Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 175. Sitzung / 244

Aber gehen wir kurz in die Geschichte ein! Ich fasse mich sehr kurz, das muß jedoch hier gesagt werden: In Österreich haben aus Tradition vor allem kleine und mittlere Betriebe mit wenig Eigenkapital begonnen, und sie wurden über die Inflation der letzten Jahrzehnte regelmäßig weiter entkapitalisiert, da im Regelfall die Kleinbetriebe nicht die Preissetzer sind und daher jeweils mit jeder Inflationsrate verloren haben. – Nun haben wir erstmals die Situation, daß es kaum eine beziehungsweise keine Inflation gibt.

Außerdem war ein so hoch fremdfinanzierter Bereich wie der Sektor der Klein- und Mittelbetriebe – Tourismus mit einbezogen – über Jahrzehnte mehr von der Höhe der Kreditzinsen betroffen als von der Höhe der Lohnerhöhungen. Es war eine bekannte stehende Formel der siebziger Jahre, daß 1 Prozent Lohnerhöhung die Wirtschaft weniger belastet als 1 Prozent Zinserhöhung. No na! In der Zwischenzeit haben wir die niedrigsten Zinsraten, und das wirft ein zentrales Problem der Mittelstands ... (Abg. Haigermoser: Das ist aber nicht Ihr Werk gewesen!) – Es ist das Werk jener Finanzminister und ihrer Mitarbeiter gewesen – ich war der Co-Finanzminister in diesem Fall –, die die Bedingungen für den Euro in Österreich herbeigeführt haben, sonst hätten wir als Nicht-Euroland die alten Zinssätze. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Warum sind denn die Schweizer Franken die günstigsten?)

Ich würde in diesem Plenum eine offene Antwort darauf nicht geben, weil ich niemanden in der Schweiz momentan in Diskussion ziehen möchte. Wenn man keinen Weltkrieg verloren hat, nie Kapitalvernichtung hatte und das Kapitalfluchtland der ganzen Welt ist, hatte man zeitweise sogar Negativzinsen. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) In Japan bestehen völlig andere Verhältnisse! Dort gibt es null Zinsen, es nimmt aber niemand mehr einen Kredit auf, weil sich die Wohlstandsindustrie auf die Staatsbürger nicht übertragen hat. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Von den Japanern nicht, von den Europäern selbstverständlich, um damit auf dem amerikanischen Markt reich zu werden!

Zum nächsten Punkt: Meine Damen und Herren, daher wird es ganz wichtig sein, daß wir uns in unserer Aufmerksamkeit weniger den Jungunternehmern widmen, die heute in Österreich ausreichend mit Eigenkapital finanziert sind und eine der höchsten Überlebensrate in Europa aufweisen – wie es ebenfalls im OECD-Bericht dargestellt wird –, sondern wir uns endlich um das Problem der Umfinanzierung kümmern, wie wir es modellhaft im Tourismusbereich schon begonnen haben und nunmehr auch über die BÜRGES im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe tun müssen.

Gerade unter Bedingungen niedriger Inflation ist es schwer möglich, durch Rekordgewinne – egal, wie man sie besteuert – Eigenkapital, das man nicht hat, aufzubauen. Man braucht da eine völlig andere Strategie. Ich habe das im Ausschuß erklärt. Ich wollte es hier im Plenum nur nachholen. Denn auch zum Beispiel die neuen Gewinnertragspapiere der BÜRGES, die Garantien, etwa 7 Milliarden Schilling im Tourismus, sind doch Ansätze, mit denen es sich leben läßt! (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Eine letzte Bemerkung: Wenn es uns gelänge, im Bereich Zahlungsverzug in diesem Land zumindest bei marktbeherrschenden Betrieben ernst zu machen, und wir dann nach der europäischen Schätzung etwa 50 Prozent an Insolvenzen mittelfristig verhindern könnten, trügen wir entscheidend zur Stabilisierung der Klein- und Mittelbetriebe bei. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 4 Minuten. – Bitte.

23.02

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe nur eine kurze Replik zum Mittelstandsbericht.

Zwei Themen erschienen mir interessant, so zum Beispiel die Sanierung. Wenn man aus dem Bericht herausliest, daß in letzter Zeit die Sanierung von bestehenden alten Gebäuden immer mehr in den Vordergrund tritt, dann kann man feststellen, daß das ein Vorteil gegenüber einer


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