkszählungszwecke unbedingt Notwen­dige hinausgeht. So urteilen übrigens auch Experten, die außerdem der Meinung sind, dass dieses Registerzählungsgesetz dem international üblichen Grundsatz wider­spricht, nämlich dass ein Rückfluss personenbezogener Daten in das Administrativre­gister keinesfalls möglich sein soll.

Zum Abschluss, meine Damen und Herren, möchte ich grundsätzlich sagen: Wir Sozi­aldemokraten sind für ein Registerzählungsgesetz, bei dem die Daten in den jeweiligen Registern belassen werden. Sie können auch so, ohne dass man sie im Innenministe­rium verknüpft, für Volkszählungszwecke genutzt werden.

Dieses Gesetz kann man daher eher als ein „Rasterfahndungsgesetz“ bezeichnen, das – ohne Datenschutzrat und ausreichende Sicherheiten – die Bürgerinnen und Bür­ger dieses Landes sozusagen zum Freiwild macht.


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Wenn man zur besseren Bekämpfung von Kriminalität und Terror Rasterfahndungen braucht, sollte man ein solches Gesetz, und zwar unter Wahrung der Menschenrechte sowie unter Beiziehung des Datenschutzrates, initiieren.

Aus unserer Sicht wird dieses Registerzählungsgesetz von der Bundesregierung dazu genützt, durch die Hintertür die Rasterfahndung ohne Datenschutzrat und ohne parla­mentarische Kontrolle einzuführen. Ohne eine solche Kontrolle ist jedoch Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Daher werden wir von der SPÖ dieses Registerzählungsgesetz beeinspruchen.

Meine Damen und Herren! Ich darf zum Tagesordnungspunkt 5 und zum Tagesord­nungspunkt 6 jeweils einen Antrag einbringen:

Antrag

der Bundesräte Gruber, Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR auf Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betref­fend ein Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Mel­degesetz 1991 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden (1193 d.B. und 1246 d.B.)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrats betreffend ein Bundesge­setz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszäh­lungen und Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Meldegesetz 1991 und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden (1193 d.B. und 1246 d.B.), einen Einspruch zu erheben.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR wie folgt begründet:

Grundsätzlich ist die Ersetzung der Volkszählung durch eine Registerzählung zu be­grüßen. Dies allerdings nur dann, wenn die Registerzählung so durchgeführt wird, dass es technisch ausgeschlossen ist, dass der Datenschutz und damit die Privatsphäre der Bürger verletzt werden.

Dies ist mit dem Registerzählungsgesetz nicht gewährleistet, im Gegenteil: Es werden die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die EDV-Anlage des Innen­ministeriums rasterfahndungsartig sämtliche in die Registerzählung einbezogenen Da­ten der Bürger miteinander verknüpfen und den dazugehörigen Bürger ermitteln kann. Der Grund liegt darin, dass nunmehr für jeden Bürger und für jeden von der Register­zählung erfassten Verwaltungsbereich – vom Melderegister bis hin zu den Daten der Sozialversicherung und der Steuerbehörden – so genannte „bereichsspezifische Per­sonenkennzeichen“ (bPK) zu erzeugen sind. Diese Erzeugung nimmt gemäß § 7 E-Go­vernment-Gesetz das Bundesministerium für Inneres vor, wenn auch als „Dienstleister“ für die Datenschutzkommission. Damit wird das Bundesministerium für Inneres aber technisch in die Lage versetzt, zu jedem mit einem bereichspezifischen Personenkenn­zeichen verknüpften Datum den zugehörigen Bürger zu ermitteln beziehungsweise Daten unterschiedlicher Verwaltungsbereiche miteinander zu verknüpfen. Dies stellt nichts anderes als eine Rasterfahndung dar.

Dazu kommt noch, dass das Gesetz sogar dazu verpflichtet, dann, wenn sich in der Verknüpfung der Daten Ungereimtheiten ergeben, dies den jeweiligen Verwaltungsbe­reichen mitzuteilen, die daraufhin die entsprechende natürliche oder juristische Person zu ermitteln und den Grund der Unrichtigkeit festzustellen haben.


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In weiterer Folge sind diese Verwaltungsbehörden verpflichtet, bei unrichtigen Anga­ben – etwa im Melde- oder Zulassungsregister, aber auch bei Widersprüchen etwa zwi­schen Sozialversicherungsregister und Lohnsteuerregister – allenfalls entsprechende Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten. Da im Wege der Registerzählung auch Daten der Länder und Gemeinden miteinander verknüpft werden, ergibt sich von selbst deren große Betroffenheit, wird doch durch derartige weitgehende technische Verknüpfungs­möglichkeiten das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung, das gerade in Ländern und Gemeinden besonders eng ist, empfindlich gestört.

Aus all den genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.

*****

Nun der Antrag zum Tagesordnungspunkt 6:

Antrag

der Bundesräte Gruber, Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR auf Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert wird (1247 d.B.)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert wird (1247 d.B.), einen Einspruch zu erheben.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR wie folgt begründet:

Der gegenständliche Gesetzesbeschluss des Nationalrates steht im inhaltlichen Zu­sammenhang mit dem Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Meldegesetz 1991 und das Bil­dungsdokumentationsgesetz geändert werden (1193 d.B. und 1246 d.B.).

Der Einspruchsantrag unterliegt daher derselben Begründung wie jener Einspruchsan­trag gegen den letztzitierten Gesetzesbeschluss des Nationalrates.

Die Begründung lautet daher wie folgt:

Grundsätzlich ist die Ersetzung der Volkszählung durch eine Registerzählung zu be­grüßen. Dies allerdings nur dann, wenn die Registerzählung so durchgeführt wird, dass es technisch ausgeschlossen ist, dass der Datenschutz und damit die Privatsphäre der Bürger verletzt werden.

Dies ist mit dem Registerzählungsgesetz nicht gewährleistet, im Gegenteil: Es werden die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die EDV-Anlage des Innen­ministeriums rasterfahndungsartig sämtliche in die Registerzählung einbezogenen Da­ten der Bürger miteinander verknüpfen und den dazugehörigen Bürger ermitteln kann. Der Grund liegt darin, dass nunmehr für jeden Bürger und für jeden von der Register­zählung erfassten Verwaltungsbereich – vom Melderegister bis hin zu den Daten der Sozialversicherung und der Steuerbehörden – so genannte „bereichsspezifische Per­sonenkennzeichen“ (bPK) zu erzeugen sind. Diese Erzeugung nimmt gemäß § 7 E-Go­vernment-Gesetz das Bundesministerium für Inneres vor, wenn auch als „Dienstleister“ für die Datenschutzkommission. Damit wird das Bundesministerium für Inneres aber technisch in die Lage versetzt, zu jedem mit einem bereichspezifischen Personenkenn-


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zeichen verknüpften Datum den zugehörigen Bürger zu ermitteln beziehungsweise Daten unterschiedlicher Verwaltungsbereiche miteinander zu verknüpfen. Dies stellt nichts anderes als eine Rasterfahndung dar.

Dazu kommt noch, dass das Gesetz sogar dazu verpflichtet, dann, wenn sich in der Verknüpfung der Daten Ungereimtheiten ergeben, dies den jeweiligen Verwaltungsbe­reichen mitzuteilen, die daraufhin die entsprechende natürliche oder juristische Person zu ermitteln und den Grund der Unrichtigkeit festzustellen haben.

In weiterer Folge sind diese Verwaltungsbehörden verpflichtet, bei unrichtigen Anga­ben – etwa im Melde- oder Zulassungsregister, aber auch bei Widersprüchen etwa zwi­schen Sozialversicherungsregister und Lohnsteuerregister – allenfalls entsprechende Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten. Da im Wege der Registerzählung auch Daten der Länder und Gemeinden miteinander verknüpft werden, ergibt sich von selbst deren große Betroffenheit, wird doch durch derartige weitgehende technische Verknüpfungs­möglichkeiten das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung, das gerade in Ländern und Gemeinden besonders eng ist, empfindlich gestört.

Aus all den genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.

*****

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.06


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Die von den Bundesräten Gruber, Schennach, Kolle­ginnen und Kollegen jeweils zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6 eingebrachten Anträge gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, sind jeweils genügend unterstützt und stehen demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Perhab. Ich erteile es ihm.

 


16.07.17

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gruber, die Registerzählung mit der Rasterfahndung zu vergleichen, ist schon ein gewagter Vergleich! Ich meine, als Mandatare sind wir dazu verpflichtet, den Staat dazu anzuhalten, Verwaltungstechnisches effizient umzusetzen, und ich glaube, es wäre ein Rückschritt, die nächste Volkszählung wieder mit den Methoden des vori­gen Jahrzehnts zu beginnen. (Bundesrat Gruber: Sind wir uns einig!) Wir sollten diese Datenmenge, die unser Staatswesen sowieso hat, erfolgreich umsetzen und zusam­menführen und dadurch den Bürgerinnen und Bürgern Kosten und lästige Fragen ersparen. (Bundesrat Gruber: Ja, da sind wir uns einig!) – Danke.

Herr Kollege Klug ist jetzt leider nicht herinnen, aber ich möchte doch, weil er auch die Wirtschaftskammer angesprochen hat, zum Arbeitsrecht zwei Bemerkungen machen. Ich glaube, das Arbeitsrecht ist eine der kompliziertesten Materien, die wir in unserer Gesellschaft in Österreich inzwischen entwickelt haben, und ich bin als praktizierender Unternehmer froh darüber, dass ich von diesem Arbeitsrecht noch niemals negativ be­troffen war. Mit meinen Mitarbeitern haben wir in den letzten 15 Jahren keinen Arbeits­prozess geführt und auch keinen Richter gebraucht, und ich hoffe, dass das auch in den nächsten 15 Jahren der Fall sein wird.

Ich glaube, wir müssen den über 3 Millionen Dienstverhältnissen, die es in Österreich gibt, zugestehen, dass, glaube ich, zu über 90 Prozent diese Vorschriften und auch


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diese Klauseln nicht zur Anwendung kommen. (Bundesrat Reisenberger: Leider nicht!) Ich glaube, dafür müssen wir den Unternehmen und den Mitarbeitern dankbar sein. Sonst würden auch Wirtschaftskammern, Arbeiterkammer, Gewerkschaft meiner Ansicht nach restlos damit überfordert sein, diese Materie ständig zu schlichten und zu entflechten. (Bundesrat Reisenberger: Die brauchen immer mehr Leute!)

Es gibt natürlich immer wieder Fälle, das ist bei dieser Menge und Masse an Dienstver­hältnissen klar, und es wird auch in Zukunft so sein. (Bundesrat Reisenberger: Stei­gend! Steigend ist das leider!) Man muss aber die positive Situation, die pragmatische Situation in diesem Lande herausstreichen: dass wir sozialen Frieden haben und dass wir ein gutes Miteinander mit unseren Mitarbeitern haben. Das zeigen auch die Daten der wirtschaftlichen Entwicklung, weil das die Grundvoraussetzung dafür ist. Wirtschaft besteht nämlich nicht nur für sich allein, sondern immer im Kontext Arbeitgeber – Ar­beitnehmer.

Damit zum eigentlichen Tagesordnungspunkt. Meine sehr verehrten Damen und Her­ren, die Novelle zum Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ist nur eine kleine No­velle, aber sie ist wieder ein Mosaikstein in Richtung geordneter Zuwanderung. Die heutigen Redebeiträge zur Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes beziehungs­weise zur Zuwanderung waren ja sehr widersprüchlich. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass Österreich kein klassisches Einwanderungsland wie die großen Länder Amerika, Kanada oder Australien ist – die übrigens wesentlich schärfere Fristen, Be­dingungen und Auflagen haben, als sie in unserem neuen Gesetzentwurf vorhanden sind –, sondern dass wir eine geordnete Zuwanderung brauchen.

Ich stehe nicht an, dies hinzuzufügen: Aus Sicht der Wirtschaft ist das eine ganz klare Vorstellung der Green Card, wie sie in Amerika praktiziert wird, sodass wir uns in erster Linie aus den neuen Ländern Zuwanderung holen, die wir in der Wirtschaft brauchen, die unsere Volkswirtschaft stärkt und die dadurch mit auch einen Beitrag zur Existenz­sicherung der österreichischen Bevölkerung leistet. Ich glaube, das ist nichts Unseriö­ses, sondern darin müssen wir uns einig sein. Da brauchen wir nicht polemisch und auch nicht ideologisch zu argumentieren, sondern es muss auf dem Weg der Vernunft uns allen zusammen möglich sein, dass wir diesen Spagat – und es ist das ein Spa­gat – zum Wohle unseres Staates schaffen.

Damit komme ich abschließend zu unseren Anträgen zu den Tagesordnungspunk­ten 5, 6 und 7:

Die Bundesräte Perhab, Kolleginnen und Kollegen beantragen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Durch­führung von Volks-, Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und Bundes­gesetz, mit dem das Postgesetz 1997, das Meldegesetz 1991 und das Bildungsdoku­mentationsgesetz geändert werden, keinen Einspruch zu erheben.

*****

Desgleichen stellen die Bundesräte Perhab, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 der Geschäftsordnung den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. De­zember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufent­haltsgesetz geändert werden, keinen Einspruch zu erheben.

*****

Ebenfalls gemäß § 43 der Geschäftsordnung des Bundesrates stellen die Bundesräte Perhab, Kolleginnen und Kollegen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalra-


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tes vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungs­gesetz 1950 geändert wird, keinen Einspruch zu erheben.

*****

Diese Anträge sind jeweils von vier Bundesrätinnen und Bundesräten unterzeichnet, und ich darf sie der Frau Präsidentin überreichen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

16.12


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Die von den Bundesräten Perhab, Kolleginnen und Kollegen jeweils zu den Tagesordnungspunkten 5, 6 und 7 eingebrachten Anträge zum Verhandlungsgegenstand, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, sind genügend unterstützt und stehen demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

 


16.12.39

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich werde mich sehr kurz fassen. – Auch wir haben kein Problem damit, wenn jetzt nicht mehr alle zehn Jahre eine Volkszählung in der Form durchgeführt werden muss, dass die Menschen zu Hause besucht werden und stundenlang Daten bekannt geben müssen. Damit haben wir kein Problem, und wir haben auch kein Problem mit der elektronischen Erfassung, sondern vielmehr damit, dass diese Daten verknüpft werden, und zwar zum Teil auch mit Daten, die an diver­sen anderen Stellen erhoben werden.

Zum Beispiel ist es für mich überhaupt nicht einsichtig, warum ich auf dem Meldezettel meinen Familienstand angeben soll. Wie weit das dann abgeglichen wird und ob der Herr Bürgermeister angerufen wird oder nicht, wenn ich mich scheiden lasse, mag da­hingestellt sein; ich denke, es macht einfach keinen Sinn. Diese Daten müssen ja vor­handen sein, dazu brauche ich doch keinen Meldezettel! Meldezettel werden üblicher­weise auch nicht so oft korrigiert. Diese Regelung scheint mir also einfach unsinnig zu sein.

Im Übrigen sehe ich schon auch die Gefahr, dass die Daten, wenn sie alle zusammen­geführt werden, möglicherweise auch in zusammengeführtem Zustand benutzt werden, was eigentlich nicht Sinn und Zweck der Sache – außer um damit eine Statistik zu er­stellen.

Aus diesem Grund werden wir dieses Gesetz auch ablehnen. Die genaue Begründung haben wir ohnehin in unserem Antrag gegeben. – Danke. (Beifall bei den Grünen so­wie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.14


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile es ihm. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Aha, dann muss das ein Irrtum sein, dass der Name hier aufscheint.

Dann rufe ich als nächste Rednerin Frau Bundesrätin Blatnik auf. – Bitte.

 


16.14.26

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretar! Ich möchte Ihnen, Frau Präsidentin, auch in meinem Namen und im Namen Kärntens alles Gute wünschen! Wir hoffen auf eine gute Zusammenarbeit! Čestitam k vašemu govoru, hvala lepa!


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Ich möchte zum Volkszählungsgesetz, in dessen §§ 10, 11 und 12 in der gesamten Fassung die geheime Erhebung der Muttersprache geregelt wird, festhalten, dass es mich wirklich freut, dass die Verfassungsbestimmung über die geheime Erhebung der Muttersprache, auch Minderheitenfeststellung genannt, abgeschafft worden ist. Das ist sicherlich für die österreichischen Minderheiten ein wirklich positiver Punkt, obwohl es in Kärnten anders ausschaut.

In Kärnten ist dieses Thema aktueller denn je. Obwohl der Nationalrat einstimmig – das heißt, auch mit den Stimmen des BZÖ – beschlossen hat, eine Verfassungsbestim­mung über die geheime Erhebung der Muttersprache abzuschaffen, verlangt der Lan­deshauptmann von Kärnten erneut eine Minderheitenfeststellung in Kärnten. Von dieser Minderheitenfeststellung soll das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln, die Volksgruppenförderung und das Minderheitenschulwesen abhängig gemacht werden. Es soll über Minderheitenrechte, die schon über 50 Jahre lang bestehen und die im Staatsvertrag, im Artikel 7, verankert sind, abgestimmt werden.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Mehrheit bestimmt über die Min­derheit: Das ist für mich absurd, unverständlich und nicht akzeptabel!

Der Politologe Fritz Plasser meinte im „Standard“, dass das, was der Landeshaupt­mann von Kärnten in der Ortstafelfrage in Kärnten macht – ich zitiere –, ein „Teil eines taktischen Inszenierungs- und Eskalationskonzepts“ ist. Er sagt auch, dass der Orts­tafelstreit „nicht zufällig“ passiert und eskaliert: „Haiders Ziel ist es, ein katastrophales Ergebnis des BZÖ“ bei den nächsten Nationalratswahlen „zu vermeiden“. – Ich kann Professor Plasser nur beipflichten.

Der Landeshauptmann von Kärnten will von wichtigen Themen – ich nenne zum Bei­spiel die Arbeitsplatzsicherung, ich nenne auch eine bessere Wirtschaftslage – ablen­ken. Er polarisiert auf dem Rücken der Minderheit und will dadurch ein Grundmandat in den Bezirken Wolfsberg, Völkermarkt und St. Veit erzielen. Es geht ihm um Macht und um das Überleben des BZÖ. Haiders Position ist offensichtlich sehr prekär; die mo­mentanen Meinungsumfragen zeigen für Kärnten folgendes Bild: 8 bis 10 Prozent FPÖ, 16 bis 18 Prozent BZÖ. – Ich bin mir sicher, dass die Wählerinnen und Wähler in Kärnten Haiders Taktik durchschauen, denn sie ist so durchsichtig, dass sie scheitern wird.

Die Erhebung der Muttersprache oder Umgangssprache der Bevölkerung sollte in mo­dernen demokratischen Rechtsstaaten im Rahmen regulärer Volkszählungen – und nicht durch geheime Erhebung stattfinden. Die bisherige Art und Weise der geheimen Muttersprachenregelung wurde nicht ohne Grund als geheime Minderheitenfeststellung gedeutet. Ihre Umsetzung diente dazu – und das droht auch noch heute; Kärnten ist leider ein Beweis dafür –, dass durch geheime Zählung die Zahl der Angehörigen einer sprachlichen oder kulturellen Minderheit festzustellen ist, um Rechte dieser Minderheit von ihrer quantitativen Größe abhängig zu machen. – Moderner Minderheitenschutz versteht sich allerdings als Schutz des Minderheitenangehörigen als Individuum, unab­hängig von der zahlenmäßigen Größe der Minderheit!

In den Erläuterungen hiezu wird angeführt, dass dies wegen der Volksgruppenförde­rung und des Minderheitenschulwesens notwendig sei. – Auch das scheint mir völlig absurd zu sein. Der Zugang zum Schulwesen ist nämlich frei, und nicht zuletzt wegen der von Österreich ratifizierten Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates darf die ethnische Zugehörigkeit weder nachgefragt noch überprüft werden.

Ich meine, dass wir unter völlig neuen Rahmenbedingungen leben. Vier von sechs ös­terreichischen Volksgruppensprachen sind EU-Sprachen; somit bekommt das Erlernen dieser Sprachen eine völlig neue Dimension. Die österreichische Wirtschaft braucht


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qualifiziertes Personal, und ein Qualifikationserfordernis ist auch die Kenntnis der Nachbarsprachen.

Die Menschen in Kärnten sehen die Möglichkeit der Mehrsprachigkeit als Bereiche­rung. Ich bin sehr froh darüber, dass in den letzten Jahren die Anmeldungen in den zweisprachigen Volksschulen enorm gestiegen sind; aber nicht deswegen, weil die Menschen Kärntner Sloweninnen oder Kärntner Slowenen werden wollen, sondern weil sie diese Bereicherung im Job, in der Karriere und auch im Lebensgefühl positiv nüt­zen können.

Wie am Anfang gesagt: Die Änderung des Volkszählungsgesetzes ist positiv, und wir werden dieser Änderung zustimmen. (Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke; hvala. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.21


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Weiss. Ich erteile es ihm.

 


16.22.08

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der bisherigen Diskussion naheliegenderweise völlig unbestritten geblieben, dass man die Möglichkeiten, die die elektronische Führung von Registern heute bietet, nutzen soll, um unter anderem auch Volkszählungen auf diese moderne Art und Weise durchzuführen. Das bringt sowohl für die Verwaltung als auch für den Bürger eine wesentliche Entlastung mit sich. – So­weit die Übereinstimmung.

Differenzen gibt es hinsichtlich der geltend gemachten Gründe des Datenschutzes, wo­bei die Betroffenheit der Länder von diesem Punkt in der Einspruchsbegründung in der Art der „Regenwurm-Methode“ hergestellt wird: Es wird hier mit einer indirekten Be­troffenheit der Länder und Gemeinden gearbeitet. Das ist auch verständlich, weil das Begutachtungsverfahren und die Stellungnahmen der Länder für eine wirklich von Län­derinteressen getragene Ablehnung wenig hergeben.

Besonders ausführlich hat sich das Land und die Stadt Wien mit diesem Punkt be­schäftigt. Jetzt lasse ich einmal den Sonderfall Kärnten wegen der Minderheitenfest­stellung weg und konzentriere mich auf die datenschutzrechtlich relevanten Dinge. Die Stadt Wien hat in wirklich sehr fundierten Stellungnahmen ganz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bisherigen Register von verbesserungsfähiger Qualität sind und dass es daher notwendig ist – das ist beim Aufbau natürlich schwer zu vermeiden –, durch Datenabgleichungen die Qualität der Register zu verbessern. Was dann die Stadt Wien kritisch angemerkt hat, ist, dass ihr diese Verknüpfungen und deren Um­fang teilweise zu wenig genau und dem Bestimmtheitsgebot der Verfassung zu wenig entsprechend formuliert seien.

Das waren also Anregungen, dies legistisch besser zu machen – denen hätte man möglicherweise durchaus Rechnung tragen können oder sollen, das möchte ich jetzt gar nicht beurteilen –, aber es war dies keine gravierende Ablehnung dem Grunde nach. Die anderen Bundesländer haben sich mit diesem Thema im Wesentlichen über­haupt nicht beschäftigt.

