Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 159

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nicht als Bettelstudent vorgekommen. Was hat sich also geändert in den letzten 20 Jahren? Es müsste doch alles viel besser geworden sein!

Der Frauenanteil der Studierenden liegt derzeit bei 48 Prozent, im Jahre 2001 soll er über 50 Prozent betragen. Das heißt, dass der universitäre Bildungsgrad von Frauen und Männern zunehmend gleich ist. 83 Prozent aller schlecht bezahlten Teilzeitarbeit werden aber von Frauen geleistet. Im Schnitt verdienen außerdem die Frauen bei gleicher Qualifikation immer noch 20 Prozent weniger als die Männer, und das trifft auch die Akademikerinnen.

Oder: Unverblümt sagt eine Studie, Frauen hätten die Computerberufe verschlafen – denn 95 Prozent der Frauen bedienen zwar die Computer, aber nur ein Fünftel der Jobs in der boomenden und wirklich gut bezahlten Branche der Computerindustrie werden von Frauen besetzt.

Oder: Studierende haben im Mittel, so sagt der Bericht, zirka 10 000 S im Monat zur Verfügung. Das ist ja eine gute Summe; ich habe zu meiner Studienzeit, vor ungefähr 20 Jahren, nur 3 000 S zur Verfügung gehabt. (Abg. Dr. Martin Graf: Das muss kürzer her sein!) Aber ein Drittel dieser Mittel gehen für die Wohnkosten auf. Nach wie vor stammen 43 Prozent dieser Mittel aus dem familiären Umfeld, und über 50 Prozent der Studierenden müssen nebenbei arbeiten gehen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können, während sich die Studienbeihilfen aber an den so genannten Normalstudenten, so wie ich einer war, orientieren und nicht an den arbeitenden Studierenden.

Oder: Immer weniger Personen beginnen ihr Studium gleich nach der Matura. 21 Prozent der Studierenden leben in einer fixen Partnerschaft, 11,5 Prozent haben schon Kinder, 9 Prozent sind verheiratet. Diese Personengruppen haben eine dreifache Belastung: Sie müssen mit Beruf, Kind und ihrem Studium fertig werden. Verstärkt wird diese Situation dadurch, dass es mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt. Dadurch kommt es zu Verzögerungen beim Studium, und dadurch kommt es zu finanziellen Engpässen durch Wegfall der Studienbeihilfe.

Herr Minister! Versprechen wie "Schaffung von sozialer Gerechtigkeit" und "Bildung für alle", das ist die eine Seite, den Wandel der Zeit zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu setzen, das ist eine andere!

Allein ein Blick auf mein persönliches Studiengebiet, auf das Medizinstudium, spricht Bände: Österreich hatte im Jahre 1999 18 803 Studierende, Deutschland hatte 10 000 und die Schweiz hatte 615. Wien bildete im Jahre 1996 mit 664 fertigen Ärzten mehr Ärzte aus als alle drei Universitäten in Harvard, in Stanford und in L.A. gemeinsam. 3 500 Ärzte warten aber auf die Ausbildung, und ihr "Zwischenlagern" kostet uns insgesamt 1,5 Milliarden Schilling pro Jahr. Na ja, diese Ärzte fahren halt in der Zwischenzeit Taxi, während sie auf ihren Beruf warten.

Mit dieser Politik – genau mit dieser Politik! – wird der Student zu dem, was die "Salzburger Nachrichten" geschrieben haben, nämlich zum "Bettelstudenten", Herr Minister. Und laut "Bettelstudent" zu sagen: "Ich hab sie ja nur auf die Schulter geküsst", das ist ein bisschen zu wenig für den Studenten, denn dafür kassieren Sie berechtigterweise nicht nur den berühmten "Fächer im Gesicht", sondern auch, durch die Wahl vom 3. Oktober dokumentiert, eine ganz eindeutige Absage der Jugend für Ihre Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.07

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.07

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Der und die typische Studierende von heute ist untypisch. Wenn wir nämlich als typisch ein Bild hernehmen, das wir seit Jahren mehr oder weniger unbewusst mit uns herumtragen und das vielleicht auf Grund unserer eigenen Studienerfahrungen oder von Studierenden, die wir kennen, so ausschaut, dass man sagt: Na ja, das ist ein Durchschnittsmensch, ein junger Mensch, der anschließend an die Matura eine bestimmte Studienrichtung wählt, vorher, wenn es ein Mann


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