Präsident Dr. Heinz Fischer:
Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Haider als erstem Fragesteller das Wort mit einer Redezeit von 40 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.16.02
Abgeordneter Dr. Jörg Haider
(Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben gestern am Abend bereits im Rahmen einer dringlichen Anfrage an den Wirtschaftsminister über die Probleme des österreichischen Arbeitsmarktes und die Strukturveränderungen in der heimischen Wirtschafts diskutiert und haben dabei zur Kenntnis genommen – ich möchte sagen: positiv zur Kenntnis genommen –, daß eigentlich in allen Fraktionen, insbesondere auch in der sozialdemokratischen Fraktion, eine gewisse Nachdenklichkeit über die jüngsten Ereignisse in der österreichischen Industrie und auf dem Arbeitsmarkt gegeben war.Kollege Marizzi hat zu Recht in seinen Darlegungen gesagt, es geht eigentlich nicht darum, rote, schwarze oder blaue Arbeitsplätze zu sichern, sondern es geht darum, rot-weiß-rote Arbeitsplätze in die Zukunft zu bringen. Das ist auch der Grund, Herr Bundeskanzler, warum wir uns heute an Sie wenden. Es kann und muß eigentlich ein gemeinsames Bestreben der Regierungsparteien wie auch der Opposition sein, in einer schwierigen Situation zu konkreten Maßnahmen zu kommen.
Die Arbeitslosigkeit steigt – gemessen an der Vorjahrsentwicklung – weiter. Wir haben eine immer höhere Sockelarbeitslosigkeit. Wir haben auch das Problem der wachsenden Jugendarbeitslosigkeit, wir haben eine Strukturproblematik in der heimischen Tourismuswirtschaft, die ja auch Gegenstand dieser Anfrage ist. Diesbezüglich ist die Stimmung sehr schlecht, die Beschäftigtenzahl nach wie vor für die Saison zu gering, weil zu wenig Gäste in Österreich sind, weil zum Teil gähnende Leere in den Lokalen, in den Hotels und Pensionen herrscht und weil wir immer wieder mit spektakulären Konkursen und Ausgleichen konfrontiert sind – zuletzt Maculan –, aber auch weil letztlich die nichterfüllten Hausaufgaben vor dem EU-Beitritt uns nun einholen, die Lebensmittelindustrie bereits 4 000 Arbeitsplätze verloren hat, die Textilindustrie tausende Arbeitsplätze verloren hat, renommierte Firmen wie Huber Trikot ins Ausland abgewandert sind, renommierte Textilunternehmungen in Ungarn produzieren und nicht mehr in Österreich, obwohl vor dem 12. Juni, vor dem EU-Beitritt von der Regierung ganz etwas anderes versprochen wurde.
Tausende Arbeitsplätze hängen aber zusätzlich in der Luft. Semperit ist nur ein Wort und steht für vieles. Daher kann es nicht so sein, daß jetzt eine gewisse Urlaubsstimmung hier im Parlament beziehungsweise in der Regierung ausbricht, wie eine Zeitung geschrieben hat: wegen Urlaub geschlossen, die Regierung ist nicht mehr erreichbar. Wir wollen verhindern, daß geschlossen wird, wir wollen Sie vielmehr einladen, Herr Bundeskanzler, über den Sommer aktiv zu sein und das jetzt umzusetzen, was Sie in Ihrer Regierungserklärung angekündigt haben: nämlich eine offensive Politik für die Stärkung von Wirtschaft und Arbeitsplätzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Wir wollen auch heute mit Ihnen eine Diskussion darüber führen, ob es wirklich sinnvoll ist, daß Sie bereits dasselbe machen, was alle EU-Länder zurzeit tun. In Österreich – das haben Sie uns bei einer dringlichen Anfrage vor wenigen Tagen ja gesagt – werden wir das Problem der Arbeitslosigkeit nicht allein bewältigen können. Das kann man nur auf EU-Ebene machen, haben Sie uns mitgeteilt. Sie werden bei der Regierungskonferenz in Florenz, haben Sie angekündigt, sich massiv für das Programm Santer zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa einsetzen. Die Regierungskonferenz in Florenz ging vorüber, das Santer-Programm wurde überhaupt nicht diskutiert. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes durchgefallen zwischen Rinderwahn und Verbrechensbekämpfung, und man hat auf der anderen Seite am nächsten Tag im Rahmen einer Europakonferenz aus dem Munde des italienischen Außenministers, der für die EU-Präsidentschaft Bericht erstattet hat, gehört, daß die Frage der Beschäftigungssicherung und des Kampfes um Arbeitsplätze in Europa im Zuge der Konferenz von Florenz versandet ist, wie sich Dini ausgedrückt hat. Versandet! Von einer Konferenz, an der Sie teilgenommen haben, von der Sie noch vorher hier im Parlament gesagt haben, Sie werden dieses Programm Santer massiv unterstützen, sagt Dini zwei Tage später, daß alles versandet sei, es sei leider nichts herausgekommen. (Abg. Mag. Stadler: Der Sandmann!)