Das vorliegende Gesetzespaket beinhaltet zwei legistische Merkwürdigkeiten. Die erste ist, dass wir das Postgesetz schon wieder novellieren – es war ja erst in der letz­ten Sitzung dran –, und zwar in einem Punkt, der nicht unmittelbar mit Zählungen zu tun hat. Da geht es um die einsichtige Regelung, dass im Zuge der Post-Liberalisie­rung künftig bei den Postfächern nicht nur der Name, sondern auch die Türnummer, die Wohnungsnummer angeführt sein soll, weil das der Zuordnung durch Zusteller, die


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ortsfremder als die gewohnten Briefträger sind, natürlich entgegenkommt. Offenkundig hat man das damals vergessen und hat jetzt die Gelegenheit dieses Registerzählungs­gesetzes benutzt, das noch hereinzunehmen. Dies ist in der Sache völlig unbestritten, aber doch bemerkenswert.

Das Zweite ist, dass wir mit der heutigen Tagesordnung das Volkszählungsgesetz mit zwei verschiedenen Gesetzesbeschlüssen aufheben. Das ist der Bundesregierung nicht vorzuhalten, in der Regierungsvorlage war das richtig drinnen, aber aus Mehr­heitsfindungsgründen ist es dann im Nationalratsausschuss auseinander gelegt wor­den. Daher haben wir jetzt den legistisch nicht ganz befriedigenden, wenngleich der Sache nach auch verständlichen Sachverhalt, dass wir an einem Tag unter zwei ver­schiedenen Gesetzesbeschlüssen ein und dasselbe Gesetz in verschiedenen Punkten aufheben.

Das Land Kärnten und namentlich Herr Landeshauptmann Dr. Haider haben uns mit einer kurzen Stellungnahme ersucht, beiden Gesetzesbeschlüssen nicht zuzustimmen, das heißt, Einspruch zu erheben. – Diesem Ersuchen kommt zumindest bei dem einen Gesetzesbeschluss die sozialdemokratische Fraktion nach.

Ich möchte mich jetzt nicht über die Minderheitenfrage verbreiten und nur darauf hin­weisen, dass wir für den Landeshauptmann von Kärnten eigentlich die falsche Adresse sind, denn beiden Gesetzesbeschlüssen haben die BZÖ-Abgeordneten im Nationalrat zugestimmt, und das Registerzählungsgesetz, mit dem er nicht zufrieden ist, wäre von vornherein nicht in den Nationalrat gekommen, wenn ihm nicht auch die Regierungs­mitglieder des BZÖ – schließlich handelt es sich um eine Regierungsvorlage – zuge­stimmt hätten. (Bundesrat Giefing: Warum kritisiert man dann Gusenbauer, wenn er Haider ...?)

In dieser Regierungsvorlage war auch die Aufhebung dieser angeblich zu totem Recht gewordenen Bestimmung hinsichtlich der Minderheitenfeststellung drinnen, die jetzt in einem eigenen Gesetzesbeschluss von ihm besonders bekämpft wird. – Das ist also nicht erst im Nationalrat nachträglich dazugekommen, sondern es war dem Grunde nach von vornherein klar, dass das mit der Regierungsvorlage auch erfasst ist. Das steht ja ausdrücklich drin.

Insoweit fühle ich mich von diesem Appell des Kärntner Landeshauptmannes nicht betroffen und werde dem Antrag zustimmen, gegen beide Gesetzesbeschlüsse keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

16.27


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mitterer. Ich erteile es ihm.

 


16.28.06

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Auch ich darf eingangs als Vorgänger im Präsidentenamt des Bundesrates während der zweiten Hälfte 2005 meiner Nachfolgerin zu ihrem heuti­gen fulminanten Einstieg hier in diesem Hohen Hause gratulieren und ihr viel Glück wünschen! Möge das eintreten, was ich mir in meiner sechsmonatigen Dienstzeit ge­wünscht habe, nämlich die Loyalität und die Mithilfe aller Bundesrätinnen und Bundes­räte über die Grenzen der Parteien hinweg, dann haben Sie auch eine schöne Amts­zeit vor sich! Ich gratuliere! (Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Danke schön!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist im Tagesordnungs­punkt 5 ein Gesetz über die Durchführung von Volkszählungen und anderen Dingen vorgesehen. Der Erstentwurf der Bundesregierung, Herr Vizepräsident Weiss, hat in


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der Begutachtung des Landes Kärnten keine Zustimmung erfahren, weil die Vollerhe­bung der Umgangssprache aus diesem Gesetz ausgegliedert war.

Es hat dann auf Grund dieser Eingaben eine neue Regierungsvorlage gegeben, die in der Regierung beziehungsweise auch im Nationalrat beschlossen wurde; diese hat teil­weise den Einspruch Kärntens berücksichtigt. „Teilweise“ sage ich deshalb, weil die geforderte Muss-Bestimmung an den Bundesminister zu einer Kann-Bestimmung umformuliert wurde. Das heißt, der Bundesminister kann, wenn es zur Erfüllung von Bundesaufgaben unbedingt erforderlich ist, eine derartige Befragung durchführen.

Es ist ein tragbarer Kompromiss, der letztlich auch von uns Bundesräten in Kärnten – auch in Absprache mit dem Landeshauptmann – zu akzeptieren ist, und deshalb wer­den wir heute auch (Bundesrat Molzbichler: Aber nicht alle Bundesräte!) – die Kärnt­ner Bundesräte aus der Fraktion der BZÖ/Freiheitlichen, Siegi Kampl und ich (Bundes­rat Schimböck: Alle aus dem BZÖ!) – dieser Regierungsvorlage zustimmen bezie­hungsweise keinen Einspruch erheben.

Damit wäre eigentlich mein Redebeitrag zu diesem Gesetz bereits beendet, aber ich habe natürlich gewusst, dass diese Debatte aus der Sicht von Kärnten auch dazu be­nützt wird, die Probleme, die wir zurzeit in Kärnten – vorwiegend in den Medien – be­züglich der Ortstafel-Aufstellung oder -Nichtaufstellung haben.

Frau Bundesrätin Ana Blatnik: Minderheitenfeststellung und Erhebung der Mutter­sprache ist nicht eins zu eins das Gleiche. – Das möchte ich einmal festhalten. Zum Zweiten glaube ich nicht, dass es gut ist, hier im Hohen Hause – nicht unbeobachtet von den Medien – eine gute Minderheitenpolitik in Kärnten zu kritisieren. (Bundesrat Molzbichler: Ja, aber da trägt der Herr Landeshauptmann viel dazu bei, dass diese Diskussion ...!)

Gerade aus aktuellem Anlass, meine sehr geehrten Damen und Herren, nämlich auf Grund der VGH-Erkenntnisse und Urteile, in denen festgelegt wurde, dass man ab 10 Prozent in einer Gemeinde und ab 15 Prozent in Ortschaften Ortstafeln aufzustellen hat, somit also prozentuale Grenzen gesetzt wurden, ist man in Österreich ja verpflich­tet, auch den Anteil der Minderheit in diesem Gebiet zu erheben, um das durchführen zu können.

Es gibt hierbei auch eine interessante Erkenntnis. Der beratende Ausschuss des Euro­parates hat in seinem Prüfbericht zu Österreich vom 16. Mai 2002 ausdrücklich emp­fohlen, dass die Bundesregierung nach Mitteln und Wegen suchen sollte, um verläss­liche statistische Daten über die nationalen Minderheiten, aufgeschlüsselt nach Alter, Geschlecht und geographischen Unterschiede, zu erhalten.

Ohne diese Daten sei es für die österreichischen Behörden sehr schwer, effizient zu arbeiten, und es sei für die internationalen Beobachtungsstellen sehr schwer festzu­stellen, ob Österreich seinen Verpflichtungen aus dem Rahmenübereinkommen nach­kommt. So der Europarat am 16. Mai 2002.

Ähnliches stellt der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes Adamovich in einer Dokumentation der Studienkommission fest. Auch Slowenien, Frau Kollegin Blat­nik, hat 2002 eine Volksbefragung – auch nach ethnischer Herkunft und Mutterspra­che – durchgeführt (Bundesrat Molzbichler: Auch die Schweden!) –, wahrscheinlich auch aus der Erkenntnis heraus, dass die Europäische Union und der Europarat ein Interesse daran haben, dass Volksgruppengesetze und -übereinkommen einzuhalten sind. Dazu bedarf es allerdings natürlich auch der Kenntnisse über die Stärke, also nicht der Ermittlung der Stärke der Volksgruppen, sondern der Stärke der Mutter­sprache.


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Da Sie vorher einige Dinge in den Raum gestellt haben, dass es in Kärnten Verhält­nisse gibt, mit der die Volksgruppe und Kärnten nicht leben könnten, möchte ich fest­halten: Kärnten betreibt eine sehr erfolgreiche Minderheitenpolitik. (Bundesrat Molz­bichler: Bitte, bitte, da musst du doch selber rot werden, lieber Kollege!)

Es geht dabei um das Minderheiten-Schulwesen oder um die Medienpolitik, in der es in den letzten zwei, drei Jahren wesentliche Veränderungen gegeben hat, wo allein der ORF auch jährliche Subventionen in Höhe von 200 000 € in die slowenischsprachigen Medien in Kärnten investiert.

Im Kindergartenwesen ist es ähnlich: Da gibt es im Jahre 2005 neben der normalen Förderung weitere 540 000 € aus einem Fonds für die Minderheiten. An Kulturförde­rung gab es in zehn Jahren zusätzlich 328 000 €. Die Gesamtförderung der sloweni­schen Minderheit in Kärnten – zusammengezogen mit der des ORF und den Bundes­mitteln – beträgt jährlich zirka 1 Million €.

Die Minderheiten – nicht die offiziellen, die in Kärnten immer wieder etwas finden möchten – sind eigentlich mit der Politik sehr zufrieden.

Slowenien fördert nach der Erhebung der ethnischen Herkunft und der Muttersprache in Gottschee die deutsche Minderheit jährlich mit 4 500 € – dem gegenüber bei uns 1 Million €. – Ich weiß, dass die Mehrheitsverhältnisse ganz andere sind, aber natürlich sollte man das auch in den Raum stellen: Was wird dort gemacht, und was machen wir.

Das Thema zweisprachige Ortstafeln wurden ebenfalls erwähnt. In der Steiermark – da sind ja auch welche im Staatsvertrag enthalten – gibt es bis heute noch keine. Nie­mand regt sich hier in diesem Hause darüber auf, auch nicht die Medien. Das Burgen­land wurde voriges Jahr dafür gelobt, dass es seit zehn Jahren zweisprachige Ortsta­feln gibt – aber auch 20 Jahre zu spät. Das war nie ein Thema. (Bundesrat Molzbich­ler: Dort wird nicht so polemisiert wie bei uns in Kärnten!)

In Kärnten ist es anscheinend ein Thema, obwohl 1977 die geforderten Ortstafeln, die damals in diesem Erkenntnis enthalten waren, aufgestellt wurden – zu 100 Prozent, nämlich 28 Ortstafeln. Bei den Ortsbezeichnungen fehlen noch einige. Davon sind einige, glaube ich, nicht mehr aufzustellen, weil es diese Orte nicht mehr gibt, da dort nur mehr einige Gehöfte oder Häuser vorhanden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Erinnern Sie sich an den Be­richt des „Weisenrates“ im Jahre 2000, als die Europäische Union beziehungsweise 14 Staaten Sanktionen gegen Österreich verhängt haben. Es gab da eine genaue Un­tersuchung über die Politik – gerade in Bezug auf Volksgruppenpolitik – in Österreich. Der Bericht ist so ausgefallen, dass Österreich und damit Kärnten in der EU eine vor­bildliche Minderheitenpolitik bescheinigt wurde.

Abschließend noch zu den VGH-Urteilen, die ja Schnellfahrerprozesse sind. Wie es zu diesen Prozessen gekommen ist, wissen Sie alle, durch die Medien informiert. Es wur­den unzumutbare Verhältnisse geschaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, glauben Sie, dass der Verfassungsgerichts­hof Wächter in diesem Lande ist – oder dass wir, der Nationalrat und der Bundesrat es sind, die nämlich die gesetzgebenden Körperschaften sind, vom Souverän – der Bevöl­kerung – gewählte Vertreter? Wir haben das festzulegen!

Gegen den Willen der Bevölkerung werden wir Schnellfahrerprozesse auch in Kärnten nicht ...  (Bundesrat Kraml: So einfach ist das nicht! Völlig falsch! Da müssen Sie die Richterschaft abschaffen!) Herr Kollege, wenn man zu schnell fährt und sich damit rechtfertigt, dass man die Ortstafel nicht lesen konnte, dann ist das eine Sache. Ich


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bewundere da jedoch Ihre Kollegin Anna Blatnik, die nicht ans Rednerpult tritt und sagt, sie stimmt dem Gesetz deshalb nicht zu, weil sie dieses Gesetz in der deutschen Sprache nicht lesen kann. Sie ist sehr wohl verantwortungsbewusst und bringt gute Argumente vor.

Die Schnellfahrerprozesse sind aber das Gleiche, wie wenn man hier im Hohen Haus sagt, man stimmt dem Gesetz nicht zu, denn es ist nicht auf Slowenisch geschrieben, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Deshalb, so glaube ich, ist es wichtig, dass jetzt auch eine Kann-Bestimmung enthalten ist. Damit bin ich bei meinem letzten Satz: Es ist nur eine Kann-Bestimmung, mit der der Landeshauptmann von Kärnten auch leben kann – mit einem großen Risiko, denn niemand weiß, ob in seiner Amtszeit Minister, die dafür zuständig sind, den Couleurs angehören, die ihm oder dem Land Kärnten gesonnen sind. (Bundesrat Kraml: Das ist ein Nebenschauplatz! Bundesrat Molzbichler: Es kann eine Mehrheit nicht über eine Minderheit abstimmen, wie es passiert ist! Bundesrat Gruber: Stellt den Rechtsstaat in Frage!) Das sind Mutmaßungen.

Das Wort haben nicht Sie, Herr Bundesrat, sondern das Wort hat in diesem Fall immer der Wähler. Gott sei Dank hat der Wähler das Wort! (Bundesrat Boden: 2 bis 3 Pro­zent habt ihr noch! Bundesrat Gruber: Der Wähler sagt es eh deutlich!) – Ja, das steht in den Zeitungen. Wir haben auch bei der Landtagswahl 2004 Vorhersagen von 28 Prozent gehabt – und dann 42 Prozent gemacht. (Bundesrat Boden: Unter anderen Voraussetzungen!) Wenn Sie sich alle als Propheten betätigen wollen, dann können Sie das gerne machen.

Ich sage, dass wir in der Hoffnung, dass der jeweilige Minister diese Kann-Be­stimmung, die im Gesetz enthalten ist, auch im Sinne Österreichs und Kärntens an­wendet, diese Gesetzesänderung natürlich mittragen werden. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

16.40


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte.

 


16.40.28

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich erlaube mir auch einige Sätze zur aktuellen Debatte. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie im Jahre 1977 der damalige große Vorsitzende der Sozialistischen Partei Bruno Kreisky gesagt hat, nachdem in Kärnten die Ortstafeln aufgestellt worden waren, nun sei der Artikel 7 des Staatsvertrages erfüllt. – Kreisky wortwörtlich.

Zu diesem Zeitpunkt hat es im Bundesland Kärnten diese Ortstafeln gegeben. Es hat zu diesem Zeitpunkt diese Ortstafeln im Burgenland noch lange nicht gegeben, und auch die zweisprachigen Ortstafeln in der Steiermark hat es nicht gegeben, sowie das auch heute noch der Fall ist: Es gibt diese zweisprachigen Ortstafeln in der Steiermark noch immer nicht.

Es stellt sich die Frage: Warum diskutiert man eigentlich nicht auch über die Steier­mark? (Bundesrätin Kerschbaum: Ja, warum?) Diese Frage wäre insbesondere an den neuen Landeshauptmann Franz Voves zu stellen, wann er bereit, ist den Artikel 7 des Staatsvertrages zu erfüllen.

Ich habe das dann weiter verfolgt und habe eigentlich mit Begeisterung festgestellt, dass hervorragende Minderheitenpolitik in Kärnten gemacht wurde, wie vom Kollegen Peter Mitterer bereits erwähnt. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny.) – Herr


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Kollege Konecny, es wird hervorragende Minderheitenpolitik im Zusammenhang mit Medienpolitik, mit zweisprachigen Kindergärten und zweisprachigen Schulen gemacht.

Dober dan Hrvati“ ist im Burgenland weitaus später eingeführt worden. Es ist eigent­lich nie sonderlich darüber gesprochen worden, dass das in Kärnten längst an der Tagesordnung war, was dann viel später woanders nachgemacht wurde und als groß­artiger Erfolg der Minderheitenpolitik verkauft wurde.

Ich will damit nur sagen, dass da eine Debatte geführt wird, die schon sehr vom partei­politischen Standpunkt aus betrachtet wird. (Bundesrat Molzbichler: Von wem? Wer polarisiert?) Wenn Sie, meine lieben Damen und Herren Minderheitenvertreter, das ernst meinen, was Sie hier sagen, dann versuchen Sie, die gleichen Voraussetzungen in allen Bundesländern herzustellen! – Ich unterstütze Sie dabei. (Bundesrat Molzbich­ler: Eine Mehrheit kann nicht über eine Minderheit abstimmen! Ruf bei der ÖVP: Oja, das ist im Bundesrat auch so! Heiterkeit.) – Viel schlimmer wäre es, wenn eine Minderheit über eine Mehrheit bestimmt. (Bundesrat Gruber: Auf jeden Fall ist es ein trauriges Kapitel!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Thema zurückkommen. (Bundesrat Konecny: Auf sichereren Boden!) – Ich bin sehr dankbar, dass Sie jetzt auch wieder da sind, Herr Kollege Konecny! Sie sind so oft in Ihrer Bundesratskarriere, die jetzt schon eine sehr lange ist, auf dünnem Eis unterwegs gewesen und auch oft genug eingebrochen. (Bundesrat Gruber: Das gilt aber auch für Staatssekretäre!) Es ist einfach so, dass das hin und wieder passiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin auch sehr froh, dass Kollege Gruber wieder da ist, der in seinem Debattenbeitrag behauptet hat, der Datenschutzrat sei im Begutachtungsverfahren dieses Registerzählungsgesetzes nicht mit dem Inhalt des Gesetzes befasst worden. (Bundesrat Gruber: Weil der Vorsitzende ihn nicht einberu­fen hat!)

Selbstverständlich wurde der Datenschutzrat mit diesem Gesetz befasst, aber er hat keine Stellungnahme abgegeben! (Bundesrat Konecny: Ja, weil er nicht einberufen wurde!) Das ist der entscheidende Punkt! Der Umfang der Registerzählung entspricht in etwa der Volkszählung 2001 und ist unter Umständen in vielen Bereichen sogar ge­ringer als bei den Volkszählungen 1991 und 1981, die noch unter einer anderen Regie­rungskonstellation angeordnet wurden. Das wissen Sie auch. Da ist also doch einiges verbessert worden.

Eine „Rasterfahndung“, wie Sie sagten, ist etwas gänzlich anderes und – das wissen Sie auch! – kann nicht erfolgen, da das Bundesministerium für Inneres keine Daten, die im Rahmen der Registerzählung erhoben werden, erhält. Daher ist das von Ihnen Behauptete absolut nicht möglich!

Die Datenschutzkommission, der ein Richter vorsteht – und Sie wissen, dass der Da­tenschutzkommission ein Richter vorsteht! –, überwacht die Erzeugung der bereichs­spezifischen Personenkennzeichen, und dadurch ist sichergestellt, dass bei der Erzeu­gung der bereichsspezifischen Kennzeichen kein Missbrauch entstehen kann. (Bun­desrat Gruber: Hat es beim EKIS auch geheißen!)

Eine Weitergabe der erhobenen Daten durch die Bundesanstalt Statistik Österreich an Dritte ist im Registerzählungsgesetz eindeutig nicht vorgesehen. Das heißt, der Daten­schutz ist im höchsten Maße gewährleistet! Die Einwendungen gegen das Gesetz, die Sie und auch die Kollegin von den Grünen hier vorgebracht haben, entbehren in Wirk­lichkeit jeglicher Grundlage.

Sicher ist, dass die Daten nicht beim Bürger, sondern bei den Behörden unter Berück­sichtigung des Datenschutzes ohne Namen der Betroffenen elektronisch erhoben und


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anonym über das bereichsspezifische Personenkennzeichen nach dem E-Govern­ment-Gesetz zusammengeführt werden.

Sicher ist, dass nur bei Widersprüchen oder Lücken in den Daten die Behörden der Bundesanstalt die Namen der Betroffenen zwecks Befragung bekannt geben können, und sicher ist, dass die Bürger somit bei Volkszählungen grundsätzlich nicht mehr belastet sind. Sicher ist auch – da die Daten der Bundesanstalt elektronisch zur Verfü­gung stehen – ein rascheres Vorliegen der Volkszählungsergebnisse, und sicher ist auch, dass damit die Kosten von Volkszählungen auf 10 Prozent der bisherigen Kosten reduziert werden. – Ich glaube, auch das ist ein wesentlicher Punkt, den man berück­sichtigen sollte.

Die Argumente, die Sie vorher aufgezählt haben, um Ihr Dagegensein zu rechtfertigen, sind daher nicht haltbar. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie bei der ÖVP.)

16.47


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. Ich erteile es ihm.

 


16.47.39

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bereits im Juli 2003 wurde der Initiativantrag im Nationalrat eingebracht, das Volkszählungsgesetz 1950 zu ändern.

Der Verfassungsausschuss des Nationalrates hatte im Juni 2004 den Initiativantrag in Verhandlung genommen. Im Dezember 2005 wurde dem Abänderungsantrag einstim­mig zugestimmt. Auch in der 129. Sitzung des Nationalrates wurde der vorliegende Gesetzentwurf einstimmig angenommen. Es sollen jene Paragraphen – definitiv § 10, § 11 und § 12 – des Volkszählungsgesetzes in der genannten Fassung, die die ge­heime Erhebung der Muttersprache regeln, gestrichen werden.

In einem modernen demokratischen Rechtsstaat muss die Erhebung der Mutterspra­che und Umgangssprache der Bevölkerung im Rahmen der regulären Volkszählung stattfinden – und darf nicht durch eine geheime Erhebung erfolgen, die als geheime Minderheitenfeststellung gedeutet werden kann.

Sehr geschätzte Damen und Herren, mein Vorredner, Kollege Mitterer, und Herr Staatssekretär Schweitzer haben die aktuelle Situation angesprochen. Lassen Sie mich einige Worte betreffend Minderheiten und Minderheitenfeststellungen in Öster­reich dazu verlieren, da ich selbst aus einem Bundesland mit Minderheiten komme und in meinem Bundesland – oder in unserem Bundesland, Herr Staatssekretär! –, dem Burgenland, die Rechte der Minderheiten und deren Umsetzung keine Probleme und keine Schwierigkeiten darstellen.

Offensichtlich laufen die Uhren nicht in allen Bundesländern gleich. Das auffallendste Merkmal der österreichischen Minderheitenpolitik ist, dass in verschiedenen Bundes­ländern mit Minderheiten völlig unterschiedlich umgegangen und keine einheitliche Vorgangsweise an den Tag gelegt wird. Der gravierendste Unterschied besteht heute wohl, wie schon angesprochen, zwischen den Bundesländern Burgenland und Kärn­ten.

