Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 67. Sitzung / Seite 40

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Die ganze Talschaft, zum Beispiel die Zillertaler, führen Klage darüber, dass das Bezirksgericht Zell am Ziller abgeschafft wird. Ich hätte gerne Herrn Abgeordneten Brugger gefragt, was er dazu sagt, und zwar hier im Hohen Haus und nicht bei der Bevölkerung zu Hause, denn was er dort sagt, das weiß ich. Ich weiß auch, was Ihr Herr Parteivorsitzender in Tirol, der Herr Eberharter, vor Ort sagt. Er sagt: Natürlich darf Zell am Ziller nicht geschlossen werden. Er beruft sich dabei sogar auf den Herrn Bundesminister, der ihm versprochen habe, dieses Bezirksgericht nicht zuzusperren. Ich weiß nicht, ob das stimmt, Herr Bundesminister. Das ist das, was man sich im Zillertal erzählt. (Beifall bei der SPÖ.)

Abgesehen davon – weil Sie sagen, wir seien reformunwillig, Frau Abgeordnete Haller – bringe ich Ihnen ein Beispiel von Rechtsanwälten, auch von Richtern.

Es sagt zum Beispiel ein Anwalt: Sollte beispielsweise ein Bürger aus Tux, aus Ginzling, aus Brandberg, aus Gerlos zu einer Verhandlung oder Tagsatzung, die beispielsweise für 8 Uhr anberaumt ist, nach Schwaz kommen müssen, dann müsste er einen Tag früher anreisen, denn eine Zureise bis 8 Uhr ist nicht möglich. – So ist das! Das ist wie früher, 1848 – Sie, Herr Bundesminister, haben auch im Ausschuss davon gesprochen –, als man einen Tag Kutschenreise dafür aufwenden musste. Es ist ein Unterschied, ob ich in einer Großstadt wohne und in die U-Bahn, in die S-Bahn einsteige, oder ob ich mit dem Auto fahren muss, weil kein öffentliches Verkehrsmittel vorhanden ist! Und weil Sie, Herr Bundesminister, auch davon gesprochen haben, dass die Verkehrsdichte beziehungsweise das Verkehrsaufkommen in Österreich enorm sind, sage ich Ihnen: Diese Menschen, von denen ich rede, haben oft gar kein Auto.

Warum geht jemand zu Gericht? Sie sagen, der Österreicher geht vielleicht einmal in seinem Leben aufs Gericht. Ich frage Sie – ich kenne mich bald nicht mehr aus! –: Was ist mit all jenen, die sich scheiden lassen? Jede zweite, dritte Ehe in Österreich wird geschieden. Was ist mit all jenen, die über die Obsorge streiten? Diese Fälle werden vermehrt auftreten, das wurde uns von der gesamten Expertenschaft bestätigt. Durch dieses neue Obsorgerecht werden viel mehr Menschen bei den Bezirksgerichten landen, weil viel mehr Richterrecht entstehen wird. Das hat uns sogar der Familienrichter aus Bayern bestätigt.

Familienstreitigkeiten, Obsorgestreitigkeiten, Besuchsrechtsregelungen, Sachwalterschaftsangelegenheiten, im ländlichen Bereich Grundverkehrsangelegenheiten – alle diese Fälle landen beim Bezirksgericht! Und wenn in der Familie jemand stirbt, gibt es das Verlassenschaftsverfahren, und auch das wird am Bezirksgericht oder beim Notar zu erledigen sein.

Ich sage Ihnen, Herr Bundesminister: Zeigen Sie bei der Schließung der Bezirksgerichte Herz für jene Menschen, die es nicht so leicht haben, die vielleicht nicht über ein Auto verfügen, damit diese zumindest den gleichen Zugang zum Recht haben wie jene, die es ohnehin schon einfacher haben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kößl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.24

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Frau Kollegin Wurm, ich lese Ihnen jetzt etwas vor, und zwar aus einer Stellungnahme des Herrn Abgeordneten Kräuter zur Reform der Bezirksgerichte. Er verweist darauf, dass auch der Rechnungshof die Zusammenlegung von Bezirksgerichtsstellen empfehle. Es werde aus populistischen Gründen versucht, überholte Strukturen zu bewahren, klagt Kräuter, dadurch werde der Bevölkerung aber Schaden zugefügt, weil zu kleine Bezirksgerichte ineffizienter seien als größere Einheiten. – Ich sage Ihnen: Die SPÖ muss zuerst einmal innerhalb der Fraktion auf eine Linie kommen, und dann ist es richtig, wenn man sich hier zu Wort meldet.

Ich möchte aber ausdrücklich anmerken: Die Schließung oder Zusammenlegung von Bezirksgerichten ist sicher ein sehr sensibles und heikles Thema. Wir müssen uns alle dazu bekennen, dass es erforderlich ist, besonders in den öffentlichen Bereichen die Strukturen an die tatsäch


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