10.36

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau erste Bundeskanzlerin! Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder der neuen Bundesre­gierung! Sehr geschätzte Damen und Herren auf der Galerie! Liebe Schülerinnen und Schüler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Leute zu Hause via Livestream! Die Verfassung hat es möglich gemacht, dass trotz dieser turbulenten Situation, hervorge­rufen durch dieses Skandalvideo, das Traumschiff Österreich durch sichere Fahrwäs­ser weitergeführt werden kann. Durch sie haben wir eine Übergangsregierung mit Ex­pertinnen und Experten erhalten, der Sie, geschätzte Frau Bundeskanzlerin, vorstehen. Sie sind damit für uns Garant für eine faire Zeit bis zur Angelobung einer neu ge­wählten Regierung. Das gilt für alle im Parlament vertretenen Parteien. Es ist eine Zeit, die wir auch zur Besinnung auf ein neues Miteinander nützen können, aber vor allem wird diese Zeit trotz des Wahlkampfes Ruhe in die österreichische Politik bringen.

Der Bundespräsident lobte zu Recht die Schönheit und Eleganz der österreichischen Verfassung. In den vergangenen Wochen und Tagen wurde diese einem demokrati­schen Stresstest unterzogen, und sie hat glänzend bestanden. Sie enthält Spielregeln für die Politik in einem nüchternen und klaren Stil. – Jedenfalls haben diese Spielregeln unseren Bundespräsidenten hervorragend durch die organisatorischen und institutionel­len Herausforderungen begleitet und geführt. – Auch unser Dank gilt dem Herrn Bun­despräsidenten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Kollege Bader, das Video war der Katalysator, das Misstrauen gegenüber dieser kurzen Regierung wuchs aber vor allem durch die Ausgrenzung der Opposition und der Sozialpartner bei der Gesetzwerdung insgesamt: schnell durchgepeitschte Gesetze ohne notwendige Begutachtung, keine Bereitschaft zu Gesprächen und Nachverhandlungen. Zu Recht hat auch der Herr Bun­despräsident – und danke, liebe Frau Bundeskanzlerin, Sie haben es heute auch er­wähnt – davon gesprochen, dass Regierungsarbeit nicht nur das Umsetzen eines fixen Regierungsprogramms sein kann, sondern vor allem das Erarbeiten von guten Kom­promissen für die österreichische Bevölkerung sein soll. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

Damit ist oder wäre auch gewährleistet, dass solche Entscheidungen auf breiter Ebene mitgetragen werden.

Schlussendlich war das Misstrauen gegen die gesamte Regierung wohl deshalb not­wendig, da es der Kanzler und Bundesparteiobmann nicht für notwendig gefunden hat, für das Vertrauen in die Regierung zu werben. Genau entgegengesetzte Maßnahmen in Richtung ÖVP-Alleinregierung haben das Fass zum Überlaufen gebracht und zu Neuwahlen und dieser Expertenregierung geführt.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie haben bereits mit Erstaunen festgestellt und aufgezeigt, wie viele Anträge Sie in der kurzen Zeit Ihrer Amtszeit bereits erhalten haben. Ja, das freie Spiel der Kräfte ermöglicht neue Mehrheiten und Chancen und neue Schnittmengen. Themen, die noch auf den Weg gebracht werden könnten, gibt es anscheinend genug, wie das auch die Nationalratssitzung vor Kurzem gezeigt hat; Themen wie: Glyphosatverbot, Papamonat, Lohnfortzahlung für Katastrophenhelfer, Nichtraucherschutz, volle Anrechnung der Karenz im Job, Pflegegelderhöhung, Schutz des Wassers vor Privatisierung.

Gerade zu diesem Thema: Trinkwasser schützen und sichern (Bundesrätin Mühl­werth: Wildalpen! – Zwischenruf des Bundesrates Samt), hat der Bundesrat – wir ha­ben das heute in der Ansprache des Präsidenten gehört – viel beigetragen. Ich darf dies zum Anlass nehmen, mich sehr herzlich bei unserem Präsidenten Ingo Appé für die Auswahl dieses Themas als Hauptthema seiner Amtszeit zu bedanken. Als Vize­präsident konnte ich im Inland und im Ausland mitverfolgen, wie sehr er sich in dieses Thema hineingekniet hat, wie wichtig dieses Thema für uns in Österreich und auf der ganzen Welt ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

Es ist wohl kaum einem anderen Bundesratspräsidenten in der Kürze der Halbjahres­präsidentschaft gelungen, ein Thema so abzuschließen, sodass dieses in der Verfas­sung verankert werden wird. Es liegen im Nationalrat zwar, wie ich gehört habe, vier Anträge vor, aber einer davon wird die Mehrheit finden, und das ist ein guter Schritt zum Schutz des Trinkwassers und für die nächsten Generationen.

Meine Damen und Herren, gerade in Bezug auf das Ibizavideo: Kollegin Mühlwerth hat gesagt, es wurde davon gesprochen, das in die Verfassung aufzunehmen – was will man in die Verfassung aufnehmen, den Verkauf der Quellen? Du hast es erwähnt. (Bun­desrätin Mühlwerth: Na, das ist ja nur geredet worden, aber ihr habt es ja schon ge­macht! ... also bitte!) Die Quellen machen nur 30 Prozent unseres Wassers aus, denn 70 Prozent kommen vom Grundwasser. Also es war schon auch ausschlaggebend, das hat diesem Thema natürlich Schwung gegeben, und ich glaube, keine Partei in diesem Haus kann das einfach abtun. Dieses Thema wird bei der nächsten National­ratssitzung zu einem Abschluss gebracht werden.