Im vergangenen Jahr feierten wir 60 Jahre Kriegsende, 50 Jahre Staatsvertrag sowie zehn Jahre Beitritt zur Europäischen Union – ein historisches Jahr also. 50 Jahre Staatsvertrag – wie es der Herr Staatssekretär schon erwähnt hat –, ein Staatsvertrag, in dem im Artikel 7 die Minderheitsrechte verankert und festgeschrieben sind.


Bundesrat
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730. Sitzung / Seite 86

Im Burgenland stehen derzeit in 51 Gemeinden und Ortsteilen zweisprachige Ortsta­feln. In 47 Orten tragen sie deutsche und kroatische, in vier Orten deutsche und unga­rische Aufschriften. Zwar war es auch im jüngsten Bundesland – in unserem Bundes­land Burgenland – ein langer Prozess bis zur Umsetzung, aber dieser verlief konfliktfrei und erfolgte ohne Minderheitenfeststellung. Das Aufstellen der Ortstafeln vor fünfein­halb Jahren verlief problemlos. Die Premiere erfolgte bereits im Jahr 2000, als die erste zweisprachige Ortstafel enthüllt wurde.

Diesem historischen Akt waren natürlich auch Diskussionen vorausgegangen. Den Verordnungsentwurf zur Bestimmung der Gebietsteile mit topographischen Bezeich­nungen nicht nur in deutscher, sondern auch in kroatischer beziehungsweise ungari­scher Sprache schickte der damalige Bundeskanzler der SPÖ, Viktor Klima, zur Begut­achtung aus.

Ich persönlich freue mich, dass die Umsetzung in unserem Bundesland Burgenland über alle politischen Grenzen hinweg gelungen ist und dass diese Thematik im Burgen­land kein Konfliktpotential war und ist. Die zweisprachigen Ortstafeln sind ein Symbol für das friedliche Zusammenleben und dafür, dass die Menschen Verständnis füreinan­der haben. Die burgenländische Bevölkerung zeigt demokratisches Verständnis und ist dadurch sicher ein Vorbild für Europa.

Desto verwunderlicher ist für mich die Tatsache, dass im Bundesland Kärnten mit Lan­deshauptmann Haider die tragenden Säulen der Republik und des Rechtsstaates nicht respektiert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt für mich lediglich zwei Dinge, auf die ich die Vorgangsweise, das Handeln oder das Denken des Landeshauptmanns aus Kärnten – wenn auch nur annähernd – ver­stehen kann. Erstens: Er tut das, um von den wirklichen Problemen der Menschen in unserem Land abzulenken. (Bundesrat Molzbichler: Wahltaktische Überlegungen!) Und zweitens: Er tut das, um mit grotesken Emotionen um zweisprachige Ortstafeln ausreichend Stimmen für ein Grundmandat der BZÖ über die Nationalratswahlen hin­aus zu sichern. (Bundesrat Molzbichler: Genau! So schaut’s aus!)

In dieser Causa ist aber vor allem der Herr Bundeskanzler gefordert, wie es unser Herr Bundespräsident Dr. Heinz Fischer in deutlichen Worten ausdrückte: Verfassungsge­richtshof-Erkenntnisse müssen respektiert und müssen vollzogen werden!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ich freue mich, bei meiner heutigen Jung­fernrede hier im Bundesrat die Zustimmung der SPÖ für die Änderung des Volkszäh­lungsgesetzes ankündigen zu können, aber ich würde mich natürlich über die Zustim­mung aller Parteien und Mandatare freuen.

In einem modernen und demokratischen Rechtsstaat muss die Erhebung der Mutter­sprache und der Umgangssprache der Bevölkerung im Rahmen der regulären Volks­zählung stattfinden. (Beifall bei der SPÖ.)

16.54


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desrätin Blatnik. Ich erteile es ihr.

 


16.54.25

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretar! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden so viel über das gemeinsame Europa, über das, was im gemeinsamen Europa wichtig ist, und wir wissen alle, dass im gemeinsamen Europa sehr viele Kulturen und sehr viele Sprachen aneinander kommen.


Bundesrat
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730. Sitzung / Seite 87

In Kärnten, in diesem Teil des gemeinsamen Europa – und Kärnten liegt in Europa –, ist es leider nicht möglich, zweisprachige Ortstafeln aufzustellen, wie es im Artikel 7 des Staatsvertrages verankert ist. Landeshauptmann Haider hat vor kurzem eine Be­fragung in den zweisprachigen Gemeinden durchgeführt, wo die Bevölkerung – die Ge­meindebürger und Gemeindebürgerinnen – befragt worden ist: Sind Sie für eine zwei­sprachige Ortstafel? Ja oder nein? – Wenn das eine gute Minderheitenpolitik sein soll, dann, muss ich sagen, verstehe ich den Begriff „gemeinsames Europa“ nicht mehr. (Bundesrat Molzbichler: Das war eine ...-Umfrage des Landeshauptmannes!) – Ja, genauso ist es.

Der zweite Punkt, wenn man von guter Minderheitenpolitik spricht: Schauen wir uns einmal die Zeitungen, die Medien an. Schauen wir bitte wirklich und seien wir ehrlich: Was wird über Kärnten geschrieben? Wenn ich in irgendein anderes Land – egal, ob es jetzt Slowenien oder Deutschland ist – fahre, wird mich jeder fragen: Ja, was macht ihr denn da in Kärnten? – Keiner versteht uns mehr!

Der Herr Landeshauptmann von Kärnten stellt den Rechtsstaat in Frage. Es geht ja in der Ortstafelfrage nicht mehr um einen Konflikt zwischen Kärntner Slowenen und dem Kärntner Landeshauptmann. Nicht die Kärntner Slowenen haben das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gemacht, sondern die Verfassungsrichter. Es geht also um einen Konflikt zwischen dem Kärntner Landeshauptmann und den Richtern des Verfas­sungsgerichtshofes.

Herr Kollege Mitterer, Sie haben von Slowenien gesprochen haben. – Ja, da gibt es auch eine Minderheitenfeststellung, Sie haben Recht, aber – das haben Sie nicht ge­sagt! – von dieser Minderheitenfeststellung in Slowenien werden nicht die Rechte der italienischen Minderheit abhängig gemacht. – Bei uns versucht man das aber schon. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Man darf bei dieser Minderheitenfeststellung nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Es stimmt auch – das haben Sie vielleicht auch noch gesagt, denn das war Thema bei den Streitgesprächen –, dass man in Schweden wirklich zweisprachige Ortstafeln ab­montiert hat. Das hat der Landeshauptmann von Kärnten auch gesagt. Aber da gibt es eine Prozentklausel nicht von 25, nicht von 10, nicht von 15, sondern von 5 Prozent!

Folgendes stimmt aber: Es werden – vor allem im privaten – Kindergarten- und Schul­wesen die privaten zwei- und mehrsprachigen Kindergärten gefördert. (Bundesrat Mit­terer: 70 000 €!) – Das habe ich auch positiv betont.

Noch zum Schnellfahrerprozess: Was hat dieser Kärntner Slowene gemacht? – Er ist zu schnell durchs Ortsgebiet gefahren. – Das verurteile ich. (Bundesrat Mitterer: Be­wusst! Bundesrat Ing. Kampl: Er ist vorsätzlich ...!) – Wartet einmal, lieber Herr Kol­lege Kampl, lieber Herr Kollege Mitterer! Ich habe gesagt, jedes Schnellfahren ist zu verurteilen.

Sie wissen aber auch: Er ist dafür bestraft worden. Er hat eine enorm hohe Strafe dafür bezahlt, und es war die einzige Möglichkeit, in dieser Ortstafelfrage etwas zu bewegen. (Bundesrat Ing. Kampl: Der Rechtsanwalt hätte die Strafe ... sollen! Die wollte er nicht bezahlen!) – Entschuldigung, das ist jetzt ein bisschen unter der Gürtellinie! Man kann ja die Strafe nicht ... (Bundesrat Mitterer: Er wollte nicht bezahlen!) Wenn Du, lieber Siegi Kampl, als Bundesrat mit einem Achtziger durch ein Ortsgebiet fährst, soll man eine höhere Bestrafung verlangen als beim Bauern vom Wald, oder wie ist das? (Neu­erlicher Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) – Aha, bei dir ist das anders. (Bun­desrat Ing. Kampl: Warum so aufgeregt? Zwischenruf des Bundesrates Mitterer.)

Lasst mich bitte noch ganz kurz etwas zu diesem Schnellfahrerprozess sagen. Dieser Anwalt hat nur ein Recht in Anspruch genommen. Das, was jedem österreichischen


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730. Sitzung / Seite 88

Bürger ... (Bundesrat Mitterer: Er hat kein Recht, zu schnell zu fahren! Das Recht gibt es nicht!) – Herr Kollege Mitterer, ich habe vorhin gesagt, dass er dafür bestraft worden ist – und dass ich das Schnellfahren nicht gutheiße. Aber es war die einzige Möglich­keit, dass ...  (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.  Bundesrat Gruber: Und es war ein guter Tipp vom Herrn Nationalratspräsidenten Khol! Das darf man auch nicht vergessen!) – Das wollte ich auch sagen.

Das war ein Tipp, das war etwas, was ihm Nationalratspräsident Khol geraten hat, weil das wirklich die einzige Möglichkeit ist, da etwas zu bewegen. Er hat im Grunde ge­nommen also nur sein Recht in Anspruch genommen.

Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir wirklich – und das ist in Kärnten ein großes Problem – in Kärnten und auch außerhalb von Kärnten die zweisprachigen Ortstafeln als ein Symbol betrachten, mit dem dargestellt wird, dass da zwei Sprachen und zwei Kulturen vorhanden sind, so versuchen wir doch nicht immer wieder, mit den zweisprachigen Ortstafeln zu polarisieren.

Zweisprachige Ortstafeln sind kein Privileg der Kärntner Slowenen: Zweisprachige Ortstafeln gehören allen Gemeindebürgern und Gemeindebürgerinnen im zweisprachi­gem Gebiet. – Danke, hvala. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.01


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte. (Bundesrat Molzbichler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Ing. Kampl –: Siegi! Zehnsprachige Ortstafeln!)

 


17.01.23

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Wir haben alle zehn Jahre eine Volkszählung. Sehr gut, wir bekennen uns dazu. Aber die ist so umfangreich, meine Damen und Herren. Diese zehn Blätter sind so umfangreich! (Der Redner hält einen Volkszählungsbogen in die Höhe.) Jeder Staatsbürger, der zum Gemeindeamt gerufen wird, ist verpflichtet, diese Blätter ord­nungsgemäß auszufüllen. Damit hat der Staat eine Grundlage, wie die Bevölkerungs­bewegung, die Zugehörigkeit zu gewissen Gruppen, der Familienstand und so weiter ausschauen.

Das Blatt 1 ist das Personenblatt mit folgenden Daten: Geburtsdatum, Geschlecht, Fa­milienstand, Geburtsland – Österreich, Deutschland, Türkei, Slowenien –, Staatsbür­gerschaft, Umgangssprache, Stellung im Haushalt, Religionsbekenntnis, und dann: ge­boren wo?

Da wäre es ein Leichtes – und das ist ja gemeint –, noch die ethnische Zugehörigkeit festzustellen. Ich glaube, dann hätten wir dieses Problem nicht mehr. Meine Damen und Herren, machen wir hier doch kein Theater! Die Situation ist nämlich deswegen sehr problematisch, weil man nicht weiß, wie sich manche verhalten. Es sind ja zwölf SPÖ-Bürgermeister in Kärnten, die sich dagegen gestellt und gesagt haben: Bitte schön, ich stehe das nicht durch! (Bundesrat Molzbichler: Das muss man uns über­lassen!) – Es sind zwölf Bürgermeister, die sich bei der Aussprache, bei der ich dabei war, dafür ausgesprochen haben, dass es eine Erweiterung auf Feststellung dieser Daten gibt.

Lieber Herr Kollege, wenn es schon so ist, dann muss ich dir sagen, in Kärnten schaut die Zahl folgendermaßen aus: 91 Ortstafeln Vorgabe laut Ortstafelregelung 1977, 394 Ortstafeln Verfassungsgerichtshofvorgabe nach Berechnung der Kärntner Slowe­nen. Vorschlag von Landeshauptmann Haider bei diesem Gespräch waren 123 Orts­tafeln. Bisher errichtet wurden 77.


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730. Sitzung / Seite 89

Mit der Chronologie des Ortstafelstreites kommen wir vielleicht einmal ein bisschen zur Sachlichkeit. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Molzbichler.) – Das steht in der Zeitung. Bitte schön, das sind Fakten!

1955 verpflichtet uns der Staatsvertrag zur Errichtung zweisprachiger Ortstafeln im Gebiet der slowenischen und kroatischen Minderheit, was uns der Kollege aus dem Burgenland heute schon gesagt hat.

1972: Ortstafelgesetz der Regierung Kreisky sieht zweisprachige Ortstafeln in Kärnten in 205 Ortschaften vor. – Daraufhin gibt es Proteste, die Zerstörung der Ortstafeln; der Landeshauptmann von Kärnten muss zurücktreten.

1977: In der Ortstafelregelung sind zweisprachige Ortstafeln für 91 Ortschaften vorge­sehen. Errichtet werden tatsächlich 72.

2001: Verfassungsgerichtshof kippt die Regelung von 1977, Attacken von Landes­hauptmann Haider gegen Verfassungsgerichtshofpräsidenten Adamovich.

2002 bis 2005: Fünf Konsenskonferenzen und Verhandlungen in Kärnten zur Umset­zung des Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses bringen keine Einigung.

Das ist die Situation, vor der wir stehen. Aber eines muss man sagen, Herr Kollege aus dem Burgenland, Kollege Sodl: Die Konfliktpotentiale in Kärnten sind anders, das ist ein bisschen ein Unterschied. Ich bin sehr froh, dass ihr im Burgenland diese Konflikt­potentiale nicht habt. Und jedem Kärntner wäre es recht, wenn wir dieses Problem aus der Welt hätten.

Aber, wie man es macht, der Weg dorthin, der soll ja gemeinsam gefunden werden. Man kann doch nicht ohne Feststellung etwas tun. Dann wäre es ja einfach, dass man sagt: 15, 20 oder 30 Prozent sind die Grundlage. Wenn man das nicht weiß und der jeweilige Bürgermeister spricht sich dagegen aus, dann ... (Zwischenruf des Bundes­rates Molzbichler.)

Nein! Passt auf! In Kärnten kommt ja etwas dazu. Im Burgenland war die Situation 1918 anders, im Burgenland war die Situation 1945 anders. (Bundesrat Konecny: Was soll das? Sie war genau dieselbe! Sie haben keine Ahnung!) – Wohl, bei uns in Kärn­ten ist 1918 die slowenische Armee einmarschiert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein! Moment, das war etwas anderes. 1945, Herr Kollege Konecny, sind die slowenischen Verbände wieder einmarschiert! Über 600 Kärntner hat man verschleppt! (Rufe bei der SPÖ: Oh! Ui!)

Diese Situation ist in Kärnten nach wie vor gegeben. Das ist der Unterschied zur Situa­tion im Burgenland, wo es Gott sei Dank friedlich war. Und das, glaube ich, sollte man zusätzlich immer wieder zur Diskussion stellen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ja nicht alles. Wenn SPÖ-Chef Gusenbauer dann wirklich Öl ins Feuer gießt und am 23. Jänner sagt ... (Rufe bei der SPÖ: Was denn?) – Der SPÖ-Chef hat bei einer Podiumsdiskussion etwas zum Bes­ten gegeben, was er bis dahin nur im privaten Kreis ausgeführt hat, nämlich dass Jörg Haider nur deshalb noch frei herumlaufe, „weil es in Österreich die offene Psychiatrie gibt“.

Meine Damen und Herren, wenn das politische Kultur ist! (He-Rufe bei der SPÖ – Bundesrat Gruber: Hör auf! Was hat denn der Haider schon alles gesagt?) Ich stelle fest: Dies ist sehr bedenklich! Meine Herren, das ist sehr bedenklich! Das, glaube ich, wollen die Kärntner nicht! (Bundesrat Gruber: Das ist traurig! So etwas zu unterstellen! Das ist eine Frechheit! – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)


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Meine Herren, die Kärntner wollen das nicht! Die Kärntner sind gute Österreicher. (An­haltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Herr Gusenbauer wird sich wohl selber ver­teidigen können. Was braucht ihr den Gusenbauer zu verteidigen? Ich verteidige auch nicht den Haider. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Landeshauptmann Haider kann sich selbst verteidigen. (Bundesrat Gruber: Du verteidigst ihn ja!) Er wird die Ortstafeln um fünf Meter verrücken. So ist die Situation. (Bundesrat Reisenberger: Die Situation ist unerträglich!)

Meine Damen und Herren, so geht’s natürlich nicht! Dieses böse Blut sollte man nicht fördern, sondern ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Bitte schön, meine Herren! Ist das Sinn und Zweck, dass wir uns auseinander leben oder wollen wir gemeinsam im wun­derschönen Österreich leben? (Bundesrat Reisenberger: Macht weiter solche Wort­meldungen und die gemeinsame Arbeit wird immer schwieriger! So nicht!)

In Kärnten werden die Interessen der Bevölkerung vertreten. Das wird gemacht. Und die Kärntner wollen, dass die zweisprachigen Ortstafeln begrenzt aufgestellt werden. (Bundesrat Reisenberger: Ich liebe Kärnten! Aber Kärnten ist nicht nur der Nabel der Welt! Nehmen Sie das zur Kenntnis! Urteile hat man auch in Kärnten zur Kenntnis zu nehmen!) Aber wir wollen wissen, wo und wie viele. Und diese Frage wird uns in Zu­kunft so nicht weiterbringen, wenn wir sie nicht klären. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Aber, bitte schön, „abwählen“. Macht doch kein Theater! Macht doch kein Theater! Werden wir ja sehen. Warten wir noch ein halbes Jahr ab, und ihr werdet wahrschein­lich wieder reduziert werden! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ sowie Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

17.09


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde sagen, Wahlprognosen überlassen wir den Befragern, die dann die Prognosen erstellen.

Ich darf jetzt Herrn Staatssekretär Schweitzer bitten, das Wort zu ergreifen.

 


17.09.39

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Kollegin Kerschbaum eine Information schuldig geblieben. Ihre Frage hat sich darauf bezogen, dass der Familienstand jetzt wieder in einer Form erhoben wird, in der sie diese Erhebung so nicht haben will. Es ist so, dass im Begutachtungsentwurf der Bundesregierung diese Erhebung nur für statis­tische Zwecke enthalten war – so, wie Sie es vielleicht gerne verstanden haben möch­ten –, dass aber die Gemeinden, insbesondere die Stadt Wien, dann über die Begut­achtung eingefordert haben, dass die Erhebung des Familienstandes derart geschieht wie jetzt vorgesehen, weil die Stadt Wien diese Daten aus Verwaltungsgründen braucht.

Also: Falls Sie Beschwerden haben, gehen Sie zu Bürgermeister Häupl und erzählen Sie ihm diese Sache! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

17.10


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Konecny.

 


17.10.42

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Bundesminister! Es gibt aus der Wiener Lokalhistorie


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730. Sitzung / Seite 91

eine Anekdote: Als die Secession im Bau war – und für Nicht-Wiener sei dazugesagt: da gibt es außen einen Fries –, stand dort ein typischer Wiener davor und maulte: Eulen soll’n des sei? Sei Lebtag san des kane Eulen net! Worauf ein dem Sezessionis­mus wohler gesinnter Bürger vorbeiging und polemisch fragte: Und woher wissen Sie, dass das Eulen sein sollen? Antwortete jener: Na, das sicht ma do! (Allgemeine Heiter­keit.)

So ähnlich ist das mit den Kärntner Slowenen. Jeder Kärntner weiß, wo die Slowenen daheim sind – mit oder ohne Zählung –, aber wenn es ernst wird, sagt jeder: Bitte, wir haben keine Ahnung, wo sie sind, man muss sie doch zählen, möglichst mit einem Namensschilderl oder mit einem Anstecker, damit sie als solche beim Schnellfahren kenntlich sind, damit man keinen Slowenen überfahrt.

Bitte, das ist doch das reine Theater! Es gibt das klar definierte, jedem Kärntner be­kannte zweisprachige Gebiet. Überall dort stellt eine gutwillige Mehrheit Tafeln auf. Das ist doch selbstverständlich!

Es gibt in Westungarn deutschsprachige Ortstafeln. Die Ungarn haben die noch nie ge­zählt. Dort gibt es eine Volksgruppenvertretung, wo deutsche und andere Volksgrup­pen, wo jeder, der sich berufen fühlt, die Funktionäre wählen kann. (Bundesrat Ing. Kampl: Fahren Sie nach Gottschee!) – Entschuldigen Sie, Herr Kollege, ich habe von Ungarn gesprochen. In meiner düsteren Erinnerung liegt Gottschee nicht in Un­garn. (Bundesrat Ing. Kampl: Ich rede von Slowenien!) – Ja, aber ich habe von Ungarn geredet. Darf ich von dem reden, worüber ich reden will, oder gibt es eine Verpflich­tung, über das zu reden, worüber Sie reden wollen? (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Es wurde mit Recht darauf hingewiesen, dass die größere, italienische Minderheit in Slowenien einen Virilsitz im Parlament hat, und zwar völlig unabhängig von ihrer Zahl. Jeder weiß, dass es diese Minderheit gibt. Durch Deklaration wird man zum Wähler für diesen Virilsitz – und das ist es auch schon. Es gibt eben auch andere Zugänge zu die­sem Thema. Mein Zugang – zugegebenermaßen – ist, dass die Mehrheit besser fährt, wenn sie großzügig, entgegenkommend und weltoffen ist.

Die ständige Berufung auf das Jahr 1918 ist zunehmend, auch für die jungen Kärntne­rinnen und Kärntner – und ich weiß das aus vielen persönlichen Gesprächen –, nur noch skurril.

Die Beschwörung nicht existenter Atlanten, aus denen wieder einmal Gebietsforderun­gen des EU-Mitgliedstaates Slowenien gegen Kärnten abgeleitet werden, ist nur mehr absurd. Ich glaube, es tut dem Land Kärnten – nicht mir, nicht den Wienern, nicht den restlichen Österreichern, sondern dem Land Kärnten – sehr, sehr gut, und zwar nicht nur für seine Außendarstellung, von der zu Recht die Rede war, sondern auch für die eigene Seelengesundheit, dieses Thema einmal anders zu behandeln, nämlich nicht mit dem Aufzählen: 77 Ortstafeln sind es schon, 128 haben wir angeboten, und dann gibt es ein paar Extremisten, die verlangen 150, sondern indem man aufeinander zu­geht, und zwar nicht mit dem Messer. (Bundesrat Ing. Kampl: Was tun wir?)

Herr Kollege Kampl, der Kärntner Landeshauptmann hat in die österreichische poli­tische Debatte einen Stil eingeführt, für den es davor – das räume ich ein – kein Vorbild gegeben hat. Nicht der amtierende, aber der vorige Präsident des Verfassungsge­richtshofs, der bekanntlich Adamovich hieß – er heißt immer noch so, aber er ist nicht mehr Präsident –, wurde von ihm mit dem netten Sager bedacht, dass man bei diesem Herrn zuerst einmal nachschauen muss, ob er überhaupt eine gültige Aufenthaltsbewil­ligung habe. (Bundesrat Mag. Himmer: Na, na!)

