Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 148

wollen erreichen, daß auch im Zuge des Nationalratswahlkampfes und der Wahlen im Oktober die Sicherheitspolitik diskutiert wird. Aber wir wollen aus liberaler Sicht erreichen, daß wir aufgrund von Fakten diskutieren.

Aber der Herr Bundeskanzler hat es heute nicht für wert befunden, einzelne Fragen zu beantworten, die ganz einfach mit Ja oder Nein zu beantworten sind und bei denen es zum Beispiel insbesondere auch darum geht, daß wir ihn gefragt haben, ob er es denn mit Artikel 23 f B-VG vereinbar sieht, daß Österreich auch bei friedensschaffenden Maßnahmen mitmacht – also bei Kampfeinsätzen in Regionen, wo noch ein Konflikt da ist und wo man den Konflikt beendet –, und nicht nur bei friedenssichernden Maßnahmen, an denen Österreich, wie Sie, Frau Abgeordnete Hlavac, richtig sagen, teilnimmt.

Der Herr Bundeskanzler hat es nicht für wert befunden, diese Frage konkret zu beantworten. Er hat uns auch nicht gesagt, ob das, was in den Erläuternden Bemerkungen zum bereits zitierten Antrag der Abgeordneten Kostelka und Khol betreffend Änderungen der österreichischen Bundesverfassung wegen des Amsterdamer Vertrages steht, auch der Rechtsauffassung der Bundesregierung entspricht, daß Kampfeinsätze auch ohne Beschluß des UN-Sicherheitsrates ausdrücklich ermöglicht werden. Er hat uns nicht gesagt, ob das die Rechtsauffassung der Bundesregierung ist.

Ich halte es für ein Sand-in-die-Augen-der-Menschen-Streuen, daß Sie nicht bereit sind, hier Antworten auf sehr sachliche juristische Fragen, Rechtsfragen zu geben, damit wir auf einem außer Streit gestellten Fundament einmal diskutieren können. Das tun Sie nicht, sondern Sie stellen sich her und sagen: Macht euch keine Sorgen, die Neutralität ist bei der SPÖ in guten Händen! Wir ändern zwar weiterhin die Verfassung und das Strafgesetzbuch, aber wir werden den Menschen weiter erzählen, so sagt die SPÖ, daß die Neutralität nicht geändert wird. – Wer’s glaubt, wird selig. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Schieder. Herr Abgeordneter, die Redezeit für Ihren Klub beträgt noch 9 Minuten; ich stelle daher diese Zeit ein. – Bitte.

17.36

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mich wundert es eigentlich, daß in einer solchen Debatte so vieles gesagt wird, was entweder – ich verwende nicht das Wort, das hier schon so oft verwendet wurde – falsch oder zumindest oberflächlich ist. Ich spreche jetzt nicht einmal das an, was vielleicht noch ein Gedankenfehler sein kann, etwa wenn Frau Abgeordnete Petrovic dem Bundeskanzler vorwirft, daß Österreich der Bestellung des "höchstrangigen Militärs der NATO" zum "Mr. GASP" zugestimmt hat. – Höchstrangig ist der Generalsekretär ja, aber Militär ist er wahrlich keiner. Das kann nur ein Gedankenfehler sein.

Ich spreche jetzt aber von der Tatsache, daß hier Dinge so dargestellt werden, wie sie nicht wirklich waren, und daß zum Beispiel hier der Eindruck erweckt wird, daß die Neutralität 1955 groß, klar und mächtig war, aber seit dieser Zeit nach und nach ein Stückchen abgebröckelt ist oder weggenommen wurde. (Abg. Scheibner: Mittel zum Zweck! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Genauso ist es!) – Genauso ist es nicht!

Würden Sie die Debatten, die in diesem Hause in den Jahren 1952, 1953, 1954 und 1955 geführt wurden, kennen, würden Sie sich den Beschluß anschauen, der zu diesem Gesetz geführt hat, würden Sie die diesbezüglichen Berichte, am klarsten dargestellt bei Stourzh "Geschichte des Staatsvertrages", mit den besten Anmerkungen versehen ab der zweiten Auflage, verfolgen, dann würden Sie sehen, daß am Anfang die Neutralität für die Politik Österreichs, die Bundesregierung, das Parlament in Wahrheit ein Synonym für die drei Dinge war, die wir heute als den Kern der Neutralität bezeichnen: die Nichtteilnahme am Krieg, das Nichtangehören zu einem militärischen Pakt und das Nichtzulassen von fremden Truppen auf unserem Territorium.

Erst später wurde eine Haltung eingenommen, die die Neutralität weit größer gemacht hat. Es sind Dinge dazugekommen, die man am Anfang nicht darunter verstanden hat, und es hat auch


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