Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 125. Sitzung / Seite 69

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13.45

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Beim Kapitel Familie beschäftigt ich mich schwerpunktmäßig die Jugend. In meiner zwölfjährigen praktischen Erfahrung als Sozialarbeiterin und Jugendbetreuerin habe ich immer wieder hautnah miterlebt, wie unsere Jugend aufgrund des rasanten gesellschaftlichen Wandels immer höheren Anforderungen ausgesetzt ist. Sie wird von einer unüberschaubaren Informationsflut überschwemmt, vom Sog des Konsumzwangs mitgezogen und soll sich immer höher qualifizieren, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Unsere Jugend soll so wie wir alle Leistungsdruck und Streß als alltägliche Anforderungen akzeptieren. Dazu kommen veränderte familiäre Strukturen und ein steigendes Desinteresse an traditionellen Werten sowie ein Trend zur Individualisierung.

Im Zusammenhang mit den Bereichen Ausbildung, Arbeit und Nutzung der Freizeit wächst meine Sorge, daß aufgrund der Forderungen nach erhöhter Mobilität und Flexibilität die Tendenz besteht, daß es in absehbarer Zeit eine Jugend der zwei Geschwindigkeiten geben wird: Die einen schaffen es, die anderen kommen nicht mehr mit.

Ich möchte dazu drei Bereiche aus dem Jugendbudget herausnehmen und diese, wenn Sie erlauben, auch kritisch betrachten.

Im Budget gibt es Förderungen für EU-Projekte wie "Jugend für Europa" und "Europäischer Freiwilligendienst". Ich begrüße das sehr, weil ich weiß, daß damit auch Jugendlichen, die sozial schwächer und nicht so lernfähig sind und keinen so hohen Bildungsstand haben, die Möglichkeit gegeben wird, andere Länder, andere Mentalitäten und andere Sprachen kennenzulernen und so die Angst vor Neuem zu verlieren und für ihre Zukunft etwas zu lernen. Ich begrüße das sehr!

Nun zum Bundesjugendplan. 1997 erfolgte die Aufteilung noch durch einen genau vorgegebenen Schlüssel nach einem fixen System. 1998/1999 erhalten die Organisationen ein Drittel als Basisförderung und zwei Drittel als Projektförderung. Dieser Verteilungsschlüssel könnte kleineren, aber auch größeren Organisationen, die auf keine gewachsene Infrastruktur zurückgreifen können, wie dies bei ÖVP-nahen Jugendorganisationen oft der Fall ist, Schwierigkeiten bereiten. Die Organisationen müssen oft um die Deckung der Basiskosten kämpfen, sie müssen um Räumlichkeiten und um Personal kämpfen. Für sie wird es sehr schwierig werden, dann auch noch Projekte einzureichen, oder es wird ihnen überhaupt unmöglich sein.

Wir alle wollen doch, daß unsere Jugend selbstbestimmt und eigenverantwortlich ist, und müssen ihr daher auch die erforderlichen Rahmenbedingungen dafür bieten. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine wesentliche Frage stellt sich für mich auch hinsichtlich der Förderungsgebarung zwischen Bundesjugendring und freien Trägern, wie zum Beispiel den offenen Jugendzentren, die immer mehr ein Auffangnetz für jugendliche Randgruppen werden. Soviel ich weiß, sind 61 Millionen Schilling für die außerschulische Jugendarbeit veranschlagt. Es würde mich interessieren, inwieweit auch die freien Träger dabei berücksichtigt werden, und welchen Betrag das ausmachen wird.

Der letzte und für mich wichtigste Punkt: Die meisten von Ihnen werden mit mir darin übereinstimmen, daß Prävention, Vorbeugung eine zentrale Rolle bei der positiven Lebensplanung einnehmen muß. Präventionsmaßnahmen werden allerdings nur sehr gering gefördert, meines Wissens mit 1 Prozent. Durch Prävention werden gefährdete Jugendliche stark gemacht, damit sie erst gar nicht süchtig oder gewalttätig werden oder sich einer Sekte anschließen. Weder Abschreckung – das weiß man aus den siebziger Jahren – noch reine Sachinformation erzielen den gewünschten Erfolg bei der jugendlichen Bewußtseinsbildung.

Die Aktion des Bundesministeriums war sicher gut gemeint – ich weiß es –, aber ich glaube nicht, daß sie wirklich jene Effizienz erreichen wird, die wir alle uns wünschen, denn Kopfwissen ist noch lange nicht Handlungswissen.


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