Herr Kollege, das, was der Parteivorsitzende der SPÖ gesagt hat, ist nicht mein Sprechstil, das gebe ich zu, aber ich hole ihn jetzt ein. Herr Kollege Kampl, ich werde


Bundesrat
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meinem Parteivorsitzenden empfehlen, sich zu entschuldigen. (Bundesrat Ing. Kampl: Eine Rüge!) – Nein, ich werde ihm empfehlen, sich zu entschuldigen (Bundesrat Ing. Kampl: Passt!) bei den Patienten der offenen Psychiatrie (Rufe bei der SPÖ: Jawohl!), weil es eine Beleidigung ist, sie in die Nähe des Landeshauptmannes zu rücken. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Kampl: Ein ungeheuerlicher Stil!)

17.15


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine weitere Wortmeldung kommt von Herrn Bundesrat Bieringer. – Bitte.

 


17.16.01

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich bin ein bisschen schockiert über die Wortwahl, die hier eingerissen ist, denn man kann nicht, Herr Kollege Konecny, bei allem Respekt und bei allem Verständnis, zuerst etwas verurteilen und dann genau in die gleiche Kerbe schlagen. Das möchte ich aus­drücklich festhalten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitte­rer.)

Ich möchte weiters festhalten: Es haben meines Wissens einige Gesprächsrunden beim Bundeskanzler stattgefunden. Es waren alle Kärntner Vertreter, alle politischen Parteien aus Kärnten, der Kärntner Heimatverband, der Kärntner Abwehrkämpferbund und was weiß ich noch wer, bei diesem Gespräch dabei. (Bundesrat Ing. Kampl: Die Bürgermeister!) – Und natürlich die betroffenen Bürgermeister. Da hat es eine Einigung gegeben. Und dann hat der von mir sehr geschätzte ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreter Gallob in seiner Eigenschaft als Vizepräsident der Kärntner Abwehrkämp­fer gesagt, er könne dem nicht zustimmen. Daraufhin ist der damalige und auch noch jetzige Landeshauptmann-Stellvertreter Ambrozy sofort aufgesprungen und hat gesagt, dem Kompromiss könne er nicht zustimmen. Dann ist der Kompromiss gefallen.

Und wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, hier alles Mögliche vorbringen, dann frage ich Sie: Wer hat mit dem Herrn Haider in Kärnten eine Koalition? (Bundes­rat Konecny: Noch! – Bundesrat Gruber: Arbeitsübereinkommen!) – Oder ein Arbeits­übereinkommen. Das ist meines Wissens dasselbe, Herr Kollege Gruber, damit das auch gleich klar ist.

Ich frage Sie: Wenn dieser Mann angeblich wirklich so furchtbar ist – ich glaube, ich habe klar und unmissverständlich, als er hier im Bundesrat gesessen ist, Herrn Lan­deshauptmann Haider aufgefordert, er solle nicht nur auswärts Abfälliges über den Bundesrat reden, sondern, wenn es tatsächlich etwas gibt, dann solle er es hier auch sagen; und ich bin mit ihm nicht einer Meinung –, wenn das so ist, wenn er wirklich so furchtbar ist, warum zeigen Sie das in Kärnten nicht auf? Warum sagen Sie nicht: So nicht, Herr Landeshauptmann!? (Bundesrat Molzbichler: Das machen wir ständig!) Es gibt immerhin demokratische Mittel, einen Misstrauensantrag beispielsweise, es gibt auch andere Bestimmungen, entsprechend einzuwirken. Aber hier Wasser predigen und in Kärnten Wein trinken, das ist mir zu wenig! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Ing. Kampl.)

Ich würde Sie daher bitten: Sagen Sie in Kärnten dasselbe, was Sie hier sagen! Dann ist es in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP.)

17.19


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Mitterer.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
730. Sitzung / Seite 93

17.19.20

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich habe eigentlich immer, auch in der kurzen Zeit, seit der ich im Parlament bin, das Gesprächsklima positiv erwähnt. Ich habe auch vor kurzem den Herrn Vorsitzenden der SPÖ-Fraktion dafür bewundert, wie er anlässlich der Fest­sitzung in Erinnerung an das erste Zusammentreten des Bundesrates vor 60 Jahren eine Rede gehalten hat, die wirklich hervorragend war.

Jetzt, nach seinem letzten Redebeitrag, bin ich allerdings in zweierlei Hinsicht erschüt­tert (Bundesrat Gruber: ... 20 Jahre erschüttert! In tiefer Depression!):

Erstens fordert er auf beziehungsweise ersucht er seinen Bundesparteivorsitzenden Gusenbauer, sich bei einem Patienten der offenen Psychiatrie zu entschuldigen, und stellt damit fest, dass unser Landeshauptmann ein Patient der offenen Psychiatrie ist. – Punkt eins. (Bundesrat Konecny: Sie haben mich nicht verstanden! „Bei den Patien­ten“, weil er sie in die Nähe des Landeshauptmannes gerückt hat!) – Ich habe genau gehört, was Sie gesagt haben. (Bundesrat Konecny: Sie verstehen es nur nicht!)

Zweitens werden Sie den Kärntnerinnen und Kärntnern beider Sprachen erklären müs­sen, dass Sie die Diskussion um den Abwehrkampf 1918 bis 1920, bei dem es viele Opfer gegeben hat, wo leider kein Abwehrkämpfer mehr lebt, weil der Letzte vor kur­zem gestorben ist, aber noch immer Mitglieder dieser Familien da sind, dass Sie diese Diskussion in Österreich als „skurril“ bezeichnen. Das finde ich beschämend! (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.21


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird noch von jemandem das Wort ge­wünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Durchführung von Volks-, Ar­beitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen und ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997 und weitere Gesetze geändert werden.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Gruber, Schennach, Kolleginnen und Kolle­gen vor, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates mit der beigegebe­nen Begründung Einspruch zu erheben.


Bundesrat
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730. Sitzung / Seite 94

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der An­trag, Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Perhab, Kolle­ginnen und Kollegen, gemäß § 43 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. De­zember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufent­haltsgesetz geändert wird.

Es liegt hiezu ebenfalls ein Antrag der Bundesräte Gruber, Schennach, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der An­trag, Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Auch hier erübrigt sich wieder eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Per­hab, Kolleginnen und Kollegen, gemäß § 43 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bun­desrates gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. De­zember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird.

Hiezu liegt ein Antrag der Bundesräte Perhab, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

17.24.268. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Land- und forstwirt­schaftliche Bundesschulgesetz, das Schülerbeihilfengesetz 1983, das Studien­förderungsgesetz 1992, das Bundes- Schulaufsichtsgesetz und das Bildungs­dokumentationsgesetz geändert werden (2. Schulrechtspaket 2005) (1166 d.B. und 1195 d.B. sowie 7438/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Da der Bundesrat dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zur Berichterstattung über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates eine Frist bis zum 24. Jän­ner 2006 gesetzt hat, ist diese Vorlage gemäß § 45 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auch ohne Vorliegen eines schriftlichen Ausschussberichtes in Ver­handlung zu nehmen.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Erlitz. – Bitte.

 


17.25.08

Bundesrat Mag. Wolfgang Erlitz (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren! Wenn auch meine Fraktion im Nationalrat diesem Schulpaket 2 die Zustimmung erteilt hat und diese heute auch im Bundesrat zu erwarten ist, so nicht deshalb, weil wir mit den Inhalten dieses Pakets restlos einverstanden wären – ganz im Gegenteil –, sondern weil es eine Finanzie­rungszusage für 300 Lehrerdienstposten zur Sprachförderung beziehungsweise Integ­ration von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache gibt. Dabei ist festzuhalten, dass auch diese Zahl bei weitem nicht ausreichend sein wird, wie dies auch die Landes­hauptleutekonferenz festgestellt hat. Ich darf dann noch einen entsprechenden Ent­schließungsantrag dazu einbringen.


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Ich möchte aber hier doch die Möglichkeit nutzen und auch unmittelbar in Richtung der Frau Ministerin ein paar kritische Anmerkungen, wenn auch konstruktive Anmerkungen zu diesem Schulpaket 2 hinzufügen.

In Österreich ist man nach den Ergebnissen der PISA-Studie 2003 mit Recht unzufrie­den und beunruhigt. Der Reformbedarf am Schulsystem ist, so glaube ich, für alle unübersehbar. Zu lange haben die zuständigen Bildungspolitiker hier keine oder zu­mindest nur geringe Reformbereitschaft gezeigt.

Mithilfe der, wie wir wissen, notwendigen Zweidrittelmehrheit für den Parlaments­beschluss von Schulgesetzen hat man jahrzehntelang notwendige Maßnahmen zur Modernisierung unseres Schulwesens verhindert – Modernisierungen, die ja in den siebziger Jahren bereits mit den Schulversuchen zur Integrierten Gesamtschule, aber auch zu einer Neugestaltung der AHS-Oberstufe gute und durchaus zukunftsweisende Ansätze gezeigt haben.

Das Schulpaket 2, das Frau Ministerin Gehrer abgeschickt hat, wäre wieder eine große Chance gewesen, einen mutigen Schritt in eine gute Zukunft zu machen. Aber es wurde letztendlich wieder nur ein Paket von Halbherzigkeiten, ergänzt durch durchaus bejahenswerte, aber doch nur Selbstverständlichkeiten, geschnürt. Hubert Patterer, jetzt Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“ hat zum Beispiel geschrieben: Ein verkruste­tes Schulsystem erfährt eine Oberflächenpolitur – mehr ist wieder nicht.

Dabei kommen mit enormer Geschwindigkeit und Dramatik die Konsequenzen eines gesellschaftlichen Entwicklungs- und Modernisierungsschubes auf die Schule zu. Ich nenne nur ein paar wenige: Kindheit und Jugend unserer Schüler und Schülerinnen haben sich zum Beispiel auf Grund von neuen Familienkonstellationen grundlegend geändert, so auch die weit reichende Mediatisierung ihrer Alltagserfahrungen. Viele er­leben die Kindheit nicht aus erster Hand so wie wir. Kinder werden heute von oft leicht überforderten Eltern sehr früh in das Wertevakuum der Freiheit entlassen und auch immer früher in Kinderbetreuungseinrichtungen ausgelagert – unter welchen Umstän­den auch immer, weil Mütter, die allein stehend sind und in die Arbeit müssen, eben davon Gebrauch machen müssen. Und all dies stellt die Schule als Ersatzinstitution für die Sozialisation vor pädagogische Aufgaben und Probleme, die mit dem traditionellen Rollenverständnis von Schule und Unterricht schwer zu lösen sein werden.

Oder: Der technologisch-strukturelle Wandel der Arbeitswelt erschwert heute zum Bei­spiel eindeutige Prognosen über künftig notwendige Qualifikationen. Spezialwissen wird schnell obsolet. Etwa 80 Prozent der Technologie, mit der ein heute Sechsjähriger umgehen wird, wenn er 18 ist, sind noch nicht entwickelt. Das heißt, neben einem fes­ten Wissensschatz sind vor allem so genannte Schlüsselqualifikationen, dynamische Fähigkeiten von entscheidender Bedeutung: Teamfähigkeit – wir kennen das –, eigen­verantwortliches Lernen, selbständiges Arbeiten, vernetztes Denken, selbst gesteuer­tes Lernen. Das sind die künftigen Techniken und Kompetenzen, mit denen unsere Schüler ausgestattet werden müssen.

Drittens noch ein kleiner Punkt, der heute schon diskutiert wurde: Auch die Mobilität der Menschen ist eine weitere signifikante Eigenschaft der modernen Welt. Von den sozialen Folgen der Mobilität und der politischen Integration ist die Schule essentiell berührt, nämlich durch die Notwendigkeit der Integration des Fremden und des Ein­übens und Vorlebens sozial verträglicher und verantwortlicher Formen, mit dem Frem­den umzugehen.

Alle hier aufgezählten und weitere gesellschaftliche Anforderungen an die Schule erfor­dern konsequenterweise auch Änderungen in der Schulstruktur. Das Lernen wird an­spruchsvoller, wir brauchen neue Lehr- und Lernmethoden. Dieses neue Lernen und Lehren – noch einmal – ist anspruchsvoller und benötigt andere Lerngelegenheiten


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und andere Erfahrungsmöglichkeiten, die gerade im Mittelstufenbereich, in der Sekun­darstufe I derzeit, glaube ich, nicht ausreichend zur Verfügung stehen.

Ich denke, man muss in diesem Fall auch auf ganztägige Schulformen zurückgreifen. Eine Schule, die sich verpflichtet fühlt, Bildungschancengleichheit, von der wir alle im­mer reden, für alle Schüler und Schülerinnen auch in die Tat umzusetzen, muss eben auch aus diesem Grund eine Ganztagsschule sein. Damit meine ich nicht eine Ganz­tagsschule so quasi als Aufbewahrungsstätte, als Wärmestube, wo die Lehrer dann so ein bisschen GOs spielen; das ist hier nicht gemeint. Eine Ganztagsschule mit einer völlig neuen Rhythmisierung des Tages, einer neuen Einteilung des Unterrichts und des Förderteils ist hier gefragt.

Der Lernerfolg darf nicht abhängig sein vom Bildungsstand der Eltern, von ihrer Befähi­gung zum Ergänzungslehrer und ihren finanziellen Möglichkeiten, den Kindern Nachhil­festunden geben zu können, sondern wir wollen die bestmögliche Bildung, Ausbildung, Qualifikation für alle Schüller, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und davon, wie viel Geld ihre Eltern im Geldtascherl haben.

Das ist unser Zugang, und deswegen brauchen wir ganztägige Schulformen, um die Chancengleichheit auch herzustellen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier.) Ge­rade PISA-Befunde haben hier erschreckende Ergebnisse gezeigt: Die Schulleistungen in Österreich sind, Sie brauchen es nur nachzulesen, mehr als in jedem anderen unter­suchten Land von der sozialen Lage der Jugendlichen, sprich von der sozialen Lage der Eltern abhängig.

Das heißt, Kinder aus sozial benachteiligten, Kinder aus bildungsferneren Schichten haben in Österreich geringere Bildungschancen als in allen anderen Ländern. Das sollte uns sehr wohl zu denken geben.

Der österreichische Sonderweg, Kinder früh nach Leistung oder Begabung zu sortie­ren, erfüllt offensichtlich nicht – siehe PISA; bei allen Schwachstellen, die PISA haben mag – die Erwartungen, die damit verbunden werden. Frühe Selektion führt weder zur besonderen Förderung von Spitzenleistung noch dazu, dass die Fähigkeiten weniger lernstarker Kinder entsprechend gefördert werden oder diese Kinder zumindest eine solide Basisqualifikation erreichen.

Die Frage, die sich jetzt hier stellt, ist: Gelingt uns in Zukunft eine Schulpolitik im Kon­sens? Gelingt uns eine mutige, zukunftsorientierte, eine wirklich auf PISA Antwort ge­bende Politik? Denn wenn man jetzt die Wiederholungsprüfungen von der ersten Schulwoche in die letzte Ferienwoche verlegt, so ist das, denke ich, nicht die Antwort auf PISA. Das ist, glaube ich, nicht das, was wir wollen. Das ist nicht die Konsequenz.

Und dass Schule stattfinden muss – no na, natürlich muss Schule stattfinden. Es war bisher schon ein Auftrag jedes Schulleiters, Schule stattfinden zu lassen. Unterricht hat stattzufinden, das braucht man nicht unbedingt in solch ein Gesetz zu schnüren. Das sind für mich Selbstverständlichkeiten.

Hier sind jetzt andere Konsequenzen gefragt. Mit dem Schlagwort von Hartmut von Hentig „Schule neu denken“, was offenbar schwierig genug ist, ist es sicherlich nicht getan. Politik neu denken, das wäre im politisch seit Jahrzehnten lahm gelegten Schul­bereich gefragt. Doch es müssten diese uralten ideologischen Reflexe und diese par­teipolitischen Punzierungen erst einmal überwunden werden, um die längst anstehen­den Reformen hier wirklich in Gang zu bringen.

Ich darf noch einen


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Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mag. Erlitz und GenossInnen betreffend 800 zusätzliche LehrerInnen-Dienstposten für Integrationsunterricht eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 8: 2. Schulrechtspaket 2005

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, 800 Leh­rerInnen-Dienstposten insbesondere für die Sprachförderung von Kindern mit nicht­deutscher Muttersprache zur Verfügung zu stellen.“

*****

Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

17.34


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Mag. Erlitz, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend 800 zusätz­liche Lehrer- beziehungsweise Lehrerinnen-Dienstposten für Integrationsunterricht ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


17.35.15

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Allen Unkenrufen zum Trotz: In Österreich gibt es ein ausgezeichnetes Schulsystem!

In der bildungspolitischen Debatte gewinnt man wirklich oft den Eindruck, dass jemand von einem anderen Land redet. Schaut man in die Schulen, kann man sagen: Die Bil­dungsarbeit ist hervorragend, und die Lehrer leisten wirklich beste Arbeit.

In der Bildung geht es um eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Es gibt ebenso we­nig Erstarrung oder Kahlschlag wie radikale Veränderungen. Ideologie ist in der Bil­dungspolitik ein schlechter Ratgeber.

Das Schulpaket beinhaltet eine sinnvolle Weiterentwicklung, eine Umsetzung und Ant­wort auf neue Herausforderungen und Entwicklungen – und dieser gibt es genug. Maß­nahmen für Schüler mit wenig Begabung sind ebenso wichtig wie die Begabtenför­derung. Wenig begabte Schüler dürfen nicht auf der Strecke bleiben, ebenso sind neue Modelle für die Begabtenförderung zu befürworten.

Die Stärkung der Schulpartnerschaft ist besonders zu begrüßen. Lehrer, Schüler, El­tern sollen nicht drei Einbahnstraßen sein, sollen nicht in verschiedene Richtungen marschieren, sondern gemeinsam statt einsam.

Die Situation hat sich natürlich geändert. Es gibt heute andere Herausforderungen an die Lehrkräfte, Schüler bringen andere Voraussetzungen mit, und die Eltern haben sich auch fallweise durch die Gesellschaft oder von sich aus geändert. Es gibt also andere Voraussetzungen, daher ist gerade die Schulpartnerschaft eine ganz wichtige Sache.

Zu berücksichtigen sind auch die bildungspolitischen Unterschiede zwischen Stadt und Land. Ländlich strukturierte Räume haben eben andere Voraussetzungen als städ­tische. Daher auch die Differenzierung innerhalb der Schule, wie zum Beispiel Leis­tungsgruppen; diese werden gut angenommen und bewähren sich. Meine Nachredner werden noch eine Reihe anderer Aspekte ansprechen und darstellen.

Ich meine, das Schulpaket ist in seiner Gesamtheit eine gute Sache und garantiert eine zielstrebige Weiterentwicklung in der Bildungslandschaft.


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Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der Bundesräte Saller, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des National­rates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorgani­sationsgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunter­richtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schülerbeihil­fengesetz 1983, das Studienförderungsgesetz 1992, das Bundes-Schulaufsichtsgesetz und das Bildungsdokumentationsgesetz geändert werden (2. Schulrechtspaket 2005), keinen Einspruch zu erheben.

*****

Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

17.38


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Antrag, der soeben vom Kollegen Saller eingebracht wurde, ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


17.39.11

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir haben den Ländern im Sinne des gelebten Föderalismus die Möglichkeit gegeben, nach wochenlangen Verhandlungen der Fraktionen noch einmal ihre Bewertung zum vorliegenden 2. Schulrechtspaket abzugeben. Diese Bewertungen sind von der Mehrheit der Länder eingelangt.

Grundsätzlich möchte ich Folgendes vorausschicken: Auch wir werden heute dem An­trag des Kollegen Saller, das 2. Schulrechtspaket anzunehmen, zustimmen, da bei die­sem Paket doch in vielen Bereichen der richtige Weg eingeschlagen wurde: Maßnah­men für die Unterrichtsgarantie, Möglichkeit der Stundenblockung, der Schulkoopera­tion, Beseitigung des Begriffs „Schulunfähigkeit“, Erweiterung der schulautonomen Lehrplanbestimmungen, Gleichstellung der EU-Bürger und Drittstaatsangehörigen im Bereich von Schülerbeihilfen, Studienförderung, weiters Errichtung des Bundesinstituts für Bildungsforschung sowie Innovation und Entwicklung des Bildungswesens. Das sind Änderungen, bei denen wir sagen, das Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll.

Kollege Schnider, auch wenn Sie mich so anschauen: Ich denke, dass diesem 2. Schulrechtspaket für die Herausforderungen, denen wir heute im Bildungswesen gegenüberstehen, noch sehr viel Kraft und Dynamik fehlen. Ich meine, dass wir in der Schulpolitik seit Jahren hinterherhinken – oder anders ausgedrückt: dass wir nicht opti­mal aufgestellt sind.

Ich bedauere – ich schließe jetzt auch die Frau Bundesminister und die ÖVP en bloc ein –, dass wir hier noch immer wider besseres Wissen – ich glaube, dass das bessere Wissen schon längst bei allen Fraktionen, Experten und Expertinnen vorhanden ist – diese frühe Selektion, diese frühe Trennung durchführen. Dies ist der falsche Weg.

Wahrscheinlich geht es jetzt nur noch darum, wie man erhobenen Hauptes aus der ganzen Geschichte herauskommt, nachdem man diese Diskussion 25 Jahre lang auf ein Abstellgleis geführt hat, uns nun die PISA-Studie – auch die PISA-Studie, aber nicht nur diese – aber gezeigt hat, wo wir eigentlich sind.


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Das 2. Schulrechtspaket reicht deshalb nicht aus, weil wir uns den Problemen der Zeit stellen müssen, aber auch den Herausforderungen der Zukunft und den neuen Aufga­ben, die auf die Schule zukommen im Sinne der Teilung und dessen, was die Gesell­schaft immer mehr in die Schulen verlagert. Das von Herrn Erlitz gebrachte Beispiel mit den 80 Prozent ist ja sehr beeindruckend und zeigt, wie enorm die Anforderungen an den Schulbereich sind.

Wenn wir das Ergebnis präsentiert bekommen, dass 20 000 SchülerInnen pro Jahr nicht sinnerfassend lesen können, dann frage ich mich, wohin wir gehen.

Der Grund dafür, dass wir bei den Landeshauptleuten nachgefragt haben, ist: Wenn die Landeshauptleutekonferenz sagt, man braucht 700 – anderen Aussagen nach 800 – Lehrer für den Stützunterricht, dann aber die Zahl 300 herauskommt, stellt sich die Frage: Reicht das aus? Haben die Landeshauptleute nur zu hoch gepokert?

Frau Bundesministerin! Ich verstehe nicht, dass Sie am 12. Jänner die Chance ver­streichen haben lassen, mit den Landesschulratspräsidenten zumindest einmal über die Verteilung dieser 300 Lehrer zu diskutieren, da ja für Sie die Signale klar und deut­lich waren, dass wir hier zwar Nachfragen anstellen, diese Nachfragen aber keine prin­zipielle Infragestellung dieses Schulpakets bedeuten.

Das Land Oberösterreich zum Beispiel meint, dass dieser Deckelung nur gefolgt wer­den kann, solange die Sprachförderkurse nicht verbindlich anzubieten sind. Das heißt, solange sie unverbindlich sind, nehmen wir halt ein paar, weil die Deckelung nicht ausreicht.