Lieber Präsident Appé, du hast in der Zeit deiner Vorsitzführung vieles zum ersten Mal erlebt – die erste Kanzlerin, die erste Expertenregierung in dieser Form, den ersten Ordnungsruf an deinen Kollegen in Kärnten –, in deiner Zeit ist vieles passiert, aber du hast eine tolle Präsidentschaft hinter dir, und wir danken dir sehr herzlich! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

Liebe Frau Bundeskanzlerin! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abgesehen von diesen Themen, die der Nationalrat schon diskutiert hat, gilt es aber auch, bei den sehr erfolgreichen Volksbegehren genauer hinzusehen; mei­ne Kollegin Schumann hat eines schon angesprochen, und zwar das Frauenvolksbe­gehren. Da gibt es noch viele Dinge zu tun, die vielleicht auch in dieser Zeit angegan­gen werden können. Über den Nichtraucherschutz gab es im Nationalrat schon eine Debatte. Ebenso wurde erwähnt – Sie haben es in Ihrer Ansprache selber gesagt –, dass viele Entscheidungen auf europäischer Ebene getroffen werden müssen; darüber wird aber unser Experte Stefan Schennach sprechen. Wir erwarten uns – Sie haben es heute hier gesagt, und das finde ich toll; ich hatte es mir aufgeschrieben und habe es wieder durchgestrichen – natürlich Diskussionen im Hauptausschuss; Sie haben ge­sagt, bereits heute noch findet diesbezüglich ein Treffen statt. Das ist sehr wichtig, weil es da um wichtige Posten geht.

Auch werden die Offensiven zum Klimaschutz immer dringender, Kollegin Dziedzic hat es angesprochen. Wir haben gestern im EU-Ausschuss über die langfristige Vision der EU für einen sauberen Planeten diskutiert. Da geht es um eine europäische Strategie bis 2050 für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirt­schaft. Die Erreichung von Klimaneutralität in Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts ist anzustreben. Da ist die österreichische Position gefragt. Das kleine Mädchen Greta hat es gut aufgezeigt und Kollege Schennach hat es im Ausschuss gesagt: nicht nur Vi­sionen, sondern Aktionen! Wir brauchen jetzt Handeln.

Es gibt auch noch einige andere Themen; mein Lieblingsthema ist der ländliche Raum. In meinem Heimatbundesland Steiermark haben wir Gott sei Dank eine große Über­einkunft, was die Räume in den Regionen betrifft, und wir haben gemeinsam unsere Möglichkeiten genutzt, diese zu unterstützen, damit auch Eigenmittel vorhanden sind, um Projekte umzusetzen. Da darf ich Sie wirklich bitten – der Herr Finanzminister ist heute auch hier –, im nächsten Finanzrahmen die Mittel für die Kohäsion und für die Landwirtschaft auf keinen Fall zu kürzen. Diese Mittel braucht der ländliche Raum für die Entwicklung. Die Städte kommen durch Zuwanderung an ihre Grenzen und die ländlichen Gebiete durch Abwanderung.

Zu Recht hat auch die vorige Bundesregierung gefordert, dass Forschung und Entwick­lung und auch das sehr erfolgreiche Jugendprogramm Erasmus gestärkt werden müs­sen. Wie geht das aber, ohne die Mittel zu erhöhen und ohne dass der Brexit uns Mittel nimmt? – Ich hoffe, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, auch diesbezüglich eine breit ge­tragene Lösung herbeiführen können.

Es geht da in der Steiermark – und da sitzen ja auch Kollegen von anderen Frak­tionen – um große Projekte wie die Koralmbahn, ein ganz wichtiges Thema, um eine rasche und sichere Verbindung zwischen Steiermark und Kärnten. Sie ist Teil der neu­en Südstrecke in Österreich und eines der bedeutendsten Infrastrukturprojekte Euro­pas. Herr Bundesminister Müller, Sie sind heute hier, dankenswerterweise auch Herr Bundesminister Reichhardt: Es müssen rasch die notwendigen Mittel bereitgestellt wer­den, damit dieses Projekt umgesetzt werden kann. In exzellenter Arbeit und Zusam­menarbeit der Parteien in der Steiermark gelingt es, Vorbereitungen zu treffen, um ent­lang dieser Bahn den Wirtschaftsstandort zu stärken, Arbeitsplätze zu schaffen. Voller Hoffnung stehen viele Gemeinden in der Steiermark, aber auch in Kärnten dahinter, dass das passieren kann. Herr Minister, bitte keine Verzögerungen oder Einsparungen in dieser Sache! Bitte sorgen Sie dafür, dass es zu keinen Verzögerungen kommt! Es ist sensationell, wie viele Arbeitsplätze da auch schon während der Bauzeit geschaffen werden konnten.

Zum Abschluss bedanke ich mich noch einmal sehr herzlich bei unserem Bundesratspräsi­denten Bürgermeister Ingo Appé für seine tolle und exzellente Präsidentschaft. Ich wün­sche dem nächsten Präsidenten Karl Bader alles, alles Gute und eine tolle Zusammen­arbeit, und ich wünsche vor allem dieser Bundesregierung eine sichere und gute Hand. Gutes Gelingen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

10.48

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile es ihm.