Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 50

11.30

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wurde gebeten, dem Hohen Haus über die Ergebnisse des außerordentlichen Europäischen Rates von Berlin zu berichten. Es war ein Gipfeltreffen, das unter dem Zeichen der tragischen Entwicklungen im Kosovo stand, der größten Katastrophe und Tragödie, die Europa seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat.

Was die Maßnahmen und Reformen innerhalb der Europäischen Union betrifft, so war dieses Gipfeltreffen ein Zeichen der Entschlossenheit und Geschlossenheit der Europäischen Union, um rasch interne Probleme zu lösen und Maßnahmen für die nötigen Reformen im Bereich der Agrarpolitik, der Strukturpolitik und des Finanzhaushaltes zu treffen.

Nach dem geschlossenen Rücktritt der Kommission unter Jacques Santer bestand für die Europäische Union durchaus die Gefahr einer institutionellen Krise. Durch die rasche Einigung auf Romano Prodi als designierten künftigen Kommissionspräsidenten noch am Vormittag des ersten Verhandlungstages konnte ein wichtiger Beitrag geleistet werden, diese Krise abzuwenden, zumal, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kompetenz und persönliche Integrität des ehemaligen italienischen Regierungschefs von allen Seiten anerkannt werden. Ich bin daher überzeugt davon, daß wir sehr rasch eine arbeitsfähige Kommission haben werden.

Romano Prodi soll noch im Mai unter Anwendung des Amsterdamer Verfahrens vom bestehenden Europäischen Parlament bestätigt werden und dann die Aufgabe übernehmen, in Gesprächen mit Vertretern der einzelnen Mitgliedsstaaten eine Kommission zusammenzustellen, die diesem Verfahren entsprechend möglichst rasch auch vom Europäischen Parlament bestätigt werden soll.

Wir haben versprochen, auf alle Fraktionen einzuwirken, daß diese Bestätigung der neuen Kommission nicht erst im Herbst oder Spätherbst, sondern möglichst früh im Sommer dieses Jahres erfolgen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle eine persönliche Bemerkung anschließen, weil die Kommission in letzter Zeit mit Pauschalverurteilungen konfrontiert war. Es ist durch den Rücktritt der gesamten Kommission die Verantwortung als Kollegialorgan wahrgenommen worden. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß es zahlreiche absolut integre Mitglieder der Kommission gibt, die sehr gute Arbeit für Europa geleistet haben. Ich bin froh, hier anmerken zu können, daß der Kommissar, den Österreich entsandt hat, zu dieser Gruppe der integren Kommissare gehört. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es wurde aber auch in Berlin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gelegenheit genutzt, um sehr klar – entsprechend den Initiativen, die bereits unter österreichischer Präsidentschaft gestartet wurden – auf eine neue Kultur der Transparenz, der Effizienz und der sauberen Finanzgebarung hinzuweisen und zu drängen. Natürlich werden dazu tiefgreifende Reformen notwendig sein. Ich habe selbst persönlich dazu einen Aktionsplan vorgelegt und auch Romano Prodi unsere Vorstellungen dazu erläutert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei diesem Europäischen Rat in Berlin sind auch diese Reformvorstellungen angesprochen worden, und ich persönlich kann mir vorstellen, daß es innerhalb der bestehenden Verträge, aber bei weitergehenden Reformvorschlägen – wenn notwendig – auch darüber hinaus bei der nächsten Regierungskonferenz zu wesentlichen Veränderungen kommt, zum Beispiel, daß zwecks Stärkung der demokratischen Kontrolle auch die Möglichkeit von Mißtrauensanträgen gegen einzelne Kommissare besteht, und viele andere Maßnahmen mehr.

Es sind durch dieses rasche Handeln des Europäischen Rates das Signal der Handlungsfähigkeit und das Bekenntnis zu einer effizienten Verwaltung der Mittel der Steuerzahler in Europa abgegeben worden – und das maßgeblich auf österreichische Initiative. Darauf können wir stolz sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)


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