Weiters meint die Oberösterreichische Landesregierung, dass das vorgesehene Kon­tingent an zusätzlichen Lehrerstellen zu erhöhen ist. Die Oberösterreichische Landes­regierung verweist weiters auf den Beschluss der Landeshauptleutekonferenz vom 4. November 2005, die der tatsächlichen Anzahl ausländischer Schüler nicht deutscher Muttersprache entsprechende Zahl an Lehrerposten zur Verfügung zu stellen und den tatsächlichen Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Dienst­postenberechnung mit einzubeziehen.

Das Land Kärnten bekräftigt das, meint aber auch, dass hier bei der Kostendarstellung extrem geschludert wurde, dass von 30 982 € ausgegangen wurde, die tatsächlichen Kosten unter Berücksichtigung der Abfertigungstangente und so weiter aber um 10 000 € höher liegen, also bei 40 340 €.

Das Land Kärnten stellt weiters fest, dass einerseits der tatsächliche Bedarf mit 700 derartigen Lehrerstellen feststeht, dass andererseits der Regierungsvorlage aber auch eine Vorgabe fehlt, wie die Aufteilung dieser zusätzlichen Planstellen auf die einzelnen Bundesländer erfolgen soll – abgesehen von den Unklarheiten über die Finanzierung dieses Zusatzbedarfes und der zwingenden Einrichtung einer Evidenz über den Anfall solcher Förderkurse für Kinder mit nicht deutscher Muttersprache.

Das Land Kärnten sagt also erstens, dass da hinsichtlich der Finanzen und der finanzi­ellen Erläuterungen zu diesem Gesetz einiges fraglich ist, und zweitens wird hier noch einmal betont, dass der Bedarf bei 700 Lehrerstellen liegt.

Das Land Steiermark weiß offensichtlich schon, wie viele Dienstposten es bekommt, nämlich 14,73 Prozent, das sind 45 Dienstposten. Das Land Steiermark sagt aber auch, dass diesen 45 Dienstposten 7 712 Schüler gegenüberstehen, das sind 171 Schüler pro Lehrer. Dabei ist allerdings angedacht – wie dies das Land Vorarlberg ausführt –, dass solche Sprachförderungen nur in Gruppen mit maximal zehn Kindern stattfinden sollen, da nur das sinnvoll ist.


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Das Land Vorarlberg geht von einer durchschnittlichen Gruppengröße von zehn Schü­lern aus und verweist in diesem Zusammenhang auf Folgendes: Auf Grund des über­durchschnittlichen Anteils an Kindern mit nicht deutscher Muttersprache in Vorarlberg, aus dem eine höhere Zahl an außerordentlichen Schülern resultiert, ist zu schließen, dass Vorarlberg überdurchschnittlich an diesen Lehrerkontingenten beteiligt ist.

Außerdem ergibt sich aus dem vorher Gesagten, meint das Land Vorarlberg, dass die 300 Dienstposten bundesweit nicht ausreichend sind, um die richtigen Vorgaben der frühen Sprachförderung voll zu unterstützen. Deshalb unterstützt das Land Vorarlberg nach wie vor die grundsätzliche Forderung der Landeshauptleute, hier zu einer tat­sächlichen Planstellenzahl von 700 bis 800 zu kommen.

Wann immer wir über Integration sprechen – wir haben den heutigen Tag hier im Ple­num mit Integrationsfragen im Zusammenhang mit dem Staatsbürgerschaftsrecht be­gonnen –, ist auch Folgendes zu bedenken: Integration geschieht über die Schule. Und wenn wir hier zu zögerlich, zu sparsam, zu knausrig sind, werden wir es nicht schaffen und werden Probleme haben – sie sind teilweise schon im Land –, wenn wir Integration über die Schule nicht durchführen.

Daher ist es notwendig – ich bekenne mich dazu, obwohl das eine Position ist, die in Österreich nicht unbedingt gerne gesehen wird –, dass wir ein verpflichtendes Vor­schuljahr für alle Kinder mit nicht deutscher Muttersprache haben. Nach wie vor sind die 10 Prozent, die keinen Kindergarten besuchen, die Hauptproblemfälle. Wir schaffen das nur, wenn wir ein verpflichtendes Vorschuljahr einführen. Dieses verpflichtende Vorschuljahr soll einzig und allein dazu dienen, dass zu Beginn des ersten Volksschul­jahres das Niveau der deutschen Sprache auf dem gleichen Stand ist. Heute ist es so, dass in der vierten Klasse Volksschule in Wien die Kinder, obwohl sie schon vier Jahre dort in die Schule gehen, nur gebrochen Deutsch können. Das kann nicht funktionie­ren.

Aber mit den 300 Förderlehrern, die man jetzt dafür so zögerlich zur Verfügung stellt, ist das nicht zu bewältigen. Wir haben 8 000 Schüler, die Förderbedarf haben, wie soll das mit 300 Förderlehrern funktionieren? Das geht doch nicht, Frau Bundesministerin, das wissen Sie auch.

Ich denke, dass der Kompromiss, der hier gefunden wurde, nicht dazu beiträgt, die Probleme, die wir hier haben, wirklich zu lösen.

In diesem Sinne möchte ich noch zwei in meinen Augen für den Bildungsbereich wich­tige Anträge einbringen, erstens betreffend Kassasturz im Schulbereich, um hier ein­mal jene Zahlen offiziell auf den Tisch zu bekommen, die von fachlicher, aber auch von politischer Seite schon länger gefordert wurden:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kassasturz im Schul­bereich

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, einen Kassasturz einzuleiten, der die tatsächlichen Bildungsausgaben transparent macht. Ziel ist die Klarstellung darüber, wie viel tatsächlich für das Bildungssystem ausgege­ben wird.

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, Initiativen auf europäischer Ebene sowie im Rahmen der OECD zu setzen, damit die veröffent-


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lichten Bildungsausgaben tatsächlich vergleichbar sind und wirklich bildungsrelevante Aussagen zulassen.

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, einen detaillierten Vergleich der Bildungsausgaben von Österreich mit dem PISA-Siegerland Finnland vorzunehmen und dem Bundesrat bis zum 27. März 2006 einen Bericht dar­über vorzulegen. Dieser Bericht soll aufzeigen, wo es Probleme der Vergleichbarkeit gibt und welche Ausgaben die Qualität des Bildungssystems tatsächlich erhöhen kön­nen.

*****

Der zweite Entschließungsantrag lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über die Um­setzungskosten der Empfehlungen der Zukunftskommission

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, dem Bun­desrat bis 27. März 2006 einen Bericht über die Umsetzungskosten der Empfehlungen der Zukunftskommission vorzulegen.

*****

Diese Entschließungsanträge liegen am Präsidium vor. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.52


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die beiden von den Bundesräten Schennach, Kolleginnen und Kollegen eingebrachten Entschließungsanträge, einer­seits betreffend Bericht über die Umsetzungskosten der Empfehlungen der Zukunfts­kommission, andererseits betreffend Kassasturz im Schulbereich sind genügend unter­stützt und stehen demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Preiner. – Bitte.

 


17.52.37

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Hohes Haus! Ich möchte zunächst, wenn auch in Abwesenheit, so doch, den Antritt unserer neuen Präsidentin kurz dokumentieren. Ich möchte ihr zu der Eingangsrede, die sie gehalten hat, gratulieren und mich auch inhaltlich damit auseinander setzen.

Die Frau Präsidentin hat in ihrer Rede zwei wesentliche Aspekte angesprochen, ers­tens den Föderalismus und zweitens die Subsidiarität – zwei ganz wesentliche Dinge. Da sie das verbalisiert hat, werden diese Themen, so denke ich, in den nächsten sechs Monaten auch Schwerpunkte der Inhalte und der Auseinandersetzung hier im Bundes­rat sein.

So wie Kollege Sodl darf auch ich sagen, dass dies heute meine so genannte Jung­fernrede ist – wobei ich außer Protokoll hinzufügen darf, dass ich das auch noch nach meinen Ausführungen sein werde, und zwar deshalb, weil ich im Sternzeichen der Jungfrau geboren bin. Aber das nur so nebenbei bemerkt.


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Wir wissen, nicht nur für die Schule, sondern auch für das Leben lernen wir. – Ein ge­flügelter Spruch, eine Aussage, die bereits seit Einführung der Schulpflicht durch Maria Theresia bekannt ist, wie ich meine, allgemein bekannt ist. Es stellt sich aber trotzdem die Frage: Bereitet die Schule tatsächlich auf das Leben vor, oder ist sie nur Selbst­zweck? Kann das Schulrechtspaket 2 die treffende, die passende Antwort auf den ersten Teil meiner zuerst gestellten Frage sein?

Die Ergebnisse der PISA-Studie sind, glaube ich, allgemein und österreichweit be­kannt. Die Reaktion darauf waren gewaltige Unruhe, teilweise Fassungslosigkeit, Schuldzuweisungen – die Adresse, das sage ich jetzt natürlich bewusst, die Lehrer, all­gemein gesehen, zum Teil auch Sie, muss ich sagen, Frau Minister.

Die Folge seitens des Gesetzgebers waren entsprechende Schnellschussaktionen. Die Ergebnisse der PISA-Studie müssen aber trotzdem differenziert betrachtet werden. Rund 15 Prozent der Schüler weisen Defizite auf – auch ein Ergebnis der Einspar- und Kürzungswelle der letzten Jahre auf Bundesebene im bildungspolitischen Bereich.

Dem Schulpaket 1 wurde, wie wir wissen, mit halbjährlichem Abstand das Schulrechts­paket 2 nachgeschoben. Sehr wohl ist das Ergebnis der PISA-Studie ein Signal, etwas zu tun, es wird aber, wie ich meine, bereits die nahe Zukunft zeigen, ob die Signale, die jetzt gesetzt werden, für die Zukunft richtig sind.

Ich möchte mich nun sozusagen auf die praktische Ebene des Schulrechtspakets 2 be­geben, und da einige Aspekte ansprechen.

Laut Erstentwurf sollte das freiwillige Wiederholen eingestellt werden. Nach dem nun vorliegenden Schulrechtspaket 2 bleibt es richtigerweise, wie ich meine, weiterhin mög­lich.

Die frühe Sprachförderung ist in der Volksschule im Ausmaß von elf Wochenstunden vorgesehen. Dafür werden, wie wir heute bereits gehört haben, zusätzlich 300 Dienst­posten vom Ministerium zur Verfügung gestellt.

Es stellt sich darüber hinaus aber die Frage – auch das wurde heute bereits angespro­chen –: Reichen diese 300 Dienstposten aus? Gibt es nach entsprechenden Bedarfs­erhebungen für die Zukunft eine Aufstockung dieses Kontingents mit Finanzierungs­garantie des Bundes, Frau Ministerin?

Weshalb kamen Sie, Frau Ministerin, der einstimmig verabschiedeten Resolution der Landeshauptleutekonferenz vom 4. November 2005 nach mehr Integrationslehrern bis dato nicht nach? Auch ich denke, dass die 300 zugesicherten Dienstposten nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein können, Bildungsbarrieren durch mangelnde Sprachkenntnis abzubauen, so einer späteren Arbeitslosigkeit vorzubeugen und dem Entstehen von Parallelgesellschaften hoffentlich rechtzeitig entgegenzutreten. Es gibt ja auch aus der jüngsten Vergangenheit entsprechende Beispiele dafür, auch in Europa.

Entsprechende Fördermaßnahmen muss es meiner Meinung nach in allen Schultypen geben, damit auch später eintretende Schüler, die der deutschen Sprache nicht ausrei­chend mächtig sind, bedarfsgerecht gefördert werden können. Die bestehenden Ange­bote in den Förderkursen beziehungsweise im Bereich „Deutsch für Ausländer“ reichen laut meiner Kenntnis der praktischen Situation nicht aus. Auch hier muss es eine Kos­tenübernahme seitens des Bundes für zusätzliche Stunden geben. Der Bund hat die Verpflichtung, sprachliche Integration auch im Mittelstufenbereich der 10- bis 14-Jähri­gen zu ermöglichen, Frau Ministerin.

Ich denke, es ist auch notwendig, möglichst rasch nach Schulbeginn zu einem geord­neten Unterrichtsablauf zu kommen. Einen unter Berücksichtigung aller pädagogischen


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und administrativen Erfordernisse zu erstellenden Stundenplan, der ohne größere Än­derung vom dritten Schultag der ersten Woche durchgehend bis zum letzten Schultag des Schuljahres gilt, halte ich aber aus praktischer Sicht für nicht möglich, für nur theo­retisch durchführbar – aber die Praxis wird das bereits im kommenden Schuljahr zei­gen. Möglich wäre meiner Meinung nach ein provisorischer Stundenplan über einen Zeitraum von ein- bis eineinhalb Wochen.

Damit der Regelunterricht ab Mittwoch der ersten Schulwoche stattfinden kann, ist es erforderlich, dass die Werteinheiten- und Dienstpostenzuteilungen früher als jetzt erfol­gen. Da sehe ich in der nächsten Zukunft aber bereits Schwierigkeiten in der prakti­schen Umsetzung.

Eine zweite Klassifikationskonferenz sollte laut erstem Entwurf, wie wir wissen, in der vorletzten Schulwoche stattfinden. Dies hätte das Problem gebracht, dass die Fünfta­gefrist nicht eingehalten hätte werden können. Die jetzige Lösung ist sicherlich praxis­nah.

Die Unterstützung der Schulen und Lehrer betreffend Verwendung der Bildungsstan­dards steckt noch in den Kinderschuhen. Die diesbezügliche Kritik der Zukunftskom­mission ist berechtigt. Zusätzliche Informations- und Fortbildungsangebote sind daher dringend erforderlich. Es ist, glaube ich, falsch, wenn hier Feuerwehr gespielt wird, man muss auf Nachhaltigkeit setzen.

Das Land Burgenland – und ich verstehe mich natürlich auch als Vertreter des Landes hier in der Länderkammer – bezahlt gegenwärtig rund 4 Millionen € für die Pflichtschul­lehrer. Dies ist notwendig, um angesichts des Sparpakets des Bundes einen entspre­chenden Bildungsstandard im Land aufrechterhalten zu können. Es ist auch notwendig, Frau Minister, dass die Bundesregierung keine weitere Aushöhlung der Infrastruktur des ländlichen Raums vornimmt und ihren Finanzierungsverpflichtungen den Ländern, auch dem Bundesland Burgenland gegenüber zur Gänze nachkommt.

An den Lehrberuf werden, wie wir wissen, immer höhere Anforderungen gestellt. (Bun­desrat Dr. Kühnel: Das ist doch in Ordnung so, oder?) Lehrer sein bedeutet längst mehr, als nur reine Wissensvermittlung zu betreiben. Von Lehrerinnen und Lehrern wird nicht nur erwartet, dass sie den Schülern ein solides Basiswissen vermitteln, son­dern die moderne Gesellschaft erwartet von ihnen auch, Elternersatz, Erzieher, Mode­rator zu sein und teilweise auch Psychotherapeut zu sein. Um diesen Erwartungen annähernd gerecht werden zu können, ist es notwendig, dass auch die Rahmenbedin­gungen, die Arbeitsbedingungen passen. Individualisierung des Unterrichts, leistungs­differenzierter Unterricht und neue Lehr- und Lernformen sind in der heutigen Zeit not­wendiger denn je geworden. Eine Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 20, bei Schulen mit wenig gegliedertem Unterricht auf 18 ist für einen Unterricht nach Maßstä­ben der modernen Pädagogik unumgänglich. Dies auch deshalb, weil es durch eine steigende Anzahl verhaltenskreativer Schüler zu einer wachsenden psychischen und physischen Belastung des Lehrpersonals kommt.

Ich möchte nur anmerken, dass 78 Prozent der burgenländischen Volksschulen wenig gegliedert sind, das heißt, diese Schulen führen weniger als vier Klassen. Das Arbeiten mit 30 Schülern in bis zu vier Abteilungen ist natürlich nicht mehr zeitgemäß und nach Maßgabe der modernen Methodik auch nicht zumutbar. Eine entsprechende Forde­rung hat es im Land Burgenland gegeben. Eine Senkung der Klassenschülerhöchst­zahl, wie ich sie vorhin vertreten habe, wird auch vom Landeshauptmann und Landes­hauptmannstellvertreter des Burgenlandes unterstützt. Da Bildung Bundessache ist, möchte ich auch im Interesse der Schulpartnerschaft – Schüler, Eltern und Lehrer – die Bundesregierung und Sie, Frau Minister, auffordern, für die notwendigen Ressourcen zu sorgen, damit die Bildungsqualität im ländlichen Raum gesichert und weiterent-


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wickelt werden kann. Frau Minister! Als oberste Pädagogin verstehen Sie diese For­derung sicherlich und werden sie auch in Ihren Gesprächen und Verhandlungen mit Finanzminister Grasser entsprechend unterstützen.

Österreich nimmt, wie wir wissen, laut OECD-Studie beim Lehrer-Schüler-Verhältnis im Volksschulbereich den 11. Platz ein. Durch die Umsetzung der vorhin genannten For­derung würden wir im internationalen Vergleich wahrscheinlich auch in diesem Bereich eine entsprechende Besserplatzierung erreichen.

Die Lehrerschaft ist motiviert. Sie bewies auch in der Vergangenheit durch entspre­chende Stoffauswahl und den Einsatz moderner Unterrichtsmethoden, dass sie gewillt ist, ihren Teil zur Qualitätsverbesserung des Unterrichtes beizutragen. Allerdings möchte ich zum wiederholten Male darauf hinweisen, dass natürlich auch die Rahmen­bedingungen passen müssen.

Wunsch einiger Bundesländer ist es auch, Frau Ministerin, dass seitens des Bundes die gesetzlichen Grundlagen zur Schaffung der Bildungsdirektionen auf Länderebene gelegt werden. Entsprechende Initiativen der Länder Salzburg, Steiermark und Burgen­land wurden bereits gestartet. Gespräche mit dem Land Niederösterreich seitens des Landes Burgenland gibt es auch bereits.

Das Schulrechtspaket 2 ist meiner Meinung nach nicht unbedingt der große Wurf, aber ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mit Hilfe aller Schulpartner sollte es möglich sein, mit den Inhalten des Schulrechtspakets 2I die Qualität in unseren Schulen positiv weiterzuentwickeln, und zwar auch in Richtung Gesamtschule. Eine Gesamtschule ist etwa auch für die ÖVP-Bildungslandesrätin der Steiermark sehr wohl vorstellbar, wie das dem „Standard“ vom 17 Jänner dieses Jahres zu entnehmen ist. Aus diesen und den vorhin genannten Überlegungen und Gründen möchte ich dem vorliegenden Ge­setz Schulrechtspaket 2 meine Zustimmung erteilen und danke Ihnen für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

18.05


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister, Sie haben das Wort. – Bitte.

 


18.05.30

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesräte! Es wurde vom Vorredner gerade die Meinung geäußert, Bildung sei Bundessache. Ich sage Ihnen: Bildung geht uns alle an, die gesamte Gesellschaft! Und Pflichtschulen sind Landessache und Gemeindesache. Ich möchte das nur einmal klarstellen. Die Gebäude, die Infrastruktur, die Verwaltung sämtlicher Pflichtschulen in ganz Österreich machen die Länder, machen die Gemein­den. In diesem Zusammenhang ist wirklich aufzuzeigen, was Länder und Gemeinden in diesen Bereichen leisten. Schauen Sie sich doch diese Schulen an! Ich war heute am Vormittag in der Steiermark. Ich war in mehreren Schulen. Ich sage Ihnen: Die Aus­stattung ist super, die Angebote sind toll. Ich war in einer Schule, in der gibt es ein eigenes Persönlichkeitsentwicklungsprojekt, in der gibt es native speakers, in der gibt es Mehrsprachigkeit, in der gibt es die Montessori-Methode. Also schauen Sie sich doch an, was in den Schulen Österreichs auf Grund der guten Rahmenbedingungen, weil es genügend Dienstposten gibt, gemacht wird! Schauen Sie sich das doch an!

Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen, Herr Kollege. Sie haben gesagt: 4 Millio­nen € zahlt das Burgenland selber. Wir werden sehr genau schauen, dass wir nicht alle Lehrer bezahlen, die uns in Rechnung gestellt werden, die am Dienstpostenplan auf­scheinen, damit es auch Wirklichkeit wird, dass die Länder noch zusätzliche Unterstüt­zungen geben. Ich höre das jetzt das erste Mal, aber wir werden uns das sehr gerne


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und sehr genau anschauen. Ich weiß jetzt nicht, ob ich zuständig bin für die Lehrer oder für die Trainer oder wen immer, die das Land Burgenland zusätzlich anstellt. (Bundesrat Preiner: Das müssen Sie wissen!) Ich glaube, für die bin ich auf keinen Fall zuständig, aber wir werden uns das sehr genau anschauen, wie das funktioniert.

Zum Vorschlag der Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 20. Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich das einmal realistisch vor: Dann ist die Teilungszahl 21, dann haben wir Klassen mit zehn und mit elf Schülern. (Bundesrat Preiner: Das wurde in einer gemeinsamen Resolution von SPÖ und ÖVP gefordert!) – Sie wollen also Klas­sen mit zehn und mit elf Schülern haben? Ich meine, dass wir gerade in diesem Be­reich sehr verantwortungsbewusst schauen müssen: Wie ist das mit dem Schülerrück­gang? Wie können wir Kleinschulen noch erhalten?

Sie haben behauptet, dass Schüler in wenig gegliederten Klassen Nachteile haben. Da muss ich Ihnen leider widersprechen. Die neueste Pädagogik gerade auch in Wien zielt darauf ab, so genannte Familienklassen zu machen, in denen die erste, zweite, dritte und vierte Schulstufe beieinander ist, damit die Kinder das Erlebnis der Geschwister haben. Es gibt in Wien ganz moderne Modellprojekte, wo Klassen nicht nach Alters­jahrgängen zusammengestellt werden, sondern wo so genannte ganz moderne Fami­lienklassen gebildet werden. In diesen wird dann in Form des Abteilungsunterrichts unterrichtet, lernen die Kleinen von den Großen und kümmern sich die Großen um die Kleinen. Ich sage Ihnen also: Es gibt viele Entwicklungen, die dafür sprechen, dass in diesen niedrig gegliederten Schulen sehr guter Unterricht erteilt wird.

Meine Damen und Herren! Leider ist Kollege Schennach jetzt nicht im Saal. Er hat großmächtig davon gesprochen, wie schrecklich es sei, dass wir zu wenig Stützlehrer haben, wenn wir die Kinder mit nicht deutscher Muttersprache wirklich gut betreuen wollen. Wissen Sie, ich mache meine Berechnung nicht auf Grund eines Wunschzet­tels. Ich meine, es ist Aufgabe der Opposition, das sehe ich ein, die Länder zu fragen: Was wollt ihr? Das „Was-wollt-ihr-Spiel“ ist das Oppositionsspiel. Wir fragen: Wie viele Kinder mit nicht deutscher Muttersprache, also außerordentliche Schüler habt ihr? Wie hat sich das in den letzten Jahren verändert? Und dann machen wir eine realistische Berechnung. Wir haben die Länder gefragt. Die Länder haben uns gesagt: Im Schul­jahr 2000/2001 gab es 16 717 außerordentliche Schüler. Für diese Schüler sind in den bereits jetzt bestehenden Dienstpostenplänen 1 513 Planstellen vorgesehen. Wir haben 1 513 Planstellen in den Volksschulen für die Betreuung dieser Kinder. In Wien kommt ein Sonderkontingent dazu, weil das dort sicher eine besondere Herausforde­rung ist.

