Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 43. Sitzung / Seite 15

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Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung und Behandlung der bereits bekannt gegebenen Untersuchungausschuss-Debatte und -Abstimmung statt.

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Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

10.26

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr haben in Österreich Nationalratswahlen stattgefunden, was einige Kommentatoren dazu veranlasst hat, das letzte Jahr zu bewerten. In einem Kommentar eines Spitzenjournalisten im "Standard" (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP) wird Folgendes festgehalten – ich zitiere –:

Sicher, auch früher wurde in der Politik gemogelt und nicht jedes Versprechen gehalten. Aber mit der Täuschung der Wähler, mit der sich Schüssel im Februar 2000 zum Regierungschef machte, hat er eine Ära des politischen Falschspiels eröffnet, wie sie die Zweite Republik nie zuvor durchschritten hat, mit zarten Anklägen an die Erste. – Zitatende. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was hier beschrieben wird, wird eindrucksvoll bestätigt: nicht nur durch die heutige Rede des Bundeskanzlers, sondern auch durch das politische Klima, das in Österreich geschaffen wurde – ein politisches Klima, in dem der Finanzminister ungestraft behaupten kann (Abg. Haigermoser: "Ungestraft"?), dass zwei Drittel der Bevölkerung von seinen Belastungsbudgets nicht betroffen sind, obwohl er gerade mit über 20 verschiedenen steuerlichen Maßnahmen eben diese zwei Drittel ganz massiv belastet! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Was soll das heißen: "ungestraft"?)

In diesem Klima ist es offensichtlich auch möglich, dass der Kanzler und der Finanzminister noch immer steif und fest behaupten, es werde gespart, obwohl der Staat noch nie so viel Geld ausgegeben hat wie heute, weitere Ausgaben in Milliardenhöhe geplant sind und wir die höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte der Zweiten Republik haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Klima getrauen sich einzelne Regierungsvertreter noch immer, das Wort "Gerechtigkeit" in den Mund zu nehmen, obwohl die am stärksten betroffenen Opfer ihrer Politik die sozial Schwachen, die Arbeitslosen und die Unfallrentner sind. Das ist eine Verhöhnung der Betroffenen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist ungeheuerlich! Hören Sie doch auf mit den Schauermärchen!)

Es ist auch blanker Hohn, wenn zum Beispiel Herr Klubobmann Khol sein Verhältnis zur Wahrheit wie folgt definiert: "Wahrheit ist eine Tochter der Zeit." – Das wurde für jene, die dem nicht ganz zustimmen, von einem Spitzenjournalisten im "Kurier" wie folgt übersetzt: "Was interessiert mich morgen, was ich gestern gesagt habe?" – Das kennzeichnet Ihr Verhältnis zur Wahrheit, Herr Abgeordneter Khol! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Veränderungen im Sozialministerium finden nicht deswegen statt, weil die bisherige Ministerin völlig überfordert und unqualifiziert war. Wenn das der Grund dafür gewesen wäre, dann hätte sie bereits vor Monaten zurücktreten müssen. (Beifall bei der SPÖ.) Was hier stattfindet, ist ganz offensichtlich ein Ablenkungsmanöver von dem, was die FPÖ so schmerzlich hat erfahren müssen, nämlich die Rechnung der Wählerinnen und Wähler dafür, dass sie all ihre Wahrversprechen in den letzten acht Monaten gebrochen hat. Aber der neue Sozialminister ist hier keine Alternative, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Der neue Sozialminister hat sich damit gebrüstet, dass er dieses Paket der asozialen Treffsicherheit mitverhandelt hat, dass er die Sozialpolitik dieser Bundesregierung mitverhandelt hat. Das heißt, dass er, schon bevor er Sozialminister wurde, die Verantwortung für diesen sozialpolitischen Kahlschlag übernommen hat. Es geht nicht um den Austausch von Gesichtern, sondern


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