Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 65. Sitzung / Seite 37

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Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

14.01

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Sozialminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Sozialminister, ich würde mir erwarten, dass Sie dieser Debatte zuhören (Bundesminister Mag. Haupt steht neben der Regierungsbank und spricht mit einem seiner Mitarbeiter), weil ich glaube, dass es dabei um eine wichtige Sache geht, und da müssten Sie schon die Zeit finden, hier im Parlament nicht nur optisch anwesend zu sein, sondern auch dieser Diskussion zu folgen. (Beifall bei den Grünen.)

Schon allein Ihr Verhalten, dass Sie im Hintergrund Privatgespräche führen (Abg. Steibl: Fachgespräche!), zeigt ganz deutlich, wie egal es Ihnen ist, was mit kranken Menschen in Österreich geschieht.

Herr Abgeordneter Rasinger hat heute gefragt: Ja ist es denn unsozial, wenn – und ich erweitere jetzt seinen Satz und spreche ihn zu Ende – behinderte Menschen, die nicht in Arztpraxen gehen können, weil dort Stufen sind, und daher in eine Ambulanz gehen müssen, Gebühren zahlen müssen? – Darauf darf ich Ihnen, Herr Rasinger, die Antwort geben: Ja, es ist unsozial, wenn Sie diese Menschen zwingen, Ambulanzgebühren deshalb zu zahlen, weil Ärzte es verabsäumen, sich Arztpraxen zu suchen, die barrierefrei erreichbar sind! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ja, Herr Sozialminister, es ist unsozial, dass gehbehinderte Menschen Ambulanzgebühren zahlen müssen! Ja, Herr Sozialminister, es ist unsozial, dass psychisch und chronisch kranke Menschen Ambulanzgebühren zahlen müssen! Ja, Herr Sozialminister, es ist auch unsozial, dass Menschen deshalb, weil sie kein eigenes Verkehrsmittel haben und es keinen öffentlichen Verkehr in ausreichendem Maße gibt und weil sie zum Beispiel nicht 60 Kilometer in die nächste Facharztpraxis fahren können und daher in die Ambulanz des Krankenhauses gehen müssen, Ambulanzgebühr zahlen müssen! Ja, Herr Minister, das ist unsozial! (Beifall bei den Grünen.)

Ich könnte Ihnen noch eine ganze Reihe von Beispielen dafür aufzählen, wie unsozial Sie und diese Bundesregierung speziell jenen Menschen gegenüber sind, die nicht die gleichen Chancen haben wie Sie, meine Damen und Herren hier in diesem Hohen Haus, die Sie gesund und auch nicht behindert sind, die Sie nicht chronisch krank sind, die Sie nicht psychisch behindert sind. Nicht alle Menschen haben diesen Vorteil oder dieses Privileg, aber die Menschen, die dieses Glück nicht haben, bestrafen Sie auf das Brutalste, sehr geehrter Herr Minister.

Es wurde heute schon mehrmals gesagt: Es gibt ja auch andere Versicherungsanstalten, die sehr wohl einen Beitrag einheben. – Dazu darf ich Ihnen sagen: Ja, die gibt es, und die gibt es leider. Ich bin nicht damit einverstanden, dass ein Bediensteter in E-Position heute nur deshalb, weil er Beamter ist, Gebühren zahlen muss, wenn er in die Ambulatorien muss. Ich kann es mir leisten, dafür zu bezahlen, aber viele meiner Freundinnen und Freunde werden es sich in Zukunft nicht leisten können, eine Ambulanz aufzusuchen, weil sie schlicht und einfach das Geld dafür nicht haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie, Herr Minister, haben gesagt, Sie wollen keine Zwei-Klassen-Medizin. – Dazu muss ich Ihnen, Herr Minister, sagen: Sie haben bereits eine Zwei-Klassen-Medizin geschaffen, denn es ist eine Frage der finanziellen Gegebenheiten, welche Behandlung ich mir heute noch leisten kann und welche ich mir nicht mehr leisten kann. Die Zwei-Klassen-Medizin gibt es bereits, und Sie, Herr Sozialminister, sind dafür verantwortlich.

Herr Minister! Sie konnten heute im Ausschuss von einem hochrangigen Vertreter der ÖAR hören, dass nach wie vor 80 Prozent aller Ambulanzen nicht barrierefrei erreichbar sind. Sie lehnen seit Jahren meinen Antrag ab, in welchem ich fordere, alle Arztpraxen barrierefrei zu gestalten. Das alles ist für Sie kein Thema, Hauptsache, Sie bestrafen Menschen, weil sie krank sind. Das, meine Damen und Herren, ist wirklich ein unhaltbarer Zustand in Österreich!


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