Wir haben dann gefragt: Wie viele außerordentliche Schüler habt ihr jetzt mehr? – Er­gebnis, nach Angaben der Länder: rund 2 300.

Wenn man sagt, diese Kinder müssen betreut und zusätzliche Angebote müssen ge­macht werden, und wenn eine Gruppe zehn Kinder umfasst – ein Lehrer kann zwei Gruppen betreuen –, dann brauchen wir für rund 2 300 Kinder, die mehr betreut wer­den müssen, wo es Zusatzangebote geben muss, 230 Gruppen. Multipliziert mal zwei sind das 460 Gruppen. Ein Lehrer betreut zwei Gruppen – dividiert also wieder durch zwei –, so heißt das: 230 zusätzliche Dienstposten. Wir haben jedoch gesagt, wir wollen nicht kleinlich sein und geben 300 Dienstposten dazu. Ich betone: zusätzlich zu den 1 513 Planstellen!

Wir vom Unterrichtsministerium können da nicht sozusagen „Ich wünsch mir was!“ spielen, sondern haben dem Finanzminister die Zahlen vorzulegen. Was wiegt’s, das hat’s; dafür brauchen wir mehr – und das wird vom Ministerium auch bezahlt, meine Damen und Herren. Das heißt: Wir stellen die Lehrer und Lehrerinnen, die notwendig sind, zur Verfügung; der Einsatz obliegt den Ländern.


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Da hier gesagt wurde, wir sollen Dienstposten frühzeitig zur Verfügung stellen: Wir ha­ben jetzt schon den Ländern zugesagt, wie viele Dienstposten sie bekommen werden. So etwas hat es unter anderen Unterrichtsministern überhaupt noch nie gegeben! Ich war selber Landesschulratspräsidentin, ich weiß das daher ganz genau. Im Herbst hat man oft noch nicht gewusst, wie viele Dienstposten man bekommt.

Wir haben jetzt, nachdem die Länder die Angaben gemacht haben, wie viele Kinder sie wo haben werden, bereits die Dienstposteneinteilung vorgenommen. So früh hat es das früher überhaupt noch nie gegeben!

Dankenswerterweise haben ja bereits Vorredner erwähnt, was an Qualitätsweiterent­wicklung in diesem Schulpaket enthalten ist! Aber ich sage Ihnen: Gerade aus einer solchen Diskussion kommen auch die Unterschiede heraus, und ich stehe zu diesen Unterschieden: Wir setzen auf Qualität – und nicht auf Organisationsveränderung! Das ist der Unterschied, und das müssen wir den Menschen in Österreich auch sagen.

Wir wollen in unseren guten Volksschulen, in unseren guten Hauptschulen, in unseren guten Gymnasien, in unseren guten Sonderschulen, in unseren guten Polytechnischen Schulen, in unseren guten weiterführenden Schulen die Qualität weiterentwickeln. Höchste Qualität in allen Bereichen – von denen, die sich schwerer tun, bis zur speziel­len Begabtenförderung – ,das ist unser Ziel! Wir meinen nicht, dass man lediglich durch eine Organisationsänderung die Qualität der Schule verbessert. Wir setzen dar­auf, die Kinder individuell zu fördern – und sie nicht in eine Gesamtschule zu stecken. (Bundesrat Preiner: Und was sagen Sie zu den Vorstellungen der VP-Bildungslandes­rätin der Steiermark?)

Wir setzen darauf, den Eltern die Freiheit zu geben, zu sagen: Wir brauchen eine Tagesbetreuung. Wir zwingen die Kinder nicht den ganzen Tag in die Schule hinein! – Das sind die Unterschiede, und diese Unterschiede muss man auch ganz klar auf den Tisch legen – und dann hat der Bürger/die Bürgerin die Wahl. (Bundesrat Preiner: Das steht im Widerspruch zu den Aussagen der Bildungslandesrätin der Steiermark!)

Wir wollen keine Oberstufe „neu“ im Gymnasium – aber wir haben neue Lehrpläne gemacht –, weil wir nicht die Zusammenlegung der gymnasialen Oberstufe mit den berufsbildenden Schulen wollen, sondern diese guten Schulen in Österreich erhalten möchten.

Da von einem Vorredner hier gesagt wurde, Schule sei eine „Ersatzinstitution“. – Ich sage Ihnen ganz klar: Schule ist nicht die Reparaturwerkstätte der Gesellschaft, son­dern Schule muss den jungen Menschen eine bestmögliche Ausbildung, eine gesamt­hafte Persönlichkeitsbildung ermöglichen. Wenn Sie sich zum Beispiel gerade in Wien die Mühe machen würden, sich die Hauptschulen anzuschauen – manche nennen sich ja jetzt „Mittelschule“, sind aber keine Gesamtschule –, was die für ihre Kinder ma­chen! – Ich sage Ihnen: Das ist wirklich bewundernswert! Viele Lehrer gehen sogar und schauen, dass ihre Schüler, die sich schwerer tun, einen Lehrplatz bekommen! Glau­ben Sie, man würde das in einer Gesamtschule – ich kenne einige Gesamtschulen – so individuell und so zielorientiert machen?!

Deswegen: Lassen wir unsere guten Hauptschulen leben, lassen wir unsere guten Gymnasien leben – und schaffen wir die besten Übertrittsmöglichkeiten! Eine hundert­prozentige Durchlässigkeit wird überall als äußerst positiv bewertet. 50 Prozent der Maturanten und Maturantinnen kommen über die Hauptschule zur Matura; die Haupt­schule ist eine gute Schule. Und mit der Berufsreifeprüfung wurde in Österreich die Möglichkeit geschaffen, dass jeder, der eine Lehre macht und sich weiterbilden möch­te, ein Studium absolvieren kann. Das ist einzigartig in ganz Europa!


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Deswegen sage ich Ihnen ganz klar, meine Damen und Herren: Für mich steht die Qualität im Vordergrund! Dieses Schulpaket bietet Qualität, und wir werden auf dieser Qualitätsschiene weiterarbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

18.15


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Bader. – Bitte.

 


18.16.06

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst: Es freut mich, dass es heute beim Schulpaket 2 einen einstimmigen Beschluss geben wird, andererseits möchte ich gleich zu Beginn meiner Ausführungen ein paar Anmerkungen zu Dingen machen, die ich in der bisherigen Debatte schon als sehr interessant empfunden habe.

Zum einen scheint in der bildungspolitischen Diskussion in unserem Lande in den ver­gangenen Monaten das Ergebnis der letzten PISA-Studie geradezu zum bildungspoliti­schem Evangelium erklärt worden zu sein. Für mich ist sie das jedenfalls nicht, gibt es im Bildungsbereich doch verschiedenste internationale Vergleiche, Vergleiche, die im­mer wieder die ausgezeichnete Qualität des österreichischen Schulwesens bestätigen.

Es wird immer wieder ein Vergleich mit dem PISA-Sieger Finnland hergestellt. Wenn ich mir aber verschiedene andere Parameter in diesem Lande anschaue und zum Beispiel die Jugendarbeitslosigkeit von Österreich und Finnland vergleiche, muss ich schon ganz klar sagen: Da ist es mir lieber, wenn wir in der PISA-Studie ein paar Plät­ze hinter Finnland sind, jedoch weit geringere Jugendarbeitslosigkeitszahlen als Finn­land haben.

Interessant finde ich übrigens auch, dass diese PISA-Ergebnisse gerade von jenen in den Vordergrund gestellt werden, die insgesamt dafür eintreten, die Noten und die Be­urteilungen in den Schulen überhaupt abzuschaffen. Das finde ich schon ein bisschen eigenartig!

Ganz kurz zur Einberufung dieser heutigen Sondersitzung. Der Klubobmann der So­zialdemokraten hat ja am Beginn der heutigen Sitzung sehr salbungsvoll begründet, welchen Dienst die SPÖ und die Grünen dem Föderalismus mit dieser Sondersitzung erwiesen hätten, indem sie den Ländern Gelegenheit geben würden, zu verschiedenen Themen noch einmal Stellung zu nehmen.

Ich habe mir das ein bisschen genauer angesehen, wie das eigentlich ausschaut. Der Grund war ja eine Vertagung im Ausschuss, und zwar im Dezember, um von den Län­dern noch einmal Stellungnahmen zu bekommen. Und zu diesem Schulrechtspaket ha­ben wir Stellungnahmen von fünf Bundesländern bekommen: Niederösterreich, Ober­österreich, Vorarlberg, Kärnten und auch die Steiermark.

Wenn das jedoch der Grund dafür gewesen sein soll, dem Föderalismus sozusagen Tür und Tor zu öffnen, dann wundert mich ganz besonders, dass auf Grund dieses An­trages der SPÖ-Fraktion von vier roten Bundesländern 75 Prozent, nämlich drei SPÖ-Bundesländer, überhaupt kein Interesse daran gezeigt haben, obwohl das da im Inter­esse des Föderalismus vorgespielt wurde. Daher werde ich den Verdacht nicht ganz los, dass hier lediglich eine Zeitverzögerung im Vordergrund gestanden ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Inhalt dieses Gesetzespaketes: Nach Abschaffung der Zweidrittelmehrheit – und das ist, glaube ich, sehr positiv – liegt bereits nach kurzer Zeit ein zweites großes Schulpaket vor, sodass die Schule sozusagen in Bewegung gehalten, weiterentwickelt und damit die Qualität gestärkt wird. Ich denke, das ist wichtig und liegt ganz im Inter­esse unserer Kinder – und das sind wir unseren Kindern auch schuldig.


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Insgesamt beinhaltet dieses Gesetzespaket sieben Maßnahmen; zwei davon möchte ich jetzt hier ansprechen. Was noch sehr positiv ist, ist, dass in diesem Paket auch eine Reihe von Verwaltungsvereinfachungen enthalten ist, wozu ich ganz besonders den effizienten Ressourceneinsatz vor allem in Kleinschulen zählen möchte.

Jetzt kann nämlich ein Direktor/eine Direktorin mit der Verwaltung mehrerer Schulen betraut werden. Ich denke, das ist auch ein Einsparungspotential in der Aus- und Fort­bildung der Leiterinnen und Leiter; dieses ersparte Geld kann für den Erhalt von Klein- und Kleinstschulen verwendet werden.

Das bedeutet aber auch, meine Damen und Herren, Verantwortung für den ländlichen Raum zu übernehmen. Gerade was den ländlichen Raum betrifft, ist es doch so, dass oft gefragt wird, ob auf Grund niedriger Geburtenzahlen Schulen dort überhaupt noch aufrechterhalten werden sollen. Daher muss man auch einen neuen Weg andenken, wie es da weitergehen soll. In meinem Bezirk beispielsweise gibt es eine Gemeinde, bei der laut jüngster Volkszählung eine Abwanderung von 22 Prozent zu verzeichnen war; fast jeder Vierte in dieser Gemeinde ist also innerhalb von zehn Jahren abgewan­dert. In den vergangenen vier Jahren lag die Zahl der Geburten bei eins beziehungs­weise zwei. Dort ist also in Zukunft – schon rein vom Organisatorischen her – eine Schule, wie wir sie kennen, fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Was den Kindergarten betrifft, haben wir angedacht, diesen umzustrukturieren und diese Aufgabe zum Beispiel einer Tagesmutter zu übertragen, denn es gehen derzeit nämlich nicht mehr als sechs Kinder in diesen Kindergarten.

Daher nochmals: Es ist Verantwortung, die mit diesem Schulpaket wahrgenommen wird, und zwar gerade auch für den ländlichen Raum. In Niederösterreich wurden ja diesbezüglich auch neue Strukturen geschaffen, eben durch die Einrichtung von fünf Bildungsregionen, und zwar zur Flexibilisierung und besseren Organisation des Schulwesens im ländlichen Raum. Das ist klar eine Gegenansage an das, was vom Vorsitzenden der Sozialdemokraten gefordert wurde, dass nämlich 300 Schüler eine Mindestanzahl für eine Schule sein sollten. Dadurch würde dem ländlichen Raum ext­remer Schaden zufügt!

Was ich weiters ansprechen möchte, ist die Sprachförderung in den Volksschulen. Wie wichtig das gerade auch im Hinblick auf Integration ist, wurde ja heute schon mehrmals gesagt. Ich gebe Kollegem Schennach Recht, wenn er sagt, dass das Erler­nen der Landessprache unerlässlich für die Integration ist und dass das in der Schule stattzufinden hat. – Ja, sage ich dazu, aber nicht nur in der Schule. Natürlich findet In­tegration in erster Linie über die Sprache statt; sicherlich haben wir die Aufgabe, das in der Schule zu fördern und zu forcieren. Jene Menschen, die integriert werden möchten, haben aber sehr wohl auch die Eigenverantwortung, ja die Pflicht, dazu auch selbst etwas beizutragen.

Ich war begeistert von einem ORF-Bericht, den ich vor rund 14 Tagen gesehen habe, in dem es um einen Studenten türkischer Abstammung gegangen ist. Dieser Student hat an der TU Wien sub auspiciis promoviert! Wirklich eine großartige Leistung dieses Mannes! Seine Familie ist seit 30 Jahren in Österreich, und der ORF hat auch die Mutter dieses Studenten interviewt. Ich muss sagen: Es war geradezu ein Horror, wie diese Mutter Deutsch gesprochen hat – und das, obwohl sie bereits seit 30 Jahren in Österreich lebt! So etwas kann man einem Land doch nicht als „Versagen der Integra­tionspolitik“ zuschieben, sondern es liegt das schon auch, wie gesagt, in der Eigenver­antwortung dieser Menschen. Auch die ist selbstverständlich einzufordern.

Kinder, die nicht Deutsch sprechen, können mit dem Sprachförderpaket bis zu elf Stunden unterstützt beziehungsweise aus dem normalen Unterricht herausgenommen werden – eine Maßnahme, die ich für sehr wesentlich und wichtig halte. Hinzuweisen


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ist in diesem Zusammenhang weiters auf zwei Initiativen: auf die Sprachförderung in der Schule und – auf Grund einer Initiative von Bundesministerin Gehrer – auf die Mög­lichkeit einer früheren Einschreibung in die Volksschule.

Weiters soll es bereits im Kindergarten eine diesbezügliche Frühförderung geben, eben mit dem „Sprachticket“, welches seitens des Bundes mit 80 € pro Ticket unterstützt wird. Ich bin sehr froh darüber, Ihnen berichten zu können, dass da bereits sehr viel an Positivem festgestellt werden kann. Bislang wurden in Niederösterreich 1 863 „Sprach­tickets“ ausgegeben, und zwar nicht nur an Schüler oder Kindergartenkinder mit nicht deutscher Muttersprache, sondern auch an solche mit deutscher Muttersprache. Da gibt es ja oft auch Nachschulungsbedarf. Dennoch muss festgestellt werden, dass 77 Prozent dieser Kinder nicht deutscher Muttersprache sind. – Zusammenfassend: Diese Initiative ist wirklich eine großartige Sache.

Zur Diskussion über die Anzahl der Lehrer, die für solche Integrationsmaßnahmen zur Verfügung stehen: Darauf ist ja auch die Frau Bundesministerin eingegangen, indem sie berichtet hat, wie sich die Situation in Bezug auf außerordentliche Schüler darstellt. Wesentlich, meine Damen und Herren, ist, dass da nicht zwei verschiedene Dinge mit­einander vermischt werden, wenn von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache ge­sprochen wird, was meiner Ansicht nach zu wenig genau ist, denn es geht um die För­derung außerordentlicher Schüler. Es ist ja nicht zwingend so, dass ein Schüler mit nicht deutscher Muttersprache nicht Deutsch kann. Wenn so ein Schüler seit seiner Geburt in Österreich lebt, hier aufgewachsen ist, seine Muttersprache aber eine andere als Deutsch ist, dann heißt das ja noch lange nicht, dass er sprachliche Defizite hat und deshalb gefördert werden muss. Da geht es also um zwei völlig verschiedene Dinge, die getrennt werden müssen.

Ich komme auch aus dem Schulbereich und weiß daher ganz genau, worüber ich spre­che. Solche Erhebungen haben wir durchzuführen, und da lautet die Frage eben: Wie viele Schüler mit nicht deutscher Muttersprache gibt es in Ihrer Schule? – Jedoch sind meiner Überzeugung nach diese Zahlen für die Aufgaben in Bezug auf Sprachförde­rung nicht relevant! Das darf man nicht vergessen.

Zu den diesbezüglichen Zahlen, die ja auch Frau Bundesministerin Gehrer hier ange­führt hat, was eben die Entwicklung dieser Schülerzahlen in den letzten fünf Jahren anlangt: eine Steigerung um rund 14 Prozent! Und für rund 14 Prozent an Schülern mehr gibt es seit dem Jahre 2000 insgesamt 434 zusätzliche Lehrer zur Sprachförde­rung außenordentlicher Schüler, was einer Steigerung des Lehrpersonals um 28 Pro­zent entspricht. Die Steigerung dieser Lehrerzahl ist also doppelt so hoch wie jene der außerordentlichen Schüler, was sich natürlich auch darauf auswirkt, dass die Schüler­gruppen kleiner werden. Betrug für diese Sprachbetreuung im Schuljahr 2000/2001 das Verhältnis Schüler – Lehrer noch 11,05 Schüler pro Lehrer, so werden im Schul­jahr 2006/2007 nur noch 9,87 Schüler auf einen Lehrer entfallen.

Ich bin daher ganz sicher, dass – zusammen mit verpflichtenden Deutschkursen ge­mäß Staatsbürgerschaftsrecht – die Integration weiterentwickelt werden wird. Aller­dings ist da selbstverständlich auch – ich betone das nochmals – die Eigenverantwor­tung des Einzelnen einzufordern.

Abschließend: Herzlichen Dank an die Frau Bundesministerin für die Vorlage des Schulrechtspakets 2, das eine positive Weiterentwicklung der ausgezeichneten öster­reichischen Schulen ermöglichen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

18.28


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Knoll. – Bitte.

 



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18.28.12

Bundesrätin Mag. Gertraud Knoll (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Es tut mir sehr Leid: Ich kann diese satte Zufriedenheit meines Vorredners beziehungsweise auch die der Frau Bundesministerin in keiner Weise teilen! (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Wenn jemand vor Durst fast umfällt, dann nimmt er lieber ein Sechszehntel Glas Wasser, bevor er gar keines bekommt – auch wenn er lieber einen halben Liter trinken würde. Nur: Das ist immer noch eine Erste-Hilfe-Maßnahme, trägt jedoch nicht zu einer elementaren Verbesserung bei, geschweige denn zu einer tat­sächlich befriedigenden Linderung eines schmerzlichen Zustandes.

Sich jetzt hinzustellen, wie das die ÖVP und Sie, Frau Ministerin, tun und diese zwei Schulpakete wieder einmal als „Jahrhundertreform“ zu preisen, stellt meiner Ansicht nach einfach eine eklatante Realitätsverweigerung dar! Sie blenden doch ganz zentrale Fragen aus.

Es geht nicht darum, blind zu sein für all das, was in den Schulen Gutes geschieht – und Sie wissen sehr genau, Frau Bundesministerin, dass ich viele Schulen in Öster­reich, vor allem im Burgenland, von innen kenne und weiß, wie viel Gutes in den Schu­len geschieht –, aber: Unser österreichisches Schulsystem wird so lange nicht wirklich zukunftsfähig sein, solange es dazu beiträgt, dass Armut und schlechtere Jobchancen Kindern sozusagen vererbt werden.

Das ist eine Tatsache, eine empirische Tatsache, die man nicht einfach leugnen kann: Das Bildungssystem unterstützt diese traurige soziologische Konstante, dass Armut und schlechtere Jobchancen vererbt werden. Das haben Sie in den letzten Jahren leider alles noch beschleunigt und zugespitzt: durch eine ständige Streichungspolitik, durch Fehlen von Integrationswillen, durch eine Welle von Frühpensionierungen von Lehrerinnen und Lehrern nach der so genannten Pensionsreform ohne entsprechende Nachbesetzung durch junge LehrerInnen, durch ständige Stundenkürzungen gerade in den Fächern, in denen individuelle Talente und Interessen zu fördern gewesen wären – wahrscheinlich mit der Absicht, dass sich diese Stunden irgendwann von selbst auflö­sen werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Die internationalen Bildungsvergleichsstudien werden jetzt immer wieder erwähnt, wie man es will, und sie werden auch zum Zitieren gebraucht. Ich höre zum ersten Mal, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Finnland höher als in Österreich ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber die internationalen Bildungsvergleichsstudien belegen unmissver­ständlich, dass der Weg, der in Österreich eingeschlagen worden ist, exakt der falsche ist.

Sie belegen auch den exakt richtigen Weg, dass nämlich die besten, egalitären Mo­delle in den skandinavischen Ländern von der Frage nach dem Angebot der Fähigkei­ten der Kinder ausgehen. Das ist der entscheidende Punkt, vom Angebot nach den Fähigkeiten der Kinder auszugehen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Es gilt dort jene Schule als gute Schule, die jedes einzelne Kind zu einem möglichst hohen Bil­dungsabschluss bringt, damit seine Zukunftschancen intakt sind und damit nicht die Herkunft über die eigene Zukunft entscheidet.

Wie ist das bei uns in Österreich? – Die ÖVP fordert und fördert immer noch das Kli­schee von der guten Schule, in der möglichst viele durchfallen. Das ist eine gute Schule, in der möglichst viele durchfallen, in der möglichst viele hinausgesiebt werden, und sie warnt ideologieblind ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Entschuldigen Sie, wir hatten gerade wieder ein Beispiel dafür, dass die Gesamtschule als Gegenteil der indi­viduellen Förderung dargestellt wird! Das kann man wirklich nicht glauben.

Das sind die Killer-Argumente der ÖVP, dass Sie dann sagen: das ist die Eintopf-Schu­le, dort wird alles nach unten nivelliert!, wenn man Beispiele vorbringt und ernsthaft die


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Frage stellt: Was könnten wir tatsächlich von den Besten lernen? Diese Frage sollten wir stellen: Was könnten wir von den Siegern lernen? Was könnten wir von den Besten lernen? – Dafür ist auch die Zweidrittelmehrheit von der SPÖ fallen gelassen worden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der ÖVP geht es offensichtlich einzig und allein darum, bestimmte Schultypen festzu­schreiben. Wenn man nur bestimmte Schultypen festschreibt, dann geht es doch offen­sichtlich nur darum, dass man sagt: Es gibt eben solche und solche Kinder in einer Gesellschaft, und so soll das auch bleiben, jedem das Seine – in einem ganz zynisch-ständischen Gedankengut! Das wollen wir von der SPÖ nicht, und das verstehen wir nicht als die große Bildungsreform.

Frau Ministerin! Was mich wirklich stört – zum Schluss muss ich das noch hinzufü­gen –, ist, dass man dann, wenn man so ein Reförmchen auf den Weg schickt, bereits groß auf Kosten der Steuerzahler „Die neue Schule“ plakatieren lässt, als ob das alles bereits gehoben wäre. Das Einzige, was wirklich auf dem Weg ist, das Einzige, was bereits wirksam ist, ist ein unglaublicher Druck, der auf den Schulen lastet. Ich glaube, dass ein bedrücktes Schulklima wohl das Allerschlechteste ist für wirklich mutige, zu­kunftsweisende Schulreformen, die wir in Österreich dringend brauchen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.34


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Schnider. Ich erteile ihm das Wort. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Bundesrat Ko­necny: Herr Kollege, bitte! Es reicht!)

