Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 83

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Viertens muss das Primärrecht der EU vereinfacht und gestrafft werden, die vielen einzelnen Verträge können nur noch von Spezialisten angewandt werden. Ich selbst bin EU-Rechtlerin und weiß aus leidvoller Erfahrung, wovon ich spreche.

Die Veränderungen in der Welt haben aber eine viel weiter reichende Debatte der EU über ihre Reformen notwendig gemacht, und wir sind auch schon mittendrin. Wir brauchen die Reformen, sie müssen aber von einer breiten Basis in der Bevölkerung getragen werden. Deswegen halte ich viel von einer Stärkung des Ausschusses der Regionen; da funktioniert die Zusammenarbeit am Puls der Bevölkerung.

Wir brauchen eine stärkere demokratische Legitimierung der Kommission. Der Vorschlag, den Kommissionspräsidenten künftig vom EU-Parlament wählen zu lassen, scheint mir sinnvoll zu sein, denn das würde auch die Kommission als solche stärken.

Die Unklarheiten in der Abgrenzung zwischen den drei Säulen der EU müssen reduziert werden, damit das Auftreten der EU viel einheitlicher wird. Das EU-Parlament muss deutlich mehr Kompetenzen erhalten. Ich freue mich auch, dass Bundeskanzler Schröder den österreichischen Vorschlag nach einer zweiten Kammer des Parlaments aufgegriffen hat. Der Diskussionsprozess läuft in ganz Europa.

Es muss eine Einigung über mehr Mehrheitsentscheidungen erzielt werden, aber nationale Interessen müssen berücksichtigt bleiben. So muss beispielsweise Österreich darauf dringen, dass auch in der Verkehrspolitik die Umweltanliegen verstärkt berücksichtigt werden.

Egal, wie tief gehend die Reformen sein mögen, unsere besondere europäische Vielfalt, die uns auszeichnet, muss erhalten bleiben und wo notwendig sogar gefördert werden. Die Union darf den Zentralismus nicht überbetonen und muss flexibel bleiben. Der Interessenausgleich zwischen kleinen und großen Mitgliedsländern muss auf faire Weise gewahrt sein, dann wird die Bevölkerung der gesamten Union und der Beitrittsländer dieses Projekt des Friedens, des Wohlstandes und der Solidarität begeistert mittragen.

Wir werden das im Rahmen einer EU-Enquete in diesem Parlament diskutieren, und Österreich wird sich beim Bau unseres Hauses Europa einbringen. Möge das Werk gelingen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

14.04

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Der Entwurf, die Architektur, der Bau und die Erweiterung des Hauses Europa sind die eine Seite, das Wohnen, das Leben, das Arbeiten, das Annehmen des Hauses Europa und der Erweiterung sind die andere Seite. Die Zukunft Europas und des erweiterten Europa wird es ohne Zustimmung der Bevölkerung nicht geben, beziehungsweise sie wird nicht funktionieren.

Warum sage ich das? – Die beträchtliche und zum Teil steigende Abwehrhaltung der Bevölkerung sowohl in den EU-Mitgliedstaaten als auch in den Beitrittsländern zur Europäischen Union reflektiert nicht nur deren Sorgen, sondern auch den Sachverhalt, dass der Einigungsprozess nach wie vor für bestimmte Personengruppen negative Folgen hat.

Zu dem Thema Europa der Regionen und das tatsächliche Erleben in diesem Europa der Regionen, Herr Bundeskanzler, möchte ich Ihnen einige Beispiel bringen, warum die Menschen vielleicht ihre Abwehrhaltung aufbauen.

Zur freien Arztwahl: Freie Arztwahl ist so lange gegeben, solange sich die Pendler – ich spreche jetzt von den Pendlern, die von Österreich nach Bayern pendeln – im aktiven Dienststand befinden, das heißt, ein aktives Dienstverhältnis haben. Ab dem Tag, ab dem sie in Pension gehen, ist die freie Arztwahl nicht mehr möglich. In einem gemeinsamen Haus Europa, so sagen


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