 


18.34.18

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt für mich jetzt nahe, zu sagen: Lassen wir doch die Kirche im Dorf! (Heiterkeit. – Bundesrat Konecny: Das ist eine Forderung, die wir voll unterstützen, falls Sie „Postamt“ und „Gendarmerie“ gleich dazusagen!) – Gut, dann wird Herr Kollege Konecny gleich einen Antrag stellen, dass wir das so las­sen.

Wenn wir uns das jetzt näher anschauen – ich habe meinem Fraktionschef verspro­chen, dass ich mich kurz halte, deshalb möchte ich nur auf drei Dinge eingehen, die heute angesprochen worden sind. Das Erste betrifft die Begutachtungsphase der Län­der. Dazu möchte ich, nachdem so viele Lobeshymnen über diese Papiere vorgebracht worden sind, schon etwas sagen.

Erstens – Kollege Bader hat das schon gesagt – haben da gar nicht alle geantwortet. Das ist ihr gutes Recht, überhaupt keine Frage. (Bundesrat Schennach: Wir haben ge­redet von denen, die geantwortet haben!) Es ist ja kein Problem, Kollege Schennach, das möchte ich jetzt gar nicht irgendwo in eine merkwürdige Ecke stellen. Ich halte nur fest, dass es eine Tatsache ist, dass sich drei Bundesländer überhaupt nicht gerührt haben. (Bundesrätin Roth-Halvax: Wer denn? – Bundesrätin Bachner: Steht jedem frei!) – Wien, Burgenland und Tirol.

Zweitens bin ich ein bisschen merkwürdig überrascht von den Inhalten dessen, was gekommen ist, denn ich weiß ja nicht, wie gefragt worden ist. (Bundesrat Konecny: Gar nicht! – Bundesrat Schennach: Das haben wir hier beschlossen!) – Das ist mir schon recht. Aber ich meine, warum gefragt worden ist, ich meine das anders. (Bun­desrat Konecny: Wir haben keinen Fragebogen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn ich jemanden bitte, dass er zu einem Schulpaket Stellung nimmt, und dann gehen die Antworten im Prinzip nur in Richtung von: wir brauchen mehr Lehrer!, dann


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frage ich mich, warum nicht auch da und dort gesagt wird – das kommt ja hier sichtlich auch zu kurz, und das meine ich mit der Kirche im Dorf –, was an Gutem in diesem ganzen Schulpaket, nämlich in der Fortschreibung passiert.

Das Zweite ist, und das wundert mich noch viel mehr: Wenn ich schon mehr Lehrer einfordere, dann bin ich überrascht davon, dass hier nur eineinhalb Bundesländer, wenn ich das so sagen darf, eine Antwort auf die Frage geben, warum sie mehr Lehrer brauchen, nämlich indem sie eine genaue Auflistung machen. Das Bundesland, das hier vorbildhaft agiert hat – wenn man schon davon redet, wer mehr braucht –, ist Vor­arlberg. (Bravoruf bei der ÖVP.)

Und die Steiermark? Nein, nur die Hälfte. Warum? – Da kommt dann der nette Satz: „Ausgehend von der Schülerzahl erscheint die Forderung ...“ Wissen Sie, ein Busi­nessplan ist das nicht, in dem das Wort „erscheint“ vorkommt! (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt, ich frage mich: Wie kommt man zu dem Schluss, dass sich hier eine Minis­terin hersetzt und sagt, sie hat die und die Zahlen, aus denen ergeben sich diese 1 100 Lehrer, und dann plus 300? – Ich glaube, dass Wien deshalb nicht geantwortet hat, weil sie dort hineinschreiben müssten, wie viele sie mehr bekommen. Das dürfte ein Grund sein, den ich mir genannt habe. – Punkt eins.

Punkt zwei: Dann erwarte ich mir aber – und ihr könnte euch erinnern, Stefan, dass ich im Ausschuss schon gefragt habe (Bundesrat Schennach: Ja!): Bitte, wie kann es die­sen eklatanten Unterschied geben? – Auf der einen Seite verlangen Landeshauptleute 800, dann sagt die Frau Ministerin: 300 reichen, und dann ist gesagt worden: Na ja, das ist eben irgendwie verschieden.

Jetzt habe ich so sehr auf diesen Tag gehofft und habe mich wirklich darauf gefreut. Ich muss ehrlich sagen, deshalb ärgert es mich auch, dass wir jetzt alle von der Liste gestrichen werden, weil wir uns sichtlich so lange mit Kärnten beschäftigt haben. So sehr ich Kärnten schätze, aber manchmal muss man sich fragen, wie die Gewichtun­gen sind. Wir sollten hier über Schulfragen viel mehr diskutieren! (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Daran sind wir alle aber auch ein bisschen schuld, weil wir uns bei manchen Punkten, die am Anfang kommen, alle x-mal melden, und wenn die wichtigen Punkte am Schluss kommen, wollen wir alle schnell zum Zug und zum Flug­hafen gelangen.

Nur, um das einmal klarzustellen; ich frage mich: Warum legt nicht jedes Land vor, wie es auf diese Zahlen kommt? – Dann kann man darüber reden. Ich habe, bitte – und das muss man auch hier in dieser Sitzung sagen –, nur von der Frau Bundesministerin eindeutig gehört, wie sie zu ihrer Zahl kommt. Sie hat laut ihren Zahlen sogar 60 Leh­rer, die sie bis jetzt nicht begründen kann, noch dazugelegt! Das möchte ich hier ein­mal klar und deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, eines kann ich mir für den nächsten Tagesordnungspunkt aufheben. Wir sollten auch insofern die Kirche im Dorf lassen, als in den letzten 25, 30 Jahren – das ist von dir angesprochen worden, Stefan Schennach – viel passiert ist. Ich denke, dafür tragen viele hier im Haus, vor allem alle Fraktionen – oder zumindest zwei große –, mit die Verantwortung. Die müssten am besten wissen, welche Prozesse, was Schule und Bildung betrifft, in Österreich möglich sind und welche nicht.

Eine letzte kleine Anmerkung, weil dies hier dazugehört, betrifft das Vorschuljahr. Dem kann ich wirklich viel abgewinnen, Stefan! Nur denke ich, es gibt auch einen anderen Ansatz, und der steht da ebenfalls drin: dass man nämlich gerade beim 2. Schulpaket sehr stark auf die Übergangszeiten, auf die Schnittstellen – Kindergarten/Volksschule,


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Volksschule und so weiter – eingeht. Ich denke, da gibt es auch eine andere Lösung. Man kann bei der Vorschule ansetzen, oder man sagt: Kindergarten.

Wir in der Steiermark – und das haben wir, bitte, schon vor der Wahl gesagt – sind da­für, dass man ein kostenloses Kindergartenjahr einführt. Das wäre ein Punkt, der auch vieles in diese Richtung öffnen würde. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

18.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Schennach wünscht das Wort. (Zwischenrufe.)

 


18.40.37

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Ich schaffe es mit einem Satz, Herr Präsident. Lieber Kollege Schnider! Er hat hier zum Teil im Irrtum gehandelt. (Bundes­rat Konecny: Das wissen wir ja! Das ist ein Grundprinzip!) Wir haben nicht einen Antrag über das gesamte Schulpaket – da gab es ja ein Begutachtungsverfahren, an dem sich die Länder auch beteiligt haben –, sondern wir haben nach diesen Verhand­lungen der Fraktionen einzig und allein diese eine Frage – wir haben das auch im Aus­schuss hier im Bundesrat beschlossen – und nicht noch einmal ein gesamtes Begut­achtungsverfahren (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schnider) – ich habe hier nur einen Satz, Kollege Schnider –, darum können Sie uns das nicht vorwerfen.

Das Zweite ist: Ich bin nicht der Pflichtverteidiger der Steiermark, aber die Steiermark schreibt hier genaue Zahlen: 7 712, 5 500 – wenn Sie das genau lesen. (Bundesrat Konecny: ... Steiermark ist ein Problem!) Auf die Steiermark bezogen, sind sie absolut genau: 14,73 Prozent, das sind 45 Dienstposten. Es geht dann, weil die Steiermark von sich aus ja nicht an jedes einzelne Bundesland denken kann, in ein „Und was be­deutet das für alle anderen?“ über.

Insofern haben es die Steiermark und Vorarlberg perfekt gemacht. (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Aber mit der Steiermark hat er ein Problem!)

18.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünscht noch jemand Weiterer das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Saller, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Erlitz, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend 800 zusätzliche LehrerInnen-Dienstposten für Integra­tionsunterricht vor. Ich lasse über diesen Antrag abstimmen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen. (E 200-BR/06.)

Weiters liegt ein Antrag der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend Kassasturz im Schulbereich vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag nun abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen. (E 201-BR/06.)

Weiters liegt ein Antrag der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend Bericht über die Umsetzungskosten der Empfeh­lungen der Zukunftskommission vor. Ich lasse auch über diesen Antrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen. (E 202-BR/06.)

18.43.309. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hoch­schulgesetz 2005) (1167 d.B. und 1198 d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Da der Bundesrat dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zur Berichterstattung über den gegenständlichen Beschluss eine Frist bis zum 24. Jänner 2006 gesetzt hat, ist diese Vorlage gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung auch ohne Vorliegen eines schriftlichen Ausschussberichtes in Verhandlung zu nehmen. Ein solcher Ausschuss­bericht wurde auch tatsächlich nicht erstattet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


18.44.07

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Da ich dann auch diesen Antrag stellen werde, kann ich mich jetzt in meinem Redebeitrag sehr kurz fassen.

Dieser Gesetzesantrag, Frau Bundesministerin, hätte eigentlich riesige Chancen gebo­ten. Sie hätten nämlich mit diesem Bundesgesetz inhaltlich jenen jungen Menschen, die sich zur Ausbildung in einem Lehrberuf entschließen, eine breite Ausbildung vermit­teln können, nämlich in Bereichen der Erwachsenenbildung, in Bereichen der Kinder­gartenpädagogik und im Bereich der Sozialarbeit. Wenn ich als Vertreter der Wirtschaft davon ausgehe, dass sich künftighin junge Menschen durch die Gegebenheiten darauf einstellen müssen, mehrmals in ihrem Leben den Beruf zu wechseln, und daher zu­sätzliche Qualifikationen benötigen, dann besteht gerade hier ein riesiger Fehlbedarf.

Ich möchte das jetzt gar nicht vorwegnehmen. Der oberösterreichische Landesschulrat, dem ich wirklich nicht unterstelle, dass er meiner politischen Bewegung mehrheitlich angehört, geht eigentlich am harschesten damit ins Gericht und weist darauf hin, dass die Ressourcen für die Forschung, die im pädagogischen Bereich dringend notwendig sind, in diesem Gesetz keinen Niederschlag finden und dass man hier den ganzen Be­reich der Berufsschulausbildung dezidiert nicht forciert und nicht einbindet.

Das Schlimmste ist dann wohl, dass der oberösterreichische Landesschulrat Ihnen, Frau Bundesminister, in seiner Stellungnahme die „rote Laterne“ gibt, nämlich dort, wo es darum geht, ein Masterstudium einzufordern, wie es international möglich ist und wie es international in allen EU-Ländern bereits gegeben ist. Dann ist eigentlich der Studienabschluss, dem in diesem Gesetz das Wort geredet wird, international nicht kompatibel. Das heißt, das, was heute von einem Vorredner zu Recht schon darüber gesagt wurde, was zum Beispiel die Konkurrenzklausel mit sich bringt, nämlich die Menschen vom Arbeitsplatz zu nehmen, das passiert den jungen Menschen, die nach diesem Bundesgesetz ein Studium in Angriff nehmen.


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Nunmehr stelle ich folgenden Antrag und bringe ihn zur Verlesung:

Antrag

der Bundesräte Schimböck, Schennach und KollegInnen gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR auf Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Päda­gogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) geändert wird (1198 d.B.)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hoch­schulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) geändert wird (1198 d.B.), einen Einspruch zu erheben.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR wie folgt begründet:

Mit diesem Gesetzesbeschluss des Nationalrates sollen die derzeit 51 Pädagogischen Institutionen (Pädagogische Akademien, Berufspädagogische Akademien, Pädago­gische Institute et cetera) bis 2007 zu 8 staatlichen „Pädagogischen Hochschulen“ – ergänzt durch eine „Agrarpädagogische Hochschule“ – zusammengeführt werden.

Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens wurden massive Bedenken gegen den Ge­setzesentwurf geäußert.

Die neuen Pädagogischen Hochschulen entsprechen nicht den Herausforderungen für eine qualifizierte Neuorientierung der LehrerInnenaus- und -weiterbildung:

Die Aus- und Weiterbildung und ist nur für PflichtschullehrerInnen vorgesehen. Eine breite Ausbildung für alle pädagogischen Berufe (Kindergartenpädagogik, Freizeitpäda­gogik, Erwachsenenbildung) fehlt,

die BerufschullehrerInnenausbildung ist nicht eindeutig vorgesehen,

die Autonomie nicht gewährleistet (die Pädagogische Hochschule ist nach wie vor eine Einrichtung des BMBWK),

die politische Einflussnahme herrscht vor (der Hochschulrat besteht aus 5 Mitgliedern, 3 davon entsendet das BMBWK, der jeweilige Landesschulratspräsident, 1 Mitglied entsendet die jeweilige Landesregierung)

die Abschlüsse sind international nicht kompatibel (es wird ein neuer Titel „Bachelor“ geschaffen)

die forschungsgeleitete Lehre ist nicht gesichert,

Studiengebühren werden eingehoben.

die qualitative Sicherung ist ungenügend (keine externe Evaluierung, keine qualitativen Ansprüche an die Lehrenden, Verweigerung der Vorschläge der Expertenkommission)

Gefahr der Bildungssackgasse (keine definierten Übergänge beziehungsweise Schnitt­stellen zwischen Abschluss und Universitäten)

inhaltliche Defizite (pädagogische Berufe wie Sozialarbeit, Kindergartenpädagogik und Erwachsenenbildung sind nicht erfasst)

mit einer Länge von sechs Semestern bilden wir das Schlusslicht in Europa

kein Masterstudium ist vorgesehen


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Aufgrund des Akademiestudiengesetzes 1999 wurde zur Vorbereitung der Einrichtung von Pädagogischen Hochschulen im Bildungsministerium eine Planungs- und Evaluie­rungskommission (PEK) eingerichtet. Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens hat die PEK eine vernichtende Kritik zum Gesetzesentwurf abgegeben: So seien „erheb­liche Defizite zu jenen Standards erkennbar, die im Europäischen Raum konstituierend für eine echte tertiäre Bildungseinrichtung sind“. Weiters hebt die PEK folgende Be­reiche hervor: „Der Wirkungsbereich der Pädagogischen Hochschulen gegenüber den Vorgaben des Akademiestudiengesetzes werde in entscheidender Weise einge­schränkt. Der Namenswechsel „von Hochschulen für Pädagogische Berufe“ „zu Päda­gogischen Hochschulen“ ist von inhaltlichen Defiziten begleitet. Die Fokussierung auf die Volks- und HauptschullehrerInnen-Ausbildung ist zwar organisatorisch verständlich, aber nicht inhaltlich akzeptabel. Andere pädagogische Berufe, wie Sozialpädagogik, Kindergartenpädagogik, Erwachsenenbildung, die im Akademiestudiengesetz aus­drücklich, jedenfalls sinngemäß als Aufgabenbereich der Hochschulen für Pädago­gische Berufe genannt wurden, werden nicht angesprochen oder nur ansatzweise erwähnt (Berufspädagogik).

Weiters kritisiert die PEK, dass der Gesetzesentwurf nicht zur Wahrnehmung der für eine hochschulische Institution zentralen Forschungsaufgaben ermuntert, sondern die­se in überdeutlicher Abgrenzung und abwertender Abstufung zu den Universitäten ein­schränkt. Forschung wird durch die Forderung nach ausschließlicher und unmittelbarer Berufsfeldbezogenheit und mit der Eingrenzung auf das Berufsfeld „Schule“ (wobei es doch um pädagogische Berufe gehen sollte) in einer Weise begrenzt, die weder einer qualitätsvollen Verbindung von Lehre und Forschung gerecht wird, noch die Entwick­lung einer Forschungskultur, die sich unbehindert durch administrative Einschränkun­gen entfalten kann, erlaubt und eine auch im öffentlich-rechtlichen Interesse gelegene Aufgabe beschneidet, nämlich LehrerInnen pädagogische Berufsfelder über den Lehr­beruf hinaus zu öffnen, was angesichts der aktuellen Arbeitsmarktsituation für Absol­ventInnen der Pädagogischen Hochschulen eine zentrale Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Trägers, aber auch privat-rechtlicher Träger sein muss. Der verwendete Forschungsbegriff ist außerordentlich einengend und hat nichts mit jener Freiheit der Forschung zu tun, die echte hochschulische Institutionen kennzeichnet. Die Pädagogi­schen Hochschulen werden überdies der Möglichkeit massiver politischer Einfluss­nahme ausgesetzt.“

Auch in den Stellungnahmen einzelner Bundesländer werden erhebliche Bedenken ge­gen den Gesetzesentwurf geäußert.

So führt der Landesschulrat für Oberösterreich in seiner Stellungnahme an: „Sollte dies Gesetz werden, würden wir gemeinsam mit Belgien innerhalb der EU das Pädago­gische Schlusslicht in der Ausbildung der PflichtschullehrerInnen mit einer Länge von 6 Semestern bilden“. Weiters wird ausgeführt, dass „jede tertiäre Bildungseinrichtung in Österreich als zentrale Drehscheibe einen demokratisch gewählten Senat hat. Eine entsprechende Struktur ist an der Pädagogischen Hochschule nicht vorgesehen. Über­dies wird die Studienkommission in ihrer Kompetenz wesentlich beschnitten und die studentische Mitbestimmung auf ein Minimum beschränkt.“

Der Landesschulrat fordert eine Klarstellung, dass auch die Ausbildung der Berufs­schullehrerInnen an der Pädagogischen Hochschule erfolgt.

Die Steiermärkische Landesregierung schließt sich der Ablehnung und Argumentation der Planungs- und Evaluierungskommission an.

Die Österreichische Rektorenkonferenz merkt an, „dass die Pädagogischen Hochschu­len durch den Gesetzesentwurf keineswegs zu universitären Einrichtungen, weder in


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struktureller noch in qualitativer Hinsicht, werden. Im Wesentlichen ist hier eine Fort­schreibung des Status quo durch den Gesetzesentwurf zu konstatieren.“

Der Rechnungshof führt an, dass der Entwurf „den Empfehlungen des Rechnungsho­fes, wonach Lehrkräfte an den Pflichtschulen und an den Höheren Schulen zumindest in didaktisch-pädagogischer Hinsicht gemeinsam auszubilden wären, widerstreitet. Er zielt nämlich nur auf eine Weiterführung der Pädagogischen Akademien unter geänder­ter Bezeichnung ab. Qualitätsstandards hinsichtlich der lehrenden Qualifikation, wie etwa an Universitäten, fehlen bei den vorgeschlagenen Pädagogischen Hochschulen.“

Der Katholische Familienverband kritisiert die ausgeprägte politische Gewichtung im Hochschulrat, „sie spricht eindeutig gegen das Prinzip der Autonomie und lässt eine Instrumentalisierung des Studienbetriebes befürchten. Die parallelen Ausbildungsmo­delle der LehrerInnen im Bereich der 10-14-Jährigen lassen sich kaum begründen. Die Zuteilung zusätzliche Ressourcen zur Forschung ist nicht deutlich genug ausgewie­sen.“

Ebenso lehnt der Landesschulrat für Salzburg den Gesetzesentwurf ab, „da zwischen dem vorliegenden Hochschul-Gesetz-Entwurf und der universitären Ausbildung hin­sichtlich der Bildungsabschlüsse keine Schnittstelle und auch de facto keine Durchläs­sigkeit besteht und darüber hinaus auch im Sinne der Bologna-Erklärung kein Profes­sionalisierungskontinuum gewährleistet ist. Auch das Einheben von Studiengebühren wird abgelehnt.“

Der Landesschulrat Steiermark fordert die Miteinbeziehung der Kindergartenpädagogik und der Bildungsanstalten für Sozialpädagogik in die Pädagogischen Hochschulen.

Auch der Stadtschulrat für Wien meint, dass „von einer einheitlichen hochschulmäßi­gen Lehrerbildung, wie sie im Akademiestudiengesetz 1999 als Zielbestimmung formu­liert wurde, die Hochschule auf Grund des gegenständlichen Entwurfes weit entfernt ist. Die „Pädagogische Hochschule“ vermittelt keine vollakademischen Abschlüsse. Ziel wäre es, alle Lehrerinnen und Lehrer – insbesondere auch die der allgemein bildenden Pflichtschulen – in weiterer Folge alle in pädagogischen Berufen Tätigen mit vollakade­mischen Graden zu versehen.“ (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Kol­lege, das sieht die Geschäftsordnung vor. Das ist in unserer Geschäftsordnung vorge­sehen; Sie waren ja lange Zeit selbst Präsident und sollten das wissen.“ (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von SPÖ und ÖVP. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Ich fahre in der Verlesung des Antrages fort:

Es werde zwar die Kooperation zu den Universitäten angesprochen, jedoch fehlen konkrete Aufgabenfelder und Kooperationshinweise. Auf die Schnittstellen zwischen „Pädagogischer Hochschule“ und Universitäten, vor allem im Bereich der Ausbildung der LehrerInnen höherer Schulen, wird kaum eingegangen beziehungsweise das meis­te offen gelassen. Die berufliche Bildung beziehungsweise Berufsbildung wird nur am Rande erwähnt. Es ist zu verlangen, dass neben der Allgemeinbildung die berufliche Bildung gleichwertig hervorgehoben wird und eine integrative ganzheitliche Lösung erarbeitet wird.“

Die Bundesarbeitskammer kritisiert, „dass dem Ziel, PflichtschullehrerInnen auf Hoch­schul-Niveau auszubilden mit vorliegendem Gesetzesentwurf keinesfalls entsprochen werde, da weder eine wissenschaftlich fundierte und forschungsgeleitete Lehre noch die Qualitätsentwicklung und -sicherung gewährleistet ist. Darüber hinaus wurden auch wesentliche autonome Elemente hochschulischer Einrichtungen nicht berücksichtigt. Es fehlen diese konstitutiven Merkmale einer Hochschule, das heißt, durch die vorge­legte Konstruktion wird nicht einmal die Entwicklung in Richtung einer Hochschule er-


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kennbar. Der schulische Charakter der Lehrerausbildung bleibt erhalten. Daran ändert auch die künftige Bezeichnung nichts.

Das vorliegende Konzept einer „Pädagogischen Hochschule“ garantiert auch weiterhin, dass Österreich das europäische Schlusslicht hinsichtlich der Länge der Ausbildungs­dauer und der Flexibilität innerhalb der pädagogischen Berufe bildet. Hier wird die bis­herige „Sackgassenausbildung“ fortgeschrieben, da weder die Anerkennung des Bak­kalaureats seitens der Universitäten gesichert ist noch Masterstudien an der Päda­gogischen Hochschule angeboten werden können, die in einem Zusammenhang mit der vorgelagerten Lehramtsausbildung stehen. Besonders kritisch wird die fehlende Neuordnung der Berufsschullehrerausbildung einschließlich der Lehrenden in den pra­xisorientierten Fächern der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) eingeschätzt. Es wird die Auffassung vertreten, dass eine sechssemestrige, berufs­begleitende Ausbildung für diese Lehrergruppe unabdingbar ist, um den steigenden pädagogischen und fachdidaktischen Anforderungen entsprechen zu können. Gerade die Gruppe der Lehrlinge benötigt Lehrende, die einerseits über einschlägige Berufs­praxis und anderseits über bestes pädagogisches Know-how verfügen.“ Die BAK for­dert weiters die Einbeziehung der Ausbildung für KindergärtnerInnen, Grundschul-, Mit­telstufe-LehrerIn sowie Erwachsenenbildnern.

Da die im Rahmen der Begutachtung abgegebenen Stellungnahmen – insbesondere jene aus den Bundesländern – überwiegend negativ sind und den Einwendungen kei­nesfalls Rechnung getragen worden ist, das vorliegende Gesetz in keinster Weise den Ansprüchen einer qualitativ hochwertigen LehrerInnenausbildung gerecht wird sowie die Einhebung von Studiengebühren vorgesehen ist, erhebt der Bundesrat gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates einen Einspruch.

Aus all den genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.

*****

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Schimböck, Schennach, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte und soeben verlesene Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Schnider das Wort.

 


18.57.07

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal Dank! Es ist schade, dass nicht jeder das vor sich liegen hat, weil man dann nämlich besser darüber diskutieren könnte, möchte ich einmal sagen. Es wurden nämlich von Kollegen Schimböck soeben alle Dinge vorgelesen, die die SPÖ in den letzten Wochen und Monaten immer als etwas vorgebracht hat, was ihr nicht behagt und zusagt.

Ich möchte gleich am Anfang dazu sagen, dass es meines Erachtens wichtig ist, dass man gerade in solchen Fragen miteinander in einer guten Diskussion ist und dass man vor allem etwas nicht betreibt: Kindesweglegung, wenn ich das so sagen darf. War­um? – Weil hier etwas vorliegt, was schon ... (Zwischenruf des Bundesrates Schenn­ach.) Ja, mich würde es sehr interessieren, das ist richtig. (Bundesrat Schennach tritt


Bundesrat
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zum Rednerpult und überreicht dem Redner ein Dokument, das offenbar den zuvor verlesenen Antrag enthält. – Heiterkeit des Bundesrates Konecny.)

Da braucht gar keiner zu lächeln. Es ist ja so, wenn man das in den letzten paar Minu­ten mitbekommen hat: Herr Kollege Schimböck hat einen Antrag vorgelesen, und im Grunde stehen hier die wesentlichen, markanten Punkte drin, die einem nicht behagen. Diese kennen aber im Prinzip eigentlich nur diejenigen, die sich inhaltlich sehr intensiv damit auseinander setzen. Eigentlich würden wir nun einige Stunden brauchen, um darüber in Ruhe zu diskutieren, das muss man jetzt wirklich einmal ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.) Deshalb habe ich auch darum gebeten, und das habe ich früher schon gefragt, warum das nicht jeder in die Hand bekommt. Dann wäre es einfacher, wenigstens mitlesen zu können. Sonst ist das ein bisschen schwierig.

Aber nun zu dem Anliegen: Ich habe gemeint, dass durch Jahrzehnte hindurch hier sehr intensiv an einer Lösung gearbeitet worden ist. Mit „Jahrzehnten“ meine ich, dass es nicht nur der jetzigen Regierungszusammensetzung ein Anliegen war, sondern auch den Regierungszusammensetzungen davor. Wir wissen sehr wohl, dass das, was heute vorliegt, schon vor dieser Periode gestartet worden ist und dass insbesondere im Jahr 1999 das Akademienstudiengesetz verabschiedet worden ist, und zwar von ÖVP und SPÖ.

Darauf möchte ich nur hinweisen, und da bitte ich, es nicht polemisch aufzufassen, sondern wirklich nur zu sehen, was ich mit Kindesweglegung meine. Da ist es auch, glaube ich, ganz wichtig, dass man das, was heute vorgelesen worden ist, sehr, sehr ernst nimmt. Damals hat nämlich der Bildungssprecher der SPÖ, Dieter Antoni, eines ganz klar und deutlich gesagt. Er hat sich sogar dagegen verwahrt, dass in seinen Augen die Frau Bundesministerin das alles sichtlich nur für sich okkupiert, sodass er gesagt hat: Bitte, das Akademienstudiengesetz trägt wesentlich die Handschrift der SPÖ!

Ich möchte erklären, warum ich jetzt darauf zu sprechen komme. Es gibt ein paar Punkte, über die ich nicht einfach so undifferenziert hinweggehen möchte. Ich möchte sagen, dass ich Ihnen bei einer Geschichte, die auch hier in diesem Antrag steht, schon Recht gebe. Es gibt einen Punkt, über den man vielleicht hätte nachdenken kön­nen, nämlich dass man am Anfang von einer Hochschule für pädagogische Berufe ge­sprochen hat.

Ich habe das immer gesagt und sage auch ganz offen, warum: Weil ich glaube, dass es das ermöglicht, was ja auch in unserem Entwurf steht, nämlich die Öffnung für an­dere pädagogische Berufe. Lesen wir uns diesen Letztentwurf, der heute hier vorliegt, durch. – Den müssten wir jetzt komplett vorlesen, denn dann wüssten wir ungefähr, was in dem einen und was in dem anderen Entwurf steht.

Ich habe mir nämlich die Mühe gemacht, die Vorlage, die wahrscheinlich wesentlich von Kollegen Niederwieser ausgearbeitet wurde, und unsere Vorlage zu vergleichen. Man muss ja sagen, so groß sind diese Unterschiede auch wieder nicht, wie wir da heute tun und wie sichtlich auch im Nationalrat getan worden ist. Aber es gibt ein paar Punkte, über die sollten wir noch ein bisschen diskutieren – keine Frage.

Einen Punkt – oder auch mehrere – möchte ich aber wirklich ausräumen. Punkt eins: Es steht in unserem Entwurf expressis verbis, dass es nicht nur um Lehrerinnen- und Lehrerausbildung, -weiterbildung und -fortbildung geht, sondern selbstverständlich auch um die Öffnung und das Angebot für andere pädagogische Berufsgruppen.

Was steht aber auch drinnen? – Dass wir an diesem Punkt starten. Ich glaube, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Einrichtung einer solchen Hochschule, wie Sie es sich vorstellen, ja auch nur einmal bei diesem Punkt starten können. Ich meine,


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viele Themen, die wir hier ansprechen – auch fraktionsübergreifend –, sind doch Dinge, die wir im Grunde beide – ich rede jetzt einmal von den Großparteien – nicht im­stande waren, in den letzten 30 Jahren zu klären und wirklich umzusetzen.

Da können wir ruhig den vorhergehenden Tagesordnungspunkt auch noch hereinneh­men. Da gab es ja auch Punkte, die angesprochen wurden, bei denen auch viele der Anwesenden wissen, wo ich stehe und wo andere stehen, aber da ist es der anderen Fraktion, wenn ich so sagen darf, nämlich der SPÖ bei manchen Themen ebenfalls nicht gelungen, eine Mehrheit zu bekommen.

Bei diesem Punkt sehe ich das ähnlich. Wir streiten uns ein bisschen um des Kaisers Bart. Warum? – Es wurde zum Beispiel gesagt, das hat mit der Universität nichts zu tun. In unserem Entwurf steht expressis verbis nicht etwa, man „kann“ oder man „soll­te“ oder man „dürfte“ mit der Universität kooperieren, sondern man hat zu kooperieren! Das heißt, das ist ein ganz klarer Auftrag, der da ausgesprochen wird. Man hat dafür zu sorgen, dass diejenigen, die in dieser Hochschule studieren, auch in die Universität gehen können, und, und, und.

Weiters: Ein Punkt, das sage ich jetzt ganz offen, ist in dem Papier der SPÖ sehr gut ausdifferenziert, nämlich was das Lehrpersonal betrifft. Man muss ja die Dinge, so glaube ich, auch ein bisschen differenziert sehen, sodass klar gesagt wird: Wo sind gewisse Aufträge? Wo sind gewisse Aufgaben zu erfüllen? Von wem welche? – Das halte ich gerade in Anbetracht von vielen Kolleginnen und Kollegen – ich gehöre zum Beispiel auch dazu –, die jetzt im Grunde eigentlich im Religionspädagogischen Institut tätig sind, für wichtig. Auch für deren Zukunft ist zu klären: Wo arbeiten sie dann und was ist ihr Aufgabenbereich? – Das finde ich nicht schlecht eingebracht.

Wenn wir uns das näher anschauen, gibt es natürlich wieder einen Punkt, um den es eine große Auseinandersetzung gibt, und zwar offensichtlich bei den Studiengebüh­ren. – Das möchte ich auch ganz offen sagen, denn das ist offenbar schon ein Punkt, an dem sichtlich die Meinungen total auseinander gehen.

Aber schauen wir uns die Dinge einmal ein Stück näher an, nämlich in der Entwicklung: Es gibt bis jetzt 51 oder 52 Institutionen. – Das ist ja für Österreich unglaublich! Die werden jetzt auf acht bis neun zusammengeführt – darf ich einmal so sagen –, plus private, plus kirchliche. Da ist in unserem Papier schon etwas Großartiges gelungen!

Ich möchte da jetzt auch in Richtung der anderen Fraktionen die Frage aufwerfen, ob nicht genau das eine Herausforderung ist, dass auch die Kleineren eine Chance be­kommen, etwas anzubieten, denn es ist darin der Passus enthalten, dass jemand eine Hochschule anbieten kann, der nur zwei Lehrämter anbietet und nicht die vollen.

Bis jetzt war es immer so, dass man Volksschule und Hauptschule anbieten musste. Was die Kirchlichen betrifft, so haben sie auch noch für die Religionslehrerausbildung zu sorgen gehabt. Wenn jetzt zum Beispiel die Kirchlichen sagen, sie bieten nur Volks­schule an und die Religionslehrerausbildung, haben sie zwei Lehrämter angeboten und können eine Hochschule nach diesem Gesetz anbieten.

Was will ich damit sagen? – Wenn ich das richtig gelesen habe, dann sagt Kollege Brosz eher, dass sich dann alles aufsplittert und man nicht mehr den Überblick hat. Ich sehe darin aber gerade eine sehr, sehr große Chance, dass auch Private, Kirchliche und Religionsgemeinschaften eine Hochschule anbieten können und dass dadurch die Möglichkeit gegeben ist, dass unterschiedliche Profile entstehen. (Bundeskanzler Dr. Schüssel betritt den Sitzungssaal und nimmt auf der Regierungsbank Platz. Leb­hafter Beifall bei der ÖVP.)

Das steht hier auch expressis verbis. Es geht darum, dass man unterschiedliche Profile und Eigenprofile entwickelt. – Ich bin gleich am Ende, keine Angst, alle werden ihre


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Flugzeuge noch erreichen. Was in diesem Papier nicht nur einmal, sondern x-mal vor­kommt und was auch wichtig ist, das ist, dass das System einfach durchlässiger ist, und dass wir erkennen, gerade das von uns vorgelegte Papier ist eines, das darauf abzielt, noch stärker zu kooperieren.

Das möchte ich auch noch in Richtung der SPÖ sagen: Wir wissen, wenn man sich die letzten Jahrzehnte anschaut, dass es ja viel stärker Ihre Vorstellung war – wenn ich das richtig im Kopf habe –, alles Bestehende in die Universität einzugliedern. Wir stan­den da eher auf einer anderen Ebene.

Ich glaube, dass wir jetzt auch ein Stück zusammengerückt sind, denn auch in dem Papier von Niederwieser, das ich genauestens studiert habe, steht eindeutig, dass man davon ein Stück Abstand nimmt, das Ganze in die Universität einzugliedern. Wir wis­sen auch, dass das in dem Sinn auch nicht ganz klug ist, weil das in Bezug auf die Größe – das wurde heute schon einmal angesprochen – vieler Fakultäten und Univer­sitäten noch mehr überborden würde.

Ich glaube, gerade mit diesem Typus einer pädagogischen Hochschule – „Hochschule für pädagogische Berufe“ wie es ursprünglich geheißen hat – kann wirklich ein ganz eigener Akzent gesetzt werden, und ich denke, mit diesem Entwurf ist das gelungen.

Meine Damen und Herren! Deshalb wird es Sie auch nicht wundern, dass ich jetzt fol­genden Antrag stelle:

Antrag

gemäß § 43 GO-BR

der Bundesräte Dr. Kühnel, Kolleginnen und Kollegen

gegen den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) (1167 der Beilagen und 1198 der Beilagen) keinen Einspruch zu erheben.

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bun­desgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) (1167 der Beilagen und 1198 der Beilagen) wird kein Ein­spruch erhoben.

*****

Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


19.08.17

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Um gleich da anzu­knüpfen, wo mein Vorredner aufgehört hat: Die Pädagogischen Akademien haben ihre Stärken und ihre Vorteile, und auch die Universitäten haben ihre Stärken und ihre Vor­teile, was die Lehramtsausbildung betrifft.


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Am sinnvollsten wäre es natürlich, jeweils die Stärken dieser beiden Institutionen zu­sammenzuführen, und das wäre unsere Grundidee für Pädagogische Hochschulen. Unserer Meinung nach ist das aber leider in dem vorliegendem Gesetz nicht passiert. Das vorliegende Gesetz ist eine Fortschreibung des Status quo – vielleicht ein neues Mascherl, vielleicht ein neues Türschild.

In manchen Bereichen treten diese Änderungen auch hinter das Akademienstudienge­setz zurück. Jedenfalls ist dieses Gesetz unserer Meinung nach nicht ausreichend, um auf die Herausforderungen einzugehen, die das Bildungssystem in Zukunft an Lehre­rinnen und Lehrer stellen wird. Da eigentlich alle inhaltlichen Kritikpunkte ja schon in der Begründung unseres Einspruches vorgelesen wurden, möchte ich Sie jetzt nicht langweilen. Ich gehe davon aus, dass Sie zugehört haben.

Im Übrigen haben wir das Problem bei jedem Tagesordnungspunkt, dass wir für jeden Punkt wahrscheinlich einen Tag brauchen würden, wenn sich wirklich alle inhaltlich damit auseinander setzen wollten. – So viel Zeit haben wir leider nicht. Das ist also, glaube ich, keine besondere Eigenheit dieser Diskussion.

Ich möchte aber doch ein paar Punkte herausnehmen, die mir ganz besonders wichtig sind: Aus Sicht der Studierenden an den zukünftigen Pädagogischen Hochschulen finde ich es sehr bedauerlich, dass da auch in Zukunft keine berufliche Flexibilität in der Ausbildung gewährleistet sein wird.

Überall sonst wird von jungen Menschen erwartet, dass sie, was ihren Beruf betrifft, flexibel sind, sich auch beruflich verändern. In der Lehrerausbildung ist es so: Man kann Volksschullehrerin werden, man kann Hauptschullehrerin werden, und dann gibt es ganz viele andere pädagogische Berufe, die wahrscheinlich auch interessant wären. Ein Mensch möchte sich im Laufe seines Berufslebens auch einmal verändern, auch einmal in anderen Bereichen arbeiten. Das ist auch für die Qualifikation auf jeden Fall sehr sinnvoll und befruchtend. Das ist aber auch weiterhin nicht möglich, so wie dieses Gesetz jetzt ausschaut.

Unserer Meinung nach führt das in eine Sackgasse. Eine Bildungssackgasse kann man es sehr wohl nennen, auch auf Grund der fehlenden Schnittstelle zu den Universi­täten.

Es ist bereits jetzt so, dass sehr viele junge Menschen, die auf der PÄDAK studiert haben, im Anschluss ein Lehramtsstudium an der Universität machen, einfach um sich auf diese Weise – durch diesen zusätzlichen Arbeitsaufwand – größere berufliche Fle­xibilität zu sichern. Es ist relativ viel Zeit, die dabei draufgeht. Es wird ja in diesem neu­en Gesetz zum Beispiel auch keine Rücksicht auf Studierende an den Pädagogischen Hochschulen genommen, die berufstätig sind oder die Betreuungspflichten haben. Das ist also, wie ich schon gesagt habe, unserer Meinung nach nicht ausreichend, um für junge Menschen tatsächlich eine interessante, attraktive Berufsbildung zu bieten.

Dass dieses Gesetz für Studierende noch eine weitere negative Auswirkung hat, näm­lich die Einführung von Studiengebühren, wurde schon erwähnt. Interessanterweise schaut es so aus, als habe man sich bei diesem Gesetz sozusagen die Rosinen aus dem Universitätsgesetz herausgepickt – einerseits die Einführung von Studiengebüh­ren, andererseits auch die Schaffung eines Hochschulrates, über dessen Zusammen­setzung hier schon berichtet wurde, die ich wirklich haarsträubend finde. Klarer kann man ein absolutes Durchgriffsrecht des Ministeriums eigentlich nicht formulieren.

Zu dieser Zusammensetzung des Hochschulrates kommt noch Folgendes dazu: Das zuständige Regierungsmitglied auf Bundesebene genehmigt den Organisationsplan, die Satzung, den Ziel- und Leistungsplan, den jährlichen Ressourcenplan, bestellt Rek­torin, Rektor und die Vizerektorinnen oder -rektoren, die Lehrenden auf Planstellen so-


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wie das gesamte Verwaltungspersonal und kann auch durch eine Studienordnung ganz massiv in die Gestaltung der Studien eingreifen. – Von Autonomie kann man da nicht reden. Das ist ein ganz klares Beispiel einer schon ganz staatlichen Bildungsein­richtung, die nicht autonom ist, die nicht selbständig handeln kann.

Dass man sich dann sozusagen die Rosinen aus der Autonomie der Universitäten her­auspickt, wie zum Beispiel die Studiengebühren, ist vielleicht aus Sicht der Ministerin nachvollziehbar. – Ich halte es allerdings nicht für sinnvoll.

Ein Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist die fehlende Betonung von Forschung. In diesem Gesetz ist unserer Meinung nach nicht die nötige Verankerung für eine For­schung auch an den Pädagogischen Hochschulen enthalten. Bildungsforschung und angewandte Forschung im Bereich der Schulpädagogik wäre sehr wichtig. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Ich würde ganz gern einmal auf die Frage, warum wir bei PISA so schlecht abgeschnit­ten haben, etwas interessantere und tiefschürfendere Antworten hören als die, die bis­her meist zirkulieren.

Dass zum Beispiel bei der Bestellung der Rektorin oder des Rektors einer Pädagogi­schen Hochschule auch in Zukunft nach wie vor keinerlei wissenschaftliche Qualifika­tion nötig ist, das ist schon ein ganz klares Zeichen, dass da nicht der Schwerpunkt auf Forschung gelegt wird. Das ist meiner Meinung nach eine vertane Chance. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Folgenden Punkt möchte ich abschließend noch erwähnen: Frauenförderung ist in die­sem Gesetz auf jeden Fall unzureichend verankert. Die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Frauenförderung sollten dezidiert zu den Aufgaben der Pädagogischen Hochschulen gehören.

Lehrerinnen und Lehrer prägen als ganz wichtige Bezugspersonen die Wahrnehmung von Geschlechterrollen ihrer Schülerinnen und Schüler, und das schon in ganz frühem Lebensalter. Deshalb ist es unerlässlich, dass auch diese Lehrpersonen in ihrer Ausbil­dung glaubhaft die Bedeutung von Frauenförderung erfahren.

Solange die Institution der Pädagogischen Hochschule das nicht selbst überzeugend lebt, kann sie diesen Schwerpunkt auch ihren Studierenden nicht vermitteln. Das wird sich wiederum negativ darauf auswirken, wie die Lehrenden dann ihren Schülern die­sen Punkt vermitteln können.

Diesem Gesetz können wir unsere Zustimmung nicht geben. Ich glaube, die Lehramts­ausbildung hat etwas Besseres verdient. Wir werden hier Einspruch erheben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der vorhin von den Bundesräten Dr. Kühnel, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht auch mit in Verhandlung.

Ich erteile nun der Frau Bundesministerin das Wort.

 


19.15.07

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur auf einige Bemerkungen eingehen.

Es wurde gesagt, die Ressourcen für Forschung finden keinen Niederschlag. Ich weiß nicht – die Ressourcen stehen bei mir im Budget und nicht im Gesetz. Es steht der Forschungsauftrag ganz klar und deutlich drinnen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
730. Sitzung / Seite 124

Weiters wurde gesagt, dass man sich im Laufe eines Berufslebens verändern möch­te. – Ja, Frau Kollegin, vollkommen richtig! Deswegen haben wir die Pädagogischen Institute, die unglaublich viele Zusatzangebote machen. Sie wissen genau, dass Stu­dierende auch später in die Pädagogischen Hochschulen einsteigen können und dort zusätzliche Ausbildungen absolvieren können. – Das läuft ja jetzt schon an allen Päda­gogischen Akademien.

Eines möchte ich noch bemerken: Gerade an der Argumentation heute hat man ganz deutlich den rasanten Zickzackkurs – wie auf einer Loopingbahn! – der SPÖ gesehen. 1999 wurde ein gemeinsames Gesetz hochgejubelt, bei dem die SPÖ die Urheber­schaft für sich beansprucht hat und gesagt hat: Die Ministerin darf da nicht so stolz drauf sein, das stammt ja alles von uns! Heute wird es mit Gründen, die kaum nachvoll­ziehbar sind, abgelehnt. Sie werden dann verantwortlich sein, wenn die Umsetzung nicht rechtzeitig und geordnet erfolgen kann. (Bundesrat Kraml: Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!) – Ich möchte das nur festhalten.

Ein Wort noch zu dem allgemeinen Gejammere, die Ausbildung sei nicht qualitativ hoch stehend. Ich sage Ihnen: Die Ausbildung an den Pädagogischen Akademien ist schon jetzt qualitativ hoch stehend. Die Behörden in München, in ganz Bayern, in Baden-Württemberg und in der Schweiz reißen sich um unsere Lehrer und Lehrerin­nen, weil die so gut ausgebildet sind. Wir werden diese Qualität weiter halten, sie ver­bessern und steigern.

Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer liegt im tertiären Bereich, und das ist Bo­logna-konform; die Möglichkeiten weiter zu studieren sind gegeben. Es ist schade, dass Sie diese unnötige Verzögerung mit Ihrem Beharrungsbeschluss jetzt in die Wege leiten. (Beifall bei der ÖVP.)

19.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesrat Professor Konecny zu einer tatsächlichen Berichtigung das Wort.

 


19.18.05

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesminister! Was wir heute zu beschließen beabsichtigen, ist ein Einspruch.

Der unnötige Beharrungsbeschluss ist offensichtlich im Nationalrat vorgesehen. (Hei­terkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.18


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schimböck, Schennach, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Dr. Kühnel, Kol­leginnen und Kollegen, keinen Einspruch zu erheben.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
730. Sitzung / Seite 125

19.19.06Einlauf

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung die Anfrage 2377/J-BR/2006 eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sit­zungstermin wird Donnerstag, der 9. Februar 2006, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis da­hin verabschiedet haben wird.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 7. Februar 2006, ab 13 Uhr vorge­sehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.19.28Schluss der Sitzung: 19.19 Uhr

 

 

 

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